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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 4, v. 15-17.
[Spaltenumbruch] sind. Welches von keinen Unbekehrten, die
selbst noch nicht einmal rechte Schafe Christi
worden sind, und also unmöglich rechte Hirten
seyn können, kan gesaget werden.
V. 15.

Wie waret ihr dazumal so selig (bey
dem von mir in aller Einfalt des Hertzens ange-
nommenen Evangelio von Christo, als bey dem
ihr Christi, und in ihm aller Seligkeit, den Erst-
lingen nach, waret theilhaftig worden:) Jch
bin euer Zeuge
(bey andern, welchen ich dieses
bezeuget habe) daß, wenn es möglich gewe-
sen wäre
(daß man mit Ausreissung seiner Au-
gen andern ohne Sünde einen Dienst thun kön-
te) ihr hättet (zur Bezeugung eurer sonderba-
ren Liebe) eure Augen (die euch doch nebst dem
Leben selbst das Liebste sind) ausgerissen, und
mir gegeben.

Anmerckungen.
1. Der 15te Vers wird nach dem Grund-
Texte eigentlich mit einer Illation gemachet:
Wie waret ihr nun etc. oder, derohalben
(nemlich, da ihr einen solchen tiefen Eindruck
vom Evangelio gehabt, und da ihr dasselbe so hoch
gehalten, daß ihr mich, als dessen Boten, so
werth geachtet habet) wie waret ihr bey sol-
cher Beschaffenheit so selig,
gegen den Zu-
stand, worinnen ihr euch durch die falschen Ge-
setz-Lehrer habet setzen lassen.
2. Das Wort makarismos heißt zwar ei-
gentlich eine Seligpreisung: wie denn das
verbum makarizo eigentlich heißt selig prei-
sen
Luc. 1, 48. Jac. 5, 11. allein, wenn man
es in sensu passivo verstehet, daß die Galater vor-
mals in einem selig zu preisenden Zustande ge-
wesen; so heist dieses eben so viel, als es Luthe-
rus übersetzet hat: wie waret ihr dazumal
so selig?
Man sehe auch Rom. 4, 7. 8. da
makarismos auch gleichfalls so viel ist, als der
Stand der Seligkeit.
3. Da die natürlichen Augen unter den nö-
thigsten und nützlichsten Gliedern des Leibes sind,
und man sie daher auch am liebsten hat, und son-
derlich zu bewahren suchet; so ist daher die Re-
dens-Art entstanden, daß, wenn man etwas als
sehr liebes und werthes beschreiben will, man es
mit den Augen vergleichet. Und soll das Aus-
reissen der Augen fast so viel seyn, als sein Leben
selbst dem andern zu Dienst in gewissen Fällen
lassen, oder verläugnen Joh. 15, 13. Rom. 5, 7.
8. 1 Joh. 3, 16. Weil einem die Augen so lieb
und so nöthig sind, und sie deswegen so sorgfäl-
tig bewahret werden, so heißt es daher 5 B. Mos.
32, 10. Er behütet ihn (den Jacob, oder die
Jsraeliten) wie seinen Aug-Apfel. Und Ps.
17, 8. Behüte mich, wie einen Aug-Apfel
im Auge.
Deßgleichen Zach. 2, 8. Wer euch
(die Gläubigen) antastet, der tastet seinen
(GOttes) Aug-Apfel an.
V. 16.

Bin ich denn also euer Feind worden,
daß ich euch die Wahrheit vorhalte?
(da
ihr mich vorhin so sehr geliebet habet; so hoffe ich,
[Spaltenumbruch] ihr werdet mir daher nicht feind werden, um des-
sent wegen ihr mir vielmehr die Liebe schuldig
seyd; nemlich daß ich euch die Wahrheit schrift-
lich bezeuge, ob gleich, nach Erforderung der Sa-
che, mit ernstlichern Worten, als wie ich sie euch
mündlich bezeuget habe. Siehe Amos 5, 10.)

Anmerckungen.

1. Wie finden hier ein Kennzeichen eines
rechtschafnen Lehrers und Zuhörers: nemlich
die Wahrheit behertzt, aber auch in aller Lie-
be,
auch mit Bestrafung der Vergehungen, be-
zeugen, und sie gern und willig zur Besserung
annehmen. Das heißt denn das Wort auf-
nehmen mit Sanftmuth;
und zwar logon
emphuton, das schon ehemal eingepflantzte Wort
Jac. 1, 21. Der Gerechte schlage mich freund-
lich und strafe mich;
muß es heissen Psalm
141, 5.

2. Jst die brüderliche Bestrafung ein so
nöthiges und heilsames Werck der Liebe; was
solte denn die ernstliche und liebreiche Zurede ei-
nes getreuen Lehrers nicht seyn? Salomo hat
in seinen Sprüchen viele schöne Aussprüche da-
von: sonderlich von dem, wie ungleich die Be-
strafung pflege aufgenommen zu werden, und
wie man gegen die Spötter damit an sich zu hal-
ten habe. Z. E. c. 9, 7. 8. Wer den Spötter
züchtiget, der muß Schande auf sich neh-
men: und wer den Gottlosen strafet, der
muß gehöhnet werden. Strafe den Spöt-
ter nicht; er hasset dich: strafe den Wei-
sen; er wird dich lieben. c. 12, 1. Wer sich
gern läßt strafen, der wird klug werden:
wer aber ungestrafet seyn will, der bleibet
ein Narr.
Siehe auch c. 15, 5. 27, 6. Jm-
gleichen c. 28, 23. Wer einen Menschen stra-
fet, wird hernach Gunst finden, mehr, denn
der da heuchelt.

V. 17.

Sie (die falschen Gesetz-Lehrer und nur
halbe Christen, welche dabey trügliche Arbeiter
sind 2 Cor. 11, 13. 14. 15.) eifern um euch (be-
werben sich um euch, euch an sich, zu sich, und euch
sich unterwürfig zu machen) nicht fein, (da sie
unter dem Vorwand, als wäre es ihnen nur um
die Ehre GOttes und eure Seligkeit zu thun, nur
das Jhrige, ihren eigenen Nutzen und eigene Ehre
suchen. Siehe hernach c. 6, 12. 13.) sondern sie
wollen euch von mir abfällig
(und also mich,
und die meines Sinnes sind, ekklei~sai, von euch
ausschliessen, daß wir keinen Eingang mehr bey
euch haben sollen:) daß ihr um sie sollt eifern
(oder ihnen anhangen, ja euch unterwerfen, ihre
Unternehmung und falsche Lehre nicht allein bil-
ligen und annehmen, sondern auch vertheidi-
gen.)

Anmerckungen.

1. Wie sehr der wahre und falsche Ei-
fer
um das Gute unterschieden sey, siehet man
sonderlich aus folgenden beyden Sprüchen und
Exempeln. Von dem guten und von Pauli Ex-
empel heißt es 2 Cor. 11, 2. Jch eifere über
euch mit göttlichem Eifer. Denn ich habe

euch
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 4, v. 15-17.
[Spaltenumbruch] ſind. Welches von keinen Unbekehrten, die
ſelbſt noch nicht einmal rechte Schafe Chriſti
worden ſind, und alſo unmoͤglich rechte Hirten
ſeyn koͤnnen, kan geſaget werden.
V. 15.

Wie waret ihr dazumal ſo ſelig (bey
dem von mir in aller Einfalt des Hertzens ange-
nommenen Evangelio von Chriſto, als bey dem
ihr Chriſti, und in ihm aller Seligkeit, den Erſt-
lingen nach, waret theilhaftig worden:) Jch
bin euer Zeuge
(bey andern, welchen ich dieſes
bezeuget habe) daß, wenn es moͤglich gewe-
ſen waͤre
(daß man mit Ausreiſſung ſeiner Au-
gen andern ohne Suͤnde einen Dienſt thun koͤn-
te) ihr haͤttet (zur Bezeugung eurer ſonderba-
ren Liebe) eure Augen (die euch doch nebſt dem
Leben ſelbſt das Liebſte ſind) ausgeriſſen, und
mir gegeben.

Anmerckungen.
1. Der 15te Vers wird nach dem Grund-
Texte eigentlich mit einer Illation gemachet:
Wie waret ihr nun ꝛc. oder, derohalben
(nemlich, da ihr einen ſolchen tiefen Eindruck
vom Evangelio gehabt, und da ihr daſſelbe ſo hoch
gehalten, daß ihr mich, als deſſen Boten, ſo
werth geachtet habet) wie waret ihr bey ſol-
cher Beſchaffenheit ſo ſelig,
gegen den Zu-
ſtand, worinnen ihr euch durch die falſchen Ge-
ſetz-Lehrer habet ſetzen laſſen.
2. Das Wort μακαρισμὸς heißt zwar ei-
gentlich eine Seligpreiſung: wie denn das
verbum μακαρίζω eigentlich heißt ſelig prei-
ſen
Luc. 1, 48. Jac. 5, 11. allein, wenn man
es in ſenſu paſſivo verſtehet, daß die Galater vor-
mals in einem ſelig zu preiſenden Zuſtande ge-
weſen; ſo heiſt dieſes eben ſo viel, als es Luthe-
rus uͤberſetzet hat: wie waret ihr dazumal
ſo ſelig?
Man ſehe auch Rom. 4, 7. 8. da
μακαρισμὸς auch gleichfalls ſo viel iſt, als der
Stand der Seligkeit.
3. Da die natuͤrlichen Augen unter den noͤ-
thigſten und nuͤtzlichſten Gliedern des Leibes ſind,
und man ſie daher auch am liebſten hat, und ſon-
derlich zu bewahren ſuchet; ſo iſt daher die Re-
dens-Art entſtanden, daß, wenn man etwas als
ſehr liebes und werthes beſchreiben will, man es
mit den Augen vergleichet. Und ſoll das Aus-
reiſſen der Augen faſt ſo viel ſeyn, als ſein Leben
ſelbſt dem andern zu Dienſt in gewiſſen Faͤllen
laſſen, oder verlaͤugnen Joh. 15, 13. Rom. 5, 7.
8. 1 Joh. 3, 16. Weil einem die Augen ſo lieb
und ſo noͤthig ſind, und ſie deswegen ſo ſorgfaͤl-
tig bewahret werden, ſo heißt es daher 5 B. Moſ.
32, 10. Er behuͤtet ihn (den Jacob, oder die
Jſraeliten) wie ſeinen Aug-Apfel. Und Pſ.
17, 8. Behuͤte mich, wie einen Aug-Apfel
im Auge.
Deßgleichen Zach. 2, 8. Wer euch
(die Glaͤubigen) antaſtet, der taſtet ſeinen
(GOttes) Aug-Apfel an.
V. 16.

Bin ich denn alſo euer Feind worden,
daß ich euch die Wahrheit vorhalte?
(da
ihr mich vorhin ſo ſehr geliebet habet; ſo hoffe ich,
[Spaltenumbruch] ihr werdet mir daher nicht feind werden, um deſ-
ſent wegen ihr mir vielmehr die Liebe ſchuldig
ſeyd; nemlich daß ich euch die Wahrheit ſchrift-
lich bezeuge, ob gleich, nach Erforderung der Sa-
che, mit ernſtlichern Worten, als wie ich ſie euch
muͤndlich bezeuget habe. Siehe Amos 5, 10.)

Anmerckungen.

1. Wie finden hier ein Kennzeichen eines
rechtſchafnen Lehrers und Zuhoͤrers: nemlich
die Wahrheit behertzt, aber auch in aller Lie-
be,
auch mit Beſtrafung der Vergehungen, be-
zeugen, und ſie gern und willig zur Beſſerung
annehmen. Das heißt denn das Wort auf-
nehmen mit Sanftmuth;
und zwar λόγον
ἔμφυτον, das ſchon ehemal eingepflantzte Wort
Jac. 1, 21. Der Gerechte ſchlage mich freund-
lich und ſtrafe mich;
muß es heiſſen Pſalm
141, 5.

2. Jſt die bruͤderliche Beſtrafung ein ſo
noͤthiges und heilſames Werck der Liebe; was
ſolte denn die ernſtliche und liebreiche Zurede ei-
nes getreuen Lehrers nicht ſeyn? Salomo hat
in ſeinen Spruͤchen viele ſchoͤne Ausſpruͤche da-
von: ſonderlich von dem, wie ungleich die Be-
ſtrafung pflege aufgenommen zu werden, und
wie man gegen die Spoͤtter damit an ſich zu hal-
ten habe. Z. E. c. 9, 7. 8. Wer den Spoͤtter
zuͤchtiget, der muß Schande auf ſich neh-
men: und wer den Gottloſen ſtrafet, der
muß gehoͤhnet werden. Strafe den Spoͤt-
ter nicht; er haſſet dich: ſtrafe den Wei-
ſen; er wird dich lieben. c. 12, 1. Wer ſich
gern laͤßt ſtrafen, der wird klug werden:
wer aber ungeſtrafet ſeyn will, der bleibet
ein Narr.
Siehe auch c. 15, 5. 27, 6. Jm-
gleichen c. 28, 23. Wer einen Menſchen ſtra-
fet, wird hernach Gunſt finden, mehr, denn
der da heuchelt.

V. 17.

Sie (die falſchen Geſetz-Lehrer und nur
halbe Chriſten, welche dabey truͤgliche Arbeiter
ſind 2 Cor. 11, 13. 14. 15.) eifern um euch (be-
werben ſich um euch, euch an ſich, zu ſich, und euch
ſich unterwuͤrfig zu machen) nicht fein, (da ſie
unter dem Vorwand, als waͤre es ihnen nur um
die Ehre GOttes und eure Seligkeit zu thun, nur
das Jhrige, ihren eigenen Nutzen und eigene Ehre
ſuchen. Siehe hernach c. 6, 12. 13.) ſondern ſie
wollen euch von mir abfaͤllig
(und alſo mich,
und die meines Sinnes ſind, ἐκκλει῀σαι, von euch
ausſchlieſſen, daß wir keinen Eingang mehr bey
euch haben ſollen:) daß ihr um ſie ſollt eifern
(oder ihnen anhangen, ja euch unterwerfen, ihre
Unternehmung und falſche Lehre nicht allein bil-
ligen und annehmen, ſondern auch vertheidi-
gen.)

Anmerckungen.

1. Wie ſehr der wahre und falſche Ei-
fer
um das Gute unterſchieden ſey, ſiehet man
ſonderlich aus folgenden beyden Spruͤchen und
Exempeln. Von dem guten und von Pauli Ex-
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euch mit goͤttlichem Eifer. Denn ich habe

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[540/0568] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 4, v. 15-17. ſind. Welches von keinen Unbekehrten, die ſelbſt noch nicht einmal rechte Schafe Chriſti worden ſind, und alſo unmoͤglich rechte Hirten ſeyn koͤnnen, kan geſaget werden. V. 15. Wie waret ihr dazumal ſo ſelig (bey dem von mir in aller Einfalt des Hertzens ange- nommenen Evangelio von Chriſto, als bey dem ihr Chriſti, und in ihm aller Seligkeit, den Erſt- lingen nach, waret theilhaftig worden:) Jch bin euer Zeuge (bey andern, welchen ich dieſes bezeuget habe) daß, wenn es moͤglich gewe- ſen waͤre (daß man mit Ausreiſſung ſeiner Au- gen andern ohne Suͤnde einen Dienſt thun koͤn- te) ihr haͤttet (zur Bezeugung eurer ſonderba- ren Liebe) eure Augen (die euch doch nebſt dem Leben ſelbſt das Liebſte ſind) ausgeriſſen, und mir gegeben. Anmerckungen. 1. Der 15te Vers wird nach dem Grund- Texte eigentlich mit einer Illation gemachet: Wie waret ihr nun ꝛc. oder, derohalben (nemlich, da ihr einen ſolchen tiefen Eindruck vom Evangelio gehabt, und da ihr daſſelbe ſo hoch gehalten, daß ihr mich, als deſſen Boten, ſo werth geachtet habet) wie waret ihr bey ſol- cher Beſchaffenheit ſo ſelig, gegen den Zu- ſtand, worinnen ihr euch durch die falſchen Ge- ſetz-Lehrer habet ſetzen laſſen. 2. Das Wort μακαρισμὸς heißt zwar ei- gentlich eine Seligpreiſung: wie denn das verbum μακαρίζω eigentlich heißt ſelig prei- ſen Luc. 1, 48. Jac. 5, 11. allein, wenn man es in ſenſu paſſivo verſtehet, daß die Galater vor- mals in einem ſelig zu preiſenden Zuſtande ge- weſen; ſo heiſt dieſes eben ſo viel, als es Luthe- rus uͤberſetzet hat: wie waret ihr dazumal ſo ſelig? Man ſehe auch Rom. 4, 7. 8. da μακαρισμὸς auch gleichfalls ſo viel iſt, als der Stand der Seligkeit. 3. Da die natuͤrlichen Augen unter den noͤ- thigſten und nuͤtzlichſten Gliedern des Leibes ſind, und man ſie daher auch am liebſten hat, und ſon- derlich zu bewahren ſuchet; ſo iſt daher die Re- dens-Art entſtanden, daß, wenn man etwas als ſehr liebes und werthes beſchreiben will, man es mit den Augen vergleichet. Und ſoll das Aus- reiſſen der Augen faſt ſo viel ſeyn, als ſein Leben ſelbſt dem andern zu Dienſt in gewiſſen Faͤllen laſſen, oder verlaͤugnen Joh. 15, 13. Rom. 5, 7. 8. 1 Joh. 3, 16. Weil einem die Augen ſo lieb und ſo noͤthig ſind, und ſie deswegen ſo ſorgfaͤl- tig bewahret werden, ſo heißt es daher 5 B. Moſ. 32, 10. Er behuͤtet ihn (den Jacob, oder die Jſraeliten) wie ſeinen Aug-Apfel. Und Pſ. 17, 8. Behuͤte mich, wie einen Aug-Apfel im Auge. Deßgleichen Zach. 2, 8. Wer euch (die Glaͤubigen) antaſtet, der taſtet ſeinen (GOttes) Aug-Apfel an. V. 16. Bin ich denn alſo euer Feind worden, daß ich euch die Wahrheit vorhalte? (da ihr mich vorhin ſo ſehr geliebet habet; ſo hoffe ich, ihr werdet mir daher nicht feind werden, um deſ- ſent wegen ihr mir vielmehr die Liebe ſchuldig ſeyd; nemlich daß ich euch die Wahrheit ſchrift- lich bezeuge, ob gleich, nach Erforderung der Sa- che, mit ernſtlichern Worten, als wie ich ſie euch muͤndlich bezeuget habe. Siehe Amos 5, 10.) Anmerckungen. 1. Wie finden hier ein Kennzeichen eines rechtſchafnen Lehrers und Zuhoͤrers: nemlich die Wahrheit behertzt, aber auch in aller Lie- be, auch mit Beſtrafung der Vergehungen, be- zeugen, und ſie gern und willig zur Beſſerung annehmen. Das heißt denn das Wort auf- nehmen mit Sanftmuth; und zwar λόγον ἔμφυτον, das ſchon ehemal eingepflantzte Wort Jac. 1, 21. Der Gerechte ſchlage mich freund- lich und ſtrafe mich; muß es heiſſen Pſalm 141, 5. 2. Jſt die bruͤderliche Beſtrafung ein ſo noͤthiges und heilſames Werck der Liebe; was ſolte denn die ernſtliche und liebreiche Zurede ei- nes getreuen Lehrers nicht ſeyn? Salomo hat in ſeinen Spruͤchen viele ſchoͤne Ausſpruͤche da- von: ſonderlich von dem, wie ungleich die Be- ſtrafung pflege aufgenommen zu werden, und wie man gegen die Spoͤtter damit an ſich zu hal- ten habe. Z. E. c. 9, 7. 8. Wer den Spoͤtter zuͤchtiget, der muß Schande auf ſich neh- men: und wer den Gottloſen ſtrafet, der muß gehoͤhnet werden. Strafe den Spoͤt- ter nicht; er haſſet dich: ſtrafe den Wei- ſen; er wird dich lieben. c. 12, 1. Wer ſich gern laͤßt ſtrafen, der wird klug werden: wer aber ungeſtrafet ſeyn will, der bleibet ein Narr. Siehe auch c. 15, 5. 27, 6. Jm- gleichen c. 28, 23. Wer einen Menſchen ſtra- fet, wird hernach Gunſt finden, mehr, denn der da heuchelt. V. 17. Sie (die falſchen Geſetz-Lehrer und nur halbe Chriſten, welche dabey truͤgliche Arbeiter ſind 2 Cor. 11, 13. 14. 15.) eifern um euch (be- werben ſich um euch, euch an ſich, zu ſich, und euch ſich unterwuͤrfig zu machen) nicht fein, (da ſie unter dem Vorwand, als waͤre es ihnen nur um die Ehre GOttes und eure Seligkeit zu thun, nur das Jhrige, ihren eigenen Nutzen und eigene Ehre ſuchen. Siehe hernach c. 6, 12. 13.) ſondern ſie wollen euch von mir abfaͤllig (und alſo mich, und die meines Sinnes ſind, ἐκκλει῀σαι, von euch ausſchlieſſen, daß wir keinen Eingang mehr bey euch haben ſollen:) daß ihr um ſie ſollt eifern (oder ihnen anhangen, ja euch unterwerfen, ihre Unternehmung und falſche Lehre nicht allein bil- ligen und annehmen, ſondern auch vertheidi- gen.) Anmerckungen. 1. Wie ſehr der wahre und falſche Ei- fer um das Gute unterſchieden ſey, ſiehet man ſonderlich aus folgenden beyden Spruͤchen und Exempeln. Von dem guten und von Pauli Ex- empel heißt es 2 Cor. 11, 2. Jch eifere uͤber euch mit goͤttlichem Eifer. Denn ich habe euch

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/568>, abgerufen am 24.11.2024.