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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 6-9.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Wenn ein verständiger Mann sich wor-
über verwundert, so ist es eine Anzeige, daß ei-
ne Sache, wenn sie gut ist, recht gut und besser
sey, als er es vermuthet hat; wenn sie böse ist,
ungemein arg sey. Nun war Paulus ein sehr
weiser Mann, der manches durch kluge Ver-
muthung vorher einsehen konte. Da er sich
aber der Unbeständigkeit an den Galatern nicht
versehen hatte, und daher über dieselbe sich wun-
dert; so giebt er damit die grosse Unanständig-
keit derselben zu erkennen.
2. Das Wörtlein bald, so Paulus von
dem veränderten Sinn der Galater gebrauchet,
schicket sich auf beydes, so wol auf die Pflantzung
und Begiessung Pauli, als auch auf die Verfüh-
rung. Wie wir zuvor in der Einleitung gesehen
haben, so waren die Gemeinen erst gepflantzet im
Jahr Christi 51, und im Jahr 54 von ihm besu-
chet worden; da er sie noch in einem guten Zu-
stande muß gefunden, sonderlich aber verlassen
haben. Da er nun diesen Brief etwa ein paar
Jahr, vielleicht auch wol noch etwas früher,
nachher geschrieben; so ist die Verschlimmerung
bald genug erfolget. Daher man denn siehet,
daß sie sich von den jrrigen Lehrern bald haben
einnehmen lassen.
2. Daß der Apostel das Wort metati-
thesthe in praesenti oder von der gegenwärtigen
Zeit gebrauchet, und spricht: Jhr lasset euch
abwenden,
oder herumsetzen, damit zeiget
er an, daß es erst damals geschehe, und manche
Seelen irre gemachet würden, daß sie nicht wü-
sten, woran sie wären: daher er denn, so bald
er es erfahren, auf Antrieb des Heiligen Geistes
die Feder angesetzet, sie vor mehrern Wancken
und Rückfall zu warnen und zu verwahren:
Wie denn es die Pflicht der Aertzte Leibes und
der Seelen ist, das principiis obsta, wehre dem
Ubel beyzeiten,
wohl in acht zu nehmen.
3. Bey den Worten: der euch berufen
hat in die Gnade Christi,
ist zu mercken, daß
sie nach dem Griechischen Texte auf eine gedop-
pelte Art, davon eine iede einen an sich selbst
guten sensum giebt, können construiret wer-
den: nemlich entweder also, wie es Lutheri
Ubersetzung giebet: nach welcher der Berufer ist
GOtt der Vater, dem auch sonst die Berufung
oft zugeschrieben wird, als Rom. 8, 30. 1 Cor.
1, 9. Matth. 22, 2. sqq. oder also, daß man die
Griechischen Worte also setze: apo kalesan-
tos emas khristou, von Christo, der euch
berufen hat
etc. Doch ist wol die erste con-
struction
der letztern vor zuziehen: sintemal auch
im vorhergehenden die Dancksagung auf den
Vater, obgleich auch zugleich auf den Sohn,
gehet.
4. Das Wort berufen seyn stehet alhier,
wie an vielen andern Orten mehr, mit dem be-
sondern Nachdruck, daß es die Annehmung
des Berufs
mit in sich fasset, und also mit auf
die bekehrende, erleuchtende und rechtfertigen-
de Gnade gehet, und anzeiget, daß die Galater
derselben wären theilhaftig worden. Wie denn
das auch aller Menschen Schuldigkeit ist, daß
[Spaltenumbruch] sie, wenn die berufende Gnade an sie kömmt,
derselben mit würdiger Annehmung Folge lei-
sten.
5. Die Gnade Christi ist, welche uns
Christus verdienet hat, und die sich auf Chri-
stum gründet, und folglich hält solche Gnade
das gantze Evangelium in sich: das rechte und
einzig wahre Evangelium, davon sich die Gala-
ter hatten abwendig machen lassen.
6. Zu dieser Gnade hatte GOtt die Gala-
ter beruffen, also, daß sie in den Stand und
in die Besitzung der Gnade waren gesetzet wor-
den. Nach welchem Verstande die particula en
für eis gebrauchet worden, wie sonst mehrmal
geschiehet. Es läßt sich aber die eigentliche Be-
deutung der particul en, en khariti gar füglich be-
halten, also, daß man sage, GOtt habe die Ga-
later berufen in der Gnade Christi, das ist, in
lauter Gnade,
da er mit der uns von Christo
erworbenen Gnade gantz und gar erfüllet, und
davon überfliessend sich erwiesen hat.
7. Das andere, oder fremde Evan-
gelium
ist die verfälschte Lehre von dem Wege
zur Seligkeit: als welche die falschen Lehrer, so
wenig sie auch bey Christo blieben, dennoch ein
Evangelium, oder doch einen Weg zum ewigen
Heil genennet, oder dafür ausgegeben haben.
Siehe 2 Cor. 11, 4.
8. Damit man vor solcher Gefahr, in wel-
che die Galater gerathen, sicher bleiben möge,
hat man Pauli Ermahnung in acht zu nehmen
Eph. 4, 13. 14. daß man suche ein vollkommener
Mann zu werden, und nicht ein Kind sey, so sich
wägen und wiegen lasse von allerley Wind der
Lehre etc.
V. 7.

So doch kein anders ist: ohn daß et-
liche sind, die euch verwirren,
(daß ihr
euch unter einander beisset und fresset, auch nicht
wisset, woran ihr seyd. c. 5, 5.) und wollen das
Evangelium Christi verkehren
(also, daß
sie euch von Christo auf Mosen führen, und un-
ter andern auf die Beschneidung, als eine zur
Seligkeit nöthige Sache treiben: wie die, so
von Jerusalem nach Antiochiam gekommen wa-
ren, thaten. Act. 15, 1. sqq. 25. Gal. 5, 2. 11.)

V. 8. 9.

Aber so auch wir (ich, und meine Ge-
hülfen, welche euch ehemals das Evangelium
verkündiget haben) oder ein Engel vom Him-
mel euch würde Evangelium predigen an-
ders, denn das wir euch geprediget haben,
der sey verfluchet. Wie wir itzt gesaget
haben, so sagen wir
(um unsern Ernst und die
Wichtigkeit der Sache zu zeigen) abermal:
So iemand euch Evangelium prediget an-
ders, denn das ihr empfangen habet, der
sey verfluchet.

Anmerckungen.
1. Ein anderes Evangelium ist nicht allein
das, welches dem wahren Evangelio gantz
entgegen stehet, und es gantz aufhebet, sondern
auch dasjenige, wodurch das wahre Evangelium
zwar
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 6-9.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Wenn ein verſtaͤndiger Mann ſich wor-
uͤber verwundert, ſo iſt es eine Anzeige, daß ei-
ne Sache, wenn ſie gut iſt, recht gut und beſſer
ſey, als er es vermuthet hat; wenn ſie boͤſe iſt,
ungemein arg ſey. Nun war Paulus ein ſehr
weiſer Mann, der manches durch kluge Ver-
muthung vorher einſehen konte. Da er ſich
aber der Unbeſtaͤndigkeit an den Galatern nicht
verſehen hatte, und daher uͤber dieſelbe ſich wun-
dert; ſo giebt er damit die groſſe Unanſtaͤndig-
keit derſelben zu erkennen.
2. Das Woͤrtlein bald, ſo Paulus von
dem veraͤnderten Sinn der Galater gebrauchet,
ſchicket ſich auf beydes, ſo wol auf die Pflantzung
und Begieſſung Pauli, als auch auf die Verfuͤh-
rung. Wie wir zuvor in der Einleitung geſehen
haben, ſo waren die Gemeinen erſt gepflantzet im
Jahr Chriſti 51, und im Jahr 54 von ihm beſu-
chet worden; da er ſie noch in einem guten Zu-
ſtande muß gefunden, ſonderlich aber verlaſſen
haben. Da er nun dieſen Brief etwa ein paar
Jahr, vielleicht auch wol noch etwas fruͤher,
nachher geſchrieben; ſo iſt die Verſchlimmerung
bald genug erfolget. Daher man denn ſiehet,
daß ſie ſich von den jrrigen Lehrern bald haben
einnehmen laſſen.
2. Daß der Apoſtel das Wort μετατί-
ϑεσϑε in præſenti oder von der gegenwaͤrtigen
Zeit gebrauchet, und ſpricht: Jhr laſſet euch
abwenden,
oder herumſetzen, damit zeiget
er an, daß es erſt damals geſchehe, und manche
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ſten, woran ſie waͤren: daher er denn, ſo bald
er es erfahren, auf Antrieb des Heiligen Geiſtes
die Feder angeſetzet, ſie vor mehrern Wancken
und Ruͤckfall zu warnen und zu verwahren:
Wie denn es die Pflicht der Aertzte Leibes und
der Seelen iſt, das principiis obſta, wehre dem
Ubel beyzeiten,
wohl in acht zu nehmen.
3. Bey den Worten: der euch berufen
hat in die Gnade Chriſti,
iſt zu mercken, daß
ſie nach dem Griechiſchen Texte auf eine gedop-
pelte Art, davon eine iede einen an ſich ſelbſt
guten ſenſum giebt, koͤnnen conſtruiret wer-
den: nemlich entweder alſo, wie es Lutheri
Uberſetzung giebet: nach welcher der Berufer iſt
GOtt der Vater, dem auch ſonſt die Berufung
oft zugeſchrieben wird, als Rom. 8, 30. 1 Cor.
1, 9. Matth. 22, 2. ſqq. oder alſo, daß man die
Griechiſchen Worte alſo ſetze: ἀπὸ καλέσαν-
τος ἡμᾶς χριστοῦ, von Chriſto, der euch
berufen hat
ꝛc. Doch iſt wol die erſte con-
ſtruction
der letztern vor zuziehen: ſintemal auch
im vorhergehenden die Danckſagung auf den
Vater, obgleich auch zugleich auf den Sohn,
gehet.
4. Das Wort berufen ſeyn ſtehet alhier,
wie an vielen andern Orten mehr, mit dem be-
ſondern Nachdruck, daß es die Annehmung
des Berufs
mit in ſich faſſet, und alſo mit auf
die bekehrende, erleuchtende und rechtfertigen-
de Gnade gehet, und anzeiget, daß die Galater
derſelben waͤren theilhaftig worden. Wie denn
das auch aller Menſchen Schuldigkeit iſt, daß
[Spaltenumbruch] ſie, wenn die berufende Gnade an ſie koͤmmt,
derſelben mit wuͤrdiger Annehmung Folge lei-
ſten.
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Chriſtus verdienet hat, und die ſich auf Chri-
ſtum gruͤndet, und folglich haͤlt ſolche Gnade
das gantze Evangelium in ſich: das rechte und
einzig wahre Evangelium, davon ſich die Gala-
ter hatten abwendig machen laſſen.
6. Zu dieſer Gnade hatte GOtt die Gala-
ter beruffen, alſo, daß ſie in den Stand und
in die Beſitzung der Gnade waren geſetzet wor-
den. Nach welchem Verſtande die particula ἐν
fuͤr εἰς gebrauchet worden, wie ſonſt mehrmal
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later berufen in der Gnade Chriſti, das iſt, in
lauter Gnade,
da er mit der uns von Chriſto
erworbenen Gnade gantz und gar erfuͤllet, und
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7. Das andere, oder fremde Evan-
gelium
iſt die verfaͤlſchte Lehre von dem Wege
zur Seligkeit: als welche die falſchen Lehrer, ſo
wenig ſie auch bey Chriſto blieben, dennoch ein
Evangelium, oder doch einen Weg zum ewigen
Heil genennet, oder dafuͤr ausgegeben haben.
Siehe 2 Cor. 11, 4.
8. Damit man vor ſolcher Gefahr, in wel-
che die Galater gerathen, ſicher bleiben moͤge,
hat man Pauli Ermahnung in acht zu nehmen
Eph. 4, 13. 14. daß man ſuche ein vollkommener
Mann zu werden, und nicht ein Kind ſey, ſo ſich
waͤgen und wiegen laſſe von allerley Wind der
Lehre ꝛc.
V. 7.

So doch kein anders iſt: ohn daß et-
liche ſind, die euch verwirren,
(daß ihr
euch unter einander beiſſet und freſſet, auch nicht
wiſſet, woran ihr ſeyd. c. 5, 5.) und wollen das
Evangelium Chriſti verkehren
(alſo, daß
ſie euch von Chriſto auf Moſen fuͤhren, und un-
ter andern auf die Beſchneidung, als eine zur
Seligkeit noͤthige Sache treiben: wie die, ſo
von Jeruſalem nach Antiochiam gekommen wa-
ren, thaten. Act. 15, 1. ſqq. 25. Gal. 5, 2. 11.)

V. 8. 9.

Aber ſo auch wir (ich, und meine Ge-
huͤlfen, welche euch ehemals das Evangelium
verkuͤndiget haben) oder ein Engel vom Him-
mel euch wuͤrde Evangelium predigen an-
ders, denn das wir euch geprediget haben,
der ſey verfluchet. Wie wir itzt geſaget
haben, ſo ſagen wir
(um unſern Ernſt und die
Wichtigkeit der Sache zu zeigen) abermal:
So iemand euch Evangelium prediget an-
ders, denn das ihr empfangen habet, der
ſey verfluchet.

Anmerckungen.
1. Ein anderes Evangelium iſt nicht allein
das, welches dem wahren Evangelio gantz
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auch dasjenige, wodurch das wahre Evangelium
zwar
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[490/0518] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 6-9. Anmerckungen. 1. Wenn ein verſtaͤndiger Mann ſich wor- uͤber verwundert, ſo iſt es eine Anzeige, daß ei- ne Sache, wenn ſie gut iſt, recht gut und beſſer ſey, als er es vermuthet hat; wenn ſie boͤſe iſt, ungemein arg ſey. Nun war Paulus ein ſehr weiſer Mann, der manches durch kluge Ver- muthung vorher einſehen konte. Da er ſich aber der Unbeſtaͤndigkeit an den Galatern nicht verſehen hatte, und daher uͤber dieſelbe ſich wun- dert; ſo giebt er damit die groſſe Unanſtaͤndig- keit derſelben zu erkennen. 2. Das Woͤrtlein bald, ſo Paulus von dem veraͤnderten Sinn der Galater gebrauchet, ſchicket ſich auf beydes, ſo wol auf die Pflantzung und Begieſſung Pauli, als auch auf die Verfuͤh- rung. Wie wir zuvor in der Einleitung geſehen haben, ſo waren die Gemeinen erſt gepflantzet im Jahr Chriſti 51, und im Jahr 54 von ihm beſu- chet worden; da er ſie noch in einem guten Zu- ſtande muß gefunden, ſonderlich aber verlaſſen haben. Da er nun dieſen Brief etwa ein paar Jahr, vielleicht auch wol noch etwas fruͤher, nachher geſchrieben; ſo iſt die Verſchlimmerung bald genug erfolget. Daher man denn ſiehet, daß ſie ſich von den jrrigen Lehrern bald haben einnehmen laſſen. 2. Daß der Apoſtel das Wort μετατί- ϑεσϑε in præſenti oder von der gegenwaͤrtigen Zeit gebrauchet, und ſpricht: Jhr laſſet euch abwenden, oder herumſetzen, damit zeiget er an, daß es erſt damals geſchehe, und manche Seelen irre gemachet wuͤrden, daß ſie nicht wuͤ- ſten, woran ſie waͤren: daher er denn, ſo bald er es erfahren, auf Antrieb des Heiligen Geiſtes die Feder angeſetzet, ſie vor mehrern Wancken und Ruͤckfall zu warnen und zu verwahren: Wie denn es die Pflicht der Aertzte Leibes und der Seelen iſt, das principiis obſta, wehre dem Ubel beyzeiten, wohl in acht zu nehmen. 3. Bey den Worten: der euch berufen hat in die Gnade Chriſti, iſt zu mercken, daß ſie nach dem Griechiſchen Texte auf eine gedop- pelte Art, davon eine iede einen an ſich ſelbſt guten ſenſum giebt, koͤnnen conſtruiret wer- den: nemlich entweder alſo, wie es Lutheri Uberſetzung giebet: nach welcher der Berufer iſt GOtt der Vater, dem auch ſonſt die Berufung oft zugeſchrieben wird, als Rom. 8, 30. 1 Cor. 1, 9. Matth. 22, 2. ſqq. oder alſo, daß man die Griechiſchen Worte alſo ſetze: ἀπὸ καλέσαν- τος ἡμᾶς χριστοῦ, von Chriſto, der euch berufen hat ꝛc. Doch iſt wol die erſte con- ſtruction der letztern vor zuziehen: ſintemal auch im vorhergehenden die Danckſagung auf den Vater, obgleich auch zugleich auf den Sohn, gehet. 4. Das Wort berufen ſeyn ſtehet alhier, wie an vielen andern Orten mehr, mit dem be- ſondern Nachdruck, daß es die Annehmung des Berufs mit in ſich faſſet, und alſo mit auf die bekehrende, erleuchtende und rechtfertigen- de Gnade gehet, und anzeiget, daß die Galater derſelben waͤren theilhaftig worden. Wie denn das auch aller Menſchen Schuldigkeit iſt, daß ſie, wenn die berufende Gnade an ſie koͤmmt, derſelben mit wuͤrdiger Annehmung Folge lei- ſten. 5. Die Gnade Chriſti iſt, welche uns Chriſtus verdienet hat, und die ſich auf Chri- ſtum gruͤndet, und folglich haͤlt ſolche Gnade das gantze Evangelium in ſich: das rechte und einzig wahre Evangelium, davon ſich die Gala- ter hatten abwendig machen laſſen. 6. Zu dieſer Gnade hatte GOtt die Gala- ter beruffen, alſo, daß ſie in den Stand und in die Beſitzung der Gnade waren geſetzet wor- den. Nach welchem Verſtande die particula ἐν fuͤr εἰς gebrauchet worden, wie ſonſt mehrmal geſchiehet. Es laͤßt ſich aber die eigentliche Be- deutung der particul ἐν, ἐν χάριτι gar fuͤglich be- halten, alſo, daß man ſage, GOtt habe die Ga- later berufen in der Gnade Chriſti, das iſt, in lauter Gnade, da er mit der uns von Chriſto erworbenen Gnade gantz und gar erfuͤllet, und davon uͤberflieſſend ſich erwieſen hat. 7. Das andere, oder fremde Evan- gelium iſt die verfaͤlſchte Lehre von dem Wege zur Seligkeit: als welche die falſchen Lehrer, ſo wenig ſie auch bey Chriſto blieben, dennoch ein Evangelium, oder doch einen Weg zum ewigen Heil genennet, oder dafuͤr ausgegeben haben. Siehe 2 Cor. 11, 4. 8. Damit man vor ſolcher Gefahr, in wel- che die Galater gerathen, ſicher bleiben moͤge, hat man Pauli Ermahnung in acht zu nehmen Eph. 4, 13. 14. daß man ſuche ein vollkommener Mann zu werden, und nicht ein Kind ſey, ſo ſich waͤgen und wiegen laſſe von allerley Wind der Lehre ꝛc. V. 7. So doch kein anders iſt: ohn daß et- liche ſind, die euch verwirren, (daß ihr euch unter einander beiſſet und freſſet, auch nicht wiſſet, woran ihr ſeyd. c. 5, 5.) und wollen das Evangelium Chriſti verkehren (alſo, daß ſie euch von Chriſto auf Moſen fuͤhren, und un- ter andern auf die Beſchneidung, als eine zur Seligkeit noͤthige Sache treiben: wie die, ſo von Jeruſalem nach Antiochiam gekommen wa- ren, thaten. Act. 15, 1. ſqq. 25. Gal. 5, 2. 11.) V. 8. 9. Aber ſo auch wir (ich, und meine Ge- huͤlfen, welche euch ehemals das Evangelium verkuͤndiget haben) oder ein Engel vom Him- mel euch wuͤrde Evangelium predigen an- ders, denn das wir euch geprediget haben, der ſey verfluchet. Wie wir itzt geſaget haben, ſo ſagen wir (um unſern Ernſt und die Wichtigkeit der Sache zu zeigen) abermal: So iemand euch Evangelium prediget an- ders, denn das ihr empfangen habet, der ſey verfluchet. Anmerckungen. 1. Ein anderes Evangelium iſt nicht allein das, welches dem wahren Evangelio gantz entgegen ſtehet, und es gantz aufhebet, ſondern auch dasjenige, wodurch das wahre Evangelium zwar

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/518>, abgerufen am 24.11.2024.