Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 6, v. 12. 13. [Spaltenumbruch]
Menschen Erlösung gestorben sey. Wer nunden Juden zu gefallen auf die Beschneidung ging, ob er gleich sonst auch CHristum dabey predigte, den konten sie wol leiden.) Anmerckungen. 1. Es hatten die Juden schon von mehrern Zeiten her sich im gantzen Römischen Reiche sehr starck ausgebreitet, trieben einen starcken Han- del, und schaffeten mit ihrem Gewerbe dem ge- meinen Wesen vielen Nutzen, hatten den Rö- mern auch in manchen Kriegen grosse Dienste gethan. Und dahero war ihnen alle Religions- Freyheit verstattet worden. Da nun die Chri- sten anfangs aus den Juden entstunden, auch einige Zeit unter ihnen blieben, und hernach noch, da die Trennung geschahe, für eine Jü- dische Secte gehalten wurden; so genossen sie daher mit jenen gleiche Gewissens-Freyheit in der Religion. Als aber die Juden den Chri- sten über die Massen sehr aufsätzig waren, so ga- ben sie die Christen bey den Heiden selbst an, verleumdeten sie aufs greulichste, erregten auch damit wider sie bey und von ihnen manchen Sturm: wie sie denn so viel mehrern Eingang bey den Heiden mit ihren Beschuldigungen fun- den, so viel mehr diese ihnen glaubeten, als solchen, die von den Christen, als Leuten, die zu ihnen gehöreten, aber sich von ihnen trenne- ten, die beste Wissenschaft haben müsten. 2. Gleichwie nun den Jüden nichts uner- träglicher war, als einen solchen Meßiam ver- kündigen, der mit seinem Creutzes-Tode uns nicht allein vom Fluche des Moral-Gesetzes, sondern auch vom Joche der Levitischen Satzun- gen erlöset und befreyet, und dabey auch die Beschneidung abgethan hätte: so konte hinge- gen einer, der von CHristo also predigte, daß er theils aus Jrrthum, theils aus einer Gefäl- ligkeit gegen die Jüden, die Beschneidung nebst unterschiedlichen andern Jüdischen Ceremonien beybehielte, und die Heiden darauf führete, noch selbst für einen Juden angesehen werden, und der Verfolgung überhoben seyn. 3. Diß nennet Paulus mit dem Creutze CHristi nicht verfolget werden. Da durch das Creutz CHristi die gantze Lehre des Evangelii verstanden wird: als darinnen der Creutzes-Tod gleichsam der rechte Mittel-Punct war, so wie sie in ihrer rechten Lauterkeit er- kannt und vorgetragen ward. Und da kan denn der ablativus to sauro auch gar wohl im Teut- schen mit dem Wörtlein durch oder wegen ü- bersetzet werden, daß es heisse: Durch das Creutz CHristi, oder des Creutzes CHristi wegen verfolget werden. 4. Es finden alhier folgende Oerter ihre gute Erläuterung, nemlich Gal. 5, 11. So ich die Beschneidung noch predige, warum leide ich denn Verfolgung: so hätte das Aergerniß des Creutzes anfgehöret. Phil. 3, 18. 19. da von den Feinden des Creutzes CHristi stehet, deren der Bauch ihr Gott ist. 5. Bey der falschen Lehre ist gemeiniglich das euprosopesai, sich ein Ansehen ma- chen wollen, verknüpfet: sintemal man dabey [Spaltenumbruch] nicht das, was JEsu CHristi ist, sondern nur das seinige suchet, es sey im Geitze, oder auch in angemaßter Auctorität, welche auch gemei- niglich zum Geitze gemißbrauchet wird. 6. Der Gewissens-Zwang ist von ge- doppelter Art, theils ein Gewaltsamer, oder äusserlicher, da man einen durch leibliche Pla- gen in Religions-Sachen wozu bringet: theils ein innerlicher, wo man einen mit seinem Ex- empel und mit falschen Gründen dergestalt wo- zu überredet, daß man, was man annimt und thut, vermeinet nicht lassen zu können. Von welcher Art des Zwanges alhier die Rede ist. 7. Es werden zwar die falschen Lehrer ihr Absehen, daß sie haben ohne Verfolgung blei- ben wollen, wol nicht entdecket haben: da es doch aber bey ihrem Jrrthum ihr Zweck gewe- sen, und sie dadurch sich im Jrrthum besteifet haben, so entdecket es Paulus. So gehet es den Heuchlern; wenn sie ihr Thun noch so sehr schmücken, so wird es doch zur Bestrafung ans Licht gezogen. 8. Man ist zwar nach der Liebe schuldig, des Nechsten Fehler, so viel sich mit gutem Ge- wissen thun läßt, zu entschuldigen und zuzude- cken: wenn es aber Leute sind, die andere ver- führen, und dazu einen angenommenen guten Schein mißbrauchen; so hat man ihnen, an- dern zur Warnung, die Heuchel-Larve abzuzie- hen, und sie in ihrer argen Gestalt zu entdecken; zumal wenn einem solches Amts halber in der Kirche GOttes oblieget. Wie wir alhier an Paulo sehen. V. 13. Denn auch sie selbst, die sich beschnei- Anmer-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 6, v. 12. 13. [Spaltenumbruch]
Menſchen Erloͤſung geſtorben ſey. Wer nunden Juden zu gefallen auf die Beſchneidung ging, ob er gleich ſonſt auch CHriſtum dabey predigte, den konten ſie wol leiden.) Anmerckungen. 1. Es hatten die Juden ſchon von mehrern Zeiten her ſich im gantzen Roͤmiſchen Reiche ſehr ſtarck ausgebreitet, trieben einen ſtarcken Han- del, und ſchaffeten mit ihrem Gewerbe dem ge- meinen Weſen vielen Nutzen, hatten den Roͤ- mern auch in manchen Kriegen groſſe Dienſte gethan. Und dahero war ihnen alle Religions- Freyheit verſtattet worden. Da nun die Chri- ſten anfangs aus den Juden entſtunden, auch einige Zeit unter ihnen blieben, und hernach noch, da die Trennung geſchahe, fuͤr eine Juͤ- diſche Secte gehalten wurden; ſo genoſſen ſie daher mit jenen gleiche Gewiſſens-Freyheit in der Religion. Als aber die Juden den Chri- ſten uͤber die Maſſen ſehr aufſaͤtzig waren, ſo ga- ben ſie die Chriſten bey den Heiden ſelbſt an, verleumdeten ſie aufs greulichſte, erregten auch damit wider ſie bey und von ihnen manchen Sturm: wie ſie denn ſo viel mehrern Eingang bey den Heiden mit ihren Beſchuldigungen fun- den, ſo viel mehr dieſe ihnen glaubeten, als ſolchen, die von den Chriſten, als Leuten, die zu ihnen gehoͤreten, aber ſich von ihnen trenne- ten, die beſte Wiſſenſchaft haben muͤſten. 2. Gleichwie nun den Juͤden nichts uner- traͤglicher war, als einen ſolchen Meßiam ver- kuͤndigen, der mit ſeinem Creutzes-Tode uns nicht allein vom Fluche des Moral-Geſetzes, ſondern auch vom Joche der Levitiſchen Satzun- gen erloͤſet und befreyet, und dabey auch die Beſchneidung abgethan haͤtte: ſo konte hinge- gen einer, der von CHriſto alſo predigte, daß er theils aus Jrrthum, theils aus einer Gefaͤl- ligkeit gegen die Juͤden, die Beſchneidung nebſt unterſchiedlichen andern Juͤdiſchen Ceremonien beybehielte, und die Heiden darauf fuͤhrete, noch ſelbſt fuͤr einen Juden angeſehen werden, und der Verfolgung uͤberhoben ſeyn. 3. Diß nennet Paulus mit dem Creutze CHriſti nicht verfolget werden. Da durch das Creutz CHriſti die gantze Lehre des Evangelii verſtanden wird: als darinnen der Creutzes-Tod gleichſam der rechte Mittel-Punct war, ſo wie ſie in ihrer rechten Lauterkeit er- kannt und vorgetragen ward. Und da kan denn der ablativus τῷ ςαυρῷ auch gar wohl im Teut- ſchen mit dem Woͤrtlein durch oder wegen uͤ- berſetzet werden, daß es heiſſe: Durch das Creutz CHriſti, oder des Creutzes CHriſti wegen verfolget werden. 4. Es finden alhier folgende Oerter ihre gute Erlaͤuterung, nemlich Gal. 5, 11. So ich die Beſchneidung noch predige, warum leide ich denn Verfolgung: ſo haͤtte das Aergerniß des Creutzes anfgehoͤret. Phil. 3, 18. 19. da von den Feinden des Creutzes CHriſti ſtehet, deren der Bauch ihr Gott iſt. 5. Bey der falſchen Lehre iſt gemeiniglich das ἐυπροσωπῆσαι, ſich ein Anſehen ma- chen wollen, verknuͤpfet: ſintemal man dabey [Spaltenumbruch] nicht das, was JEſu CHriſti iſt, ſondern nur das ſeinige ſuchet, es ſey im Geitze, oder auch in angemaßter Auctoritaͤt, welche auch gemei- niglich zum Geitze gemißbrauchet wird. 6. Der Gewiſſens-Zwang iſt von ge- doppelter Art, theils ein Gewaltſamer, oder aͤuſſerlicher, da man einen durch leibliche Pla- gen in Religions-Sachen wozu bringet: theils ein innerlicher, wo man einen mit ſeinem Ex- empel und mit falſchen Gruͤnden dergeſtalt wo- zu uͤberredet, daß man, was man annimt und thut, vermeinet nicht laſſen zu koͤnnen. Von welcher Art des Zwanges alhier die Rede iſt. 7. Es werden zwar die falſchen Lehrer ihr Abſehen, daß ſie haben ohne Verfolgung blei- ben wollen, wol nicht entdecket haben: da es doch aber bey ihrem Jrrthum ihr Zweck gewe- ſen, und ſie dadurch ſich im Jrrthum beſteifet haben, ſo entdecket es Paulus. So gehet es den Heuchlern; wenn ſie ihr Thun noch ſo ſehr ſchmuͤcken, ſo wird es doch zur Beſtrafung ans Licht gezogen. 8. Man iſt zwar nach der Liebe ſchuldig, des Nechſten Fehler, ſo viel ſich mit gutem Ge- wiſſen thun laͤßt, zu entſchuldigen und zuzude- cken: wenn es aber Leute ſind, die andere ver- fuͤhren, und dazu einen angenommenen guten Schein mißbrauchen; ſo hat man ihnen, an- dern zur Warnung, die Heuchel-Larve abzuzie- hen, und ſie in ihrer argen Geſtalt zu entdecken; zumal wenn einem ſolches Amts halber in der Kirche GOttes oblieget. Wie wir alhier an Paulo ſehen. V. 13. Denn auch ſie ſelbſt, die ſich beſchnei- Anmer-
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 6, v. 12. 13.
Menſchen Erloͤſung geſtorben ſey. Wer nun
den Juden zu gefallen auf die Beſchneidung ging,
ob er gleich ſonſt auch CHriſtum dabey predigte,
den konten ſie wol leiden.)
Anmerckungen.
1. Es hatten die Juden ſchon von mehrern
Zeiten her ſich im gantzen Roͤmiſchen Reiche ſehr
ſtarck ausgebreitet, trieben einen ſtarcken Han-
del, und ſchaffeten mit ihrem Gewerbe dem ge-
meinen Weſen vielen Nutzen, hatten den Roͤ-
mern auch in manchen Kriegen groſſe Dienſte
gethan. Und dahero war ihnen alle Religions-
Freyheit verſtattet worden. Da nun die Chri-
ſten anfangs aus den Juden entſtunden, auch
einige Zeit unter ihnen blieben, und hernach
noch, da die Trennung geſchahe, fuͤr eine Juͤ-
diſche Secte gehalten wurden; ſo genoſſen ſie
daher mit jenen gleiche Gewiſſens-Freyheit in
der Religion. Als aber die Juden den Chri-
ſten uͤber die Maſſen ſehr aufſaͤtzig waren, ſo ga-
ben ſie die Chriſten bey den Heiden ſelbſt an,
verleumdeten ſie aufs greulichſte, erregten auch
damit wider ſie bey und von ihnen manchen
Sturm: wie ſie denn ſo viel mehrern Eingang
bey den Heiden mit ihren Beſchuldigungen fun-
den, ſo viel mehr dieſe ihnen glaubeten, als
ſolchen, die von den Chriſten, als Leuten, die
zu ihnen gehoͤreten, aber ſich von ihnen trenne-
ten, die beſte Wiſſenſchaft haben muͤſten.
2. Gleichwie nun den Juͤden nichts uner-
traͤglicher war, als einen ſolchen Meßiam ver-
kuͤndigen, der mit ſeinem Creutzes-Tode uns
nicht allein vom Fluche des Moral-Geſetzes,
ſondern auch vom Joche der Levitiſchen Satzun-
gen erloͤſet und befreyet, und dabey auch die
Beſchneidung abgethan haͤtte: ſo konte hinge-
gen einer, der von CHriſto alſo predigte, daß
er theils aus Jrrthum, theils aus einer Gefaͤl-
ligkeit gegen die Juͤden, die Beſchneidung nebſt
unterſchiedlichen andern Juͤdiſchen Ceremonien
beybehielte, und die Heiden darauf fuͤhrete, noch
ſelbſt fuͤr einen Juden angeſehen werden, und
der Verfolgung uͤberhoben ſeyn.
3. Diß nennet Paulus mit dem Creutze
CHriſti nicht verfolget werden. Da
durch das Creutz CHriſti die gantze Lehre des
Evangelii verſtanden wird: als darinnen der
Creutzes-Tod gleichſam der rechte Mittel-Punct
war, ſo wie ſie in ihrer rechten Lauterkeit er-
kannt und vorgetragen ward. Und da kan denn
der ablativus τῷ ςαυρῷ auch gar wohl im Teut-
ſchen mit dem Woͤrtlein durch oder wegen uͤ-
berſetzet werden, daß es heiſſe: Durch das
Creutz CHriſti, oder des Creutzes CHriſti
wegen verfolget werden.
4. Es finden alhier folgende Oerter ihre
gute Erlaͤuterung, nemlich Gal. 5, 11. So ich
die Beſchneidung noch predige, warum
leide ich denn Verfolgung: ſo haͤtte das
Aergerniß des Creutzes anfgehoͤret. Phil.
3, 18. 19. da von den Feinden des Creutzes
CHriſti ſtehet, deren der Bauch ihr Gott iſt.
5. Bey der falſchen Lehre iſt gemeiniglich
das ἐυπροσωπῆσαι, ſich ein Anſehen ma-
chen wollen, verknuͤpfet: ſintemal man dabey
nicht das, was JEſu CHriſti iſt, ſondern nur
das ſeinige ſuchet, es ſey im Geitze, oder auch
in angemaßter Auctoritaͤt, welche auch gemei-
niglich zum Geitze gemißbrauchet wird.
6. Der Gewiſſens-Zwang iſt von ge-
doppelter Art, theils ein Gewaltſamer, oder
aͤuſſerlicher, da man einen durch leibliche Pla-
gen in Religions-Sachen wozu bringet: theils
ein innerlicher, wo man einen mit ſeinem Ex-
empel und mit falſchen Gruͤnden dergeſtalt wo-
zu uͤberredet, daß man, was man annimt und
thut, vermeinet nicht laſſen zu koͤnnen. Von
welcher Art des Zwanges alhier die Rede iſt.
7. Es werden zwar die falſchen Lehrer ihr
Abſehen, daß ſie haben ohne Verfolgung blei-
ben wollen, wol nicht entdecket haben: da es
doch aber bey ihrem Jrrthum ihr Zweck gewe-
ſen, und ſie dadurch ſich im Jrrthum beſteifet
haben, ſo entdecket es Paulus. So gehet es
den Heuchlern; wenn ſie ihr Thun noch ſo ſehr
ſchmuͤcken, ſo wird es doch zur Beſtrafung ans
Licht gezogen.
8. Man iſt zwar nach der Liebe ſchuldig,
des Nechſten Fehler, ſo viel ſich mit gutem Ge-
wiſſen thun laͤßt, zu entſchuldigen und zuzude-
cken: wenn es aber Leute ſind, die andere ver-
fuͤhren, und dazu einen angenommenen guten
Schein mißbrauchen; ſo hat man ihnen, an-
dern zur Warnung, die Heuchel-Larve abzuzie-
hen, und ſie in ihrer argen Geſtalt zu entdecken;
zumal wenn einem ſolches Amts halber in der
Kirche GOttes oblieget. Wie wir alhier an
Paulo ſehen.
V. 13.
Denn auch ſie ſelbſt, die ſich beſchnei-
den laſſen, (die als Juden ſchon in der Ju-
gend beſchnitten ſind, und alſo auf die Be-
ſchneidung dringen, daß ſie davon alhier den
Namen haben,) halten das Geſetz nicht,
(welches ſie doch vorgeben, auch die Beſchnei-
dung, als ein Hauptſtuͤcke des Geſetzes anſe-
hen, und mit dem Vorwand, daß man an das
Geſetz verbunden ſey, ſo ſehr auf die Beſchnei-
dung gehen. Sie halten das Geſetz nicht al-
lein nicht, ſondern ſie koͤnnen es auch nicht alſo
halten, daß ſie vor GOTT durch ihren geſetz-
lichen Gehorſam gerecht werden koͤnten. Ja
ſo ſehr ſie den Eifer fuͤr das Geſetz vorgeben, ſo
wenig iſt es ihnen doch um das Geſetz ſelbſt zu
thun; da ſie ſich hie und da ſelbſt ſolche exce-
ptiones machen, wie es ihnen nur ſelbſt beliebet:
ſintemal der Bauch ihr Gott iſt, und ſie nur ir-
diſch geſinnet ſind, Phil. 3, 18. 19.) ſondern
ſie wollen, daß ihr euch beſchneiden laſſet,
(ſie ſind damit zufrieden, wenn ihr euch nur be-
ſchneiden laſſet, und bekuͤmmern ſich im uͤbri-
gen ſo wenig darum, ob ihr das Geſetz haltet,
oder nicht, ſo wenig ſie ſich ſelbſt daran binden,)
auf daß ſie ſich von eurem Fleiſche ruͤhmen
moͤgen, (daß ſie euch von dem Wege der Ev-
angeliſchen Freyheit zur Beſchneidung, und al-
ſo von einem Jrrwege auf die rechte Bahn wie-
der gebracht haͤtten.)
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