Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 4, v. 7-11.
[Spaltenumbruch]
V. 7.
Denn wer hat dich vorgezogen (Gr. wer unterscheidet dich, nemlich von andern, also, daß du daher klüger, besser und würdiger seyst, weil du diesem oder jenem anhangest, oder auch diese und jene besondere Gnaden-Gaben hast, davon unten cap. 12. 13. 14.) was hast du a- ber, das du nicht empfangen hast, (von GOtt dem höchsten Geber, Joh. 3, 27. Jac. 1, 17.) So du es aber empfangen hast, was rühmest du dich denn (damit vor andern mit deren Geringachtung) als der es nicht em- pfangen hätte (sondern als wenn es ein solches Eigenthum wäre, welches er von sich selbst habe, oder doch von GOtt seiner eignen Würdigkeit und Verdienste wegen überkommen hätte. Siehe auch Röm. 12, 16. 1 Pet. 4, 10.)
V. 8.
Jhr (die ihr unter den gläubigen Corin- thiern euch vor andern so vieles zuschreibet) seyd (eurer Einbildung nach) schon satt worden, ihr seyd schon reich worden (an der Erkänt- niß und geistlichen Gaben, also, daß euch nichts mehr fehle. Welches doch weit gefehlet ist, da ihr den euch wircklich geschenckten Reichthum 1 Cor. 1, 5. der doch aber auch noch viel mehrern Wachsthum zulässet, so schlecht anleget. Sie- he den Engel der Gemeine zu Laodicea Apoc. 3, 17. von dem es heißt: Du sprichst: ich bin reich, und habe gar satt, und darf nichts, und weissest nicht, daß du bist elend, jäm- merlich, arm, blind und bloß etc.) ihr herr- schet (ihr seyd eurer Meynung nach schon über alles hinweg, habet dergestalt in allem über- wunden, daß kein Feind noch Streit mehr übrig sey: so sicher seyd ihr; und zwar) ohne uns, (das ist, seyd ohne meine und meiner ge- treuen Mitarbeiter ihre Beyhülfe dazu gelan- get; ihr könnet euch auch nun dergestalt selbst helfen, daß ihr meiner nicht mehr gebrauchet; wie ihrer mehrere unter euch sich verlauten lassen) und wolte GOtt (o wie wünschte ich) ihr herrschetet (es wäre mit euch dahin gekommen) auf daß wir auch mit euch herrschen möch- ten (und daß wir auch schon nach vollendetem Streit in der Wahrheit sagen könten: Es ist vollbracht: es ist der Lauf vollendet: wie man wird sagen können, wenn es heißt: Das Reich, Gewalt und Macht unter dem gantzen Himmel ist dem Volcke des Höchsten gege- ben etc. Siehe auch 1 Cor. 6, 2. 3. Apoc. 11, 15.)
Anmerckung.
Was Paulo bey den Corinthiern begegnet ist, das widerfähret auch sonst getreuen Lehrern gar ofte. Denn kaum sind gewisse Seelen durch sie erwecket und zu einigem Fortgange ge- bracht, so erheben sie sich dessen und spiegeln sich in ihrer neuen aus der Gnade empfangenen Ge- stalt: da sie doch noch voller Flecken ist. Geben sie nun dabey einigen hochfliegenden Geistern Gehör, so setzen sie sich über ihre Lehrer hinweg, beurtheilen sie aufs ungütigste, und wollen alles besser wissen, würden es auch, ihrer Meynung [Spaltenumbruch]
nach, alles besser machen, wenn sie an ihrer Stelle stünden. Welches gewißlich eine schein- bare und dabey sehr gefährliche Versuchung ist, davor man sich wohl zu hüten hat. Denn, wo man nicht schon lieget, so ist doch der Fall bey ih- nen nahe.
V. 9.
Jch halte aber, (damit ich euch an un- serm, der Apostel, Erempel zeige, theils wie weit wir noch von der gäntzlichen Vollendung entfer- net sind, und wie sehr wir noch unter dem Creutze gehalten werden; theils wie ihr daher auch Ur- sache habet, auch von den falschen Höhen, dar- auf ihr euch in eingebildeter Vollkommenheit auf lauter gute Tage Rechnung machet, herun- ter zu setzen) GOtt habe uns Apostel für die allergeringsten dargestellet, als dem Tode übergeben (also, daß wir bey unserm Apostel- Amte unter mancherley Leiden oft in Todes- Gefahr kommen, endlich auch fast nichts anders als einen gewaltsamen Tod zu gewarten haben: Psalm 44, 23. Rom. 8, 36. 2 Cor. 4, 11. wel- ches doch andere durch uns Bekehrte nicht in solchem Grad trifft, und davon ihr unter den glaubigen Corinthiern noch so fleischlich gesinne- te noch am allerweitesten entfernet seyd bey eu- rer Einbildung, daß ihr schon über alles hinweg seyd) denn wir sind ein Schauspiel worden der Welt (öffentlich zur Schau und zum Scheusall dargestellet aller Welt, als die auf uns ihre Augen und Urtheile richtet, und darinn) den Engeln und Menschen (den guten und bösen; jenen zum Beyfall und zur Liebe, diesen aber zum Haß und Verfolgung. Hebr. 10, 33.)
V. 10.
Wir sind Narren (werden dafür gehal- ten und achten es auch nicht) um Christus willen (als den die Welt nicht erkennet für den HErrn der Herrlichkeit c. 2, 8. aus welcher Un- erkäntniß der Römische Landpfleger, Festus, zu Paulo sagte: Paule du rasestAct. 26, 24. Und daß sich dieses ein jeder um Christi willen gefallen lassen müsse, haben wir oben c. 3, v. 18. gehöret, da es hiesse: Welcher sich unter euch düncket weise seyn, der werde ein Narr in dieser Welt, daß er möge weise seyn.) Jhr aber seyd (eurer falschen Meynung nach) klug in Christo: wir schwach (1 Cor. 2, 3. 2 Cor. 13, 9.) ihr aber starck, ihr herrlich (wollet ohne Leiden seyn, und nur vor der Welt Ehre haben) wir aber verachtet (halten aber solche Verachtung für eine grosse Ehre.
V. 11.
Bis auf diese Stunde leiden wir Hun- ger und Durst (2 Cor. 11, 27. sonderlich zur Zeit der Verfolgung, da man die Apostel verjag- te, oder gefangen setzte, und ihrer übel wartete. Und daß GOtt solchem Mangel durch Wunder- wercke nicht abgeholfen hat, zeiget die Art des Creutzreichs Christi an: als worinnen die Wun- der nicht eigentlich dem Leiden abhelfen, son- dern das verkündigte Wort des Evangelii be- kräftigen solten: wiewol die Wunder-Kraft
GOt-
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 4, v. 7-11.
[Spaltenumbruch]
V. 7.
Denn wer hat dich vorgezogen (Gr. wer unterſcheidet dich, nemlich von andern, alſo, daß du daher kluͤger, beſſer und wuͤrdiger ſeyſt, weil du dieſem oder jenem anhangeſt, oder auch dieſe und jene beſondere Gnaden-Gaben haſt, davon unten cap. 12. 13. 14.) was haſt du a- ber, das du nicht empfangen haſt, (von GOtt dem hoͤchſten Geber, Joh. 3, 27. Jac. 1, 17.) So du es aber empfangen haſt, was ruͤhmeſt du dich denn (damit vor andern mit deren Geringachtung) als der es nicht em- pfangen haͤtte (ſondern als wenn es ein ſolches Eigenthum waͤre, welches er von ſich ſelbſt habe, oder doch von GOtt ſeiner eignen Wuͤrdigkeit und Verdienſte wegen uͤberkommen haͤtte. Siehe auch Roͤm. 12, 16. 1 Pet. 4, 10.)
V. 8.
Jhr (die ihr unter den glaͤubigen Corin- thiern euch vor andern ſo vieles zuſchreibet) ſeyd (eurer Einbildung nach) ſchon ſatt worden, ihr ſeyd ſchon reich worden (an der Erkaͤnt- niß und geiſtlichen Gaben, alſo, daß euch nichts mehr fehle. Welches doch weit gefehlet iſt, da ihr den euch wircklich geſchenckten Reichthum 1 Cor. 1, 5. der doch aber auch noch viel mehrern Wachsthum zulaͤſſet, ſo ſchlecht anleget. Sie- he den Engel der Gemeine zu Laodicea Apoc. 3, 17. von dem es heißt: Du ſprichſt: ich bin reich, und habe gar ſatt, und darf nichts, und weiſſeſt nicht, daß du biſt elend, jaͤm- merlich, arm, blind und bloß ꝛc.) ihr herr- ſchet (ihr ſeyd eurer Meynung nach ſchon uͤber alles hinweg, habet dergeſtalt in allem uͤber- wunden, daß kein Feind noch Streit mehr uͤbrig ſey: ſo ſicher ſeyd ihr; und zwar) ohne uns, (das iſt, ſeyd ohne meine und meiner ge- treuen Mitarbeiter ihre Beyhuͤlfe dazu gelan- get; ihr koͤnnet euch auch nun dergeſtalt ſelbſt helfen, daß ihr meiner nicht mehr gebrauchet; wie ihrer mehrere unter euch ſich verlauten laſſen) und wolte GOtt (o wie wuͤnſchte ich) ihr herrſchetet (es waͤre mit euch dahin gekommen) auf daß wir auch mit euch herrſchen moͤch- ten (und daß wir auch ſchon nach vollendetem Streit in der Wahrheit ſagen koͤnten: Es iſt vollbracht: es iſt der Lauf vollendet: wie man wird ſagen koͤnnen, wenn es heißt: Das Reich, Gewalt und Macht unter dem gantzen Himmel iſt dem Volcke des Hoͤchſten gege- ben ꝛc. Siehe auch 1 Cor. 6, 2. 3. Apoc. 11, 15.)
Anmerckung.
Was Paulo bey den Corinthiern begegnet iſt, das widerfaͤhret auch ſonſt getreuen Lehrern gar ofte. Denn kaum ſind gewiſſe Seelen durch ſie erwecket und zu einigem Fortgange ge- bracht, ſo erheben ſie ſich deſſen und ſpiegeln ſich in ihrer neuen aus der Gnade empfangenen Ge- ſtalt: da ſie doch noch voller Flecken iſt. Geben ſie nun dabey einigen hochfliegenden Geiſtern Gehoͤr, ſo ſetzen ſie ſich uͤber ihre Lehrer hinweg, beurtheilen ſie aufs unguͤtigſte, und wollen alles beſſer wiſſen, wuͤrden es auch, ihrer Meynung [Spaltenumbruch]
nach, alles beſſer machen, wenn ſie an ihrer Stelle ſtuͤnden. Welches gewißlich eine ſchein- bare und dabey ſehr gefaͤhrliche Verſuchung iſt, davor man ſich wohl zu huͤten hat. Denn, wo man nicht ſchon lieget, ſo iſt doch der Fall bey ih- nen nahe.
V. 9.
Jch halte aber, (damit ich euch an un- ſerm, der Apoſtel, Erempel zeige, theils wie weit wir noch von der gaͤntzlichen Vollendung entfer- net ſind, und wie ſehr wir noch unter dem Creutze gehalten werden; theils wie ihr daher auch Ur- ſache habet, auch von den falſchen Hoͤhen, dar- auf ihr euch in eingebildeter Vollkommenheit auf lauter gute Tage Rechnung machet, herun- ter zu ſetzen) GOtt habe uns Apoſtel fuͤr die allergeringſten dargeſtellet, als dem Tode uͤbergeben (alſo, daß wir bey unſerm Apoſtel- Amte unter mancherley Leiden oft in Todes- Gefahr kommen, endlich auch faſt nichts anders als einen gewaltſamen Tod zu gewarten haben: Pſalm 44, 23. Rom. 8, 36. 2 Cor. 4, 11. wel- ches doch andere durch uns Bekehrte nicht in ſolchem Grad trifft, und davon ihr unter den glaubigen Corinthiern noch ſo fleiſchlich geſinne- te noch am allerweiteſten entfernet ſeyd bey eu- rer Einbildung, daß ihr ſchon uͤber alles hinweg ſeyd) denn wir ſind ein Schauſpiel worden der Welt (oͤffentlich zur Schau und zum Scheuſall dargeſtellet aller Welt, als die auf uns ihre Augen und Urtheile richtet, und darinn) den Engeln und Menſchen (den guten und boͤſen; jenen zum Beyfall und zur Liebe, dieſen aber zum Haß und Verfolgung. Hebr. 10, 33.)
V. 10.
Wir ſind Narren (werden dafuͤr gehal- ten und achten es auch nicht) um Chriſtus willen (als den die Welt nicht erkennet fuͤr den HErrn der Herrlichkeit c. 2, 8. aus welcher Un- erkaͤntniß der Roͤmiſche Landpfleger, Feſtus, zu Paulo ſagte: Paule du raſeſtAct. 26, 24. Und daß ſich dieſes ein jeder um Chriſti willen gefallen laſſen muͤſſe, haben wir oben c. 3, v. 18. gehoͤret, da es hieſſe: Welcher ſich unter euch duͤncket weiſe ſeyn, der werde ein Narr in dieſer Welt, daß er moͤge weiſe ſeyn.) Jhr aber ſeyd (eurer falſchen Meynung nach) klug in Chriſto: wir ſchwach (1 Cor. 2, 3. 2 Cor. 13, 9.) ihr aber ſtarck, ihr herrlich (wollet ohne Leiden ſeyn, und nur vor der Welt Ehre haben) wir aber verachtet (halten aber ſolche Verachtung fuͤr eine groſſe Ehre.
V. 11.
Bis auf dieſe Stunde leiden wir Hun- ger und Durſt (2 Cor. 11, 27. ſonderlich zur Zeit der Verfolgung, da man die Apoſtel verjag- te, oder gefangen ſetzte, und ihrer uͤbel wartete. Und daß GOtt ſolchem Mangel durch Wunder- wercke nicht abgeholfen hat, zeiget die Art des Creutzreichs Chriſti an: als worinnen die Wun- der nicht eigentlich dem Leiden abhelfen, ſon- dern das verkuͤndigte Wort des Evangelii be- kraͤftigen ſolten: wiewol die Wunder-Kraft
GOt-
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[202/0230]
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 4, v. 7-11.
V. 7.
Denn wer hat dich vorgezogen (Gr.
wer unterſcheidet dich, nemlich von andern, alſo,
daß du daher kluͤger, beſſer und wuͤrdiger ſeyſt,
weil du dieſem oder jenem anhangeſt, oder auch
dieſe und jene beſondere Gnaden-Gaben haſt,
davon unten cap. 12. 13. 14.) was haſt du a-
ber, das du nicht empfangen haſt, (von
GOtt dem hoͤchſten Geber, Joh. 3, 27. Jac. 1,
17.) So du es aber empfangen haſt, was
ruͤhmeſt du dich denn (damit vor andern mit
deren Geringachtung) als der es nicht em-
pfangen haͤtte (ſondern als wenn es ein ſolches
Eigenthum waͤre, welches er von ſich ſelbſt habe,
oder doch von GOtt ſeiner eignen Wuͤrdigkeit
und Verdienſte wegen uͤberkommen haͤtte.
Siehe auch Roͤm. 12, 16. 1 Pet. 4, 10.)
V. 8.
Jhr (die ihr unter den glaͤubigen Corin-
thiern euch vor andern ſo vieles zuſchreibet) ſeyd
(eurer Einbildung nach) ſchon ſatt worden,
ihr ſeyd ſchon reich worden (an der Erkaͤnt-
niß und geiſtlichen Gaben, alſo, daß euch nichts
mehr fehle. Welches doch weit gefehlet iſt, da
ihr den euch wircklich geſchenckten Reichthum
1 Cor. 1, 5. der doch aber auch noch viel mehrern
Wachsthum zulaͤſſet, ſo ſchlecht anleget. Sie-
he den Engel der Gemeine zu Laodicea Apoc. 3,
17. von dem es heißt: Du ſprichſt: ich bin
reich, und habe gar ſatt, und darf nichts,
und weiſſeſt nicht, daß du biſt elend, jaͤm-
merlich, arm, blind und bloß ꝛc.) ihr herr-
ſchet (ihr ſeyd eurer Meynung nach ſchon uͤber
alles hinweg, habet dergeſtalt in allem uͤber-
wunden, daß kein Feind noch Streit mehr
uͤbrig ſey: ſo ſicher ſeyd ihr; und zwar) ohne
uns, (das iſt, ſeyd ohne meine und meiner ge-
treuen Mitarbeiter ihre Beyhuͤlfe dazu gelan-
get; ihr koͤnnet euch auch nun dergeſtalt ſelbſt
helfen, daß ihr meiner nicht mehr gebrauchet;
wie ihrer mehrere unter euch ſich verlauten laſſen)
und wolte GOtt (o wie wuͤnſchte ich) ihr
herrſchetet (es waͤre mit euch dahin gekommen)
auf daß wir auch mit euch herrſchen moͤch-
ten (und daß wir auch ſchon nach vollendetem
Streit in der Wahrheit ſagen koͤnten: Es iſt
vollbracht: es iſt der Lauf vollendet: wie man
wird ſagen koͤnnen, wenn es heißt: Das Reich,
Gewalt und Macht unter dem gantzen
Himmel iſt dem Volcke des Hoͤchſten gege-
ben ꝛc. Siehe auch 1 Cor. 6, 2. 3. Apoc. 11, 15.)
Anmerckung.
Was Paulo bey den Corinthiern begegnet
iſt, das widerfaͤhret auch ſonſt getreuen Lehrern
gar ofte. Denn kaum ſind gewiſſe Seelen
durch ſie erwecket und zu einigem Fortgange ge-
bracht, ſo erheben ſie ſich deſſen und ſpiegeln ſich
in ihrer neuen aus der Gnade empfangenen Ge-
ſtalt: da ſie doch noch voller Flecken iſt. Geben
ſie nun dabey einigen hochfliegenden Geiſtern
Gehoͤr, ſo ſetzen ſie ſich uͤber ihre Lehrer hinweg,
beurtheilen ſie aufs unguͤtigſte, und wollen alles
beſſer wiſſen, wuͤrden es auch, ihrer Meynung
nach, alles beſſer machen, wenn ſie an ihrer
Stelle ſtuͤnden. Welches gewißlich eine ſchein-
bare und dabey ſehr gefaͤhrliche Verſuchung iſt,
davor man ſich wohl zu huͤten hat. Denn, wo
man nicht ſchon lieget, ſo iſt doch der Fall bey ih-
nen nahe.
V. 9.
Jch halte aber, (damit ich euch an un-
ſerm, der Apoſtel, Erempel zeige, theils wie weit
wir noch von der gaͤntzlichen Vollendung entfer-
net ſind, und wie ſehr wir noch unter dem Creutze
gehalten werden; theils wie ihr daher auch Ur-
ſache habet, auch von den falſchen Hoͤhen, dar-
auf ihr euch in eingebildeter Vollkommenheit
auf lauter gute Tage Rechnung machet, herun-
ter zu ſetzen) GOtt habe uns Apoſtel fuͤr die
allergeringſten dargeſtellet, als dem Tode
uͤbergeben (alſo, daß wir bey unſerm Apoſtel-
Amte unter mancherley Leiden oft in Todes-
Gefahr kommen, endlich auch faſt nichts anders
als einen gewaltſamen Tod zu gewarten haben:
Pſalm 44, 23. Rom. 8, 36. 2 Cor. 4, 11. wel-
ches doch andere durch uns Bekehrte nicht in
ſolchem Grad trifft, und davon ihr unter den
glaubigen Corinthiern noch ſo fleiſchlich geſinne-
te noch am allerweiteſten entfernet ſeyd bey eu-
rer Einbildung, daß ihr ſchon uͤber alles hinweg
ſeyd) denn wir ſind ein Schauſpiel worden
der Welt (oͤffentlich zur Schau und zum
Scheuſall dargeſtellet aller Welt, als die auf
uns ihre Augen und Urtheile richtet, und darinn)
den Engeln und Menſchen (den guten und
boͤſen; jenen zum Beyfall und zur Liebe, dieſen
aber zum Haß und Verfolgung. Hebr. 10, 33.)
V. 10.
Wir ſind Narren (werden dafuͤr gehal-
ten und achten es auch nicht) um Chriſtus
willen (als den die Welt nicht erkennet fuͤr den
HErrn der Herrlichkeit c. 2, 8. aus welcher Un-
erkaͤntniß der Roͤmiſche Landpfleger, Feſtus, zu
Paulo ſagte: Paule du raſeſt Act. 26, 24.
Und daß ſich dieſes ein jeder um Chriſti willen
gefallen laſſen muͤſſe, haben wir oben c. 3, v. 18.
gehoͤret, da es hieſſe: Welcher ſich unter euch
duͤncket weiſe ſeyn, der werde ein Narr in
dieſer Welt, daß er moͤge weiſe ſeyn.)
Jhr aber ſeyd (eurer falſchen Meynung nach)
klug in Chriſto: wir ſchwach (1 Cor. 2, 3.
2 Cor. 13, 9.) ihr aber ſtarck, ihr herrlich
(wollet ohne Leiden ſeyn, und nur vor der Welt
Ehre haben) wir aber verachtet (halten aber
ſolche Verachtung fuͤr eine groſſe Ehre.
V. 11.
Bis auf dieſe Stunde leiden wir Hun-
ger und Durſt (2 Cor. 11, 27. ſonderlich zur
Zeit der Verfolgung, da man die Apoſtel verjag-
te, oder gefangen ſetzte, und ihrer uͤbel wartete.
Und daß GOtt ſolchem Mangel durch Wunder-
wercke nicht abgeholfen hat, zeiget die Art des
Creutzreichs Chriſti an: als worinnen die Wun-
der nicht eigentlich dem Leiden abhelfen, ſon-
dern das verkuͤndigte Wort des Evangelii be-
kraͤftigen ſolten: wiewol die Wunder-Kraft
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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/230>, abgerufen am 24.11.2024.
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