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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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V. Hauptstück.
Ecken und Seiten der Würfel, welche macht, daß sie
leichter auf eine als auf die andere Seite fallen, die
Ungleichheit des Gepräges bey Münzen, die man auf-
wirft etc. Dieses vorausgesetzt, so ist die Theorie von
Berechnung der Grade der Wahrscheinlichkeit bey den
Glücksspielen von Huygens, Moivre, Bernoulli
und andern bereits auf Gründe gebracht, und auf ein-
zelne Fälle angewandt worden. Wir wollen aus der
Bernoullischen Ars coniectandi einer einzigen Aufgabe
Erwähnung thun. Man kann nämlich fragen, wie
ferne die bey den Glücksspielen, Loosen etc. angenomme-
ne gleiche Möglichkeit aller Fälle in der wirkli-
chen Welt statt haben könne, ohne daß man dabey ein
blindes Ungefähr voraussetze, zumal da die Folgen
der Glücksspiele und Loose im geringsten nicht gleichgül-
tig sind? Hierüber wollen wir folgendes anmerken.
Einmal giebt es die Erfahrung, daß bey Glücksspielen,
Loosen und Loterien der Erfolg sich nach der Lehre der
Wahrscheinlichkeit richtet, wenn man nicht einzelne Fäl-
le, sondern eine Menge derselben zusammen nimmt.
Man nehme z. E. eine Ziehungsliste von einer Loterie,
die aus 10000 oder 100000 Loosen besteht, und ver-
theile die Numeros tausendweise, man wird bey jeden
Tausenden eine ziemlich gleiche Anzahl von solchen fin-
den, die etwas gezogen haben. Es versteht sich für sich,
daß man dabey nicht auswählen, sondern jede Tausend
nach einem gleichen Gesetze nehmen müsse. Eben so,
wenn man eine gewisse Anzahl bezeichneter und unbe-
zeichneter Zettel durch einander mengt, jedes herausge-
zogene wiederum einlegt, und aufzeichnet, wie viele man
von jeder Art gezogen, so wird die Verhältniß zwi-
schen beyden Arten gezogener Zettel, der Ver-
hältniß der Eingelegten desto näher kommen,
je länger man zu ziehen fortfährt.
Dieses ist
nun, was Herr Bernoulli, mit Voraussetzung der glei-

chen

V. Hauptſtuͤck.
Ecken und Seiten der Wuͤrfel, welche macht, daß ſie
leichter auf eine als auf die andere Seite fallen, die
Ungleichheit des Gepraͤges bey Muͤnzen, die man auf-
wirft ꝛc. Dieſes vorausgeſetzt, ſo iſt die Theorie von
Berechnung der Grade der Wahrſcheinlichkeit bey den
Gluͤcksſpielen von Huygens, Moivre, Bernoulli
und andern bereits auf Gruͤnde gebracht, und auf ein-
zelne Faͤlle angewandt worden. Wir wollen aus der
Bernoulliſchen Ars coniectandi einer einzigen Aufgabe
Erwaͤhnung thun. Man kann naͤmlich fragen, wie
ferne die bey den Gluͤcksſpielen, Looſen ꝛc. angenomme-
ne gleiche Moͤglichkeit aller Faͤlle in der wirkli-
chen Welt ſtatt haben koͤnne, ohne daß man dabey ein
blindes Ungefaͤhr vorausſetze, zumal da die Folgen
der Gluͤcksſpiele und Looſe im geringſten nicht gleichguͤl-
tig ſind? Hieruͤber wollen wir folgendes anmerken.
Einmal giebt es die Erfahrung, daß bey Gluͤcksſpielen,
Looſen und Loterien der Erfolg ſich nach der Lehre der
Wahrſcheinlichkeit richtet, wenn man nicht einzelne Faͤl-
le, ſondern eine Menge derſelben zuſammen nimmt.
Man nehme z. E. eine Ziehungsliſte von einer Loterie,
die aus 10000 oder 100000 Looſen beſteht, und ver-
theile die Numeros tauſendweiſe, man wird bey jeden
Tauſenden eine ziemlich gleiche Anzahl von ſolchen fin-
den, die etwas gezogen haben. Es verſteht ſich fuͤr ſich,
daß man dabey nicht auswaͤhlen, ſondern jede Tauſend
nach einem gleichen Geſetze nehmen muͤſſe. Eben ſo,
wenn man eine gewiſſe Anzahl bezeichneter und unbe-
zeichneter Zettel durch einander mengt, jedes herausge-
zogene wiederum einlegt, und aufzeichnet, wie viele man
von jeder Art gezogen, ſo wird die Verhaͤltniß zwi-
ſchen beyden Arten gezogener Zettel, der Ver-
haͤltniß der Eingelegten deſto naͤher kommen,
je laͤnger man zu ziehen fortfaͤhrt.
Dieſes iſt
nun, was Herr Bernoulli, mit Vorausſetzung der glei-

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[322/0328] V. Hauptſtuͤck. Ecken und Seiten der Wuͤrfel, welche macht, daß ſie leichter auf eine als auf die andere Seite fallen, die Ungleichheit des Gepraͤges bey Muͤnzen, die man auf- wirft ꝛc. Dieſes vorausgeſetzt, ſo iſt die Theorie von Berechnung der Grade der Wahrſcheinlichkeit bey den Gluͤcksſpielen von Huygens, Moivre, Bernoulli und andern bereits auf Gruͤnde gebracht, und auf ein- zelne Faͤlle angewandt worden. Wir wollen aus der Bernoulliſchen Ars coniectandi einer einzigen Aufgabe Erwaͤhnung thun. Man kann naͤmlich fragen, wie ferne die bey den Gluͤcksſpielen, Looſen ꝛc. angenomme- ne gleiche Moͤglichkeit aller Faͤlle in der wirkli- chen Welt ſtatt haben koͤnne, ohne daß man dabey ein blindes Ungefaͤhr vorausſetze, zumal da die Folgen der Gluͤcksſpiele und Looſe im geringſten nicht gleichguͤl- tig ſind? Hieruͤber wollen wir folgendes anmerken. Einmal giebt es die Erfahrung, daß bey Gluͤcksſpielen, Looſen und Loterien der Erfolg ſich nach der Lehre der Wahrſcheinlichkeit richtet, wenn man nicht einzelne Faͤl- le, ſondern eine Menge derſelben zuſammen nimmt. Man nehme z. E. eine Ziehungsliſte von einer Loterie, die aus 10000 oder 100000 Looſen beſteht, und ver- theile die Numeros tauſendweiſe, man wird bey jeden Tauſenden eine ziemlich gleiche Anzahl von ſolchen fin- den, die etwas gezogen haben. Es verſteht ſich fuͤr ſich, daß man dabey nicht auswaͤhlen, ſondern jede Tauſend nach einem gleichen Geſetze nehmen muͤſſe. Eben ſo, wenn man eine gewiſſe Anzahl bezeichneter und unbe- zeichneter Zettel durch einander mengt, jedes herausge- zogene wiederum einlegt, und aufzeichnet, wie viele man von jeder Art gezogen, ſo wird die Verhaͤltniß zwi- ſchen beyden Arten gezogener Zettel, der Ver- haͤltniß der Eingelegten deſto naͤher kommen, je laͤnger man zu ziehen fortfaͤhrt. Dieſes iſt nun, was Herr Bernoulli, mit Vorausſetzung der glei- chen

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/328>, abgerufen am 24.11.2024.