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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 9, v. 21-23. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] rete, war promulgiret worden. Er will dem-
nach damit nur erklären und wider den Mißver-
stand verwahren, was er vorher gesaget hatte,
daß er ohne Gesetze sey. Und da unser Heiland
mit Lehr und Leben sonderlich die Liebe gegen
den Nechsten allen seinen Nachfolgern aufs fleis-
sigste angepriesen hat, und auch daher sein Ge-
bot ein neues, das ist, erneuertes und noch ge-
nauer eingeschärftes Gebot nennet, Joh. 13, 34.
c. 15, 12. 17. so siehet Paulus darauf insonder-
heit. Und hievon spricht er Gal. 6, 2. Einer
trage des andern Last, so werdet ihr das
Gesetz CHristi erfüllen.

V. 22.

Den Schwachen (an der Erkäntniß,
am Glauben, und an der Beurtheilung, und in
dem Gebrauch der Christlichen Freyheit, son-
derlich unter den Jüden,) bin ich worden,
als ein Schwacher,
(da ich mit ihnen Ge-
duld getragen, und das, was ihnen noch zu
schwer und zu hoch war, ihnen weder vorgetra-
gen, noch von ihnen gefodert habe,) auf daß
ich die Schwachen gewinne,
(wie die Co-
rinthier selbst an ihrem eigenen Exempel erfah-
ren hatten; also daß er oben c. 3, 1. 2. schreiben
konte: Jch konte nicht mit euch reden, als
mit Geistlichen, sondern als mit Fleischli-
chen, wie mit jungen Kindern in CHristo.
Milch habe ich euch zu trincken gegeben,
und nicht starcke Speise etc.) Jch bin ie-
derman allerley
(und also auch den Stärckern,
nach der Stufe ihrer Stärcke, starck, dem ei-
nen mehr, dem andern weniger) worden,
auf daß ich allent halben ja etliche selig
mache,
(als ein Werckzeug GOttes. c. 3, 5.
u. s. f.)

Anmerckungen.
1. Diß selig machen wird vorher das ge-
winnen
genennet. Siehe Rom. 11, 14. und
1 Tim. 4, 16. da es auch heißt: Wenn du das
thust, so wirst du dich, und die dich hö-
ren, selig machen.
Zu welchem Zweck er
Phil. 4, 12. spricht: Jch kan niedrig seyn,
ich kan hoch seyn, ich bin in allen Dingen
und in allen geschickt, beyde satt seyn und
hungern, beyde übrig haben und Mangel
leiden. Jch vermag alles durch den, der
mich mächtig machet, Christus.
2. Da der Apostel das Wort gewinnen
in den Versen 19. 20. 21. 22. zu fünf mal von
seiner Bemühung CHristo Seelen zuzuführen
gebrauchet, so drucket er damit den rechten
Haupt-Character eines rechtschaffnen Lehrers
aus, welcher ist heiliglich pleonektei~n, immer
mehr haben und gewinnen
wollen an den
Seelen, dergestalt, daß man, da ohne das lei-
der so viel zurück bleiben, nimmer genug hat,
und daher in einer unauf hörlichen Bemühung
ist, theils die Seelen aus dem Verderben zu zie-
hen, theils sie im Guten wider alle Abwege und
Versuchungen zu bevestigen. Hingegen ists
ein unfehlbares Kennzeichen eines Mietlinges,
und zwar eines solchen, der auch in vielen Stü-
cken gar zum Wolfe wird, wenn er Geld- und
[Spaltenumbruch] Ehrgeitzig ist, und in beyden, oder doch in ei-
nem nimmer genug kriegen kan, sondern immer
mehr gewinnen will. Wo aber das Auge des
Gemüths ein solcher Schalck ist, da ist der gan-
tze Leib oder der Haufe aller Handlungen finster
und verkehrt, so viel dabey den Zweck betrifft.
Wie denn ein solcher auf diese Art allen aller-
ley wird, daß er bey den Bösen böse ist, und
sich der Welt ohne Scheu gleich stellet, bey den
Frommen aber fromm thut, mit einer recht ar-
gen Heucheley.
3. Gleichwie ein rechtschaffner Lehrer dar-
innen die geistliche Würde seines Amts hat, daß
er als ein gesegnetes Werckzeug GOttes viele
Seelen selig machen und damit selbst eine grös-
sere Stufe der Herrlichkeit nicht zwar verdienen
(v. 16.) aber doch aus Gnaden erlangen kan,
nach Dan. 12, 3. also häufet ein Mietling und
Bauch-Diener damit am meisten das Gerichte
der Verdammniß über sich, daß er theils so
manche Seelen verwahrloset und im geistlichen
Tode liegen lässet, theils aber manche durch sei-
ne lose Lehre und sein ärgerliches Leben wieder
einschläfert, und also die Ursache ihrer Ver-
dammniß wird; ob jene gleich selbst den Scha-
den über sich haben. Siehe von solchen blin-
den Leitern der Blinden Matth. 15, 14. 23, 16.
24. Rom. 2, 19. 21. seqq. 2 Pet. 2, 18-20.
4. Es participiren aber von dieser geistli-
chen Ehre, andere selig zu machen, oder ihnen
zur Seligkeit beförderlich zu seyn, alle glaubige
Christen nach dem Rechte ihres geistlichen Prie-
sterthums: ja es ist ihre Pflicht, daß sie bey al-
ler Gelegenheit ihren Nechsten erbauen: gleich-
wie es hingegen aller Gottlosen Eigenschaft ist,
daß einer den andern nur immer mehr verfüh-
ret.
V. 23.

Solches aber (daß ich iederman aller-
ley werde,) thue ich um des Evangelii wil-
len,
(weil dieses eine so köstliche und selige Leh-
re ist, die ich andern nicht genugsam anpreisen
kan,) auf daß ich sein theilhaftig (sugkoi-
nonos mit theilhaftig) werde, (es nebst an-
dern recht geniesse, und mir die Gnaden-Krone
erlange: der ich hingegen verlustig werden wür-
de, wofern ich es mir nicht alles Ernstes liesse
angelegen seyn, in meinem Amte zur Gewin-
nung vieler Seelen alle Treue zu beweisen. Sie-
he auch Phil. 2, 16. 3, 14. etc.)

Anmerckungen.

1. Wer im Lehr-Amte nicht suchet für sei-
ne eigene Person des Evangelii in der Ordnung
des Heils recht theilhaftig zu werden und zu blei-
ben, der wird und kan auch nicht recht bemü-
het seyn, andere desselben theilhaftig zu machen.
Er wird darum nicht bekümmert seyn.
Denn zu der wircklichen Treue muß er von sei-
nem Gewissen, um seine eigene Seligkeit nicht
zu versäumen, angetrieben werden. Da er
nun aber kein gutes Gewissen hat, und seine ei-
gene Seel-Sorge versäumet, woher soll denn
der Trieb zur rechten Versorgung anderer kom-
men? Er kan auch nicht. Denn er ist, als

ein
L l 2

Cap. 9, v. 21-23. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] rete, war promulgiret worden. Er will dem-
nach damit nur erklaͤren und wider den Mißver-
ſtand verwahren, was er vorher geſaget hatte,
daß er ohne Geſetze ſey. Und da unſer Heiland
mit Lehr und Leben ſonderlich die Liebe gegen
den Nechſten allen ſeinen Nachfolgern aufs fleiſ-
ſigſte angeprieſen hat, und auch daher ſein Ge-
bot ein neues, das iſt, erneuertes und noch ge-
nauer eingeſchaͤrftes Gebot nennet, Joh. 13, 34.
c. 15, 12. 17. ſo ſiehet Paulus darauf inſonder-
heit. Und hievon ſpricht er Gal. 6, 2. Einer
trage des andern Laſt, ſo werdet ihr das
Geſetz CHriſti erfuͤllen.

V. 22.

Den Schwachen (an der Erkaͤntniß,
am Glauben, und an der Beurtheilung, und in
dem Gebrauch der Chriſtlichen Freyheit, ſon-
derlich unter den Juͤden,) bin ich worden,
als ein Schwacher,
(da ich mit ihnen Ge-
duld getragen, und das, was ihnen noch zu
ſchwer und zu hoch war, ihnen weder vorgetra-
gen, noch von ihnen gefodert habe,) auf daß
ich die Schwachen gewinne,
(wie die Co-
rinthier ſelbſt an ihrem eigenen Exempel erfah-
ren hatten; alſo daß er oben c. 3, 1. 2. ſchreiben
konte: Jch konte nicht mit euch reden, als
mit Geiſtlichen, ſondern als mit Fleiſchli-
chen, wie mit jungen Kindern in CHriſto.
Milch habe ich euch zu trincken gegeben,
und nicht ſtarcke Speiſe ꝛc.) Jch bin ie-
derman allerley
(und alſo auch den Staͤrckern,
nach der Stufe ihrer Staͤrcke, ſtarck, dem ei-
nen mehr, dem andern weniger) worden,
auf daß ich allent halben ja etliche ſelig
mache,
(als ein Werckzeug GOttes. c. 3, 5.
u. ſ. f.)

Anmerckungen.
1. Diß ſelig machen wird vorher das ge-
winnen
genennet. Siehe Rom. 11, 14. und
1 Tim. 4, 16. da es auch heißt: Wenn du das
thuſt, ſo wirſt du dich, und die dich hoͤ-
ren, ſelig machen.
Zu welchem Zweck er
Phil. 4, 12. ſpricht: Jch kan niedrig ſeyn,
ich kan hoch ſeyn, ich bin in allen Dingen
und in allen geſchickt, beyde ſatt ſeyn und
hungern, beyde uͤbrig haben und Mangel
leiden. Jch vermag alles durch den, der
mich maͤchtig machet, Chriſtus.
2. Da der Apoſtel das Wort gewinnen
in den Verſen 19. 20. 21. 22. zu fuͤnf mal von
ſeiner Bemuͤhung CHriſto Seelen zuzufuͤhren
gebrauchet, ſo drucket er damit den rechten
Haupt-Character eines rechtſchaffnen Lehrers
aus, welcher iſt heiliglich πλεονεκτει῀ν, immer
mehr haben und gewinnen
wollen an den
Seelen, dergeſtalt, daß man, da ohne das lei-
der ſo viel zuruͤck bleiben, nimmer genug hat,
und daher in einer unauf hoͤrlichen Bemuͤhung
iſt, theils die Seelen aus dem Verderben zu zie-
hen, theils ſie im Guten wider alle Abwege und
Verſuchungen zu beveſtigen. Hingegen iſts
ein unfehlbares Kennzeichen eines Mietlinges,
und zwar eines ſolchen, der auch in vielen Stuͤ-
cken gar zum Wolfe wird, wenn er Geld- und
[Spaltenumbruch] Ehrgeitzig iſt, und in beyden, oder doch in ei-
nem nimmer genug kriegen kan, ſondern immer
mehr gewinnen will. Wo aber das Auge des
Gemuͤths ein ſolcher Schalck iſt, da iſt der gan-
tze Leib oder der Haufe aller Handlungen finſter
und verkehrt, ſo viel dabey den Zweck betrifft.
Wie denn ein ſolcher auf dieſe Art allen aller-
ley wird, daß er bey den Boͤſen boͤſe iſt, und
ſich der Welt ohne Scheu gleich ſtellet, bey den
Frommen aber fromm thut, mit einer recht ar-
gen Heucheley.
3. Gleichwie ein rechtſchaffner Lehrer dar-
innen die geiſtliche Wuͤrde ſeines Amts hat, daß
er als ein geſegnetes Werckzeug GOttes viele
Seelen ſelig machen und damit ſelbſt eine groͤſ-
ſere Stufe der Herrlichkeit nicht zwar verdienen
(v. 16.) aber doch aus Gnaden erlangen kan,
nach Dan. 12, 3. alſo haͤufet ein Mietling und
Bauch-Diener damit am meiſten das Gerichte
der Verdammniß uͤber ſich, daß er theils ſo
manche Seelen verwahrloſet und im geiſtlichen
Tode liegen laͤſſet, theils aber manche durch ſei-
ne loſe Lehre und ſein aͤrgerliches Leben wieder
einſchlaͤfert, und alſo die Urſache ihrer Ver-
dammniß wird; ob jene gleich ſelbſt den Scha-
den uͤber ſich haben. Siehe von ſolchen blin-
den Leitern der Blinden Matth. 15, 14. 23, 16.
24. Rom. 2, 19. 21. ſeqq. 2 Pet. 2, 18-20.
4. Es participiren aber von dieſer geiſtli-
chen Ehre, andere ſelig zu machen, oder ihnen
zur Seligkeit befoͤrderlich zu ſeyn, alle glaubige
Chriſten nach dem Rechte ihres geiſtlichen Prie-
ſterthums: ja es iſt ihre Pflicht, daß ſie bey al-
ler Gelegenheit ihren Nechſten erbauen: gleich-
wie es hingegen aller Gottloſen Eigenſchaft iſt,
daß einer den andern nur immer mehr verfuͤh-
ret.
V. 23.

Solches aber (daß ich iederman aller-
ley werde,) thue ich um des Evangelii wil-
len,
(weil dieſes eine ſo koͤſtliche und ſelige Leh-
re iſt, die ich andern nicht genugſam anpreiſen
kan,) auf daß ich ſein theilhaftig (συγκοι-
νωνὸς mit theilhaftig) werde, (es nebſt an-
dern recht genieſſe, und mir die Gnaden-Krone
erlange: der ich hingegen verluſtig werden wuͤr-
de, wofern ich es mir nicht alles Ernſtes lieſſe
angelegen ſeyn, in meinem Amte zur Gewin-
nung vieler Seelen alle Treue zu beweiſen. Sie-
he auch Phil. 2, 16. 3, 14. ꝛc.)

Anmerckungen.

1. Wer im Lehr-Amte nicht ſuchet fuͤr ſei-
ne eigene Perſon des Evangelii in der Ordnung
des Heils recht theilhaftig zu werden und zu blei-
ben, der wird und kan auch nicht recht bemuͤ-
het ſeyn, andere deſſelben theilhaftig zu machen.
Er wird darum nicht bekuͤmmert ſeyn.
Denn zu der wircklichen Treue muß er von ſei-
nem Gewiſſen, um ſeine eigene Seligkeit nicht
zu verſaͤumen, angetrieben werden. Da er
nun aber kein gutes Gewiſſen hat, und ſeine ei-
gene Seel-Sorge verſaͤumet, woher ſoll denn
der Trieb zur rechten Verſorgung anderer kom-
men? Er kan auch nicht. Denn er iſt, als

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[267/0295] Cap. 9, v. 21-23. an die Corinthier. rete, war promulgiret worden. Er will dem- nach damit nur erklaͤren und wider den Mißver- ſtand verwahren, was er vorher geſaget hatte, daß er ohne Geſetze ſey. Und da unſer Heiland mit Lehr und Leben ſonderlich die Liebe gegen den Nechſten allen ſeinen Nachfolgern aufs fleiſ- ſigſte angeprieſen hat, und auch daher ſein Ge- bot ein neues, das iſt, erneuertes und noch ge- nauer eingeſchaͤrftes Gebot nennet, Joh. 13, 34. c. 15, 12. 17. ſo ſiehet Paulus darauf inſonder- heit. Und hievon ſpricht er Gal. 6, 2. Einer trage des andern Laſt, ſo werdet ihr das Geſetz CHriſti erfuͤllen. V. 22. Den Schwachen (an der Erkaͤntniß, am Glauben, und an der Beurtheilung, und in dem Gebrauch der Chriſtlichen Freyheit, ſon- derlich unter den Juͤden,) bin ich worden, als ein Schwacher, (da ich mit ihnen Ge- duld getragen, und das, was ihnen noch zu ſchwer und zu hoch war, ihnen weder vorgetra- gen, noch von ihnen gefodert habe,) auf daß ich die Schwachen gewinne, (wie die Co- rinthier ſelbſt an ihrem eigenen Exempel erfah- ren hatten; alſo daß er oben c. 3, 1. 2. ſchreiben konte: Jch konte nicht mit euch reden, als mit Geiſtlichen, ſondern als mit Fleiſchli- chen, wie mit jungen Kindern in CHriſto. Milch habe ich euch zu trincken gegeben, und nicht ſtarcke Speiſe ꝛc.) Jch bin ie- derman allerley (und alſo auch den Staͤrckern, nach der Stufe ihrer Staͤrcke, ſtarck, dem ei- nen mehr, dem andern weniger) worden, auf daß ich allent halben ja etliche ſelig mache, (als ein Werckzeug GOttes. c. 3, 5. u. ſ. f.) Anmerckungen. 1. Diß ſelig machen wird vorher das ge- winnen genennet. Siehe Rom. 11, 14. und 1 Tim. 4, 16. da es auch heißt: Wenn du das thuſt, ſo wirſt du dich, und die dich hoͤ- ren, ſelig machen. Zu welchem Zweck er Phil. 4, 12. ſpricht: Jch kan niedrig ſeyn, ich kan hoch ſeyn, ich bin in allen Dingen und in allen geſchickt, beyde ſatt ſeyn und hungern, beyde uͤbrig haben und Mangel leiden. Jch vermag alles durch den, der mich maͤchtig machet, Chriſtus. 2. Da der Apoſtel das Wort gewinnen in den Verſen 19. 20. 21. 22. zu fuͤnf mal von ſeiner Bemuͤhung CHriſto Seelen zuzufuͤhren gebrauchet, ſo drucket er damit den rechten Haupt-Character eines rechtſchaffnen Lehrers aus, welcher iſt heiliglich πλεονεκτει῀ν, immer mehr haben und gewinnen wollen an den Seelen, dergeſtalt, daß man, da ohne das lei- der ſo viel zuruͤck bleiben, nimmer genug hat, und daher in einer unauf hoͤrlichen Bemuͤhung iſt, theils die Seelen aus dem Verderben zu zie- hen, theils ſie im Guten wider alle Abwege und Verſuchungen zu beveſtigen. Hingegen iſts ein unfehlbares Kennzeichen eines Mietlinges, und zwar eines ſolchen, der auch in vielen Stuͤ- cken gar zum Wolfe wird, wenn er Geld- und Ehrgeitzig iſt, und in beyden, oder doch in ei- nem nimmer genug kriegen kan, ſondern immer mehr gewinnen will. Wo aber das Auge des Gemuͤths ein ſolcher Schalck iſt, da iſt der gan- tze Leib oder der Haufe aller Handlungen finſter und verkehrt, ſo viel dabey den Zweck betrifft. Wie denn ein ſolcher auf dieſe Art allen aller- ley wird, daß er bey den Boͤſen boͤſe iſt, und ſich der Welt ohne Scheu gleich ſtellet, bey den Frommen aber fromm thut, mit einer recht ar- gen Heucheley. 3. Gleichwie ein rechtſchaffner Lehrer dar- innen die geiſtliche Wuͤrde ſeines Amts hat, daß er als ein geſegnetes Werckzeug GOttes viele Seelen ſelig machen und damit ſelbſt eine groͤſ- ſere Stufe der Herrlichkeit nicht zwar verdienen (v. 16.) aber doch aus Gnaden erlangen kan, nach Dan. 12, 3. alſo haͤufet ein Mietling und Bauch-Diener damit am meiſten das Gerichte der Verdammniß uͤber ſich, daß er theils ſo manche Seelen verwahrloſet und im geiſtlichen Tode liegen laͤſſet, theils aber manche durch ſei- ne loſe Lehre und ſein aͤrgerliches Leben wieder einſchlaͤfert, und alſo die Urſache ihrer Ver- dammniß wird; ob jene gleich ſelbſt den Scha- den uͤber ſich haben. Siehe von ſolchen blin- den Leitern der Blinden Matth. 15, 14. 23, 16. 24. Rom. 2, 19. 21. ſeqq. 2 Pet. 2, 18-20. 4. Es participiren aber von dieſer geiſtli- chen Ehre, andere ſelig zu machen, oder ihnen zur Seligkeit befoͤrderlich zu ſeyn, alle glaubige Chriſten nach dem Rechte ihres geiſtlichen Prie- ſterthums: ja es iſt ihre Pflicht, daß ſie bey al- ler Gelegenheit ihren Nechſten erbauen: gleich- wie es hingegen aller Gottloſen Eigenſchaft iſt, daß einer den andern nur immer mehr verfuͤh- ret. V. 23. Solches aber (daß ich iederman aller- ley werde,) thue ich um des Evangelii wil- len, (weil dieſes eine ſo koͤſtliche und ſelige Leh- re iſt, die ich andern nicht genugſam anpreiſen kan,) auf daß ich ſein theilhaftig (συγκοι- νωνὸς mit theilhaftig) werde, (es nebſt an- dern recht genieſſe, und mir die Gnaden-Krone erlange: der ich hingegen verluſtig werden wuͤr- de, wofern ich es mir nicht alles Ernſtes lieſſe angelegen ſeyn, in meinem Amte zur Gewin- nung vieler Seelen alle Treue zu beweiſen. Sie- he auch Phil. 2, 16. 3, 14. ꝛc.) Anmerckungen. 1. Wer im Lehr-Amte nicht ſuchet fuͤr ſei- ne eigene Perſon des Evangelii in der Ordnung des Heils recht theilhaftig zu werden und zu blei- ben, der wird und kan auch nicht recht bemuͤ- het ſeyn, andere deſſelben theilhaftig zu machen. Er wird darum nicht bekuͤmmert ſeyn. Denn zu der wircklichen Treue muß er von ſei- nem Gewiſſen, um ſeine eigene Seligkeit nicht zu verſaͤumen, angetrieben werden. Da er nun aber kein gutes Gewiſſen hat, und ſeine ei- gene Seel-Sorge verſaͤumet, woher ſoll denn der Trieb zur rechten Verſorgung anderer kom- men? Er kan auch nicht. Denn er iſt, als ein L l 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/295>, abgerufen am 28.11.2024.