Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.V. Hauptstück. ist der Mangel desselben ein Grund mit, warum sich inunsere Erkenntniß Jrriges und Ungewißscheinendes ein- schleicht, und warum man die Gewißheit als eine sehr mißliche Sache ansieht, weil man gar zu leicht in den oben schon (§. 219. 247.) angemerkten Fehler fällt, und das Gewisse mit dem Ungewissen vermengt. An sol- chen Fällen, wo diese Einheit wirklich statt hat, ist eben kein Mangel. Die Schwierigkeit liegt nur darinn, daß wir es in jedem einzeln Fall auf das Empfinden selbst müssen ankommen lassen, weil die Gewißheit in- dividual ist (§. 247.). Denn sie ist an Person und Zeit und Materie gebunden. §. 262. So fern wir in Vorstellungen und Empfin- §. 263. Wir können nun auf die oben (§. 249.) vor- 1. So fern man sie der geometrischen, die aus De- monstrationen herrührt (§. cit.), entgegensetzt, so ist sie dem Ursprung nach davon verschieden, weil sie
V. Hauptſtuͤck. iſt der Mangel deſſelben ein Grund mit, warum ſich inunſere Erkenntniß Jrriges und Ungewißſcheinendes ein- ſchleicht, und warum man die Gewißheit als eine ſehr mißliche Sache anſieht, weil man gar zu leicht in den oben ſchon (§. 219. 247.) angemerkten Fehler faͤllt, und das Gewiſſe mit dem Ungewiſſen vermengt. An ſol- chen Faͤllen, wo dieſe Einheit wirklich ſtatt hat, iſt eben kein Mangel. Die Schwierigkeit liegt nur darinn, daß wir es in jedem einzeln Fall auf das Empfinden ſelbſt muͤſſen ankommen laſſen, weil die Gewißheit in- dividual iſt (§. 247.). Denn ſie iſt an Perſon und Zeit und Materie gebunden. §. 262. So fern wir in Vorſtellungen und Empfin- §. 263. Wir koͤnnen nun auf die oben (§. 249.) vor- 1. So fern man ſie der geometriſchen, die aus De- monſtrationen herruͤhrt (§. cit.), entgegenſetzt, ſo iſt ſie dem Urſprung nach davon verſchieden, weil ſie
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V. Hauptſtuͤck.
iſt der Mangel deſſelben ein Grund mit, warum ſich in
unſere Erkenntniß Jrriges und Ungewißſcheinendes ein-
ſchleicht, und warum man die Gewißheit als eine ſehr
mißliche Sache anſieht, weil man gar zu leicht in den
oben ſchon (§. 219. 247.) angemerkten Fehler faͤllt, und
das Gewiſſe mit dem Ungewiſſen vermengt. An ſol-
chen Faͤllen, wo dieſe Einheit wirklich ſtatt hat, iſt eben
kein Mangel. Die Schwierigkeit liegt nur darinn,
daß wir es in jedem einzeln Fall auf das Empfinden
ſelbſt muͤſſen ankommen laſſen, weil die Gewißheit in-
dividual iſt (§. 247.). Denn ſie iſt an Perſon und Zeit
und Materie gebunden.
§. 262. So fern wir in Vorſtellungen und Empfin-
dungen, die weitlaͤuftiger ſind, die Gewißheit durchaus
erhalten wollen, ſo hat dieſelbe drey Dimenſionen.
1. Die Staͤrke des Bewußtſeyns, und dieſe muß durch-
aus = 1 ſeyn. 2. Die Ausdehnung deſſelben, und
dieſes muß ſich auf jede Theile erſtrecken, um Wider-
ſpruͤche und Luͤcken zu vermeiden. 3. Die Dauer;
und da muß die Staͤrke fortwaͤhren, bis alle Theile
durchgedacht ſind. Von dieſen dreyen Dimenſionen
gehoͤrt die erſte und dritte ſchlechthin zu dem ſubjectiven
Theile der Gewißheit, weil auch die Hinderniſſe (§. 260.)
ſubjectiv ſind. Hingegen geht die zweyte oder die Aus-
dehnung der Aufmerkſamkeit auf die Sache ſelbſt, ſo
fern die Vorſtellung wahr und vollſtaͤndig ſeyn ſoll.
Wir haben ſie daher in der Alethiologie (§. 204—221.)
beſonders betrachtet.
§. 263. Wir koͤnnen nun auf die oben (§. 249.) vor-
gelegte Frage, was moraliſche Gewißheit ſey, folgendes
antworten:
1. So fern man ſie der geometriſchen, die aus De-
monſtrationen herruͤhrt (§. cit.), entgegenſetzt, ſo
iſt ſie dem Urſprung nach davon verſchieden, weil
ſie
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