nigen auf ganze Arten zu schließen, kömmt vor, so fern man den (§. 232. 247.) angeführten Grundsatz vom Be- harrungsstande anwenden kann. So fern man auf diese Art allgemeine Begriffe und Sätze findet, läßt sich die geometrische Methode dabey anwenden, weil allgemeine Begriffe und Sätze zu Schlüssen erfordert werden.
§. 253. Jn Ansehung der Handlungen geben uns die Sinnen nur das Physische davon zu erkennen. Wenn wir demnach ihre Moralität betrachten, und sie von da her benennen wollen: so muß die Absicht, welche eigentlich die Moralität ausmacht, und nicht in die Sinnen fällt, auf eine andere Art gefunden werden. Nun sollen wir bey unsern eigenen Handlungen uns we- nigstens derjenigen Absicht bewußt seyn, die wir uns dabey klar oder deutlich vorstellen. Und diese geht or- dentlich auf das, wozu wir die Handlung als ein Mit- tel gebrauchen, sie mag nun das Mittel seyn oder nicht. Ob aber die Absicht immer der erste Anlaß und An- trieb zur Handlung sey, ist eine andere Frage, weil es verborgenere Triebfedern zu Handlungen giebt. Bey den Handlungen anderer ist die Bestimmung der Ab- sichten schwerer. Sie läßt sich weder aus dem Sicht- baren der Handlung, noch aus dem Erfolge so schlecht- hin bestimmen, und von denen, die eine Handlung be- gehen, können wir die Absicht, die sie dabey hatten, so ferne wissen, als sie selbst sich dieselbe klar vorstellten, und sie uns aufrichtig entdecken (§. 107. 108. 113.). Jn- dessen giebt es allerdings Fälle, wo sich bey Handlun- gen die Absichten leicht abzählen lassen, und wo man folglich mit Zuziehung der übrigen Umstände auf die wahre oder wirkliche schließen kann, besonders wenn man nur auf die nächste oder unmittelbare Absicht sieht. Denn diese ist öfters auf die einzige mögliche einge- schränkt. Man sieht leicht, daß die Gewißheit und die
Grade
V. Hauptſtuͤck.
nigen auf ganze Arten zu ſchließen, koͤmmt vor, ſo fern man den (§. 232. 247.) angefuͤhrten Grundſatz vom Be- harrungsſtande anwenden kann. So fern man auf dieſe Art allgemeine Begriffe und Saͤtze findet, laͤßt ſich die geometriſche Methode dabey anwenden, weil allgemeine Begriffe und Saͤtze zu Schluͤſſen erfordert werden.
§. 253. Jn Anſehung der Handlungen geben uns die Sinnen nur das Phyſiſche davon zu erkennen. Wenn wir demnach ihre Moralitaͤt betrachten, und ſie von da her benennen wollen: ſo muß die Abſicht, welche eigentlich die Moralitaͤt ausmacht, und nicht in die Sinnen faͤllt, auf eine andere Art gefunden werden. Nun ſollen wir bey unſern eigenen Handlungen uns we- nigſtens derjenigen Abſicht bewußt ſeyn, die wir uns dabey klar oder deutlich vorſtellen. Und dieſe geht or- dentlich auf das, wozu wir die Handlung als ein Mit- tel gebrauchen, ſie mag nun das Mittel ſeyn oder nicht. Ob aber die Abſicht immer der erſte Anlaß und An- trieb zur Handlung ſey, iſt eine andere Frage, weil es verborgenere Triebfedern zu Handlungen giebt. Bey den Handlungen anderer iſt die Beſtimmung der Ab- ſichten ſchwerer. Sie laͤßt ſich weder aus dem Sicht- baren der Handlung, noch aus dem Erfolge ſo ſchlecht- hin beſtimmen, und von denen, die eine Handlung be- gehen, koͤnnen wir die Abſicht, die ſie dabey hatten, ſo ferne wiſſen, als ſie ſelbſt ſich dieſelbe klar vorſtellten, und ſie uns aufrichtig entdecken (§. 107. 108. 113.). Jn- deſſen giebt es allerdings Faͤlle, wo ſich bey Handlun- gen die Abſichten leicht abzaͤhlen laſſen, und wo man folglich mit Zuziehung der uͤbrigen Umſtaͤnde auf die wahre oder wirkliche ſchließen kann, beſonders wenn man nur auf die naͤchſte oder unmittelbare Abſicht ſieht. Denn dieſe iſt oͤfters auf die einzige moͤgliche einge- ſchraͤnkt. Man ſieht leicht, daß die Gewißheit und die
Grade
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V. Hauptſtuͤck.
nigen auf ganze Arten zu ſchließen, koͤmmt vor, ſo fern
man den (§. 232. 247.) angefuͤhrten Grundſatz vom Be-
harrungsſtande anwenden kann. So fern man auf
dieſe Art allgemeine Begriffe und Saͤtze findet, laͤßt
ſich die geometriſche Methode dabey anwenden, weil
allgemeine Begriffe und Saͤtze zu Schluͤſſen erfordert
werden.
§. 253. Jn Anſehung der Handlungen geben uns
die Sinnen nur das Phyſiſche davon zu erkennen.
Wenn wir demnach ihre Moralitaͤt betrachten, und ſie
von da her benennen wollen: ſo muß die Abſicht,
welche eigentlich die Moralitaͤt ausmacht, und nicht in
die Sinnen faͤllt, auf eine andere Art gefunden werden.
Nun ſollen wir bey unſern eigenen Handlungen uns we-
nigſtens derjenigen Abſicht bewußt ſeyn, die wir uns
dabey klar oder deutlich vorſtellen. Und dieſe geht or-
dentlich auf das, wozu wir die Handlung als ein Mit-
tel gebrauchen, ſie mag nun das Mittel ſeyn oder nicht.
Ob aber die Abſicht immer der erſte Anlaß und An-
trieb zur Handlung ſey, iſt eine andere Frage, weil es
verborgenere Triebfedern zu Handlungen giebt. Bey
den Handlungen anderer iſt die Beſtimmung der Ab-
ſichten ſchwerer. Sie laͤßt ſich weder aus dem Sicht-
baren der Handlung, noch aus dem Erfolge ſo ſchlecht-
hin beſtimmen, und von denen, die eine Handlung be-
gehen, koͤnnen wir die Abſicht, die ſie dabey hatten, ſo
ferne wiſſen, als ſie ſelbſt ſich dieſelbe klar vorſtellten,
und ſie uns aufrichtig entdecken (§. 107. 108. 113.). Jn-
deſſen giebt es allerdings Faͤlle, wo ſich bey Handlun-
gen die Abſichten leicht abzaͤhlen laſſen, und wo man
folglich mit Zuziehung der uͤbrigen Umſtaͤnde auf die
wahre oder wirkliche ſchließen kann, beſonders wenn
man nur auf die naͤchſte oder unmittelbare Abſicht ſieht.
Denn dieſe iſt oͤfters auf die einzige moͤgliche einge-
ſchraͤnkt. Man ſieht leicht, daß die Gewißheit und die
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/416>, abgerufen am 21.11.2024.
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