Einheit mehr oder minder ab, und die Lücke ist an sich fehlerhaft, weil sie nur mit eingebildetem ausgefüllt werden kann. (§. 205.) Jst aber die Vorstellung an sich richtig, aber wir sind uns ihrer Theile, Verbin- dung, Zusammenhang etc. nicht durchaus bewußt, so ist die Lücke eigentlich nur in unserm Bewußtseyn, und sie kann ausgefüllt werden, wenn wir die Vorstellung ausführlicher entwickeln, und uns der Entwicklung gleichsam Schritt für Schritt bewußt sind.
§. 214.
Man sieht nun leicht, daß dieses Schritt für Schritt gehen eigentlich dient, die Lücken in einer Vorstellung und in ihrem Bewußtseyn auszufinden, weil man, wo Lücken vorkommen, die sich nicht aus- füllen lassen, über dieselben springen, oder sie überspringen, oder neben umgehen müßte, um ganz auszukommen. Diese Lücken sind in der Vor- stellung selbst, so fern sie irrig ist, und der Sprung dabey, oder das Ueberspringen oder das Neben- umgehen ist ebenfalls fehlerhaft, weil es das Jrrige in der Vorstellung nicht aufhebt, und die Lücke nicht ausgefüllt werden kann, als in der bloßen Einbil- dung. (§. 205.)
§. 215.
Jst hingegen die Lücke nur in dem Bewußtseyn, so kann sie ausgefüllt werden, und man muß es thun, wenn man Schritt für Schritt gehen will. Denn eben dieses macht, daß man sie entdeckt, oder, daß man sich bewußt ist, daß eine Lücke da sey. Zuweilen kann man aus der Beschaffenheit der Vorstellung wissen, daß die Lücke sich mit realem ausfüllen lasse, und folglich die Einheit complet sey. Jn diesen Fäl- len läßt sich ein Sprung thun, in so fern man den Weg abkürzen, oder geschwinder durchkommen will.
§. 216.
N n 2
des Wahren und Jrrigen.
Einheit mehr oder minder ab, und die Luͤcke iſt an ſich fehlerhaft, weil ſie nur mit eingebildetem ausgefuͤllt werden kann. (§. 205.) Jſt aber die Vorſtellung an ſich richtig, aber wir ſind uns ihrer Theile, Verbin- dung, Zuſammenhang ꝛc. nicht durchaus bewußt, ſo iſt die Luͤcke eigentlich nur in unſerm Bewußtſeyn, und ſie kann ausgefuͤllt werden, wenn wir die Vorſtellung ausfuͤhrlicher entwickeln, und uns der Entwicklung gleichſam Schritt fuͤr Schritt bewußt ſind.
§. 214.
Man ſieht nun leicht, daß dieſes Schritt fuͤr Schritt gehen eigentlich dient, die Luͤcken in einer Vorſtellung und in ihrem Bewußtſeyn auszufinden, weil man, wo Luͤcken vorkommen, die ſich nicht aus- fuͤllen laſſen, uͤber dieſelben ſpringen, oder ſie uͤberſpringen, oder neben umgehen muͤßte, um ganz auszukommen. Dieſe Luͤcken ſind in der Vor- ſtellung ſelbſt, ſo fern ſie irrig iſt, und der Sprung dabey, oder das Ueberſpringen oder das Neben- umgehen iſt ebenfalls fehlerhaft, weil es das Jrrige in der Vorſtellung nicht aufhebt, und die Luͤcke nicht ausgefuͤllt werden kann, als in der bloßen Einbil- dung. (§. 205.)
§. 215.
Jſt hingegen die Luͤcke nur in dem Bewußtſeyn, ſo kann ſie ausgefuͤllt werden, und man muß es thun, wenn man Schritt fuͤr Schritt gehen will. Denn eben dieſes macht, daß man ſie entdeckt, oder, daß man ſich bewußt iſt, daß eine Luͤcke da ſey. Zuweilen kann man aus der Beſchaffenheit der Vorſtellung wiſſen, daß die Luͤcke ſich mit realem ausfuͤllen laſſe, und folglich die Einheit complet ſey. Jn dieſen Faͤl- len laͤßt ſich ein Sprung thun, in ſo fern man den Weg abkuͤrzen, oder geſchwinder durchkommen will.
§. 216.
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des Wahren und Jrrigen.
Einheit mehr oder minder ab, und die Luͤcke iſt an ſich
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werden kann. (§. 205.) Jſt aber die Vorſtellung
an ſich richtig, aber wir ſind uns ihrer Theile, Verbin-
dung, Zuſammenhang ꝛc. nicht durchaus bewußt, ſo
iſt die Luͤcke eigentlich nur in unſerm Bewußtſeyn, und
ſie kann ausgefuͤllt werden, wenn wir die Vorſtellung
ausfuͤhrlicher entwickeln, und uns der Entwicklung
gleichſam Schritt fuͤr Schritt bewußt ſind.
§. 214.
Man ſieht nun leicht, daß dieſes Schritt fuͤr
Schritt gehen eigentlich dient, die Luͤcken in einer
Vorſtellung und in ihrem Bewußtſeyn auszufinden,
weil man, wo Luͤcken vorkommen, die ſich nicht aus-
fuͤllen laſſen, uͤber dieſelben ſpringen, oder ſie
uͤberſpringen, oder neben umgehen muͤßte, um
ganz auszukommen. Dieſe Luͤcken ſind in der Vor-
ſtellung ſelbſt, ſo fern ſie irrig iſt, und der Sprung
dabey, oder das Ueberſpringen oder das Neben-
umgehen iſt ebenfalls fehlerhaft, weil es das Jrrige
in der Vorſtellung nicht aufhebt, und die Luͤcke nicht
ausgefuͤllt werden kann, als in der bloßen Einbil-
dung. (§. 205.)
§. 215.
Jſt hingegen die Luͤcke nur in dem Bewußtſeyn,
ſo kann ſie ausgefuͤllt werden, und man muß es thun,
wenn man Schritt fuͤr Schritt gehen will. Denn
eben dieſes macht, daß man ſie entdeckt, oder, daß
man ſich bewußt iſt, daß eine Luͤcke da ſey. Zuweilen
kann man aus der Beſchaffenheit der Vorſtellung
wiſſen, daß die Luͤcke ſich mit realem ausfuͤllen laſſe,
und folglich die Einheit complet ſey. Jn dieſen Faͤl-
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§. 216.
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/585>, abgerufen am 22.11.2024.
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