Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 11, 28-31. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
4. Wenn der Apostel dazu setzet: Und trage Sorge für alle Gemeinen, so zeiget er damit einen besondern Character seines Apostoli- schen Amts an, wodurch dieses von dem Amte eines ieden andern Hirten unterschieden sey: nemlich da die Local-Hirten, deren Amt nur an gewisse Gemeinen gebunden ist, den Anlauf von einzelen Gemeinen haben, und ihre Sorge nur auf einzele Heerden gerichtet ist; so ging das A- postel-Amt auf viele, und fiel immer von einer Gemeine dergestalt auf eine andere, daß die er- sten doch immer in der Vorsorge mit blieben, und sie auch abwesend theils durch Briefe, theils durch abzuschickende treue Boten und Gehülfen, zu regieren waren. V. 29. Wer ist schwach, und ich werde nicht Anmerckungen. 1. Das schwach werden verstehet der Apostel alhier, vermöge des Contextes, wol für- nehmlich von allerhand Leidens Schwach- heit, als wodurch der äussere Mensch angegrif- fen und geschwächet wurde, daß er so viel eher in die Verwesung einging c. 4, 16. Denn weil der Apostel v. 30. und c. 12, 5. 9 10. nicht al- lein das nomen, oder das Wort Schwachheit also nimmt; sonndern auch das alhie gebrauchte verbum asthenein, schwach seyn, oder werden, v. 10. eben also gebrauchet, so ist wol kein Zwei- fel, daß auch alhie von der Leidens-Schwach- heit eigentlich die Rede sey. 2. Das um anderer willen schwach werden, ist nun so viel, als anderer ihre Leiden selbst auch empfinden; zumal wenn es solche be- trifft, die man sehr liebet, oder auch von denen man besorget, daß sie unter der Last der Leiden ermüdet werden und erliegen möchten. Wenn sich denn auch zugleich bey manchen eine grosse Schwachheit im Glauben und in der Geduld, auch andern Christenthums-Pflichten, geäussert hat; so ist kein Zweifel, daß der Apostel darüber auch eine Empfindung gehabt hat. Es kan auch gar wohl seyn, daß, da er nach 1 Cor. 9, 20. seqq. allen allerley, und also den Schwachen als ein schwacher worden, oder sich zu ihnen in gros- ser Liebe und mit vieler Geduld herunter gelassen, er mit diesen Worten darauf mit gesehen habe: wie denn die Leidens-Schwachheiten bey den ungeübten manche Glaubens- und Lebens- Schwachheit mit an den Tag legten. 3. Wenn der Apostel von Aergernissen redet, so siehet er sonderlich auf die noch Schwa- che im Glauben; als welche sie am ersten nah- men; und verstehet er sonderlich solche Aerger- nisse, die von den würcklichen Gliedern der Kir- che gegeben wurden, also daß sie den unglaubi- gen Juden und den abgöttischen Heiden zum Vorwurf gegen das Christenthum dieneten und viele Lästerungen, nicht selten auch grosse Ver- folgungen verursachten. Und darauf siehet Pau- lus eben mit den Worten c. 7, 5. auswendig Streit, inwendig (nicht im Hertzen, sondern [Spaltenumbruch] in der Gemeine) Furcht, nemlich daß nicht ir- gend ein Aergerniß entstehe, und ausbreche. 4. Das Brennen verstehet er von dem grossen Kummer, welcher darüber sein Gemüth angegriffen, und ihn zu einem grossen Eifer oder Ernst, dem Ubel zu steuren, entzündet hat, weil er wohl wuste, wie viel Unheil daher zu entste- hen pflegte. 5. Wir haben hie abermal einen feinen character eines rechtschaffnen Lehrers; welcher ist, bey entstandenem Aergerniß nicht unempfind- lich seyn, sondern darüber zum gerechten und heiligen Eifer beweget werden. Da hingegen ein trüglicher Arbeiter nicht allein gar kaltsinnig sich dagegen befindet, sondern noch wol selbst Aergernisse giebet; oder doch nur in einen fleisch- lichen Affect geräth, damit aber nichts gut ge- machet wird. V. 30. So ich mich ie rühmen soll (oder muß, in Anmerckungen. 1. Daß der Apostel alhie allerhand Wi- derwärtigkeit und schwere Leiden verstehe, siehet man aus dem gantzen Contexte. Und die- se nennet er Schwachheit, weil der äussere Mensch an allen seinen Kräften dadurch geschwä- chet wird, wie schon aus c. 4, 16. erinnert ist; weil auch ein Mensch, über den sie ergehen, da- durch von andern als schwach, das ist, als elend und gering angesehen wird. 2. Daß alhie keine sündliche, auch keine Glaubens-Schwachheiten, die gleichfals nicht ohne Sünde sind, verstanden werden, sie- het man ausser dem Contexte auch gar klärlich aus dem Beysatze des Worts sich rühmen. Denn wer wolte sich doch immermehr der sündlichen Schwachheiten, der man sich zu schämen, und die man GOtt abzubitten, und immer mehr zu bestreiten und abzulegen hat, rühmen? und wer wolte einen solchen sündlichen und ungereimten Ruhm Paulo zuschreiben? 3. Es ist demnach ein offenbarer, und da- bey leider sehr gemeiner Mißbrauch dieses Orts, wenn man so oft hören muß, daß Leute sprechen, sie wollen sich ihrer Schwachheit rühmen; sonderlich wenn damit ihre Demuth angezeiget seyn soll, und solches dem Ernst eines rechtschaff- nen Christenthums entgegen gesetzet wird. 4. Man hat im übrigen hiebey zu conferi- ren den Ort Rom. 5, 3. Wir rühmen uns der Trübsal. Diß war Pauli Schwachheit. V. 31. GOtt und der Vater unsers HErrn Anmerckungen. 1. Die erste Person in der hochgelobten Gottheit ist der andern Person Vater nach der Gott- M m m
Cap. 11, 28-31. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
4. Wenn der Apoſtel dazu ſetzet: Und trage Sorge fuͤr alle Gemeinen, ſo zeiget er damit einen beſondern Character ſeines Apoſtoli- ſchen Amts an, wodurch dieſes von dem Amte eines ieden andern Hirten unterſchieden ſey: nemlich da die Local-Hirten, deren Amt nur an gewiſſe Gemeinen gebunden iſt, den Anlauf von einzelen Gemeinen haben, und ihre Sorge nur auf einzele Heerden gerichtet iſt; ſo ging das A- poſtel-Amt auf viele, und fiel immer von einer Gemeine dergeſtalt auf eine andere, daß die er- ſten doch immer in der Vorſorge mit blieben, und ſie auch abweſend theils durch Briefe, theils durch abzuſchickende treue Boten und Gehuͤlfen, zu regieren waren. V. 29. Wer iſt ſchwach, und ich werde nicht Anmerckungen. 1. Das ſchwach werden verſtehet der Apoſtel alhier, vermoͤge des Contextes, wol fuͤr- nehmlich von allerhand Leidens Schwach- heit, als wodurch der aͤuſſere Menſch angegrif- fen und geſchwaͤchet wurde, daß er ſo viel eher in die Verweſung einging c. 4, 16. Denn weil der Apoſtel v. 30. und c. 12, 5. 9 10. nicht al- lein das nomen, oder das Wort Schwachheit alſo nimmt; ſonndern auch das alhie gebrauchte verbum ἀσϑενεῖν, ſchwach ſeyn, oder werden, v. 10. eben alſo gebrauchet, ſo iſt wol kein Zwei- fel, daß auch alhie von der Leidens-Schwach- heit eigentlich die Rede ſey. 2. Das um anderer willen ſchwach werden, iſt nun ſo viel, als anderer ihre Leiden ſelbſt auch empfinden; zumal wenn es ſolche be- trifft, die man ſehr liebet, oder auch von denen man beſorget, daß ſie unter der Laſt der Leiden ermuͤdet werden und erliegen moͤchten. Wenn ſich denn auch zugleich bey manchen eine groſſe Schwachheit im Glauben und in der Geduld, auch andern Chriſtenthums-Pflichten, geaͤuſſert hat; ſo iſt kein Zweifel, daß der Apoſtel daruͤber auch eine Empfindung gehabt hat. Es kan auch gar wohl ſeyn, daß, da er nach 1 Cor. 9, 20. ſeqq. allen allerley, und alſo den Schwachen als ein ſchwacher worden, oder ſich zu ihnen in groſ- ſer Liebe und mit vieler Geduld herunter gelaſſen, er mit dieſen Worten darauf mit geſehen habe: wie denn die Leidens-Schwachheiten bey den ungeuͤbten manche Glaubens- und Lebens- Schwachheit mit an den Tag legten. 3. Wenn der Apoſtel von Aergerniſſen redet, ſo ſiehet er ſonderlich auf die noch Schwa- che im Glauben; als welche ſie am erſten nah- men; und verſtehet er ſonderlich ſolche Aerger- niſſe, die von den wuͤrcklichen Gliedern der Kir- che gegeben wurden, alſo daß ſie den unglaubi- gen Juden und den abgoͤttiſchen Heiden zum Vorwurf gegen das Chriſtenthum dieneten und viele Laͤſterungen, nicht ſelten auch groſſe Ver- folgungen verurſachten. Und darauf ſiehet Pau- lus eben mit den Worten c. 7, 5. auswendig Streit, inwendig (nicht im Hertzen, ſondern [Spaltenumbruch] in der Gemeine) Furcht, nemlich daß nicht ir- gend ein Aergerniß entſtehe, und ausbreche. 4. Das Brennen verſtehet er von dem groſſen Kummer, welcher daruͤber ſein Gemuͤth angegriffen, und ihn zu einem groſſen Eifer oder Ernſt, dem Ubel zu ſteuren, entzuͤndet hat, weil er wohl wuſte, wie viel Unheil daher zu entſte- hen pflegte. 5. Wir haben hie abermal einen feinen character eines rechtſchaffnen Lehrers; welcher iſt, bey entſtandenem Aergerniß nicht unempfind- lich ſeyn, ſondern daruͤber zum gerechten und heiligen Eifer beweget werden. Da hingegen ein truͤglicher Arbeiter nicht allein gar kaltſinnig ſich dagegen befindet, ſondern noch wol ſelbſt Aergerniſſe giebet; oder doch nur in einen fleiſch- lichen Affect geraͤth, damit aber nichts gut ge- machet wird. V. 30. So ich mich ie ruͤhmen ſoll (oder muß, in Anmerckungen. 1. Daß der Apoſtel alhie allerhand Wi- derwaͤrtigkeit und ſchwere Leiden verſtehe, ſiehet man aus dem gantzen Contexte. Und die- ſe nennet er Schwachheit, weil der aͤuſſere Menſch an allen ſeinen Kraͤften dadurch geſchwaͤ- chet wird, wie ſchon aus c. 4, 16. erinnert iſt; weil auch ein Menſch, uͤber den ſie ergehen, da- durch von andern als ſchwach, das iſt, als elend und gering angeſehen wird. 2. Daß alhie keine ſuͤndliche, auch keine Glaubens-Schwachheiten, die gleichfals nicht ohne Suͤnde ſind, verſtanden werden, ſie- het man auſſer dem Contexte auch gar klaͤrlich aus dem Beyſatze des Worts ſich ruͤhmen. Denn wer wolte ſich doch immermehr der ſuͤndlichen Schwachheiten, der man ſich zu ſchaͤmen, und die man GOtt abzubitten, und immer mehr zu beſtreiten und abzulegen hat, ruͤhmen? und wer wolte einen ſolchen ſuͤndlichen und ungereimten Ruhm Paulo zuſchreiben? 3. Es iſt demnach ein offenbarer, und da- bey leider ſehr gemeiner Mißbrauch dieſes Orts, wenn man ſo oft hoͤren muß, daß Leute ſprechen, ſie wollen ſich ihrer Schwachheit ruͤhmen; ſonderlich wenn damit ihre Demuth angezeiget ſeyn ſoll, und ſolches dem Ernſt eines rechtſchaff- nen Chriſtenthums entgegen geſetzet wird. 4. Man hat im uͤbrigen hiebey zu conferi- ren den Ort Rom. 5, 3. Wir ruͤhmen uns der Truͤbſal. Diß war Pauli Schwachheit. V. 31. GOtt und der Vater unſers HErrn Anmerckungen. 1. Die erſte Perſon in der hochgelobten Gottheit iſt der andern Perſon Vater nach der Gott- M m m
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Cap. 11, 28-31. an die Corinthier.
4. Wenn der Apoſtel dazu ſetzet: Und
trage Sorge fuͤr alle Gemeinen, ſo zeiget er
damit einen beſondern Character ſeines Apoſtoli-
ſchen Amts an, wodurch dieſes von dem Amte
eines ieden andern Hirten unterſchieden ſey:
nemlich da die Local-Hirten, deren Amt nur an
gewiſſe Gemeinen gebunden iſt, den Anlauf von
einzelen Gemeinen haben, und ihre Sorge nur
auf einzele Heerden gerichtet iſt; ſo ging das A-
poſtel-Amt auf viele, und fiel immer von einer
Gemeine dergeſtalt auf eine andere, daß die er-
ſten doch immer in der Vorſorge mit blieben, und
ſie auch abweſend theils durch Briefe, theils
durch abzuſchickende treue Boten und Gehuͤlfen,
zu regieren waren.
V. 29.
Wer iſt ſchwach, und ich werde nicht
ſchwach? Wer wird geaͤrgert, und ich bren-
ne nicht?
Anmerckungen.
1. Das ſchwach werden verſtehet der
Apoſtel alhier, vermoͤge des Contextes, wol fuͤr-
nehmlich von allerhand Leidens Schwach-
heit, als wodurch der aͤuſſere Menſch angegrif-
fen und geſchwaͤchet wurde, daß er ſo viel eher in
die Verweſung einging c. 4, 16. Denn weil
der Apoſtel v. 30. und c. 12, 5. 9 10. nicht al-
lein das nomen, oder das Wort Schwachheit
alſo nimmt; ſonndern auch das alhie gebrauchte
verbum ἀσϑενεῖν, ſchwach ſeyn, oder werden,
v. 10. eben alſo gebrauchet, ſo iſt wol kein Zwei-
fel, daß auch alhie von der Leidens-Schwach-
heit eigentlich die Rede ſey.
2. Das um anderer willen ſchwach
werden, iſt nun ſo viel, als anderer ihre Leiden
ſelbſt auch empfinden; zumal wenn es ſolche be-
trifft, die man ſehr liebet, oder auch von denen
man beſorget, daß ſie unter der Laſt der Leiden
ermuͤdet werden und erliegen moͤchten. Wenn
ſich denn auch zugleich bey manchen eine groſſe
Schwachheit im Glauben und in der Geduld,
auch andern Chriſtenthums-Pflichten, geaͤuſſert
hat; ſo iſt kein Zweifel, daß der Apoſtel daruͤber
auch eine Empfindung gehabt hat. Es kan auch
gar wohl ſeyn, daß, da er nach 1 Cor. 9, 20.
ſeqq. allen allerley, und alſo den Schwachen als
ein ſchwacher worden, oder ſich zu ihnen in groſ-
ſer Liebe und mit vieler Geduld herunter gelaſſen,
er mit dieſen Worten darauf mit geſehen habe:
wie denn die Leidens-Schwachheiten bey den
ungeuͤbten manche Glaubens- und Lebens-
Schwachheit mit an den Tag legten.
3. Wenn der Apoſtel von Aergerniſſen
redet, ſo ſiehet er ſonderlich auf die noch Schwa-
che im Glauben; als welche ſie am erſten nah-
men; und verſtehet er ſonderlich ſolche Aerger-
niſſe, die von den wuͤrcklichen Gliedern der Kir-
che gegeben wurden, alſo daß ſie den unglaubi-
gen Juden und den abgoͤttiſchen Heiden zum
Vorwurf gegen das Chriſtenthum dieneten und
viele Laͤſterungen, nicht ſelten auch groſſe Ver-
folgungen verurſachten. Und darauf ſiehet Pau-
lus eben mit den Worten c. 7, 5. auswendig
Streit, inwendig (nicht im Hertzen, ſondern
in der Gemeine) Furcht, nemlich daß nicht ir-
gend ein Aergerniß entſtehe, und ausbreche.
4. Das Brennen verſtehet er von dem
groſſen Kummer, welcher daruͤber ſein Gemuͤth
angegriffen, und ihn zu einem groſſen Eifer oder
Ernſt, dem Ubel zu ſteuren, entzuͤndet hat, weil
er wohl wuſte, wie viel Unheil daher zu entſte-
hen pflegte.
5. Wir haben hie abermal einen feinen
character eines rechtſchaffnen Lehrers; welcher
iſt, bey entſtandenem Aergerniß nicht unempfind-
lich ſeyn, ſondern daruͤber zum gerechten und
heiligen Eifer beweget werden. Da hingegen
ein truͤglicher Arbeiter nicht allein gar kaltſinnig
ſich dagegen befindet, ſondern noch wol ſelbſt
Aergerniſſe giebet; oder doch nur in einen fleiſch-
lichen Affect geraͤth, damit aber nichts gut ge-
machet wird.
V. 30.
So ich mich ie ruͤhmen ſoll (oder muß, in
Anſehung der ſich faͤlſchlich ruͤhmenden verkehr-
ten Lehrer, meiner Widerſacher) ſo will ich
mich meiner (Leidens-) Schwachheit ruͤh-
men (davon ſie nichts anzufuͤhren wiſſen.)
Anmerckungen.
1. Daß der Apoſtel alhie allerhand Wi-
derwaͤrtigkeit und ſchwere Leiden verſtehe,
ſiehet man aus dem gantzen Contexte. Und die-
ſe nennet er Schwachheit, weil der aͤuſſere
Menſch an allen ſeinen Kraͤften dadurch geſchwaͤ-
chet wird, wie ſchon aus c. 4, 16. erinnert iſt;
weil auch ein Menſch, uͤber den ſie ergehen, da-
durch von andern als ſchwach, das iſt, als elend
und gering angeſehen wird.
2. Daß alhie keine ſuͤndliche, auch keine
Glaubens-Schwachheiten, die gleichfals
nicht ohne Suͤnde ſind, verſtanden werden, ſie-
het man auſſer dem Contexte auch gar klaͤrlich aus
dem Beyſatze des Worts ſich ruͤhmen. Denn
wer wolte ſich doch immermehr der ſuͤndlichen
Schwachheiten, der man ſich zu ſchaͤmen, und
die man GOtt abzubitten, und immer mehr zu
beſtreiten und abzulegen hat, ruͤhmen? und wer
wolte einen ſolchen ſuͤndlichen und ungereimten
Ruhm Paulo zuſchreiben?
3. Es iſt demnach ein offenbarer, und da-
bey leider ſehr gemeiner Mißbrauch dieſes Orts,
wenn man ſo oft hoͤren muß, daß Leute ſprechen,
ſie wollen ſich ihrer Schwachheit ruͤhmen;
ſonderlich wenn damit ihre Demuth angezeiget
ſeyn ſoll, und ſolches dem Ernſt eines rechtſchaff-
nen Chriſtenthums entgegen geſetzet wird.
4. Man hat im uͤbrigen hiebey zu conferi-
ren den Ort Rom. 5, 3. Wir ruͤhmen uns der
Truͤbſal. Diß war Pauli Schwachheit.
V. 31.
GOtt und der Vater unſers HErrn
JESU CHriſti, welcher ſey gelobet in
Ewigkeit, weiß, daß ich nicht luͤge.
Anmerckungen.
1. Die erſte Perſon in der hochgelobten
Gottheit iſt der andern Perſon Vater nach der
Gott-
M m m
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