Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 19. [Spaltenumbruch]
trag thut. Wie solte es denn nicht vielmehrmit CHristo also angehen, daß er zwar selbst mit ist der Beleidigte, aber auch ein Mittler der Beleidiger, und sie durch sich selbst mit sich selbst versöhnet? Denn es findet sich deßfals ein gar sehr unterschiedener respectus eines gedoppelten Amts in einer Person: erstlich des Richters, so fern er wahrer GOTT ist: und denn auch als des Mittlers vor Gerichte, da er zwar auch GOTT ist und bleibet, auch als GOTT betrachtet wird, aber in angenommener mensch- licher Natur. Daß er nun die Menschen also gar wohl mit sich selbst versöhnen können, so ists noch begreiflicher, wie er sie bey dem Vater und Heiligem Geiste versöhnet habe, da er eine von ihnen unterschiedene Person der einigen Gott- heit ist. Also können wir zum wenigsten lallen von diesem grossen Geheimnisse, bis daß es uns im ewigen Leben gegeben werde, es nach seiner rechten Tiefe einzusehen. 2. Weil aber auch CHristus vermöge der Einigkeit des Wesens, die er mit dem Vater hatte, sagen konte: Der Vater in mir, und ich in ihm: Wer mich siehet, der siehet den Vater Joh. 14, 9. u. f. so haben wir alhier in diesem Orte, nach voraus gesetztem gedachten Verstande von dem Sohne GOttes, als der an sich selbst seine Richtigkeit hat, das Wort GOTT eigentlich von dem Vater und dem davon ungeschiedenen Heiligen Geiste zu verste- hen, wenn es heißt: GOTT war in Chri- sto, und versöhnete die Welt mit ihm sel- ber, also daß wie der Sohn das Löse-Geld ge- bracht, der Vater mit dem Heiligen Geiste in CHristo es angenommen, und in Ansehung des- sen mit dem Sohne dem menschlichen Geschlecht sich als der Versöhnete gnädig erwiesen. 3. Was die Versöhnung selbst betrifft, so bestehet dieselbe auf Seiten des Versöhners CHristi darinnen, daß er sich, in angenom- mener menschlichen Natur, als ein Mittler zwi- schen GOTT und Menschen, an die Stelle des gantzen menschlichen Geschlechts gesetzet, und dasjenige geleistet, was von demselben mit Recht gefodert werden konte. Nun haftete auf das menschliche Geschlecht theils eine grosse Schuldigkeit; theils eine grosse Sündenschuld. Eine Schuldigkeit, nach dem anerschaffnen Ebenbilde GOttes und den verliehenen genug- samen Kräften, GOTT ohne Sünde von gan- tzem Hertzen in aller Lauterkeit und Reinigkeit zu lieben und ihm zu dienen, auch lauter reine und gantz unsündliche Pflichten der Liebe gegen uns selbst und gegen den Nechsten auszuüben. Die- sen Abtrag hat das menschliche Geschlecht nicht gethan, und ist demnach dem gerechten GOtt mit einer über alle die Massen sehr gehäufften Pflicht-Schuld verhaftet in Unterlassung des guten. Allein dabey bleibet es noch nicht, son- dern dazu kömmt nun noch die Sündenschuld, da bey Unterlassung des guten so vieles began- gen, und die Sünde selbst in ihrer eigentlichen Beschaffenheit ein rechtes crimen rebellionis und laesae divinae majestatis, das Verbrechen der beleidigten göttlichen Majestät, in sich hält, und solches sich in unzehlig vielen Ausbrüchen [Spaltenumbruch] hervor thut. Da nun der Sohn GOttes in die Stelle der Sünder gutwillig getreten ist, so hat er nicht allein ihre Sünden-Schuld auf sich genommen, sondern auch ihre Pflicht- Schuld, oder Schuldigkeit abgetragen. Je- ne dadurch, daß er sich in den Tod dahin gege- ben, und sonderlich dabey den ewigen Tod, oder die allergrösseste Seelen-Angst in der Ver- lassung GOttes am Oelberge und am Creutze empfunden, und also das gelitten, und, wegen der unendlichen Kraft seiner Person, das in ei- ner kurtzen Zeit durch das Leiden abthun kön- nen, was das menschliche Geschlecht ihrer eig- nen Sünde wegen hätte an ewiger Todes- Strafe über sich nehmen sollen, auch über allen denjenigen bleibet, welche CHristum nicht für ihren Mittler annehmen, und nicht in ihm er- funden werden. Diese aber, die Schuldig- keit in vollkommnen Pflichten, hat er abgetra- gen, da er seinem himmlischen Vater in den Tagen seiner Erniedrigung den allervollkom- mensten Gehorsam geleistet und das Gesetz an unserer statt nach beyden Tafeln vollkömmlich erfüllet hat, und eine solche vollkommne Erfül- lung viel mehr leisten können, da er gantz ohne Sünde und vollkommen heilig war. Da nun CHristus beydes gethan, unsere Pflicht- Schuld abgetragen, auch für unsere Sünden- Schuld gelitten, so heißt das, er habe uns mit GOTT versöhnet: und das hat die Er- lösung und Versöhnung Christi auf sich. 4. Die durch CHristum Versöhnte wer- den alhier mit dem Namen der Welt benen- net. Nun aber findet sich in keinem eintzigen Orte der heiligen Schrift, daß durch das Wort Welt allein die Auserwehlten verstanden würden; als welcher Verstand sich auch für sie, (da ihrer in Ansehung der beharrlichen Gott- losen, die verdammet werden, so gar wenig sind,) gar nicht schicket: sondern weil dadurch Menschen verstanden werden, so ist entweder das menschliche Geschlecht gemeinet, oder doch die grosse Menge der Gottlosen, welche meistentheils in ihrem gottlosen Wesen dahin fahren. Da nun aber von diesen unmöglich gesaget werden kan, daß sie nur allein versöhnet worden wären, als welcher Jrrthum noch grös- ser wäre, als der, da man nur allein die Aus- erwehlten durch die Versöhnten verstehet: so folget daraus, daß durch die Welt das gantze menschliche Geschlecht alhier verstanden werde: als von welchem es heißt Rom. 3, 19. daß pas o kosmos, die gantze Welt sey upodikos to Theo, unter dem Gerichte GOttes lie- ge; und Joh. 3, 16. daß GOtt in CHristo die Welt geliebet habe, als in dem, der die Versöhnung ist, nicht allein für die Sünden der Glaubigen und Auserwehlten, sondern auch der gantzen Welt. 1, Joh. 2, 2. Siehe was von dieser Universalität vorhin bey v. 17. beygebracht ist. 5. Nun folgen ferner andere gar wichtige Worte unsers Textes, nemlich diese: Und er rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu. Es ist bekannt, daß die Nichtzurechnung der Sünden die Zurechnung der Gerechtigkeit Chri-
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 19. [Spaltenumbruch]
trag thut. Wie ſolte es denn nicht vielmehrmit CHriſto alſo angehen, daß er zwar ſelbſt mit iſt der Beleidigte, aber auch ein Mittler der Beleidiger, und ſie durch ſich ſelbſt mit ſich ſelbſt verſoͤhnet? Denn es findet ſich deßfals ein gar ſehr unterſchiedener reſpectus eines gedoppelten Amts in einer Perſon: erſtlich des Richters, ſo fern er wahrer GOTT iſt: und denn auch als des Mittlers vor Gerichte, da er zwar auch GOTT iſt und bleibet, auch als GOTT betrachtet wird, aber in angenommener menſch- licher Natur. Daß er nun die Menſchen alſo gar wohl mit ſich ſelbſt verſoͤhnen koͤnnen, ſo iſts noch begreiflicher, wie er ſie bey dem Vater und Heiligem Geiſte verſoͤhnet habe, da er eine von ihnen unterſchiedene Perſon der einigen Gott- heit iſt. Alſo koͤnnen wir zum wenigſten lallen von dieſem groſſen Geheimniſſe, bis daß es uns im ewigen Leben gegeben werde, es nach ſeiner rechten Tiefe einzuſehen. 2. Weil aber auch CHriſtus vermoͤge der Einigkeit des Weſens, die er mit dem Vater hatte, ſagen konte: Der Vater in mir, und ich in ihm: Wer mich ſiehet, der ſiehet den Vater Joh. 14, 9. u. f. ſo haben wir alhier in dieſem Orte, nach voraus geſetztem gedachten Verſtande von dem Sohne GOttes, als der an ſich ſelbſt ſeine Richtigkeit hat, das Wort GOTT eigentlich von dem Vater und dem davon ungeſchiedenen Heiligen Geiſte zu verſte- hen, wenn es heißt: GOTT war in Chri- ſto, und verſoͤhnete die Welt mit ihm ſel- ber, alſo daß wie der Sohn das Loͤſe-Geld ge- bracht, der Vater mit dem Heiligen Geiſte in CHriſto es angenommen, und in Anſehung deſ- ſen mit dem Sohne dem menſchlichen Geſchlecht ſich als der Verſoͤhnete gnaͤdig erwieſen. 3. Was die Verſoͤhnung ſelbſt betrifft, ſo beſtehet dieſelbe auf Seiten des Verſoͤhners CHriſti darinnen, daß er ſich, in angenom- mener menſchlichen Natur, als ein Mittler zwi- ſchen GOTT und Menſchen, an die Stelle des gantzen menſchlichen Geſchlechts geſetzet, und dasjenige geleiſtet, was von demſelben mit Recht gefodert werden konte. Nun haftete auf das menſchliche Geſchlecht theils eine groſſe Schuldigkeit; theils eine groſſe Suͤndenſchuld. Eine Schuldigkeit, nach dem anerſchaffnen Ebenbilde GOttes und den verliehenen genug- ſamen Kraͤften, GOTT ohne Suͤnde von gan- tzem Hertzen in aller Lauterkeit und Reinigkeit zu lieben und ihm zu dienen, auch lauter reine und gantz unſuͤndliche Pflichten der Liebe gegen uns ſelbſt und gegen den Nechſten auszuuͤben. Die- ſen Abtrag hat das menſchliche Geſchlecht nicht gethan, und iſt demnach dem gerechten GOtt mit einer uͤber alle die Maſſen ſehr gehaͤufften Pflicht-Schuld verhaftet in Unterlaſſung des guten. Allein dabey bleibet es noch nicht, ſon- dern dazu koͤmmt nun noch die Suͤndenſchuld, da bey Unterlaſſung des guten ſo vieles began- gen, und die Suͤnde ſelbſt in ihrer eigentlichen Beſchaffenheit ein rechtes crimen rebellionis und læſæ divinæ majeſtatis, das Verbrechen der beleidigten goͤttlichen Majeſtaͤt, in ſich haͤlt, und ſolches ſich in unzehlig vielen Ausbruͤchen [Spaltenumbruch] hervor thut. Da nun der Sohn GOttes in die Stelle der Suͤnder gutwillig getreten iſt, ſo hat er nicht allein ihre Suͤnden-Schuld auf ſich genommen, ſondern auch ihre Pflicht- Schuld, oder Schuldigkeit abgetragen. Je- ne dadurch, daß er ſich in den Tod dahin gege- ben, und ſonderlich dabey den ewigen Tod, oder die allergroͤſſeſte Seelen-Angſt in der Ver- laſſung GOttes am Oelberge und am Creutze empfunden, und alſo das gelitten, und, wegen der unendlichen Kraft ſeiner Perſon, das in ei- ner kurtzen Zeit durch das Leiden abthun koͤn- nen, was das menſchliche Geſchlecht ihrer eig- nen Suͤnde wegen haͤtte an ewiger Todes- Strafe uͤber ſich nehmen ſollen, auch uͤber allen denjenigen bleibet, welche CHriſtum nicht fuͤr ihren Mittler annehmen, und nicht in ihm er- funden werden. Dieſe aber, die Schuldig- keit in vollkommnen Pflichten, hat er abgetra- gen, da er ſeinem himmliſchen Vater in den Tagen ſeiner Erniedrigung den allervollkom- menſten Gehorſam geleiſtet und das Geſetz an unſerer ſtatt nach beyden Tafeln vollkoͤmmlich erfuͤllet hat, und eine ſolche vollkommne Erfuͤl- lung viel mehr leiſten koͤnnen, da er gantz ohne Suͤnde und vollkommen heilig war. Da nun CHriſtus beydes gethan, unſere Pflicht- Schuld abgetragen, auch fuͤr unſere Suͤnden- Schuld gelitten, ſo heißt das, er habe uns mit GOTT verſoͤhnet: und das hat die Er- loͤſung und Verſoͤhnung Chriſti auf ſich. 4. Die durch CHriſtum Verſoͤhnte wer- den alhier mit dem Namen der Welt benen- net. Nun aber findet ſich in keinem eintzigen Orte der heiligen Schrift, daß durch das Wort Welt allein die Auserwehlten verſtanden wuͤrden; als welcher Verſtand ſich auch fuͤr ſie, (da ihrer in Anſehung der beharrlichen Gott- loſen, die verdammet werden, ſo gar wenig ſind,) gar nicht ſchicket: ſondern weil dadurch Menſchen verſtanden werden, ſo iſt entweder das menſchliche Geſchlecht gemeinet, oder doch die groſſe Menge der Gottloſen, welche meiſtentheils in ihrem gottloſen Weſen dahin fahren. Da nun aber von dieſen unmoͤglich geſaget werden kan, daß ſie nur allein verſoͤhnet worden waͤren, als welcher Jrrthum noch groͤſ- ſer waͤre, als der, da man nur allein die Aus- erwehlten durch die Verſoͤhnten verſtehet: ſo folget daraus, daß durch die Welt das gantze menſchliche Geſchlecht alhier verſtanden werde: als von welchem es heißt Rom. 3, 19. daß πᾶς ὁ κόσμος, die gantze Welt ſey ὑπόδικος τῷ Θεῷ, unter dem Gerichte GOttes lie- ge; und Joh. 3, 16. daß GOtt in CHriſto die Welt geliebet habe, als in dem, der die Verſoͤhnung iſt, nicht allein fuͤr die Suͤnden der Glaubigen und Auserwehlten, ſondern auch der gantzen Welt. 1, Joh. 2, 2. Siehe was von dieſer Univerſalitaͤt vorhin bey v. 17. beygebracht iſt. 5. Nun folgen ferner andere gar wichtige Worte unſers Textes, nemlich dieſe: Und er rechnete ihnen ihre Suͤnde nicht zu. Es iſt bekannt, daß die Nichtzurechnung der Suͤnden die Zurechnung der Gerechtigkeit Chri-
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Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 19.
trag thut. Wie ſolte es denn nicht vielmehr
mit CHriſto alſo angehen, daß er zwar ſelbſt
mit iſt der Beleidigte, aber auch ein Mittler der
Beleidiger, und ſie durch ſich ſelbſt mit ſich ſelbſt
verſoͤhnet? Denn es findet ſich deßfals ein gar
ſehr unterſchiedener reſpectus eines gedoppelten
Amts in einer Perſon: erſtlich des Richters,
ſo fern er wahrer GOTT iſt: und denn auch
als des Mittlers vor Gerichte, da er zwar
auch GOTT iſt und bleibet, auch als GOTT
betrachtet wird, aber in angenommener menſch-
licher Natur. Daß er nun die Menſchen alſo
gar wohl mit ſich ſelbſt verſoͤhnen koͤnnen, ſo iſts
noch begreiflicher, wie er ſie bey dem Vater und
Heiligem Geiſte verſoͤhnet habe, da er eine von
ihnen unterſchiedene Perſon der einigen Gott-
heit iſt. Alſo koͤnnen wir zum wenigſten lallen
von dieſem groſſen Geheimniſſe, bis daß es uns
im ewigen Leben gegeben werde, es nach ſeiner
rechten Tiefe einzuſehen.
2. Weil aber auch CHriſtus vermoͤge der
Einigkeit des Weſens, die er mit dem Vater
hatte, ſagen konte: Der Vater in mir, und
ich in ihm: Wer mich ſiehet, der ſiehet
den Vater Joh. 14, 9. u. f. ſo haben wir alhier
in dieſem Orte, nach voraus geſetztem gedachten
Verſtande von dem Sohne GOttes, als der
an ſich ſelbſt ſeine Richtigkeit hat, das Wort
GOTT eigentlich von dem Vater und dem
davon ungeſchiedenen Heiligen Geiſte zu verſte-
hen, wenn es heißt: GOTT war in Chri-
ſto, und verſoͤhnete die Welt mit ihm ſel-
ber, alſo daß wie der Sohn das Loͤſe-Geld ge-
bracht, der Vater mit dem Heiligen Geiſte in
CHriſto es angenommen, und in Anſehung deſ-
ſen mit dem Sohne dem menſchlichen Geſchlecht
ſich als der Verſoͤhnete gnaͤdig erwieſen.
3. Was die Verſoͤhnung ſelbſt betrifft,
ſo beſtehet dieſelbe auf Seiten des Verſoͤhners
CHriſti darinnen, daß er ſich, in angenom-
mener menſchlichen Natur, als ein Mittler zwi-
ſchen GOTT und Menſchen, an die Stelle
des gantzen menſchlichen Geſchlechts geſetzet,
und dasjenige geleiſtet, was von demſelben mit
Recht gefodert werden konte. Nun haftete auf
das menſchliche Geſchlecht theils eine groſſe
Schuldigkeit; theils eine groſſe Suͤndenſchuld.
Eine Schuldigkeit, nach dem anerſchaffnen
Ebenbilde GOttes und den verliehenen genug-
ſamen Kraͤften, GOTT ohne Suͤnde von gan-
tzem Hertzen in aller Lauterkeit und Reinigkeit zu
lieben und ihm zu dienen, auch lauter reine und
gantz unſuͤndliche Pflichten der Liebe gegen uns
ſelbſt und gegen den Nechſten auszuuͤben. Die-
ſen Abtrag hat das menſchliche Geſchlecht nicht
gethan, und iſt demnach dem gerechten GOtt
mit einer uͤber alle die Maſſen ſehr gehaͤufften
Pflicht-Schuld verhaftet in Unterlaſſung des
guten. Allein dabey bleibet es noch nicht, ſon-
dern dazu koͤmmt nun noch die Suͤndenſchuld,
da bey Unterlaſſung des guten ſo vieles began-
gen, und die Suͤnde ſelbſt in ihrer eigentlichen
Beſchaffenheit ein rechtes crimen rebellionis
und læſæ divinæ majeſtatis, das Verbrechen der
beleidigten goͤttlichen Majeſtaͤt, in ſich haͤlt,
und ſolches ſich in unzehlig vielen Ausbruͤchen
hervor thut. Da nun der Sohn GOttes in
die Stelle der Suͤnder gutwillig getreten iſt,
ſo hat er nicht allein ihre Suͤnden-Schuld
auf ſich genommen, ſondern auch ihre Pflicht-
Schuld, oder Schuldigkeit abgetragen. Je-
ne dadurch, daß er ſich in den Tod dahin gege-
ben, und ſonderlich dabey den ewigen Tod,
oder die allergroͤſſeſte Seelen-Angſt in der Ver-
laſſung GOttes am Oelberge und am Creutze
empfunden, und alſo das gelitten, und, wegen
der unendlichen Kraft ſeiner Perſon, das in ei-
ner kurtzen Zeit durch das Leiden abthun koͤn-
nen, was das menſchliche Geſchlecht ihrer eig-
nen Suͤnde wegen haͤtte an ewiger Todes-
Strafe uͤber ſich nehmen ſollen, auch uͤber allen
denjenigen bleibet, welche CHriſtum nicht fuͤr
ihren Mittler annehmen, und nicht in ihm er-
funden werden. Dieſe aber, die Schuldig-
keit in vollkommnen Pflichten, hat er abgetra-
gen, da er ſeinem himmliſchen Vater in den
Tagen ſeiner Erniedrigung den allervollkom-
menſten Gehorſam geleiſtet und das Geſetz an
unſerer ſtatt nach beyden Tafeln vollkoͤmmlich
erfuͤllet hat, und eine ſolche vollkommne Erfuͤl-
lung viel mehr leiſten koͤnnen, da er gantz ohne
Suͤnde und vollkommen heilig war. Da nun
CHriſtus beydes gethan, unſere Pflicht-
Schuld abgetragen, auch fuͤr unſere Suͤnden-
Schuld gelitten, ſo heißt das, er habe uns
mit GOTT verſoͤhnet: und das hat die Er-
loͤſung und Verſoͤhnung Chriſti auf ſich.
4. Die durch CHriſtum Verſoͤhnte wer-
den alhier mit dem Namen der Welt benen-
net. Nun aber findet ſich in keinem eintzigen
Orte der heiligen Schrift, daß durch das Wort
Welt allein die Auserwehlten verſtanden
wuͤrden; als welcher Verſtand ſich auch fuͤr ſie,
(da ihrer in Anſehung der beharrlichen Gott-
loſen, die verdammet werden, ſo gar wenig
ſind,) gar nicht ſchicket: ſondern weil dadurch
Menſchen verſtanden werden, ſo iſt entweder
das menſchliche Geſchlecht gemeinet, oder
doch die groſſe Menge der Gottloſen, welche
meiſtentheils in ihrem gottloſen Weſen dahin
fahren. Da nun aber von dieſen unmoͤglich
geſaget werden kan, daß ſie nur allein verſoͤhnet
worden waͤren, als welcher Jrrthum noch groͤſ-
ſer waͤre, als der, da man nur allein die Aus-
erwehlten durch die Verſoͤhnten verſtehet: ſo
folget daraus, daß durch die Welt das gantze
menſchliche Geſchlecht alhier verſtanden werde:
als von welchem es heißt Rom. 3, 19. daß πᾶς
ὁ κόσμος, die gantze Welt ſey ὑπόδικος
τῷ Θεῷ, unter dem Gerichte GOttes lie-
ge; und Joh. 3, 16. daß GOtt in CHriſto
die Welt geliebet habe, als in dem, der die
Verſoͤhnung iſt, nicht allein fuͤr die Suͤnden
der Glaubigen und Auserwehlten, ſondern auch
der gantzen Welt. 1, Joh. 2, 2. Siehe was von
dieſer Univerſalitaͤt vorhin bey v. 17. beygebracht
iſt.
5. Nun folgen ferner andere gar wichtige
Worte unſers Textes, nemlich dieſe: Und er
rechnete ihnen ihre Suͤnde nicht zu. Es
iſt bekannt, daß die Nichtzurechnung der
Suͤnden die Zurechnung der Gerechtigkeit
Chri-
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