§. 286. Da wir ferners hier nur das Allgemeine des Scheins betrachten, so können wir uns auch nicht mit der besondern Theorie jeder dieser Theile aufhalten, als welche Stoff zu eben so vielen besondern Wissenschaften und Kün- sten geben, und auch theils wirklich schon dazu gemacht sind. Wir haben in den vorhergehenden Hauptstücken aus- führlicher angezeigt, was von jeden Arten des Scheins zu bemerken ist, und wieferne sie von dem Wahren abgehen. Da die Perspective überhaupt aus dem Wahren den Schein zeichnet und vorstellt, so findet sich in den angeführten Hauptstücken gesammleter Stoff dazu. Wir werden daher nur einige Stücke als Beyspiele anführen.
§. 287. Der psychologische leere Schein findet statt, wo die Seite nicht an der Sache ist, die man sich an derselben zu seyn vorstellt. Der reale hingegen, wo die Seite, die man sich vorstellt, oder deren Bild man sich wenigstens vorstellt, an der Sache ist. Da nun beyde Arten einen Eindruck auf das Gemüth und den Willen machen können, so werden die oben (§. 271. 282.) betrachtete zween Fälle von Wichtigkeit, weil man sich in dem Umgange mit andern Menschen nach dem zu richten hat, was ihnen die Sachen zu seyn scheinen.
§. 288. Das Leere im Schein besteht mehrentheils in dem subjectiven Theile desselben, den die Einbildungskraft, die Vorurtheile und Affecten mit in den objectiven ein- mengen, und der folglich aus der besondern Gedenkens- und Gemüthsart eines Menschen geschlossen werden muß. Weiß man nun, was die Sache im Grunde ist, und zu- gleich wie jemand sich dieselbe vorstellt, so läßt sich aus dem Unterschiede vieles von den subjectiven Quellen des Scheins schließen, und durch mehrere dergleichen Erfah- rungen gelangt man zu dem Allgemeinen in solchen Quel- len, die sich wegen des Isochronismus, der dabey statt hat, auf mehrere Dinge ausbreiten, und daher den Gesichts- punkt und die Seiten der Sachen näher bestimmen, wel- che er sich vorstellt (§. 19. 136. 137.).
Ende des zweyten Bandes.
Einige
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Von der Zeichnung des Scheins.
§. 286. Da wir ferners hier nur das Allgemeine des Scheins betrachten, ſo koͤnnen wir uns auch nicht mit der beſondern Theorie jeder dieſer Theile aufhalten, als welche Stoff zu eben ſo vielen beſondern Wiſſenſchaften und Kuͤn- ſten geben, und auch theils wirklich ſchon dazu gemacht ſind. Wir haben in den vorhergehenden Hauptſtuͤcken aus- fuͤhrlicher angezeigt, was von jeden Arten des Scheins zu bemerken iſt, und wieferne ſie von dem Wahren abgehen. Da die Perſpective uͤberhaupt aus dem Wahren den Schein zeichnet und vorſtellt, ſo findet ſich in den angefuͤhrten Hauptſtuͤcken geſammleter Stoff dazu. Wir werden daher nur einige Stuͤcke als Beyſpiele anfuͤhren.
§. 287. Der pſychologiſche leere Schein findet ſtatt, wo die Seite nicht an der Sache iſt, die man ſich an derſelben zu ſeyn vorſtellt. Der reale hingegen, wo die Seite, die man ſich vorſtellt, oder deren Bild man ſich wenigſtens vorſtellt, an der Sache iſt. Da nun beyde Arten einen Eindruck auf das Gemuͤth und den Willen machen koͤnnen, ſo werden die oben (§. 271. 282.) betrachtete zween Faͤlle von Wichtigkeit, weil man ſich in dem Umgange mit andern Menſchen nach dem zu richten hat, was ihnen die Sachen zu ſeyn ſcheinen.
§. 288. Das Leere im Schein beſteht mehrentheils in dem ſubjectiven Theile deſſelben, den die Einbildungskraft, die Vorurtheile und Affecten mit in den objectiven ein- mengen, und der folglich aus der beſondern Gedenkens- und Gemuͤthsart eines Menſchen geſchloſſen werden muß. Weiß man nun, was die Sache im Grunde iſt, und zu- gleich wie jemand ſich dieſelbe vorſtellt, ſo laͤßt ſich aus dem Unterſchiede vieles von den ſubjectiven Quellen des Scheins ſchließen, und durch mehrere dergleichen Erfah- rungen gelangt man zu dem Allgemeinen in ſolchen Quel- len, die ſich wegen des Iſochroniſmus, der dabey ſtatt hat, auf mehrere Dinge ausbreiten, und daher den Geſichts- punkt und die Seiten der Sachen naͤher beſtimmen, wel- che er ſich vorſtellt (§. 19. 136. 137.).
Ende des zweyten Bandes.
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Von der Zeichnung des Scheins.
§. 286. Da wir ferners hier nur das Allgemeine des
Scheins betrachten, ſo koͤnnen wir uns auch nicht mit der
beſondern Theorie jeder dieſer Theile aufhalten, als welche
Stoff zu eben ſo vielen beſondern Wiſſenſchaften und Kuͤn-
ſten geben, und auch theils wirklich ſchon dazu gemacht
ſind. Wir haben in den vorhergehenden Hauptſtuͤcken aus-
fuͤhrlicher angezeigt, was von jeden Arten des Scheins zu
bemerken iſt, und wieferne ſie von dem Wahren abgehen.
Da die Perſpective uͤberhaupt aus dem Wahren den Schein
zeichnet und vorſtellt, ſo findet ſich in den angefuͤhrten
Hauptſtuͤcken geſammleter Stoff dazu. Wir werden daher
nur einige Stuͤcke als Beyſpiele anfuͤhren.
§. 287. Der pſychologiſche leere Schein findet ſtatt, wo
die Seite nicht an der Sache iſt, die man ſich an derſelben
zu ſeyn vorſtellt. Der reale hingegen, wo die Seite, die
man ſich vorſtellt, oder deren Bild man ſich wenigſtens
vorſtellt, an der Sache iſt. Da nun beyde Arten einen
Eindruck auf das Gemuͤth und den Willen machen koͤnnen,
ſo werden die oben (§. 271. 282.) betrachtete zween Faͤlle
von Wichtigkeit, weil man ſich in dem Umgange mit andern
Menſchen nach dem zu richten hat, was ihnen die Sachen
zu ſeyn ſcheinen.
§. 288. Das Leere im Schein beſteht mehrentheils in
dem ſubjectiven Theile deſſelben, den die Einbildungskraft,
die Vorurtheile und Affecten mit in den objectiven ein-
mengen, und der folglich aus der beſondern Gedenkens-
und Gemuͤthsart eines Menſchen geſchloſſen werden muß.
Weiß man nun, was die Sache im Grunde iſt, und zu-
gleich wie jemand ſich dieſelbe vorſtellt, ſo laͤßt ſich aus
dem Unterſchiede vieles von den ſubjectiven Quellen des
Scheins ſchließen, und durch mehrere dergleichen Erfah-
rungen gelangt man zu dem Allgemeinen in ſolchen Quel-
len, die ſich wegen des Iſochroniſmus, der dabey ſtatt hat,
auf mehrere Dinge ausbreiten, und daher den Geſichts-
punkt und die Seiten der Sachen naͤher beſtimmen, wel-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/441>, abgerufen am 21.11.2024.
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