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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von dem sinnlichen Schein.
helle. Die Gewohnheit nützt die Lebhaftigkeit jeder Em-
findungen ab, und macht darauf unachtsam.

§. 48. Auf diese Art genauer bestimmt dient ange-
zogener Grundsatz zur Vergleichung der Empfindungen,
besonders aber ihrer Grade. Denn da wir zwar mit
den Sinnen die stärkern Unterschiede der Grade bemer-
ken können, so können wir doch die Verhältnisse dadurch
nicht genau bestimmen, und der einzige Fall, wo es an-
geht, ist, wenn die Grade gleich sind, und die Empfin-
dung zugleich geschieht. So z. E. man sieht zwey Ob-
jecte neben einander und gleich helle, so kann man aller-
dings den Schluß machen, ihre Helligkeit sey nicht,
oder wenigstens nicht merklich, verschieden, Man hört
zween Töne auf einmal, so wird das Ohr auch geringe
Unterschiede empfinden, und daher leicht urtheilen, ob sie
einstimmig sind.

§. 49. Sind aber die Empfindungen verschieden,
so läßt sich allerdings der Schluß machen, es müsse ent-
weder der Sinn oder der Eindruck oder beydes verschie-
den seyn. Wenn nicht beydes ist, so richtet sich die Em-
pfindung nach der Aenderung, so in dem Sinn, oder in
dem Eindrucke ist. Und es muß aus andern Gründen
entschieden werden, woran es liege? Die Aenderung,
so in dem Sinne vorgeht, breitet sich auf mehrere Ob-
jecte aus, und läßt sich daher in vielen Fällen beurthei-
len, wenn man bekannte Objecte zur Prüfung wählt.
Findet sich aber in dem Sinne keine Aenderung, so pro-
portionirt sich die Empfindung nach dem Eindrucke.
Und in diesen Fällen ist es gut, wenn man Mittel hat,
durch Aenderung des Objectes, seiner Lage etc. den Ein-
druck in gegebener Verhältniß stärker oder schwächer zu
machen, bis die Empfindung der Empfindung des an-
dern Objectes, so man zum Maaßstabe annimmt, gleich
wird. So z. E. wenn die Klarheit zweyer Objecte, die
ungleich weiß sind, zu vergleichen ist, so kann man auf

das
Q 3

Von dem ſinnlichen Schein.
helle. Die Gewohnheit nuͤtzt die Lebhaftigkeit jeder Em-
findungen ab, und macht darauf unachtſam.

§. 48. Auf dieſe Art genauer beſtimmt dient ange-
zogener Grundſatz zur Vergleichung der Empfindungen,
beſonders aber ihrer Grade. Denn da wir zwar mit
den Sinnen die ſtaͤrkern Unterſchiede der Grade bemer-
ken koͤnnen, ſo koͤnnen wir doch die Verhaͤltniſſe dadurch
nicht genau beſtimmen, und der einzige Fall, wo es an-
geht, iſt, wenn die Grade gleich ſind, und die Empfin-
dung zugleich geſchieht. So z. E. man ſieht zwey Ob-
jecte neben einander und gleich helle, ſo kann man aller-
dings den Schluß machen, ihre Helligkeit ſey nicht,
oder wenigſtens nicht merklich, verſchieden, Man hoͤrt
zween Toͤne auf einmal, ſo wird das Ohr auch geringe
Unterſchiede empfinden, und daher leicht urtheilen, ob ſie
einſtimmig ſind.

§. 49. Sind aber die Empfindungen verſchieden,
ſo laͤßt ſich allerdings der Schluß machen, es muͤſſe ent-
weder der Sinn oder der Eindruck oder beydes verſchie-
den ſeyn. Wenn nicht beydes iſt, ſo richtet ſich die Em-
pfindung nach der Aenderung, ſo in dem Sinn, oder in
dem Eindrucke iſt. Und es muß aus andern Gruͤnden
entſchieden werden, woran es liege? Die Aenderung,
ſo in dem Sinne vorgeht, breitet ſich auf mehrere Ob-
jecte aus, und laͤßt ſich daher in vielen Faͤllen beurthei-
len, wenn man bekannte Objecte zur Pruͤfung waͤhlt.
Findet ſich aber in dem Sinne keine Aenderung, ſo pro-
portionirt ſich die Empfindung nach dem Eindrucke.
Und in dieſen Faͤllen iſt es gut, wenn man Mittel hat,
durch Aenderung des Objectes, ſeiner Lage ꝛc. den Ein-
druck in gegebener Verhaͤltniß ſtaͤrker oder ſchwaͤcher zu
machen, bis die Empfindung der Empfindung des an-
dern Objectes, ſo man zum Maaßſtabe annimmt, gleich
wird. So z. E. wenn die Klarheit zweyer Objecte, die
ungleich weiß ſind, zu vergleichen iſt, ſo kann man auf

das
Q 3
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[245/0251] Von dem ſinnlichen Schein. helle. Die Gewohnheit nuͤtzt die Lebhaftigkeit jeder Em- findungen ab, und macht darauf unachtſam. §. 48. Auf dieſe Art genauer beſtimmt dient ange- zogener Grundſatz zur Vergleichung der Empfindungen, beſonders aber ihrer Grade. Denn da wir zwar mit den Sinnen die ſtaͤrkern Unterſchiede der Grade bemer- ken koͤnnen, ſo koͤnnen wir doch die Verhaͤltniſſe dadurch nicht genau beſtimmen, und der einzige Fall, wo es an- geht, iſt, wenn die Grade gleich ſind, und die Empfin- dung zugleich geſchieht. So z. E. man ſieht zwey Ob- jecte neben einander und gleich helle, ſo kann man aller- dings den Schluß machen, ihre Helligkeit ſey nicht, oder wenigſtens nicht merklich, verſchieden, Man hoͤrt zween Toͤne auf einmal, ſo wird das Ohr auch geringe Unterſchiede empfinden, und daher leicht urtheilen, ob ſie einſtimmig ſind. §. 49. Sind aber die Empfindungen verſchieden, ſo laͤßt ſich allerdings der Schluß machen, es muͤſſe ent- weder der Sinn oder der Eindruck oder beydes verſchie- den ſeyn. Wenn nicht beydes iſt, ſo richtet ſich die Em- pfindung nach der Aenderung, ſo in dem Sinn, oder in dem Eindrucke iſt. Und es muß aus andern Gruͤnden entſchieden werden, woran es liege? Die Aenderung, ſo in dem Sinne vorgeht, breitet ſich auf mehrere Ob- jecte aus, und laͤßt ſich daher in vielen Faͤllen beurthei- len, wenn man bekannte Objecte zur Pruͤfung waͤhlt. Findet ſich aber in dem Sinne keine Aenderung, ſo pro- portionirt ſich die Empfindung nach dem Eindrucke. Und in dieſen Faͤllen iſt es gut, wenn man Mittel hat, durch Aenderung des Objectes, ſeiner Lage ꝛc. den Ein- druck in gegebener Verhaͤltniß ſtaͤrker oder ſchwaͤcher zu machen, bis die Empfindung der Empfindung des an- dern Objectes, ſo man zum Maaßſtabe annimmt, gleich wird. So z. E. wenn die Klarheit zweyer Objecte, die ungleich weiß ſind, zu vergleichen iſt, ſo kann man auf das Q 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/251>, abgerufen am 24.11.2024.