Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Wahrscheinlichen.
hen. Die Begriffe C, D, E, F, etc. sind eben so viele
Merkmale von B, und lassen sich daher zusammenge-
nommen als einen zusammengesetzten Begriff M anse-
hen. Auf diese Art haben wir statt so vieler Schluß-
reden eine einige

B ist M.
A ist B.
A ist M.

worinn nicht der Schlußsatz, sondern der Untersatz zu
beweisen ist. Dieses geht nun nicht anders als mit
Umkehrung des Obersatzes an. Denn so haben wir
den Schluß

M ist B.
A ist M.
A ist B.

in welchem nun die Wahrheit des Schlußsatzes schlecht-
hin von der Wahrheit des Obersatzes abhängt. Man
sieht demnach, daß man sich begnügen kann, von den
Begriffen oder Merkmalen C, D, E, F, etc. so viele zu-
sammen zu nehmen, bis der Satz: B ist M, allgemein
umgekehrt werden kann, und daß es demnach nicht
auf die Menge, sondern auf die Beschaffenheit
der Begriffe
C, D, E, F, etc. ankömmt, wenn man
statt bloßer Wahrscheinlichkeiten eine Gewiß-
heit herausbringen will.
Jn der That kann öfters
unter diesen Begriffen ein einiger zu der Gewißheit hin-
reichend seyn, wenn er ein eigenes Merkmal von B ist.
Das in der Dianoiologie wegen seiner Kürze und Faß-
lichkeit mehrmalen angeführte Beyspiel von der Run-
dung der Erde mag auch hier zur Erläuterung dienen.
Denn nimmt man an, die Erde sey eine Kugel, so läßt
sich die ganze mathematische Geographie und Hydro-
graphie daraus herleiten, und die Erfahrung wird den
Folgen nicht widersprechen. Allein mit allen diesen Fol-

gen

Von dem Wahrſcheinlichen.
hen. Die Begriffe C, D, E, F, ꝛc. ſind eben ſo viele
Merkmale von B, und laſſen ſich daher zuſammenge-
nommen als einen zuſammengeſetzten Begriff M anſe-
hen. Auf dieſe Art haben wir ſtatt ſo vieler Schluß-
reden eine einige

B iſt M.
A iſt B.
A iſt M.

worinn nicht der Schlußſatz, ſondern der Unterſatz zu
beweiſen iſt. Dieſes geht nun nicht anders als mit
Umkehrung des Oberſatzes an. Denn ſo haben wir
den Schluß

M iſt B.
A iſt M.
A iſt B.

in welchem nun die Wahrheit des Schlußſatzes ſchlecht-
hin von der Wahrheit des Oberſatzes abhaͤngt. Man
ſieht demnach, daß man ſich begnuͤgen kann, von den
Begriffen oder Merkmalen C, D, E, F, ꝛc. ſo viele zu-
ſammen zu nehmen, bis der Satz: B iſt M, allgemein
umgekehrt werden kann, und daß es demnach nicht
auf die Menge, ſondern auf die Beſchaffenheit
der Begriffe
C, D, E, F, ꝛc. ankoͤmmt, wenn man
ſtatt bloßer Wahrſcheinlichkeiten eine Gewiß-
heit herausbringen will.
Jn der That kann oͤfters
unter dieſen Begriffen ein einiger zu der Gewißheit hin-
reichend ſeyn, wenn er ein eigenes Merkmal von B iſt.
Das in der Dianoiologie wegen ſeiner Kuͤrze und Faß-
lichkeit mehrmalen angefuͤhrte Beyſpiel von der Run-
dung der Erde mag auch hier zur Erlaͤuterung dienen.
Denn nimmt man an, die Erde ſey eine Kugel, ſo laͤßt
ſich die ganze mathematiſche Geographie und Hydro-
graphie daraus herleiten, und die Erfahrung wird den
Folgen nicht widerſprechen. Allein mit allen dieſen Fol-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0341" n="335"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Wahr&#x017F;cheinlichen.</hi></fw><lb/>
hen. Die Begriffe <hi rendition="#aq">C, D, E, F,</hi> &#xA75B;c. &#x017F;ind eben &#x017F;o viele<lb/>
Merkmale von <hi rendition="#aq">B,</hi> und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich daher zu&#x017F;ammenge-<lb/>
nommen als einen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Begriff <hi rendition="#aq">M</hi> an&#x017F;e-<lb/>
hen. Auf die&#x017F;e Art haben wir &#x017F;tatt &#x017F;o vieler Schluß-<lb/>
reden eine einige</p><lb/>
          <list>
            <item><hi rendition="#aq">B</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">M.</hi></item><lb/>
            <item><hi rendition="#aq">A</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">B.</hi></item><lb/>
            <item><hi rendition="#aq">A</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">M.</hi></item>
          </list><lb/>
          <p>worinn nicht der Schluß&#x017F;atz, &#x017F;ondern der Unter&#x017F;atz zu<lb/>
bewei&#x017F;en i&#x017F;t. Die&#x017F;es geht nun nicht anders als mit<lb/>
Umkehrung des Ober&#x017F;atzes an. Denn &#x017F;o haben wir<lb/>
den Schluß</p><lb/>
          <list>
            <item><hi rendition="#aq">M</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">B.</hi></item><lb/>
            <item><hi rendition="#aq">A</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">M.</hi></item><lb/>
            <item><hi rendition="#aq">A</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">B.</hi></item>
          </list><lb/>
          <p>in welchem nun die Wahrheit des Schluß&#x017F;atzes &#x017F;chlecht-<lb/>
hin von der Wahrheit des Ober&#x017F;atzes abha&#x0364;ngt. Man<lb/>
&#x017F;ieht demnach, daß man &#x017F;ich begnu&#x0364;gen kann, von den<lb/>
Begriffen oder Merkmalen <hi rendition="#aq">C, D, E, F,</hi> &#xA75B;c. &#x017F;o viele zu-<lb/>
&#x017F;ammen zu nehmen, bis der Satz: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">B</hi></hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">M,</hi></hi> allgemein<lb/>
umgekehrt werden kann, und <hi rendition="#fr">daß es demnach nicht<lb/>
auf die Menge, &#x017F;ondern auf die Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
der Begriffe</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">C, D, E, F,</hi></hi> &#xA75B;c. <hi rendition="#fr">anko&#x0364;mmt, wenn man<lb/>
&#x017F;tatt bloßer Wahr&#x017F;cheinlichkeiten eine Gewiß-<lb/>
heit herausbringen will.</hi> Jn der That kann o&#x0364;fters<lb/>
unter die&#x017F;en Begriffen ein einiger zu der Gewißheit hin-<lb/>
reichend &#x017F;eyn, wenn er ein eigenes Merkmal von <hi rendition="#aq">B</hi> i&#x017F;t.<lb/>
Das in der Dianoiologie wegen &#x017F;einer Ku&#x0364;rze und Faß-<lb/>
lichkeit mehrmalen angefu&#x0364;hrte Bey&#x017F;piel von der Run-<lb/>
dung der Erde mag auch hier zur Erla&#x0364;uterung dienen.<lb/>
Denn nimmt man an, die Erde &#x017F;ey eine Kugel, &#x017F;o la&#x0364;ßt<lb/>
&#x017F;ich die ganze mathemati&#x017F;che Geographie und Hydro-<lb/>
graphie daraus herleiten, und die Erfahrung wird den<lb/>
Folgen nicht wider&#x017F;prechen. Allein mit allen die&#x017F;en Fol-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0341] Von dem Wahrſcheinlichen. hen. Die Begriffe C, D, E, F, ꝛc. ſind eben ſo viele Merkmale von B, und laſſen ſich daher zuſammenge- nommen als einen zuſammengeſetzten Begriff M anſe- hen. Auf dieſe Art haben wir ſtatt ſo vieler Schluß- reden eine einige B iſt M. A iſt B. A iſt M. worinn nicht der Schlußſatz, ſondern der Unterſatz zu beweiſen iſt. Dieſes geht nun nicht anders als mit Umkehrung des Oberſatzes an. Denn ſo haben wir den Schluß M iſt B. A iſt M. A iſt B. in welchem nun die Wahrheit des Schlußſatzes ſchlecht- hin von der Wahrheit des Oberſatzes abhaͤngt. Man ſieht demnach, daß man ſich begnuͤgen kann, von den Begriffen oder Merkmalen C, D, E, F, ꝛc. ſo viele zu- ſammen zu nehmen, bis der Satz: B iſt M, allgemein umgekehrt werden kann, und daß es demnach nicht auf die Menge, ſondern auf die Beſchaffenheit der Begriffe C, D, E, F, ꝛc. ankoͤmmt, wenn man ſtatt bloßer Wahrſcheinlichkeiten eine Gewiß- heit herausbringen will. Jn der That kann oͤfters unter dieſen Begriffen ein einiger zu der Gewißheit hin- reichend ſeyn, wenn er ein eigenes Merkmal von B iſt. Das in der Dianoiologie wegen ſeiner Kuͤrze und Faß- lichkeit mehrmalen angefuͤhrte Beyſpiel von der Run- dung der Erde mag auch hier zur Erlaͤuterung dienen. Denn nimmt man an, die Erde ſey eine Kugel, ſo laͤßt ſich die ganze mathematiſche Geographie und Hydro- graphie daraus herleiten, und die Erfahrung wird den Folgen nicht widerſprechen. Allein mit allen dieſen Fol- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/341
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/341>, abgerufen am 24.11.2024.