Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 5, 14. [Spaltenumbruch]
[b]. Paulus spricht v. 11. anthropous peithomen, wir bringen die Leute zum Glauben, Und dahin gehet all unser Bemühen. Wie kan aber dieses Bemühen rechter Art gewe- sen seyn, wenn Paulus nur eine so enge eingeschrenckte Erlösung geglaubet hat? Und da er das, was er geglaubet, (wenn er ohne Verstellung, die bey seiner so oft bezeugten Lauterkeit nicht statt gefunden, reden wollen) auch hat vortragen müssen; wie hat er doch immer mehr die Leute zum Glauben an CHristum bringen kön- nen, wenn er ihnen eine solche Erlö- sung des Heilandes der Welt angeprie- sen, welche sie mit der Idee, die sie nothwendig von der Vollkommenheit des Welt-Heylandes, seinem Willen und Vermögen nach, haben machen müs- sen, unmöglich haben conciliiren, und daraus sie eben so wenig eine gewisse Zueig- nung auf sich haben machen können? Ge- wißlich muß Paulus den Leuten die Erlö- sung CHristi in ihrer rechten Universalität vorgestellet haben, sonsten er damit nim- mermehr so vielen Eingang würde gefun- den haben; noch würde er mit einiger Glaubens-Freudigkeit haben sagen kön- nen Col. 1, 28. Wir verkündigen (den herrlichen Reichthum des Geheimnisses der durch CHristum geschehenen Erlösung v. 27.) und vermahnen panta anthro- pon, alle Menschen, und lehren pan- ta anthropon, alle Menschen mit aller Weisheit, auf daß wir (so viel an uns ist) darstellen panta anthropon, einen ieglichen Menschen vollkommen in Christo. g Paulus spricht v. 14. Die Liebe Chri- sti gegen die Menschen dringe ihn al- so, daß er mit allem Ernste und Fleisse sein Amt thue. Wie kan sie ihn aber gedrun- gen haben, wenn er sie von so enger Ein- schrenckung zu seyn geglaubet hat? Wä- re ihm nicht eben dadurch die grösseste Kraft von seiner Freudigkeit im Amte gebrochen und hinweg genommen? Hätte er nicht vielmehr daher gedencken müssen: laß es nur sachte angehen? Denn da das Ver- dienst CHristi ohne das nur auf die aller- wenigsten gehet, und diese, vermöge der absoluten Erwehlung nicht zurück bleiben können und werden, so werden sie doch schon zum Glauben kommen, genug daß ihnen Christus überhaupt geprediget wird: was hat man nöthig, sich der Menschen insonderheit wegen so viel Mühe zu neh- men? So würde er haben gedencken müs- sen. d Paulus spricht v. 19. GOtt habe die Welt in Christo mit ihm selbst ver- söhnet. Wie kan das immermehr von einer so gar particulairen Versöhnung ver- standen werden. Denn da, wie es die Erfahrung ausweiset, die allerwenigsten Menschen sich zum Glauben an CHristum in einem rechtschaffnen Wesen des Chri- [Spaltenumbruch] stenthums bringen lassen und selig werden; solte denn von solchen wenigen, wenn nur die alleine versöhnet sind, die Welt, ja die gantze Welt 1 Joh. 2, 2. benennet werden? Und da es sonst nach der gesun- den Vernunft, nach der Logic und Her- meneutic, auch nach der Gewohnheit al- ler Menschen im reden heißt: a potiori fit denominatio, in der Benennung eines Dinges muß man auf den meisten Theil se- hen; so müste es alhie umgekehret heissen: a pauciori fit denominatio, man muß sich in der Benennung nach dem wenigsten rich- ten. Und wenn man auch schon wolte sa- gen, es geschehe die Benennung deswegen von dem wenigsten Theile, weil er zugleich der beste sey: so gehet es doch auch nicht an, in Ansehung der Menschen, die von Natur alle gleich verderbt sind, und erst durch die Erlösung gut gemacht werden; wie auch in Ansehung GOttes, dem es, wie gedacht, weder am Willen, noch am Vermögen gefehlet, allen zu helfen; der es auch nicht an Zeugnissen ermangeln las- sen, daß er würcklich auch durch die allge- meine Erlösung CHristi allen ein allgemei- nes Hülfs-Mittel zur Seligkeit bereitet habe. e Eben so wenig kan die Meinung der parti- culairen Erlösung mit dem folgenden Con- texte der Worte Pauli bestehen, sonder- lich mit denen v. 20. wenn sie iemand mit rechter Glaubens-Freudigkeit auf alle Menschen, die ihm vorkommen, applici- ren soll, und sie ein ieder auch sich soll zueig- nen können, wenn er nemlich v. 20. spricht: So sind wir nun Botschafter an Chri- stus Statt: denn GOtt vermahnet durch uns. So bitten wir nun an Christus Statt: lasset euch versöh- nen mit GOtt. e. Aus so vielen andern Stellen der heiligen Schrift: als Matth. 11, 28. c. 20, 28. c. 22, 1. seqq. c. 23, 37. Luc. 19, 10. Joh. 1, 29. 36. c. 3, 16. c. 17, 30. 31. Rom. 5, 17. seqq. c. 11, 32. c. 14, 15. 1 Cor. 8, 11. 13. 2 Tim. 2, 5. 6. 2 Pet. 2, 1. c. 3, 9. 1 Joh. 2, 2. etc. Vieler andern Oerter zu geschweigen, als Ezech. 3. c. 18. c. 33. etc. Deren Nach- druck zu zeigen, und denselben von aller Miß- deutung zu retten, itzo das Vorhaben nicht ist. Von denen aus den Apostolischen Brie- fen wird an ihrem Orte ein mehrers folgen. f. Aus dem nichtigen Grunde des Gegen- satzes von dem particulairen Verdienste CHristi und von dem absoluten Decret der ewigen Verwerfung der meisten Menschen, und der ewigen Erwehlung der wenigsten. Der Grund ist gedoppelt, theils in einigen Stellen der H. Schrift, theils in der Er- fahrung, daß so viele Völcker ohne die Pre- digt des Evangelii gewesen und noch sind. Al- lein was den ersten Grund betrifft, so setzet man einige wenige dunckele Oerter der heiligen Schrift, welche ihrem buchstäblichen Laute nach, sonderlich ausser ihrem Contexte und rech-
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, 14. [Spaltenumbruch]
[β]. Paulus ſpricht v. 11. ἀνϑρώπους πείϑομεν, wir bringen die Leute zum Glauben, Und dahin gehet all unſer Bemuͤhen. Wie kan aber dieſes Bemuͤhen rechter Art gewe- ſen ſeyn, wenn Paulus nur eine ſo enge eingeſchrenckte Erloͤſung geglaubet hat? Und da er das, was er geglaubet, (wenn er ohne Verſtellung, die bey ſeiner ſo oft bezeugten Lauterkeit nicht ſtatt gefunden, reden wollen) auch hat vortragen muͤſſen; wie hat er doch immer mehr die Leute zum Glauben an CHriſtum bringen koͤn- nen, wenn er ihnen eine ſolche Erloͤ- ſung des Heilandes der Welt angeprie- ſen, welche ſie mit der Idee, die ſie nothwendig von der Vollkommenheit des Welt-Heylandes, ſeinem Willen und Vermoͤgen nach, haben machen muͤſ- ſen, unmoͤglich haben conciliiren, und daraus ſie eben ſo wenig eine gewiſſe Zueig- nung auf ſich haben machen koͤnnen? Ge- wißlich muß Paulus den Leuten die Erloͤ- ſung CHriſti in ihrer rechten Univerſalitaͤt vorgeſtellet haben, ſonſten er damit nim- mermehr ſo vielen Eingang wuͤrde gefun- den haben; noch wuͤrde er mit einiger Glaubens-Freudigkeit haben ſagen koͤn- nen Col. 1, 28. Wir verkuͤndigen (den herrlichen Reichthum des Geheimniſſes der durch CHriſtum geſchehenen Erloͤſung v. 27.) und vermahnen πάντα ἄνϑρω- πον, alle Menſchen, und lehren πάν- τα ἄνϑρωπον, alle Menſchen mit aller Weisheit, auf daß wir (ſo viel an uns iſt) darſtellen πάντα ἄνϑρωπον, einen ieglichen Menſchen vollkommen in Chriſto. γ Paulus ſpricht v. 14. Die Liebe Chri- ſti gegen die Menſchen dringe ihn al- ſo, daß er mit allem Ernſte und Fleiſſe ſein Amt thue. Wie kan ſie ihn aber gedrun- gen haben, wenn er ſie von ſo enger Ein- ſchrenckung zu ſeyn geglaubet hat? Waͤ- re ihm nicht eben dadurch die groͤſſeſte Kraft von ſeiner Freudigkeit im Amte gebrochen und hinweg genommen? Haͤtte er nicht vielmehr daher gedencken muͤſſen: laß es nur ſachte angehen? Denn da das Ver- dienſt CHriſti ohne das nur auf die aller- wenigſten gehet, und dieſe, vermoͤge der abſoluten Erwehlung nicht zuruͤck bleiben koͤnnen und werden, ſo werden ſie doch ſchon zum Glauben kommen, genug daß ihnen Chriſtus uͤberhaupt geprediget wird: was hat man noͤthig, ſich der Menſchen inſonderheit wegen ſo viel Muͤhe zu neh- men? So wuͤrde er haben gedencken muͤſ- ſen. δ Paulus ſpricht v. 19. GOtt habe die Welt in Chriſto mit ihm ſelbſt ver- ſoͤhnet. Wie kan das immermehr von einer ſo gar particulairen Verſoͤhnung ver- ſtanden werden. Denn da, wie es die Erfahrung ausweiſet, die allerwenigſten Menſchen ſich zum Glauben an CHriſtum in einem rechtſchaffnen Weſen des Chri- [Spaltenumbruch] ſtenthums bringen laſſen und ſelig werden; ſolte denn von ſolchen wenigen, wenn nur die alleine verſoͤhnet ſind, die Welt, ja die gantze Welt 1 Joh. 2, 2. benennet werden? Und da es ſonſt nach der geſun- den Vernunft, nach der Logic und Her- meneutic, auch nach der Gewohnheit al- ler Menſchen im reden heißt: a potiori fit denominatio, in der Benennung eines Dinges muß man auf den meiſten Theil ſe- hen; ſo muͤſte es alhie umgekehret heiſſen: a pauciori fit denominatio, man muß ſich in der Benennung nach dem wenigſten rich- ten. Und wenn man auch ſchon wolte ſa- gen, es geſchehe die Benennung deswegen von dem wenigſten Theile, weil er zugleich der beſte ſey: ſo gehet es doch auch nicht an, in Anſehung der Menſchen, die von Natur alle gleich verderbt ſind, und erſt durch die Erloͤſung gut gemacht werden; wie auch in Anſehung GOttes, dem es, wie gedacht, weder am Willen, noch am Vermoͤgen gefehlet, allen zu helfen; der es auch nicht an Zeugniſſen ermangeln laſ- ſen, daß er wuͤrcklich auch durch die allge- meine Erloͤſung CHriſti allen ein allgemei- nes Huͤlfs-Mittel zur Seligkeit bereitet habe. ε Eben ſo wenig kan die Meinung der parti- culairen Erloͤſung mit dem folgenden Con- texte der Worte Pauli beſtehen, ſonder- lich mit denen v. 20. wenn ſie iemand mit rechter Glaubens-Freudigkeit auf alle Menſchen, die ihm vorkommen, applici- ren ſoll, und ſie ein ieder auch ſich ſoll zueig- nen koͤnnen, wenn er nemlich v. 20. ſpricht: So ſind wir nun Botſchafter an Chri- ſtus Statt: denn GOtt vermahnet durch uns. So bitten wir nun an Chriſtus Statt: laſſet euch verſoͤh- nen mit GOtt. e. Aus ſo vielen andern Stellen der heiligen Schrift: als Matth. 11, 28. c. 20, 28. c. 22, 1. ſeqq. c. 23, 37. Luc. 19, 10. Joh. 1, 29. 36. c. 3, 16. c. 17, 30. 31. Rom. 5, 17. ſeqq. c. 11, 32. c. 14, 15. 1 Cor. 8, 11. 13. 2 Tim. 2, 5. 6. 2 Pet. 2, 1. c. 3, 9. 1 Joh. 2, 2. ꝛc. Vieler andern Oerter zu geſchweigen, als Ezech. 3. c. 18. c. 33. ꝛc. Deren Nach- druck zu zeigen, und denſelben von aller Miß- deutung zu retten, itzo das Vorhaben nicht iſt. Von denen aus den Apoſtoliſchen Brie- fen wird an ihrem Orte ein mehrers folgen. f. Aus dem nichtigen Grunde des Gegen- ſatzes von dem particulairen Verdienſte CHriſti und von dem abſoluten Decret der ewigen Verwerfung der meiſten Menſchen, und der ewigen Erwehlung der wenigſten. Der Grund iſt gedoppelt, theils in einigen Stellen der H. Schrift, theils in der Er- fahrung, daß ſo viele Voͤlcker ohne die Pre- digt des Evangelii geweſen und noch ſind. Al- lein was den erſten Grund betrifft, ſo ſetzet man einige wenige dunckele Oerter der heiligen Schrift, welche ihrem buchſtaͤblichen Laute nach, ſonderlich auſſer ihrem Contexte und rech-
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Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, 14.
β. Paulus ſpricht v. 11. ἀνϑρώπους πείϑομεν,
wir bringen die Leute zum Glauben,
Und dahin gehet all unſer Bemuͤhen. Wie
kan aber dieſes Bemuͤhen rechter Art gewe-
ſen ſeyn, wenn Paulus nur eine ſo enge
eingeſchrenckte Erloͤſung geglaubet hat?
Und da er das, was er geglaubet, (wenn
er ohne Verſtellung, die bey ſeiner ſo oft
bezeugten Lauterkeit nicht ſtatt gefunden,
reden wollen) auch hat vortragen muͤſſen;
wie hat er doch immer mehr die Leute zum
Glauben an CHriſtum bringen koͤn-
nen, wenn er ihnen eine ſolche Erloͤ-
ſung des Heilandes der Welt angeprie-
ſen, welche ſie mit der Idee, die ſie
nothwendig von der Vollkommenheit
des Welt-Heylandes, ſeinem Willen
und Vermoͤgen nach, haben machen muͤſ-
ſen, unmoͤglich haben conciliiren, und
daraus ſie eben ſo wenig eine gewiſſe Zueig-
nung auf ſich haben machen koͤnnen? Ge-
wißlich muß Paulus den Leuten die Erloͤ-
ſung CHriſti in ihrer rechten Univerſalitaͤt
vorgeſtellet haben, ſonſten er damit nim-
mermehr ſo vielen Eingang wuͤrde gefun-
den haben; noch wuͤrde er mit einiger
Glaubens-Freudigkeit haben ſagen koͤn-
nen Col. 1, 28. Wir verkuͤndigen (den
herrlichen Reichthum des Geheimniſſes
der durch CHriſtum geſchehenen Erloͤſung
v. 27.) und vermahnen πάντα ἄνϑρω-
πον, alle Menſchen, und lehren πάν-
τα ἄνϑρωπον, alle Menſchen mit aller
Weisheit, auf daß wir (ſo viel an uns
iſt) darſtellen πάντα ἄνϑρωπον, einen
ieglichen Menſchen vollkommen in
Chriſto.
γ Paulus ſpricht v. 14. Die Liebe Chri-
ſti gegen die Menſchen dringe ihn al-
ſo, daß er mit allem Ernſte und Fleiſſe ſein
Amt thue. Wie kan ſie ihn aber gedrun-
gen haben, wenn er ſie von ſo enger Ein-
ſchrenckung zu ſeyn geglaubet hat? Waͤ-
re ihm nicht eben dadurch die groͤſſeſte Kraft
von ſeiner Freudigkeit im Amte gebrochen
und hinweg genommen? Haͤtte er nicht
vielmehr daher gedencken muͤſſen: laß es
nur ſachte angehen? Denn da das Ver-
dienſt CHriſti ohne das nur auf die aller-
wenigſten gehet, und dieſe, vermoͤge der
abſoluten Erwehlung nicht zuruͤck bleiben
koͤnnen und werden, ſo werden ſie doch
ſchon zum Glauben kommen, genug daß
ihnen Chriſtus uͤberhaupt geprediget wird:
was hat man noͤthig, ſich der Menſchen
inſonderheit wegen ſo viel Muͤhe zu neh-
men? So wuͤrde er haben gedencken muͤſ-
ſen.
δ Paulus ſpricht v. 19. GOtt habe die
Welt in Chriſto mit ihm ſelbſt ver-
ſoͤhnet. Wie kan das immermehr von
einer ſo gar particulairen Verſoͤhnung ver-
ſtanden werden. Denn da, wie es die
Erfahrung ausweiſet, die allerwenigſten
Menſchen ſich zum Glauben an CHriſtum
in einem rechtſchaffnen Weſen des Chri-
ſtenthums bringen laſſen und ſelig werden;
ſolte denn von ſolchen wenigen, wenn nur
die alleine verſoͤhnet ſind, die Welt, ja
die gantze Welt 1 Joh. 2, 2. benennet
werden? Und da es ſonſt nach der geſun-
den Vernunft, nach der Logic und Her-
meneutic, auch nach der Gewohnheit al-
ler Menſchen im reden heißt: a potiori fit
denominatio, in der Benennung eines
Dinges muß man auf den meiſten Theil ſe-
hen; ſo muͤſte es alhie umgekehret heiſſen:
a pauciori fit denominatio, man muß ſich in
der Benennung nach dem wenigſten rich-
ten. Und wenn man auch ſchon wolte ſa-
gen, es geſchehe die Benennung deswegen
von dem wenigſten Theile, weil er zugleich
der beſte ſey: ſo gehet es doch auch nicht
an, in Anſehung der Menſchen, die von
Natur alle gleich verderbt ſind, und erſt
durch die Erloͤſung gut gemacht werden;
wie auch in Anſehung GOttes, dem es,
wie gedacht, weder am Willen, noch am
Vermoͤgen gefehlet, allen zu helfen; der
es auch nicht an Zeugniſſen ermangeln laſ-
ſen, daß er wuͤrcklich auch durch die allge-
meine Erloͤſung CHriſti allen ein allgemei-
nes Huͤlfs-Mittel zur Seligkeit bereitet
habe.
ε Eben ſo wenig kan die Meinung der parti-
culairen Erloͤſung mit dem folgenden Con-
texte der Worte Pauli beſtehen, ſonder-
lich mit denen v. 20. wenn ſie iemand mit
rechter Glaubens-Freudigkeit auf alle
Menſchen, die ihm vorkommen, applici-
ren ſoll, und ſie ein ieder auch ſich ſoll zueig-
nen koͤnnen, wenn er nemlich v. 20. ſpricht:
So ſind wir nun Botſchafter an Chri-
ſtus Statt: denn GOtt vermahnet
durch uns. So bitten wir nun an
Chriſtus Statt: laſſet euch verſoͤh-
nen mit GOtt.
e. Aus ſo vielen andern Stellen der heiligen
Schrift: als Matth. 11, 28. c. 20, 28.
c. 22, 1. ſeqq. c. 23, 37. Luc. 19, 10. Joh. 1,
29. 36. c. 3, 16. c. 17, 30. 31. Rom. 5, 17.
ſeqq. c. 11, 32. c. 14, 15. 1 Cor. 8, 11. 13. 2
Tim. 2, 5. 6. 2 Pet. 2, 1. c. 3, 9. 1 Joh. 2,
2. ꝛc. Vieler andern Oerter zu geſchweigen,
als Ezech. 3. c. 18. c. 33. ꝛc. Deren Nach-
druck zu zeigen, und denſelben von aller Miß-
deutung zu retten, itzo das Vorhaben nicht
iſt. Von denen aus den Apoſtoliſchen Brie-
fen wird an ihrem Orte ein mehrers folgen.
f. Aus dem nichtigen Grunde des Gegen-
ſatzes von dem particulairen Verdienſte
CHriſti und von dem abſoluten Decret der
ewigen Verwerfung der meiſten Menſchen,
und der ewigen Erwehlung der wenigſten.
Der Grund iſt gedoppelt, theils in einigen
Stellen der H. Schrift, theils in der Er-
fahrung, daß ſo viele Voͤlcker ohne die Pre-
digt des Evangelii geweſen und noch ſind. Al-
lein was den erſten Grund betrifft, ſo ſetzet
man einige wenige dunckele Oerter der heiligen
Schrift, welche ihrem buchſtaͤblichen Laute
nach, ſonderlich auſſer ihrem Contexte und
rech-
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