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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 5, v. 11. 12. an die Galater.
[Spaltenumbruch] ten: wie es cap. 6, 12. deutlich ausgedrucket
wird.
6. Wie es Paulo ergangen, daß er be-
schuldiget worden, als predige er von der Noth-
wendigkeit der Beschneidung: also gehet es noch
ietzo rechtschaffnen Knechten GOttes, daß ih-
nen bald diß, bald das, so sie gelehret haben
sollen, aufgebürdet wird. Daran man sich
also nicht zu stossen hat: ob es gleich von denen
geschiehet, welche sich vor andern der Reinig-
keit der Lehre rühmen; wie jene Verführer zu
Pauli Zeiten auch gethan haben.
7. Die ihr selbst gelassene und durch so viel
Vorurtheile, und sonderlich durch die verkehr-
te Eigenliebe so sehr verblendete Vernunft kan
bey der Christlichen Religion nichts weniger lei-
den, als die Glaubens-Geheimnisse von CHri-
sto und der durch ihn zu erlangenden Seligkeit:
da sie hingegen noch wohl leiden kan, daß man
nach dem Moral-Gesetze auf ein heiliges Leben
dringet. Denn hiebey bleibet sie in ihrem
Stoltze, oder in der irrigen Meinung, sich
selbst helfen zu können. Durch jene Lehren aber
wird sie gedemüthiget, und soll durch ein glau-
biges suppliciren bey ihrer Unwürdigkeit, aber
doch in der Ordnung der wircklichen Verände-
rung, die Seligkeit als ein Gnaden-Geschenck
suchen. Das will ihrem Stoltze nicht einge-
hen.
V. 12.

Wolte GOTT, daß sie ausgerottet
würden, die euch verstören,
(so fern sie
darinn fortfahren und davon, wie sehr zu besor-
gen, nicht ablassen.)

Anmerckungen.
1. Mit dem Worte apokopsontas, aus-
gerottet würden,
siehet der Apostel zurück
auf den siebenden Vers, da er von den falschen
Lehrern gesaget: tis umas anekopse, wer hat
euch aufgehalten,
gleichsam den Weg, den
ihr ferner zu laufen habet, verhauen? Er ge-
brauchet demnach von der Sünde und Strafe
fast gleiche Worte.
2. Das ausrotten scheinet zwar füglich
von einer solchen Kirchen-Disciplin verstanden
werden zu können, da iemand, als ein faules
und abgestorbenes Glied von dem Leibe, oder
der Gemeine, der Kirche gleichsam abgeschnit-
ten und hinweg gethan wurde: wie an dem
Blutschänder zu Corinthus geschahe 1 Cor. 5.
Allein diese Bedeutung findet alhier nicht wol
statt, weil der Apostel vorher v. 10. von den
Verführern gesaget, sie würden ihr Urtheil
tragen;
dieses aber nicht wol anders, als von
den göttlichen Straf-Gerichten verstanden wer-
den kan, und also auch die Ausrottung davon
anzunehmen ist.
3. Er verstehet aber durch die Ausrot-
tung
solche Vorgerichte GOttes, dadurch die
Jrrgeister schon bey Zeiten also möchten heim-
gesuchet werden, daß sie aufhören müsten, die
Gemeinen in Galatia ferner zu verwirren.
Denn das sie dem künftigen gerechten Gerich-
te GOttes nicht entgehen würden, war an sich
[Spaltenumbruch] gewiß genug, und durfte von Paulo nicht erst
gewünschet werden.
4. Und gleichwie GOtt diesen Wunsch
selbst in Paulo gewircket hat: so ist auch kein
Zweifel, daß er nicht werde auf gewisse Art sei-
nen Nachdruck gehabt haben.
5. Es streitet aber dieser Wunsch Pauli
keines weges mit dem von Paulo selbst Rom.
12, 14. 17. 19. 20. wiederholten Befehl CHristi
Matth. 5, 44. von der Liebe gegen die Fein-
de.
Denn CHristus und Paulus reden da-
selbst nicht von GOttes, sondern von unsern
Feinden. Und ob zwar die, welche sich an uns
versündigen, dadurch auf gewisse Art auch Got-
tes Feinde sind: so sind sie es doch nicht eben in
dem Grad, davon alhier die Rede ist, nemlich
daß sie die rechten Wege GOttes verkehren und
so vieler anderer Menschen ihre Seligkeit da-
durch verhindern, ob sie wol, wenn sie sich
nicht noch bekehren, ihrer eignen Seligkeit ver-
lustig werden. Zu dem stunde Paulus in kei-
nem fleischlichen Eifer; sondern er bezeugete es
im heiligen Eifer für die Ehre GOTTes, und
aus einem besondern Triebe des Heiligen Gei-
stes. Und also ist es nicht allein als eine un-
sündliche und wohlgefügte, sondern auch als ei-
ne sonderbare und etwas ausserordentliche Sa-
che anzusehen, darinnen ihm nicht ein ieder al-
so nachfolgen kan; zumal ein solcher, der in der
Selbstprüfung befindet, wie gar leicht sich in
seinem Eifer für GOttes Ehre ein wildes und
unreines Natur-Feuer mit einmenget.
6. Es ist auch vermuthlich, daß die Ver-
führer der Galatischen Gemeinen die Sünde
wider den Heiligen Geist mögen begangen ha-
ben, und daß Paulus solches im göttlichen Lich-
te wohl eingesehen: und daß sie also von solchen
gewesen, von welchen Johannes Ep. 1. cap. 5,
16. schreibet: Es ist eine Sünde zum To-
de, dafür sage ich nicht, daß iemand bit-
te.
Denn wer weiß, wie sehr sie ausser dem,
daß sie die Leute auf ihre eigene Gerechtigkeit ge-
führet, den gantzen Rath GOTTes von dem
Grund und von der Ordnung des Heils bey der
leeren Schale, welche sie in der Lehre von CHri-
sto beybehalten, nicht verkehret und verlästert
haben, weil die Glaubigen dadurch so sehr zer-
rüttet worden? Und wer wolte zweifeln, daß
sie solches nicht wider eine gehabte bessere Er-
käntniß und Uberzeugung gethan haben? Denn
aus der schweren Beschaffenheit der Strafe,
welche ihnen von Paulo angekündiget wird, läs-
set sich ein Schluß machen auf die Grösse ihrer
Sünde.
7. Jm übrigen ist es ein schnöder Miß-
brauch dieser Worte Pauli, wenn sie von fleisch-
lich gesinneten Lehrern, die sich fälschlich der Or-
thodoxi
e, oder besondern Reinigkeit der Lehre,
rühmen, auf getreue Knechte GOttes und auf
richtige Zeugen der Wahrheit appliciret und
diese beschuldiget werden, als wenn sie die Ge-
meinen GOttes verstöreten; da sie doch nach al-
ler Wahrheit einher gehen, aber eben daher, daß
sie das reine und lautere Evangelium von CHri-
sto nicht wollen auf Muthwillen ziehen lassen,
der irrigen Lehre fälschlich beschuldiget werden.
Ging
Cap. 5, v. 11. 12. an die Galater.
[Spaltenumbruch] ten: wie es cap. 6, 12. deutlich ausgedrucket
wird.
6. Wie es Paulo ergangen, daß er be-
ſchuldiget worden, als predige er von der Noth-
wendigkeit der Beſchneidung: alſo gehet es noch
ietzo rechtſchaffnen Knechten GOttes, daß ih-
nen bald diß, bald das, ſo ſie gelehret haben
ſollen, aufgebuͤrdet wird. Daran man ſich
alſo nicht zu ſtoſſen hat: ob es gleich von denen
geſchiehet, welche ſich vor andern der Reinig-
keit der Lehre ruͤhmen; wie jene Verfuͤhrer zu
Pauli Zeiten auch gethan haben.
7. Die ihr ſelbſt gelaſſene und durch ſo viel
Vorurtheile, und ſonderlich durch die verkehr-
te Eigenliebe ſo ſehr verblendete Vernunft kan
bey der Chriſtlichen Religion nichts weniger lei-
den, als die Glaubens-Geheimniſſe von CHri-
ſto und der durch ihn zu erlangenden Seligkeit:
da ſie hingegen noch wohl leiden kan, daß man
nach dem Moral-Geſetze auf ein heiliges Leben
dringet. Denn hiebey bleibet ſie in ihrem
Stoltze, oder in der irrigen Meinung, ſich
ſelbſt helfen zu koͤnnen. Durch jene Lehren aber
wird ſie gedemuͤthiget, und ſoll durch ein glau-
biges ſuppliciren bey ihrer Unwuͤrdigkeit, aber
doch in der Ordnung der wircklichen Veraͤnde-
rung, die Seligkeit als ein Gnaden-Geſchenck
ſuchen. Das will ihrem Stoltze nicht einge-
hen.
V. 12.

Wolte GOTT, daß ſie ausgerottet
wuͤrden, die euch verſtoͤren,
(ſo fern ſie
darinn fortfahren und davon, wie ſehr zu beſor-
gen, nicht ablaſſen.)

Anmerckungen.
1. Mit dem Worte ἀποκόψοντας, aus-
gerottet wuͤrden,
ſiehet der Apoſtel zuruͤck
auf den ſiebenden Vers, da er von den falſchen
Lehrern geſaget: τίς ὑμᾶς ἀνέκοψε, wer hat
euch aufgehalten,
gleichſam den Weg, den
ihr ferner zu laufen habet, verhauen? Er ge-
brauchet demnach von der Suͤnde und Strafe
faſt gleiche Worte.
2. Das ausrotten ſcheinet zwar fuͤglich
von einer ſolchen Kirchen-Diſciplin verſtanden
werden zu koͤnnen, da iemand, als ein faules
und abgeſtorbenes Glied von dem Leibe, oder
der Gemeine, der Kirche gleichſam abgeſchnit-
ten und hinweg gethan wurde: wie an dem
Blutſchaͤnder zu Corinthus geſchahe 1 Cor. 5.
Allein dieſe Bedeutung findet alhier nicht wol
ſtatt, weil der Apoſtel vorher v. 10. von den
Verfuͤhrern geſaget, ſie wuͤrden ihr Urtheil
tragen;
dieſes aber nicht wol anders, als von
den goͤttlichen Straf-Gerichten verſtanden wer-
den kan, und alſo auch die Ausrottung davon
anzunehmen iſt.
3. Er verſtehet aber durch die Ausrot-
tung
ſolche Vorgerichte GOttes, dadurch die
Jrrgeiſter ſchon bey Zeiten alſo moͤchten heim-
geſuchet werden, daß ſie aufhoͤren muͤſten, die
Gemeinen in Galatia ferner zu verwirren.
Denn das ſie dem kuͤnftigen gerechten Gerich-
te GOttes nicht entgehen wuͤrden, war an ſich
[Spaltenumbruch] gewiß genug, und durfte von Paulo nicht erſt
gewuͤnſchet werden.
4. Und gleichwie GOtt dieſen Wunſch
ſelbſt in Paulo gewircket hat: ſo iſt auch kein
Zweifel, daß er nicht werde auf gewiſſe Art ſei-
nen Nachdruck gehabt haben.
5. Es ſtreitet aber dieſer Wunſch Pauli
keines weges mit dem von Paulo ſelbſt Rom.
12, 14. 17. 19. 20. wiederholten Befehl CHriſti
Matth. 5, 44. von der Liebe gegen die Fein-
de.
Denn CHriſtus und Paulus reden da-
ſelbſt nicht von GOttes, ſondern von unſern
Feinden. Und ob zwar die, welche ſich an uns
verſuͤndigen, dadurch auf gewiſſe Art auch Got-
tes Feinde ſind: ſo ſind ſie es doch nicht eben in
dem Grad, davon alhier die Rede iſt, nemlich
daß ſie die rechten Wege GOttes verkehren und
ſo vieler anderer Menſchen ihre Seligkeit da-
durch verhindern, ob ſie wol, wenn ſie ſich
nicht noch bekehren, ihrer eignen Seligkeit ver-
luſtig werden. Zu dem ſtunde Paulus in kei-
nem fleiſchlichen Eifer; ſondern er bezeugete es
im heiligen Eifer fuͤr die Ehre GOTTes, und
aus einem beſondern Triebe des Heiligen Gei-
ſtes. Und alſo iſt es nicht allein als eine un-
ſuͤndliche und wohlgefuͤgte, ſondern auch als ei-
ne ſonderbare und etwas auſſerordentliche Sa-
che anzuſehen, darinnen ihm nicht ein ieder al-
ſo nachfolgen kan; zumal ein ſolcher, der in der
Selbſtpruͤfung befindet, wie gar leicht ſich in
ſeinem Eifer fuͤr GOttes Ehre ein wildes und
unreines Natur-Feuer mit einmenget.
6. Es iſt auch vermuthlich, daß die Ver-
fuͤhrer der Galatiſchen Gemeinen die Suͤnde
wider den Heiligen Geiſt moͤgen begangen ha-
ben, und daß Paulus ſolches im goͤttlichen Lich-
te wohl eingeſehen: und daß ſie alſo von ſolchen
geweſen, von welchen Johannes Ep. 1. cap. 5,
16. ſchreibet: Es iſt eine Suͤnde zum To-
de, dafuͤr ſage ich nicht, daß iemand bit-
te.
Denn wer weiß, wie ſehr ſie auſſer dem,
daß ſie die Leute auf ihre eigene Gerechtigkeit ge-
fuͤhret, den gantzen Rath GOTTes von dem
Grund und von der Ordnung des Heils bey der
leeren Schale, welche ſie in der Lehre von CHri-
ſto beybehalten, nicht verkehret und verlaͤſtert
haben, weil die Glaubigen dadurch ſo ſehr zer-
ruͤttet worden? Und wer wolte zweifeln, daß
ſie ſolches nicht wider eine gehabte beſſere Er-
kaͤntniß und Uberzeugung gethan haben? Denn
aus der ſchweren Beſchaffenheit der Strafe,
welche ihnen von Paulo angekuͤndiget wird, laͤſ-
ſet ſich ein Schluß machen auf die Groͤſſe ihrer
Suͤnde.
7. Jm uͤbrigen iſt es ein ſchnoͤder Miß-
brauch dieſer Worte Pauli, wenn ſie von fleiſch-
lich geſinneten Lehrern, die ſich faͤlſchlich der Or-
thodoxi
e, oder beſondern Reinigkeit der Lehre,
ruͤhmen, auf getreue Knechte GOttes und auf
richtige Zeugen der Wahrheit appliciret und
dieſe beſchuldiget werden, als wenn ſie die Ge-
meinen GOttes verſtoͤreten; da ſie doch nach al-
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ſie das reine und lautere Evangelium von CHri-
ſto nicht wollen auf Muthwillen ziehen laſſen,
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[559/0587] Cap. 5, v. 11. 12. an die Galater. ten: wie es cap. 6, 12. deutlich ausgedrucket wird. 6. Wie es Paulo ergangen, daß er be- ſchuldiget worden, als predige er von der Noth- wendigkeit der Beſchneidung: alſo gehet es noch ietzo rechtſchaffnen Knechten GOttes, daß ih- nen bald diß, bald das, ſo ſie gelehret haben ſollen, aufgebuͤrdet wird. Daran man ſich alſo nicht zu ſtoſſen hat: ob es gleich von denen geſchiehet, welche ſich vor andern der Reinig- keit der Lehre ruͤhmen; wie jene Verfuͤhrer zu Pauli Zeiten auch gethan haben. 7. Die ihr ſelbſt gelaſſene und durch ſo viel Vorurtheile, und ſonderlich durch die verkehr- te Eigenliebe ſo ſehr verblendete Vernunft kan bey der Chriſtlichen Religion nichts weniger lei- den, als die Glaubens-Geheimniſſe von CHri- ſto und der durch ihn zu erlangenden Seligkeit: da ſie hingegen noch wohl leiden kan, daß man nach dem Moral-Geſetze auf ein heiliges Leben dringet. Denn hiebey bleibet ſie in ihrem Stoltze, oder in der irrigen Meinung, ſich ſelbſt helfen zu koͤnnen. Durch jene Lehren aber wird ſie gedemuͤthiget, und ſoll durch ein glau- biges ſuppliciren bey ihrer Unwuͤrdigkeit, aber doch in der Ordnung der wircklichen Veraͤnde- rung, die Seligkeit als ein Gnaden-Geſchenck ſuchen. Das will ihrem Stoltze nicht einge- hen. V. 12. Wolte GOTT, daß ſie ausgerottet wuͤrden, die euch verſtoͤren, (ſo fern ſie darinn fortfahren und davon, wie ſehr zu beſor- gen, nicht ablaſſen.) Anmerckungen. 1. Mit dem Worte ἀποκόψοντας, aus- gerottet wuͤrden, ſiehet der Apoſtel zuruͤck auf den ſiebenden Vers, da er von den falſchen Lehrern geſaget: τίς ὑμᾶς ἀνέκοψε, wer hat euch aufgehalten, gleichſam den Weg, den ihr ferner zu laufen habet, verhauen? Er ge- brauchet demnach von der Suͤnde und Strafe faſt gleiche Worte. 2. Das ausrotten ſcheinet zwar fuͤglich von einer ſolchen Kirchen-Diſciplin verſtanden werden zu koͤnnen, da iemand, als ein faules und abgeſtorbenes Glied von dem Leibe, oder der Gemeine, der Kirche gleichſam abgeſchnit- ten und hinweg gethan wurde: wie an dem Blutſchaͤnder zu Corinthus geſchahe 1 Cor. 5. Allein dieſe Bedeutung findet alhier nicht wol ſtatt, weil der Apoſtel vorher v. 10. von den Verfuͤhrern geſaget, ſie wuͤrden ihr Urtheil tragen; dieſes aber nicht wol anders, als von den goͤttlichen Straf-Gerichten verſtanden wer- den kan, und alſo auch die Ausrottung davon anzunehmen iſt. 3. Er verſtehet aber durch die Ausrot- tung ſolche Vorgerichte GOttes, dadurch die Jrrgeiſter ſchon bey Zeiten alſo moͤchten heim- geſuchet werden, daß ſie aufhoͤren muͤſten, die Gemeinen in Galatia ferner zu verwirren. Denn das ſie dem kuͤnftigen gerechten Gerich- te GOttes nicht entgehen wuͤrden, war an ſich gewiß genug, und durfte von Paulo nicht erſt gewuͤnſchet werden. 4. Und gleichwie GOtt dieſen Wunſch ſelbſt in Paulo gewircket hat: ſo iſt auch kein Zweifel, daß er nicht werde auf gewiſſe Art ſei- nen Nachdruck gehabt haben. 5. Es ſtreitet aber dieſer Wunſch Pauli keines weges mit dem von Paulo ſelbſt Rom. 12, 14. 17. 19. 20. wiederholten Befehl CHriſti Matth. 5, 44. von der Liebe gegen die Fein- de. Denn CHriſtus und Paulus reden da- ſelbſt nicht von GOttes, ſondern von unſern Feinden. Und ob zwar die, welche ſich an uns verſuͤndigen, dadurch auf gewiſſe Art auch Got- tes Feinde ſind: ſo ſind ſie es doch nicht eben in dem Grad, davon alhier die Rede iſt, nemlich daß ſie die rechten Wege GOttes verkehren und ſo vieler anderer Menſchen ihre Seligkeit da- durch verhindern, ob ſie wol, wenn ſie ſich nicht noch bekehren, ihrer eignen Seligkeit ver- luſtig werden. Zu dem ſtunde Paulus in kei- nem fleiſchlichen Eifer; ſondern er bezeugete es im heiligen Eifer fuͤr die Ehre GOTTes, und aus einem beſondern Triebe des Heiligen Gei- ſtes. Und alſo iſt es nicht allein als eine un- ſuͤndliche und wohlgefuͤgte, ſondern auch als ei- ne ſonderbare und etwas auſſerordentliche Sa- che anzuſehen, darinnen ihm nicht ein ieder al- ſo nachfolgen kan; zumal ein ſolcher, der in der Selbſtpruͤfung befindet, wie gar leicht ſich in ſeinem Eifer fuͤr GOttes Ehre ein wildes und unreines Natur-Feuer mit einmenget. 6. Es iſt auch vermuthlich, daß die Ver- fuͤhrer der Galatiſchen Gemeinen die Suͤnde wider den Heiligen Geiſt moͤgen begangen ha- ben, und daß Paulus ſolches im goͤttlichen Lich- te wohl eingeſehen: und daß ſie alſo von ſolchen geweſen, von welchen Johannes Ep. 1. cap. 5, 16. ſchreibet: Es iſt eine Suͤnde zum To- de, dafuͤr ſage ich nicht, daß iemand bit- te. Denn wer weiß, wie ſehr ſie auſſer dem, daß ſie die Leute auf ihre eigene Gerechtigkeit ge- fuͤhret, den gantzen Rath GOTTes von dem Grund und von der Ordnung des Heils bey der leeren Schale, welche ſie in der Lehre von CHri- ſto beybehalten, nicht verkehret und verlaͤſtert haben, weil die Glaubigen dadurch ſo ſehr zer- ruͤttet worden? Und wer wolte zweifeln, daß ſie ſolches nicht wider eine gehabte beſſere Er- kaͤntniß und Uberzeugung gethan haben? Denn aus der ſchweren Beſchaffenheit der Strafe, welche ihnen von Paulo angekuͤndiget wird, laͤſ- ſet ſich ein Schluß machen auf die Groͤſſe ihrer Suͤnde. 7. Jm uͤbrigen iſt es ein ſchnoͤder Miß- brauch dieſer Worte Pauli, wenn ſie von fleiſch- lich geſinneten Lehrern, die ſich faͤlſchlich der Or- thodoxie, oder beſondern Reinigkeit der Lehre, ruͤhmen, auf getreue Knechte GOttes und auf richtige Zeugen der Wahrheit appliciret und dieſe beſchuldiget werden, als wenn ſie die Ge- meinen GOttes verſtoͤreten; da ſie doch nach al- ler Wahrheit einher gehen, aber eben daher, daß ſie das reine und lautere Evangelium von CHri- ſto nicht wollen auf Muthwillen ziehen laſſen, der irrigen Lehre faͤlſchlich beſchuldiget werden. Ging

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/587>, abgerufen am 24.11.2024.