Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 12, v. 21-27. [Spaltenumbruch]
keit, Gutthätigkeit, und so weiter. Da-zu denn kommen die geheiligten Natur- Gaben. b die ausserordentliche bestehen in den Wunder-Kräften; und waren sonderlich der ersten Kirche eigen. g. Die ordentliche Gaben sind zwar in so fern allen gemein, daß sie ein jeder, der ein wahres Glied Christi seyn will, haben muß; aber das Maaß ist doch gar unterschieden. Denn da befindet sich bey einigen ein grössers, bey an- dern ein weit geringers Maaß der Weisheit und des Verstandes zur Prüfung und Re- gierung; oder des Lichts und der Erkänt- niß, diß und das recht einzusehen und zu be- urtheilen, oder der Kraft in der Geduld und Gelassenheit, auch in der Liebe gegen Feinde; des Glaubens in der Freudigkeit zu GOTT; der Liebe gegen den Nechsten; der Christli- chen Einfalt und Lauterkeit u. s. w. h. Der Unterscheid dieser Gaben ist zur Erbau- ung der Glieder unter einander so nöthig und nützlich, als am Leibe die unterschiedli- chen Eigenschaften und Verrichtungen der Glieder sind. i. Und da GOtt durch die Gnade die Natur nicht aufhebet, sondern corrigiret und heili- get, so ist der Grund des Unterscheides bey manchen Gaben in der Natur. Zum Exem- pel, wer von GOtt der Natur nach mit einem guten ingenio und starcken judicio, auch fähi- gem und vestem Gedächtniß begabet ist, der excelliret damit auch im Geistlichen, und zwar so vielmehr, so vielmehr solche Natur- Gaben sind geheiliget worden. Und gleich- wie dieses sich also befindet bey den Kräf- ten des Verstandes, so trifft es auch zu bey den Kräften des Willens. Denn wo z. E. schon von Natur entweder ein feuriger Muth, oder ein gelinderer Geist sich findet, da bringet die Gnade auch diese Gaben zur eigentlichen Form geistlicher Tugend, und zwar in der Ord- nung einer gründlichen innern Verände- rung, vermöge welcher alles aus einem rech- ten principio der Kräfte, auf eine rechte geist- liche Art zum rechten Zweck geschiehet: ohn welche Veränderungen alle Natur-Gaben, sie mögen auch noch so scheinbar seyn, im Rei- che GOttes nichts gelten. k. Wer nun eine oder mehrere solche geistliche Gaben hat, welche ansehnlicher, theils auch wol zur Erbauung anderer nöthiger und nütz- licher sind, und daher mehr geachtet werden; der hat sich wohl zu hüten, daß er sich derselben ja nicht überhebe, und deswegen andere ge- ring achte; sondern er hat vielmehr dahin zu sehen, daß er sie im demüthigen Gebrauch, zu dero Diensten getreulich anwende: gleich- wie hingegen die, welche damit nicht versehen sind, andere deswegen nicht zu beneiden, son- dern sich derselben nützlich zu bedienen ha- ben. l. Wenn diese Pflichten unterlassen werden, so entstehet daher allerley Miß-Verstand, ja of- fenbare Uneinigkeit und Zerrüttung; und ist so viel, als wenn das Haupt dem Fusse zur [Spaltenumbruch] Geringachtung wolte vorwerfen, daß er gehe, und der Fuß dem Haupte, daß er auf der Hut des Leibes stehe: oder, als wenn das Auge hören, und das Ohr sehen wolte. u. s. w. m. Es geschiehet leider gar oft, daß mancher zum Hirten bestellet ist, aber er hat nur die Beschaffenheit eines Schafes; und kan daher dem Hirten-Amte nicht recht vorstehen. Da soll das Bein ein Arm, oder Hand seyn. n. Ein ander hat zwar die geheiligte Natur- Gabe eines deutlichen und erbaulichen Vor- trages; aber es fehlet ihm an der genugsamen und gründlichen Erkäntniß geistliche Dinge auch recht tief einzusehen und zu beurtheilen. Und da soll der Mund das Auge, und das Auge der Mund seyn. Wenn er das, was er nicht hat, dennoch leisten soll. Gleichwie einander zum Kirchen-Regiment bestellet ist; aber er schicket sich so wenig dazu, als der Fuß zum Haupte. o. Dannenhero soll ein jeder sich in Demuth selbst wohl prüfen, auch von andern prüfen lassen, wozu er sich schicke, ehe er sich wozu ge- brauchen lasse. V. 21-23. Es kan das Auge (der, welcher eine V. 24-27. Denn die uns wohl anstehen (z. e. ein dem
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 12, v. 21-27. [Spaltenumbruch]
keit, Gutthaͤtigkeit, und ſo weiter. Da-zu denn kommen die geheiligten Natur- Gaben. β die auſſerordentliche beſtehen in den Wunder-Kraͤften; und waren ſonderlich der erſten Kirche eigen. g. Die ordentliche Gaben ſind zwar in ſo fern allen gemein, daß ſie ein jeder, der ein wahres Glied Chriſti ſeyn will, haben muß; aber das Maaß iſt doch gar unterſchieden. Denn da befindet ſich bey einigen ein groͤſſers, bey an- dern ein weit geringers Maaß der Weisheit und des Verſtandes zur Pruͤfung und Re- gierung; oder des Lichts und der Erkaͤnt- niß, diß und das recht einzuſehen und zu be- urtheilen, oder der Kraft in der Geduld und Gelaſſenheit, auch in der Liebe gegen Feinde; des Glaubens in der Freudigkeit zu GOTT; der Liebe gegen den Nechſten; der Chriſtli- chen Einfalt und Lauterkeit u. ſ. w. h. Der Unterſcheid dieſer Gaben iſt zur Erbau- ung der Glieder unter einander ſo noͤthig und nuͤtzlich, als am Leibe die unterſchiedli- chen Eigenſchaften und Verrichtungen der Glieder ſind. i. Und da GOtt durch die Gnade die Natur nicht aufhebet, ſondern corrigiret und heili- get, ſo iſt der Grund des Unterſcheides bey manchen Gaben in der Natur. Zum Exem- pel, wer von GOtt der Natur nach mit einem guten ingenio und ſtarcken judicio, auch faͤhi- gem und veſtem Gedaͤchtniß begabet iſt, der excelliret damit auch im Geiſtlichen, und zwar ſo vielmehr, ſo vielmehr ſolche Natur- Gaben ſind geheiliget worden. Und gleich- wie dieſes ſich alſo befindet bey den Kraͤf- ten des Verſtandes, ſo trifft es auch zu bey den Kraͤften des Willens. Denn wo z. E. ſchon von Natur entweder ein feuriger Muth, oder ein gelinderer Geiſt ſich findet, da bringet die Gnade auch dieſe Gaben zur eigentlichen Form geiſtlicher Tugend, und zwar in der Ord- nung einer gruͤndlichen innern Veraͤnde- rung, vermoͤge welcher alles aus einem rech- ten principio der Kraͤfte, auf eine rechte geiſt- liche Art zum rechten Zweck geſchiehet: ohn welche Veraͤnderungen alle Natur-Gaben, ſie moͤgen auch noch ſo ſcheinbar ſeyn, im Rei- che GOttes nichts gelten. k. Wer nun eine oder mehrere ſolche geiſtliche Gaben hat, welche anſehnlicher, theils auch wol zur Erbauung anderer noͤthiger und nuͤtz- licher ſind, und daher mehr geachtet werden; der hat ſich wohl zu huͤten, daß er ſich derſelben ja nicht uͤberhebe, und deswegen andere ge- ring achte; ſondern er hat vielmehr dahin zu ſehen, daß er ſie im demuͤthigen Gebrauch, zu dero Dienſten getreulich anwende: gleich- wie hingegen die, welche damit nicht verſehen ſind, andere deswegen nicht zu beneiden, ſon- dern ſich derſelben nuͤtzlich zu bedienen ha- ben. l. Wenn dieſe Pflichten unterlaſſen werden, ſo entſtehet daher allerley Miß-Verſtand, ja of- fenbare Uneinigkeit und Zerruͤttung; und iſt ſo viel, als wenn das Haupt dem Fuſſe zur [Spaltenumbruch] Geringachtung wolte vorwerfen, daß er gehe, und der Fuß dem Haupte, daß er auf der Hut des Leibes ſtehe: oder, als wenn das Auge hoͤren, und das Ohr ſehen wolte. u. ſ. w. m. Es geſchiehet leider gar oft, daß mancher zum Hirten beſtellet iſt, aber er hat nur die Beſchaffenheit eines Schafes; und kan daher dem Hirten-Amte nicht recht vorſtehen. Da ſoll das Bein ein Arm, oder Hand ſeyn. n. Ein ander hat zwar die geheiligte Natur- Gabe eines deutlichen und erbaulichen Vor- trages; aber es fehlet ihm an der genugſamen und gruͤndlichen Erkaͤntniß geiſtliche Dinge auch recht tief einzuſehen und zu beurtheilen. Und da ſoll der Mund das Auge, und das Auge der Mund ſeyn. Wenn er das, was er nicht hat, dennoch leiſten ſoll. Gleichwie einander zum Kirchen-Regiment beſtellet iſt; aber er ſchicket ſich ſo wenig dazu, als der Fuß zum Haupte. o. Dannenhero ſoll ein jeder ſich in Demuth ſelbſt wohl pruͤfen, auch von andern pruͤfen laſſen, wozu er ſich ſchicke, ehe er ſich wozu ge- brauchen laſſe. V. 21-23. Es kan das Auge (der, welcher eine V. 24-27. Denn die uns wohl anſtehen (z. e. ein dem
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Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 12, v. 21-27.
keit, Gutthaͤtigkeit, und ſo weiter. Da-
zu denn kommen die geheiligten Natur-
Gaben.
β die auſſerordentliche beſtehen in den
Wunder-Kraͤften; und waren ſonderlich
der erſten Kirche eigen.
g. Die ordentliche Gaben ſind zwar in ſo fern
allen gemein, daß ſie ein jeder, der ein wahres
Glied Chriſti ſeyn will, haben muß; aber das
Maaß iſt doch gar unterſchieden. Denn da
befindet ſich bey einigen ein groͤſſers, bey an-
dern ein weit geringers Maaß der Weisheit
und des Verſtandes zur Pruͤfung und Re-
gierung; oder des Lichts und der Erkaͤnt-
niß, diß und das recht einzuſehen und zu be-
urtheilen, oder der Kraft in der Geduld und
Gelaſſenheit, auch in der Liebe gegen Feinde;
des Glaubens in der Freudigkeit zu GOTT;
der Liebe gegen den Nechſten; der Chriſtli-
chen Einfalt und Lauterkeit u. ſ. w.
h. Der Unterſcheid dieſer Gaben iſt zur Erbau-
ung der Glieder unter einander ſo noͤthig
und nuͤtzlich, als am Leibe die unterſchiedli-
chen Eigenſchaften und Verrichtungen der
Glieder ſind.
i. Und da GOtt durch die Gnade die Natur
nicht aufhebet, ſondern corrigiret und heili-
get, ſo iſt der Grund des Unterſcheides bey
manchen Gaben in der Natur. Zum Exem-
pel, wer von GOtt der Natur nach mit einem
guten ingenio und ſtarcken judicio, auch faͤhi-
gem und veſtem Gedaͤchtniß begabet iſt, der
excelliret damit auch im Geiſtlichen, und
zwar ſo vielmehr, ſo vielmehr ſolche Natur-
Gaben ſind geheiliget worden. Und gleich-
wie dieſes ſich alſo befindet bey den Kraͤf-
ten des Verſtandes, ſo trifft es auch zu bey den
Kraͤften des Willens. Denn wo z. E. ſchon
von Natur entweder ein feuriger Muth, oder
ein gelinderer Geiſt ſich findet, da bringet die
Gnade auch dieſe Gaben zur eigentlichen Form
geiſtlicher Tugend, und zwar in der Ord-
nung einer gruͤndlichen innern Veraͤnde-
rung, vermoͤge welcher alles aus einem rech-
ten principio der Kraͤfte, auf eine rechte geiſt-
liche Art zum rechten Zweck geſchiehet: ohn
welche Veraͤnderungen alle Natur-Gaben,
ſie moͤgen auch noch ſo ſcheinbar ſeyn, im Rei-
che GOttes nichts gelten.
k. Wer nun eine oder mehrere ſolche geiſtliche
Gaben hat, welche anſehnlicher, theils auch
wol zur Erbauung anderer noͤthiger und nuͤtz-
licher ſind, und daher mehr geachtet werden;
der hat ſich wohl zu huͤten, daß er ſich derſelben
ja nicht uͤberhebe, und deswegen andere ge-
ring achte; ſondern er hat vielmehr dahin zu
ſehen, daß er ſie im demuͤthigen Gebrauch,
zu dero Dienſten getreulich anwende: gleich-
wie hingegen die, welche damit nicht verſehen
ſind, andere deswegen nicht zu beneiden, ſon-
dern ſich derſelben nuͤtzlich zu bedienen ha-
ben.
l. Wenn dieſe Pflichten unterlaſſen werden, ſo
entſtehet daher allerley Miß-Verſtand, ja of-
fenbare Uneinigkeit und Zerruͤttung; und iſt
ſo viel, als wenn das Haupt dem Fuſſe zur
Geringachtung wolte vorwerfen, daß er gehe,
und der Fuß dem Haupte, daß er auf der Hut
des Leibes ſtehe: oder, als wenn das Auge
hoͤren, und das Ohr ſehen wolte. u. ſ. w.
m. Es geſchiehet leider gar oft, daß mancher
zum Hirten beſtellet iſt, aber er hat nur die
Beſchaffenheit eines Schafes; und kan daher
dem Hirten-Amte nicht recht vorſtehen.
Da ſoll das Bein ein Arm, oder Hand ſeyn.
n. Ein ander hat zwar die geheiligte Natur-
Gabe eines deutlichen und erbaulichen Vor-
trages; aber es fehlet ihm an der genugſamen
und gruͤndlichen Erkaͤntniß geiſtliche Dinge
auch recht tief einzuſehen und zu beurtheilen.
Und da ſoll der Mund das Auge, und das
Auge der Mund ſeyn. Wenn er das, was
er nicht hat, dennoch leiſten ſoll. Gleichwie
einander zum Kirchen-Regiment beſtellet iſt;
aber er ſchicket ſich ſo wenig dazu, als der Fuß
zum Haupte.
o. Dannenhero ſoll ein jeder ſich in Demuth
ſelbſt wohl pruͤfen, auch von andern pruͤfen
laſſen, wozu er ſich ſchicke, ehe er ſich wozu ge-
brauchen laſſe.
V. 21-23.
Es kan das Auge (der, welcher eine
ſcharfe Einſicht in goͤttliche Dinge hat) nicht ſa-
gen zu der Hand (zu dem, der mit allerhand
aͤuſſerlichen Beſchaͤftigungen der Kirchen ſeine
Dienſte erweiſet) ich darf dein nicht: oder
wiederum das Haupt (der die Gabe hat zu
regieren und etwas weislich anzuordnen) zu den
Fuͤſſen (zu denen, welche die meiſte Laſt des Creu-
tzes, oder anderer Beſchwerungen zum gemeinen
Beſten tragen) ich darf euer nicht. v. 22.
Sondern vielmehr die Glieder des Leibes,
die uns duͤncken die ſchwaͤchſten (oder un-
edleren) ſind die noͤthigſten (ἀναγκᾶια, auch
eben ſo wol noͤthig. Wie man bey der Hand
am kleinen Finger ſiehet; als der gewiß bey ſo
manchen Verrichtungen auch ſeine guten Dien-
ſte thut.) v. 23. Und die uns duͤncken die
unehrlichſten (ἀτιμότερα, unwerthere) zu
ſeyn, denſelben legen wir (mit ihrer ſorgfaͤl-
tigen Bedeckung) am meiſten Ehre an: und
die uns uͤbel anſtehen (ἀσχήμονα, die ihr rech-
tes ſchema oder ihre rechte Geſtalt nicht haben,
ſondern ungeſtalt und gebrechlich ſind) die
ſchmuͤcket man am meiſten (man verdecket die
Gebrechen, und giebt ſolchen Gliedern eine beſ-
ſere Geſtalt: das iſt in der Application, man
decket mit der Liebe, ſo einem groſſen Vorhange
und einer Decke gleich iſt, der Suͤnden Menge
zu, wie Petrus ſaget Ep. 1. c. 4, 8. man traͤ-
get mit den Schwachen Geduld, deutet ihr
Verſehen zum Beſten, und ſuchet ſie in Liebe an
ſich, oder vielmehr bey Chriſto zu behalten und
weiter zu fuͤhren.
V. 24-27.
Denn die uns wohl anſtehen (z. e. ein
freyes und unbeſchaͤdigtes Geſicht, eine unge-
brechliche Hand) die beduͤrfens nicht; aber
GOtt hat den Leib (in Anſehung der unter-
ſchiedlichen Glieder) alſo vermenget, und
dem
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