Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 4, v. 25. 26. an die Galater. [Spaltenumbruch]
wider die Aehnlichkeit des Glaubens, oder derdeutlich genug bezeugeten Lehren und Lebens- Pflichten deute. V. 25. Denn Agar heißt in Arabia der Berg Anmerckungen. 1. Es kan zwar gar wohl seyn, daß der Berg Sina, oder Sinai, gleichwie er einem Theile nach auch Horeb hieß, Agar ist genen- net worden: zumal da die Agar zu erst mit ihrem Sohn dahin flohe 1 B. Mos. 16, 6. und hernach in derselben Gegend mit ihm zu wohnen kam. c. 21, 14. u. f. Wie denn auch ihre Nachkommen, und Einwohner derselben Oerter, die Jsmaeliten, den Namen der Agarener, oder Hagarener bekommen haben, daselbst auch nach dem Zeugniß des Plinii und des Dionis, in der Lebens-Beschrei- bung des Trajani, eine Stadt, Namens Agra oder Agara gewesen. Paulus aber scheinet darauf eben nicht gesehen zu haben: sintemal die Worte to gar A"gar, sich dem Verstande nach gar füglich übersetzen lassen: Denn das durch die Agar angedeutete ist der Berg Sina in Arabia. 2. Daß aber mit den Worten vom Ber- ge Sina eigentlich auf das auf und von demsel- ben gegebene Gesetz gesehen werde, zeiget der Zweck Pauli mit dem gantzen Contexte an. Und ist es demnach eine solche Redens-Art, als die, wenn in den Psalmen Davids und in den Pro- pheten mit dem Berge Zion auf das Reich des Meßiä und auf die Evangelische Oeconomie des Heils gesehen wird. Psalm. 14, 7. Jes. 2, 2. seqq. &c. 3. Das Griechische Wort susoikhei~n heis- set in gleicher Lienie und Riege, oder Ordnung, mit einer andern Sache stehen, derselben pa- rallel und gleich seyn, damit correspondiren und überein kommen. Da nun durch Jerusalem, das zu Pauli Zeiten war, die Jüdische Kirche, die darinnen ihren eigentlichen Sitz hatte, ver- standen wird, und die Kinder Jerusalems sind die Glieder solcher dem Meßia und seinem Ev- [Spaltenumbruch] angelio so gar aufsätzigen Kirche: so heisset[:] bis an Jerusalem langen, das ist, in der Ana logie, oder genauen Aehnlichkeit und Uberein- stimmung, mit Jerusalem stehen, (welches von dem Berge Sina, oder viel mehr von dem da- durch angezeigten gesetzlichen Bündniß GOt- tes gesaget wird,) so viel als: also an dem ge- setzlichen Bunde hangen, daß man daraus, aus- ser CHristo, seine Seligkeit auf eine verdienst- liche und lohnsüchtige Art suchet, und darüber in der Knechtschaft unter der Sünde und dem Gesetze bleibet, zu der wahren Freyheit aber des Geistes nach dem Evangelio nicht gelanget. 4. Und dieses schickete sich gar wohl auf die damalige Jüdische Kirche. Welcher auch die falschen Lehrer, wodurch die Galater so sehr zerrüttet wurden, bey dem angenommenen Er- käntniß von CHristo, noch dergestalt anhingen, daß die Lehre vom Evangelio dadurch gantz ent- kräftet und verdunckelt wurde. V. 26. Aber das Jerusalem, das droben ist, Anmerckungen. 1. Daß alhier durch das Jerusalem, das droben ist, oder durch das obere Jerusalem, das geistliche, oder die Christliche Kirche, wie sie an sich selbst nach der göttlichen Oeconomie ausser ihren falschen und unächten Gliedern in ihrer Lauterkeit anzusehen ist, verstanden wer- de, zeiget der Gegensatz an, der sich in der Jü- dischen und CHristo, auch seinem Evangelio so gar sehr widersetzigen Kirche befindet. 2. Es zeiget aber das Wörtlein ano, dro- ben, nicht eben dieses an, als wenn die dem ungläubigen Jerusalem entgegen gesetzte Kirche schon in allen Stücken droben, nemlich im Rei- che der Herrlichkeit, wäre; sondern giebt dem geistlichen Jerusalem nur eine Benennung von oben: die da aber unterschiedliche Theile, oder Stücke in sich hat: nemlich des Grundes, des Ursprunges, der Art und des Endes. 3. Das geistliche Jerusalem, oder die Christliche Kirche, hat ihren Grund im Him- mel, oder im Reiche der Herrlichkeit. Denn dahin ist CHristus, ihr hochgelobtes Haupt, aufgefähren, und dahin waren auch bereits zu Pauli Zeiten viele Glieder gelanget, nicht allein von Z z z 2
Cap. 4, v. 25. 26. an die Galater. [Spaltenumbruch]
wider die Aehnlichkeit des Glaubens, oder derdeutlich genug bezeugeten Lehren und Lebens- Pflichten deute. V. 25. Denn Agar heißt in Arabia der Berg Anmerckungen. 1. Es kan zwar gar wohl ſeyn, daß der Berg Sina, oder Sinai, gleichwie er einem Theile nach auch Horeb hieß, Agar iſt genen- net worden: zumal da die Agar zu erſt mit ihrem Sohn dahin flohe 1 B. Moſ. 16, 6. und hernach in derſelben Gegend mit ihm zu wohnen kam. c. 21, 14. u. f. Wie denn auch ihre Nachkommen, und Einwohner derſelben Oerter, die Jſmaeliten, den Namen der Agarener, oder Hagarener bekommen haben, daſelbſt auch nach dem Zeugniß des Plinii und des Dionis, in der Lebens-Beſchrei- bung des Trajani, eine Stadt, Namens Agra oder Agara geweſen. Paulus aber ſcheinet darauf eben nicht geſehen zu haben: ſintemal die Worte τὸ γὰρ Α῎γαρ, ſich dem Verſtande nach gar fuͤglich uͤberſetzen laſſen: Denn das durch die Agar angedeutete iſt der Berg Sina in Arabia. 2. Daß aber mit den Worten vom Ber- ge Sina eigentlich auf das auf und von demſel- ben gegebene Geſetz geſehen werde, zeiget der Zweck Pauli mit dem gantzen Contexte an. Und iſt es demnach eine ſolche Redens-Art, als die, wenn in den Pſalmen Davids und in den Pro- pheten mit dem Berge Zion auf das Reich des Meßiaͤ und auf die Evangeliſche Oeconomie des Heils geſehen wird. Pſalm. 14, 7. Jeſ. 2, 2. ſeqq. &c. 3. Das Griechiſche Wort συςοιχει῀ν heiſ- ſet in gleicher Lienie und Riege, oder Ordnung, mit einer andern Sache ſtehen, derſelben pa- rallel und gleich ſeyn, damit correſpondiren und uͤberein kommen. Da nun durch Jeruſalem, das zu Pauli Zeiten war, die Juͤdiſche Kirche, die darinnen ihren eigentlichen Sitz hatte, ver- ſtanden wird, und die Kinder Jeruſalems ſind die Glieder ſolcher dem Meßia und ſeinem Ev- [Spaltenumbruch] angelio ſo gar aufſaͤtzigen Kirche: ſo heiſſet[:] bis an Jeruſalem langen, das iſt, in der Ana logie, oder genauen Aehnlichkeit und Uberein- ſtimmung, mit Jeruſalem ſtehen, (welches von dem Berge Sina, oder viel mehr von dem da- durch angezeigten geſetzlichen Buͤndniß GOt- tes geſaget wird,) ſo viel als: alſo an dem ge- ſetzlichen Bunde hangen, daß man daraus, auſ- ſer CHriſto, ſeine Seligkeit auf eine verdienſt- liche und lohnſuͤchtige Art ſuchet, und daruͤber in der Knechtſchaft unter der Suͤnde und dem Geſetze bleibet, zu der wahren Freyheit aber des Geiſtes nach dem Evangelio nicht gelanget. 4. Und dieſes ſchickete ſich gar wohl auf die damalige Juͤdiſche Kirche. Welcher auch die falſchen Lehrer, wodurch die Galater ſo ſehr zerruͤttet wurden, bey dem angenommenen Er- kaͤntniß von CHriſto, noch dergeſtalt anhingen, daß die Lehre vom Evangelio dadurch gantz ent- kraͤftet und verdunckelt wurde. V. 26. Aber das Jeruſalem, das droben iſt, Anmerckungen. 1. Daß alhier durch das Jeruſalem, das droben iſt, oder durch das obere Jeruſalem, das geiſtliche, oder die Chriſtliche Kirche, wie ſie an ſich ſelbſt nach der goͤttlichen Oeconomie auſſer ihren falſchen und unaͤchten Gliedern in ihrer Lauterkeit anzuſehen iſt, verſtanden wer- de, zeiget der Gegenſatz an, der ſich in der Juͤ- diſchen und CHriſto, auch ſeinem Evangelio ſo gar ſehr widerſetzigen Kirche befindet. 2. Es zeiget aber das Woͤrtlein ἄνω, dro- ben, nicht eben dieſes an, als wenn die dem unglaͤubigen Jeruſalem entgegen geſetzte Kirche ſchon in allen Stuͤcken droben, nemlich im Rei- che der Herrlichkeit, waͤre; ſondern giebt dem geiſtlichen Jeruſalem nur eine Benennung von oben: die da aber unterſchiedliche Theile, oder Stuͤcke in ſich hat: nemlich des Grundes, des Urſprunges, der Art und des Endes. 3. Das geiſtliche Jeruſalem, oder die Chriſtliche Kirche, hat ihren Grund im Him- mel, oder im Reiche der Herrlichkeit. Denn dahin iſt CHriſtus, ihr hochgelobtes Haupt, aufgefaͤhren, und dahin waren auch bereits zu Pauli Zeiten viele Glieder gelanget, nicht allein von Z z z 2
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Cap. 4, v. 25. 26. an die Galater.
wider die Aehnlichkeit des Glaubens, oder der
deutlich genug bezeugeten Lehren und Lebens-
Pflichten deute.
V. 25.
Denn Agar heißt in Arabia der Berg
Sinai, (τὸ γὰρ Ἄγαρ Σινᾶ ὄρος ἐςιν` ἐν τῇ
Αραβία, dasjenige, was die Agar, oder Ha-
gar, bedeutet, iſt der Berg Sina in Arabien,
in Anſehung des von demſelben gegebnen Geſe-
tzes,) und langet bis gen Jeruſalem, das
zu dieſer Zeit iſt, (es iſt gleich dem ietzigen
Jeruſalem: es iſt das auf dem Berge Sina pro-
mulgirte knechtiſche Buͤndniß der Wercke von
der Beſchaffenheit, welche ſich im Vorbilde bey
der dienſtbaren Hagar und ihrem Sohne, und
im Gegenbilde in der auſſer dem Meßia ſtehen-
den Juͤdiſchen Kirche befindet,) und iſt dienſt-
bar mit ſeinen Kindern, (daß, gleichwie die
Hagar nur eine Magd war, und mit ihrem
Sohn, dem Jſmael, und deſſen Nachkommen,
zu der Erbſchaft des Abrahams mit dem Sohn
der Verheiſſung, dem Jſaac, nicht gelangete:
alſo auch die ietzige Juͤdiſche Kirche mit ihren
Gliedern, auſſer CHriſto und dem Antheil am
Reiche GOttes, unter der Knechtſchaft und un-
ter dem Fluche des Geſetzes ſtehe.)
Anmerckungen.
1. Es kan zwar gar wohl ſeyn, daß der
Berg Sina, oder Sinai, gleichwie er einem
Theile nach auch Horeb hieß, Agar iſt genen-
net worden: zumal da die Agar zu erſt mit ihrem
Sohn dahin flohe 1 B. Moſ. 16, 6. und hernach
in derſelben Gegend mit ihm zu wohnen kam. c.
21, 14. u. f. Wie denn auch ihre Nachkommen,
und Einwohner derſelben Oerter, die Jſmaeliten,
den Namen der Agarener, oder Hagarener
bekommen haben, daſelbſt auch nach dem Zeugniß
des Plinii und des Dionis, in der Lebens-Beſchrei-
bung des Trajani, eine Stadt, Namens Agra
oder Agara geweſen. Paulus aber ſcheinet
darauf eben nicht geſehen zu haben: ſintemal die
Worte τὸ γὰρ Α῎γαρ, ſich dem Verſtande nach
gar fuͤglich uͤberſetzen laſſen: Denn das durch
die Agar angedeutete iſt der Berg Sina in
Arabia.
2. Daß aber mit den Worten vom Ber-
ge Sina eigentlich auf das auf und von demſel-
ben gegebene Geſetz geſehen werde, zeiget der
Zweck Pauli mit dem gantzen Contexte an. Und
iſt es demnach eine ſolche Redens-Art, als die,
wenn in den Pſalmen Davids und in den Pro-
pheten mit dem Berge Zion auf das Reich des
Meßiaͤ und auf die Evangeliſche Oeconomie des
Heils geſehen wird. Pſalm. 14, 7. Jeſ. 2, 2.
ſeqq. &c.
3. Das Griechiſche Wort συςοιχει῀ν heiſ-
ſet in gleicher Lienie und Riege, oder Ordnung,
mit einer andern Sache ſtehen, derſelben pa-
rallel und gleich ſeyn, damit correſpondiren und
uͤberein kommen. Da nun durch Jeruſalem,
das zu Pauli Zeiten war, die Juͤdiſche Kirche,
die darinnen ihren eigentlichen Sitz hatte, ver-
ſtanden wird, und die Kinder Jeruſalems ſind
die Glieder ſolcher dem Meßia und ſeinem Ev-
angelio ſo gar aufſaͤtzigen Kirche: ſo heiſſet:
bis an Jeruſalem langen, das iſt, in der Ana
logie, oder genauen Aehnlichkeit und Uberein-
ſtimmung, mit Jeruſalem ſtehen, (welches von
dem Berge Sina, oder viel mehr von dem da-
durch angezeigten geſetzlichen Buͤndniß GOt-
tes geſaget wird,) ſo viel als: alſo an dem ge-
ſetzlichen Bunde hangen, daß man daraus, auſ-
ſer CHriſto, ſeine Seligkeit auf eine verdienſt-
liche und lohnſuͤchtige Art ſuchet, und daruͤber
in der Knechtſchaft unter der Suͤnde und dem
Geſetze bleibet, zu der wahren Freyheit aber des
Geiſtes nach dem Evangelio nicht gelanget.
4. Und dieſes ſchickete ſich gar wohl auf
die damalige Juͤdiſche Kirche. Welcher auch
die falſchen Lehrer, wodurch die Galater ſo ſehr
zerruͤttet wurden, bey dem angenommenen Er-
kaͤntniß von CHriſto, noch dergeſtalt anhingen,
daß die Lehre vom Evangelio dadurch gantz ent-
kraͤftet und verdunckelt wurde.
V. 26.
Aber das Jeruſalem, das droben iſt,
(die Chriſtliche und Evangeliſche Kirche, welche
ihren Grund und ihre Wurtzel in der Gnade bey
GOTT, und alſo ihren Urſprung vom Him-
mel hat, auch himmliſch geſinnet iſt, und in den
Himmel der Herrlichkeit verſetzet wird,) das
iſt die Freye, (iſt das Gegenbild von der Sa-
ra, der eigentlichen Haus-Frauen des Abra-
hams.) Die iſt unſer aller (wir moͤgen von
Natur Juͤden oder Heiden ſeyn, geiſtliche)
Mutter, (die ein alſo kraͤftiges Evangelium
hat, aus deſſen lebendigen Samen wir zur Wie-
dergeburt, und darinnen zur rechten Freyheit
des Geiſtes, auch zur voͤlligen Kindſchaft gelan-
get ſind, und daher auch zur voͤlligen Erbſchaft
gelangen werden, da wir ſchon ietzo in einer ge-
wiſſen der Unmuͤndigkeit entgegen geſetzten Art
der Oeconomie in deroſelben Beſitz ſtehen.)
Anmerckungen.
1. Daß alhier durch das Jeruſalem, das
droben iſt, oder durch das obere Jeruſalem,
das geiſtliche, oder die Chriſtliche Kirche, wie
ſie an ſich ſelbſt nach der goͤttlichen Oeconomie
auſſer ihren falſchen und unaͤchten Gliedern in
ihrer Lauterkeit anzuſehen iſt, verſtanden wer-
de, zeiget der Gegenſatz an, der ſich in der Juͤ-
diſchen und CHriſto, auch ſeinem Evangelio ſo
gar ſehr widerſetzigen Kirche befindet.
2. Es zeiget aber das Woͤrtlein ἄνω, dro-
ben, nicht eben dieſes an, als wenn die dem
unglaͤubigen Jeruſalem entgegen geſetzte Kirche
ſchon in allen Stuͤcken droben, nemlich im Rei-
che der Herrlichkeit, waͤre; ſondern giebt dem
geiſtlichen Jeruſalem nur eine Benennung von
oben: die da aber unterſchiedliche Theile, oder
Stuͤcke in ſich hat: nemlich des Grundes, des
Urſprunges, der Art und des Endes.
3. Das geiſtliche Jeruſalem, oder die
Chriſtliche Kirche, hat ihren Grund im Him-
mel, oder im Reiche der Herrlichkeit. Denn
dahin iſt CHriſtus, ihr hochgelobtes Haupt,
aufgefaͤhren, und dahin waren auch bereits zu
Pauli Zeiten viele Glieder gelanget, nicht allein
von
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