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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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V. Hauptstück.
ristisches, daß der Unterschied des Geschlechts dem Wort
angemerkt werden könnte, und die Sprachlehrer gebrau-
chen nicht nur die Endungen dieser Wörter, sondern auch
ihre Bedeutung, um die Regeln von dem Geschlechte
der Hauptworter, so gut es sich thun läßt, zu bestim-
men. Hingegen zeigt sich dieser Unterschied an den
Beywörtern und den Artikeln oder eigentlich so ge-
nannten Geschlechtswörtern, welche mehrentheils
dreyfach sind, und nach dem Geschlechte des Haupt-
worts gewählt werden müssen. Alles dieses ist sehr
willkührlich. Denn wäre der Unterschied der Geschlech-
ter etwas nothwendiges für die Sprache, so forderte die
Charakteristik, daß man es den Hauptwörtern selbst an-
sehen müßte, es seye, daß die Endungen oder andere
Sylben dazu gewidmet wären, und in so ferne wäre es
überflüßig, die Artikel und Beywörter dazu zu gebrau-
chen, um so mehr, da öfters die Hauptwörter ganz allein
vorkommen.

§. 184. Es ist nicht zu zweifeln, daß man, statt des
in den Sprachen wirklich vorkommenden Unterschieds
der Geschlechter, ungleich schicklichere hätte wählen kön-
nen. Die Dinge, so man durch Hauptwörter benennt,
lassen sich unstreitig in unzählig viele Classen und Gat-
tungen eintheilen, welche in ihren Namen durch Buch-
staben, Sylben, Endungen, etc. könnten angezeigt wer-
den, so wie im Deutschen die Abstracta dadurch noch
ziemlicher maßen kenntlich gemacht werden (§. 138.).
Bey den Namen der Arten von Thieren, Pflanzen, etc.
würde z. E. ein einiger Buchstab zureichen, um kenntlich
zu machen, zu welchem Theile des Naturreiches jedes
Hauptwort gehöre. Ein anderer Buchstab würde et-
wan die Hauptclasse anzeigen, und in Absicht auf die
Thiere, z. E. die kriechenden, vierfüßigen, Vögel, Fi-
sche etc. unterscheiden. Allein damit würde die Sprache
bedeutender, als daß man sie einem ganzen Volke über-

lassen

V. Hauptſtuͤck.
riſtiſches, daß der Unterſchied des Geſchlechts dem Wort
angemerkt werden koͤnnte, und die Sprachlehrer gebrau-
chen nicht nur die Endungen dieſer Woͤrter, ſondern auch
ihre Bedeutung, um die Regeln von dem Geſchlechte
der Hauptworter, ſo gut es ſich thun laͤßt, zu beſtim-
men. Hingegen zeigt ſich dieſer Unterſchied an den
Beywoͤrtern und den Artikeln oder eigentlich ſo ge-
nannten Geſchlechtswoͤrtern, welche mehrentheils
dreyfach ſind, und nach dem Geſchlechte des Haupt-
worts gewaͤhlt werden muͤſſen. Alles dieſes iſt ſehr
willkuͤhrlich. Denn waͤre der Unterſchied der Geſchlech-
ter etwas nothwendiges fuͤr die Sprache, ſo forderte die
Charakteriſtik, daß man es den Hauptwoͤrtern ſelbſt an-
ſehen muͤßte, es ſeye, daß die Endungen oder andere
Sylben dazu gewidmet waͤren, und in ſo ferne waͤre es
uͤberfluͤßig, die Artikel und Beywoͤrter dazu zu gebrau-
chen, um ſo mehr, da oͤfters die Hauptwoͤrter ganz allein
vorkommen.

§. 184. Es iſt nicht zu zweifeln, daß man, ſtatt des
in den Sprachen wirklich vorkommenden Unterſchieds
der Geſchlechter, ungleich ſchicklichere haͤtte waͤhlen koͤn-
nen. Die Dinge, ſo man durch Hauptwoͤrter benennt,
laſſen ſich unſtreitig in unzaͤhlig viele Claſſen und Gat-
tungen eintheilen, welche in ihren Namen durch Buch-
ſtaben, Sylben, Endungen, ꝛc. koͤnnten angezeigt wer-
den, ſo wie im Deutſchen die Abſtracta dadurch noch
ziemlicher maßen kenntlich gemacht werden (§. 138.).
Bey den Namen der Arten von Thieren, Pflanzen, ꝛc.
wuͤrde z. E. ein einiger Buchſtab zureichen, um kenntlich
zu machen, zu welchem Theile des Naturreiches jedes
Hauptwort gehoͤre. Ein anderer Buchſtab wuͤrde et-
wan die Hauptclaſſe anzeigen, und in Abſicht auf die
Thiere, z. E. die kriechenden, vierfuͤßigen, Voͤgel, Fi-
ſche ꝛc. unterſcheiden. Allein damit wuͤrde die Sprache
bedeutender, als daß man ſie einem ganzen Volke uͤber-

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[108/0114] V. Hauptſtuͤck. riſtiſches, daß der Unterſchied des Geſchlechts dem Wort angemerkt werden koͤnnte, und die Sprachlehrer gebrau- chen nicht nur die Endungen dieſer Woͤrter, ſondern auch ihre Bedeutung, um die Regeln von dem Geſchlechte der Hauptworter, ſo gut es ſich thun laͤßt, zu beſtim- men. Hingegen zeigt ſich dieſer Unterſchied an den Beywoͤrtern und den Artikeln oder eigentlich ſo ge- nannten Geſchlechtswoͤrtern, welche mehrentheils dreyfach ſind, und nach dem Geſchlechte des Haupt- worts gewaͤhlt werden muͤſſen. Alles dieſes iſt ſehr willkuͤhrlich. Denn waͤre der Unterſchied der Geſchlech- ter etwas nothwendiges fuͤr die Sprache, ſo forderte die Charakteriſtik, daß man es den Hauptwoͤrtern ſelbſt an- ſehen muͤßte, es ſeye, daß die Endungen oder andere Sylben dazu gewidmet waͤren, und in ſo ferne waͤre es uͤberfluͤßig, die Artikel und Beywoͤrter dazu zu gebrau- chen, um ſo mehr, da oͤfters die Hauptwoͤrter ganz allein vorkommen. §. 184. Es iſt nicht zu zweifeln, daß man, ſtatt des in den Sprachen wirklich vorkommenden Unterſchieds der Geſchlechter, ungleich ſchicklichere haͤtte waͤhlen koͤn- nen. Die Dinge, ſo man durch Hauptwoͤrter benennt, laſſen ſich unſtreitig in unzaͤhlig viele Claſſen und Gat- tungen eintheilen, welche in ihren Namen durch Buch- ſtaben, Sylben, Endungen, ꝛc. koͤnnten angezeigt wer- den, ſo wie im Deutſchen die Abſtracta dadurch noch ziemlicher maßen kenntlich gemacht werden (§. 138.). Bey den Namen der Arten von Thieren, Pflanzen, ꝛc. wuͤrde z. E. ein einiger Buchſtab zureichen, um kenntlich zu machen, zu welchem Theile des Naturreiches jedes Hauptwort gehoͤre. Ein anderer Buchſtab wuͤrde et- wan die Hauptclaſſe anzeigen, und in Abſicht auf die Thiere, z. E. die kriechenden, vierfuͤßigen, Voͤgel, Fi- ſche ꝛc. unterſcheiden. Allein damit wuͤrde die Sprache bedeutender, als daß man ſie einem ganzen Volke uͤber- laſſen

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/114>, abgerufen am 10.05.2024.