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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 6, v. 16.
[Spaltenumbruch] Satans, welche so schnell kommen und so schäd-
lich sind, wie ein vergifteter Pfeil, der wie ein
Blitz ein- und durchdringet und eine inflamma-
tion
verursachet. Da nun sonderlich diejenigen
argen Gedancken, welche in dem Menschen un-
mittelbar wider GOTT aufsteigen, vor allen
andern Versuchungen des Satans die heftigsten,
und den feurigen Pfeilen gleich sind, und bey Un-
geübten das Gemüth in eine grosse Angst und
Unruhe setzen können: so ist wol kein Zweifel, daß
der Apostel sonderlich hierauf gesehen habe. Der
Leser beliebe hiebey nachzuschlagen die Anmer-
ckungen über 2 Cor. 12, 7. da mit mehrern gezei-
get ist, daß er durch den Pfahl ins Fleisch und
durch die Fäusten-Schläge des Satanischen
Engels
eben dieses verstehe.
2. Gegen diese Versuchung recommen-
dir
et nun der Apostel den Schild des Glau-
bens,
das ist, den Glauben selbst, den er
mit einem militarischen Schilde vergleichet;
gleichwie auch GOTT selbst und sein Wort,
woran sich der Glaube hält, also genennet
wird. Siehe 5 B. Mos. 33, 29. Sprichw. 30,
5. Ps. 3, 4 28, 7. 91, 4. 119, 114.
3. Nun aber fraget sich billig, wie denn
der Glaube ein solches Schild sey, das die ein-
geschossene Pfeile so arger und giftiger Gedan-
cken auffange, daß er sie, wenn sie das Hertz ent-
zünden und verunruhigen wollen, auslösche?
Diß geschiehet auf diese Art, wenn sich der
Mensch im Glauben vest hält an der Gnade
GOttes in CHristo und an der Kindschaft GOt-
tes, in gewisser Versicherung, daß das, was
ihm wider seinen Willen, ja zu seiner äussersten
Kränckung begegnet, nichts sey, welches eigent-
lich von ihm selbst herrühre, und welches er selbst
thue, sondern welches er leide, als etwas frem-
des in ihm: und folglich, daß es weder ein Zei-
chen sey von seiner Ungnade bey GOtt, noch ihn
ausser den Stand der Gnade setze, und daß es ihm
GOtt nicht zurechne. Welches bey sich zu er-
achten, und also von dieser Versuchung in der
Zueignung auf sich selbst zu urtheilen, allerdings
ein Werck des Glaubens ist.
4. Da nun des Glaubens Eigenschaft ist,
daß er über der gewissen Versicherung von der
Gnade GOttes recht muthig machet: so entste-
het daher in dem also Versuchten eine rechte geist-
liche Großmüthigkeit, Vermöge welcher er solche
Pfeile des Bösewichts nicht achtet, noch sich dar-
über ängstiget, wenn sie, nachdem sie eine Zeit-
lang aufgehöret haben, doch bald wieder kom-
men. Denn ob er gleich die gäntzliche Besserung
wünschet, GOTT auch wol mit Paulo mehr-
mal darum anflehet 2 Cor. 12, 8. 9. so ist er doch
dabey gelassen, und lässet sich bey anhaltender
und wiederkommender Anfechtung mit Paulo an
GOttes Gnade begnügen, da er versichert seyn
kan, daß ihm dadurch an dem Genuß der
Gnade GOttes nichts abgehe, ja daß es ein Zei-
chen seines Gnaden-Standes bey GOTT sey:
sintemal diejenigen, welche ausser dem Stande
der Gnade stehen, vom Satan damit nicht ver-
suchet werden.
5. Und dieses ist wohl zu mercken, daß die
[Spaltenumbruch] gläubige Großmüthigkeit, dadurch man die An-
fälle des Bösewichts, aus vorgedachtem Grun-
de, nicht achtet, noch sich darüber ängstiget, das
allerbeste Mittel dagegen sey. Denn ie weniger
man es achtet, es möge da seyn, oder nicht, ie
weniger wird es empfunden, ie eher verlieret es
sich, und ie weniger kömmt es wieder. Da hin-
gegen durch die grosse Beängstigung übel nur
noch immer ärger wird, und den Menschen,
wenn er sich nicht im Glauben fasset, zur äusser-
sten Kleinmüthigkeit bringet. Welches und noch
ein mehrers der Satan suchet. GOTT aber
ist getreu, daß er sie nicht versuchen läßt über ihr
Vermögen.
6. Es haben demnach Seelen, die da er-
fahren, was feurige Pfeile (davon sich nicht wol
deutlicher schreiben lässet) des Bösewichts sind,
diesen Spruch Pauli mit jenem 2 Cor. 12. wohl
zu mercken, und zu ihrem Troste zu erkennen, daß
der Glaube nicht eben machet, daß sie nicht da
sind, oder nicht wiederkommen, sondern dieses,
daß sie zur Verunruhigung des Hertzens keine
Entzündung darinnen zuwege bringen. Denn
dagegen löschet der Gläubige sie eben damit aus,
daß er sich versichert hält, er werde dadurch nicht
aus dem Stande der Gnade gesetzet, es sey auch
nicht sein eignes Werck, welches er selbstaus sich
wircke, sondern des Satans fremdes Werck,
welches er nur leide, und nicht zu achten, sondern
dagegen als ein Zeichen seines Gnaden-Standes
anzusehen habe, da er es höchst verabscheuet, und
dagegen Vermöge seines Glaubens in einer zar-
ten Liebe gegen GOTT und seinen Nächsten
stehet.
7. Es ist auch wohl zu mercken, daß diese
Versuchung viel gemeiner sey, als man es ver-
meinet. Daß man sie für gar etwas seltenes
und ausserordentliches hält, kömmt daher, weil
die allerwenigsten ihre geheime Noth von sich
sagen, und mancher gedencket, er sey es gantz al-
lein, dem es also ergehe, da er doch gewiß sehr
viele Brüder und Schwestern dißfalls hat. Man
thut auch mit der Verschweigung in so weit wohl,
als es die wenigsten fassen, und noch weniger dar-
innen recht zu rathen wissen: durch welche sie mit
der Entdeckung bey sich übel nur ärger machen
würden. Jndessen ist es doch rathsam, ja nöthig,
denen, welche man im Christenthum für treu und
wohlgeübet hält, es zu eröffnen, um sich ihres
Raths, welcher in obigen Anmerckungen gege-
ben ist, heilsamlich zu bedienen. Man muß aber
auch bey Eröffnung diese Behutsamkeit gebrau-
chen, daß man es nur überhaupt anzeige, und
sich der Meldung dieser und jener argen Gedan-
cken insonderheit enthalte, theils aus eigner
Furcht vor GOTT, theils aus Liebe gegen den
Nächsten, um denselben damit nicht zu ärgern.
Daß aber diese Art der Anfechtung viel gemeiner
sey, als die Angefochtenen etwa gedencken, ist
daher leichtlich zu erkennen, daß sie Paulus als
etwas fast gemeines beschreibet, und allen Chri-
sten insgemein dagegen ein bewährtes Stück von
der geistlichen Rüstung anpreiset: ob wol auch
manche Seelen damit verschonet bleiben.
8. Jm übrigen dienet auch dieses denen da-
mit
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 6, v. 16.
[Spaltenumbruch] Satans, welche ſo ſchnell kommen und ſo ſchaͤd-
lich ſind, wie ein vergifteter Pfeil, der wie ein
Blitz ein- und durchdringet und eine inflamma-
tion
verurſachet. Da nun ſonderlich diejenigen
argen Gedancken, welche in dem Menſchen un-
mittelbar wider GOTT aufſteigen, vor allen
andern Verſuchungen des Satans die heftigſten,
und den feurigen Pfeilen gleich ſind, und bey Un-
geuͤbten das Gemuͤth in eine groſſe Angſt und
Unruhe ſetzen koͤnnen: ſo iſt wol kein Zweifel, daß
der Apoſtel ſonderlich hierauf geſehen habe. Der
Leſer beliebe hiebey nachzuſchlagen die Anmer-
ckungen uͤber 2 Cor. 12, 7. da mit mehrern gezei-
get iſt, daß er durch den Pfahl ins Fleiſch und
durch die Faͤuſten-Schlaͤge des Sataniſchen
Engels
eben dieſes verſtehe.
2. Gegen dieſe Verſuchung recommen-
dir
et nun der Apoſtel den Schild des Glau-
bens,
das iſt, den Glauben ſelbſt, den er
mit einem militariſchen Schilde vergleichet;
gleichwie auch GOTT ſelbſt und ſein Wort,
woran ſich der Glaube haͤlt, alſo genennet
wird. Siehe 5 B. Moſ. 33, 29. Sprichw. 30,
5. Pſ. 3, 4 28, 7. 91, 4. 119, 114.
3. Nun aber fraget ſich billig, wie denn
der Glaube ein ſolches Schild ſey, das die ein-
geſchoſſene Pfeile ſo arger und giftiger Gedan-
cken auffange, daß er ſie, wenn ſie das Hertz ent-
zuͤnden und verunruhigen wollen, ausloͤſche?
Diß geſchiehet auf dieſe Art, wenn ſich der
Menſch im Glauben veſt haͤlt an der Gnade
GOttes in CHriſto und an der Kindſchaft GOt-
tes, in gewiſſer Verſicherung, daß das, was
ihm wider ſeinen Willen, ja zu ſeiner aͤuſſerſten
Kraͤnckung begegnet, nichts ſey, welches eigent-
lich von ihm ſelbſt herruͤhre, und welches er ſelbſt
thue, ſondern welches er leide, als etwas frem-
des in ihm: und folglich, daß es weder ein Zei-
chen ſey von ſeiner Ungnade bey GOtt, noch ihn
auſſer den Stand der Gnade ſetze, und daß es ihm
GOtt nicht zurechne. Welches bey ſich zu er-
achten, und alſo von dieſer Verſuchung in der
Zueignung auf ſich ſelbſt zu urtheilen, allerdings
ein Werck des Glaubens iſt.
4. Da nun des Glaubens Eigenſchaft iſt,
daß er uͤber der gewiſſen Verſicherung von der
Gnade GOttes recht muthig machet: ſo entſte-
het daher in dem alſo Verſuchten eine rechte geiſt-
liche Großmuͤthigkeit, Vermoͤge welcher er ſolche
Pfeile des Boͤſewichts nicht achtet, noch ſich dar-
uͤber aͤngſtiget, wenn ſie, nachdem ſie eine Zeit-
lang aufgehoͤret haben, doch bald wieder kom-
men. Denn ob er gleich die gaͤntzliche Beſſerung
wuͤnſchet, GOTT auch wol mit Paulo mehr-
mal darum anflehet 2 Cor. 12, 8. 9. ſo iſt er doch
dabey gelaſſen, und laͤſſet ſich bey anhaltender
und wiederkommender Anfechtung mit Paulo an
GOttes Gnade begnuͤgen, da er verſichert ſeyn
kan, daß ihm dadurch an dem Genuß der
Gnade GOttes nichts abgehe, ja daß es ein Zei-
chen ſeines Gnaden-Standes bey GOTT ſey:
ſintemal diejenigen, welche auſſer dem Stande
der Gnade ſtehen, vom Satan damit nicht ver-
ſuchet werden.
5. Und dieſes iſt wohl zu mercken, daß die
[Spaltenumbruch] glaͤubige Großmuͤthigkeit, dadurch man die An-
faͤlle des Boͤſewichts, aus vorgedachtem Grun-
de, nicht achtet, noch ſich daruͤber aͤngſtiget, das
allerbeſte Mittel dagegen ſey. Denn ie weniger
man es achtet, es moͤge da ſeyn, oder nicht, ie
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ſich, und ie weniger koͤmmt es wieder. Da hin-
gegen durch die groſſe Beaͤngſtigung uͤbel nur
noch immer aͤrger wird, und den Menſchen,
wenn er ſich nicht im Glauben faſſet, zur aͤuſſer-
ſten Kleinmuͤthigkeit bringet. Welches und noch
ein mehrers der Satan ſuchet. GOTT aber
iſt getreu, daß er ſie nicht verſuchen laͤßt uͤber ihr
Vermoͤgen.
6. Es haben demnach Seelen, die da er-
fahren, was feurige Pfeile (davon ſich nicht wol
deutlicher ſchreiben laͤſſet) des Boͤſewichts ſind,
dieſen Spruch Pauli mit jenem 2 Cor. 12. wohl
zu mercken, und zu ihrem Troſte zu erkennen, daß
der Glaube nicht eben machet, daß ſie nicht da
ſind, oder nicht wiederkommen, ſondern dieſes,
daß ſie zur Verunruhigung des Hertzens keine
Entzuͤndung darinnen zuwege bringen. Denn
dagegen loͤſchet der Glaͤubige ſie eben damit aus,
daß er ſich verſichert haͤlt, er werde dadurch nicht
aus dem Stande der Gnade geſetzet, es ſey auch
nicht ſein eignes Werck, welches er ſelbſtaus ſich
wircke, ſondern des Satans fremdes Werck,
welches er nur leide, und nicht zu achten, ſondern
dagegen als ein Zeichen ſeines Gnaden-Standes
anzuſehen habe, da er es hoͤchſt verabſcheuet, und
dagegen Vermoͤge ſeines Glaubens in einer zar-
ten Liebe gegen GOTT und ſeinen Naͤchſten
ſtehet.
7. Es iſt auch wohl zu mercken, daß dieſe
Verſuchung viel gemeiner ſey, als man es ver-
meinet. Daß man ſie fuͤr gar etwas ſeltenes
und auſſerordentliches haͤlt, koͤmmt daher, weil
die allerwenigſten ihre geheime Noth von ſich
ſagen, und mancher gedencket, er ſey es gantz al-
lein, dem es alſo ergehe, da er doch gewiß ſehr
viele Bruͤder und Schweſtern dißfalls hat. Man
thut auch mit der Verſchweigung in ſo weit wohl,
als es die wenigſten faſſen, und noch weniger dar-
innen recht zu rathen wiſſen: durch welche ſie mit
der Entdeckung bey ſich uͤbel nur aͤrger machen
wuͤrden. Jndeſſen iſt es doch rathſam, ja noͤthig,
denen, welche man im Chriſtenthum fuͤr treu und
wohlgeuͤbet haͤlt, es zu eroͤffnen, um ſich ihres
Raths, welcher in obigen Anmerckungen gege-
ben iſt, heilſamlich zu bedienen. Man muß aber
auch bey Eroͤffnung dieſe Behutſamkeit gebrau-
chen, daß man es nur uͤberhaupt anzeige, und
ſich der Meldung dieſer und jener argen Gedan-
cken inſonderheit enthalte, theils aus eigner
Furcht vor GOTT, theils aus Liebe gegen den
Naͤchſten, um denſelben damit nicht zu aͤrgern.
Daß aber dieſe Art der Anfechtung viel gemeiner
ſey, als die Angefochtenen etwa gedencken, iſt
daher leichtlich zu erkennen, daß ſie Paulus als
etwas faſt gemeines beſchreibet, und allen Chri-
ſten insgemein dagegen ein bewaͤhrtes Stuͤck von
der geiſtlichen Ruͤſtung anpreiſet: ob wol auch
manche Seelen damit verſchonet bleiben.
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[680/0708] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 6, v. 16. Satans, welche ſo ſchnell kommen und ſo ſchaͤd- lich ſind, wie ein vergifteter Pfeil, der wie ein Blitz ein- und durchdringet und eine inflamma- tion verurſachet. Da nun ſonderlich diejenigen argen Gedancken, welche in dem Menſchen un- mittelbar wider GOTT aufſteigen, vor allen andern Verſuchungen des Satans die heftigſten, und den feurigen Pfeilen gleich ſind, und bey Un- geuͤbten das Gemuͤth in eine groſſe Angſt und Unruhe ſetzen koͤnnen: ſo iſt wol kein Zweifel, daß der Apoſtel ſonderlich hierauf geſehen habe. Der Leſer beliebe hiebey nachzuſchlagen die Anmer- ckungen uͤber 2 Cor. 12, 7. da mit mehrern gezei- get iſt, daß er durch den Pfahl ins Fleiſch und durch die Faͤuſten-Schlaͤge des Sataniſchen Engels eben dieſes verſtehe. 2. Gegen dieſe Verſuchung recommen- diret nun der Apoſtel den Schild des Glau- bens, das iſt, den Glauben ſelbſt, den er mit einem militariſchen Schilde vergleichet; gleichwie auch GOTT ſelbſt und ſein Wort, woran ſich der Glaube haͤlt, alſo genennet wird. Siehe 5 B. Moſ. 33, 29. Sprichw. 30, 5. Pſ. 3, 4 28, 7. 91, 4. 119, 114. 3. Nun aber fraget ſich billig, wie denn der Glaube ein ſolches Schild ſey, das die ein- geſchoſſene Pfeile ſo arger und giftiger Gedan- cken auffange, daß er ſie, wenn ſie das Hertz ent- zuͤnden und verunruhigen wollen, ausloͤſche? Diß geſchiehet auf dieſe Art, wenn ſich der Menſch im Glauben veſt haͤlt an der Gnade GOttes in CHriſto und an der Kindſchaft GOt- tes, in gewiſſer Verſicherung, daß das, was ihm wider ſeinen Willen, ja zu ſeiner aͤuſſerſten Kraͤnckung begegnet, nichts ſey, welches eigent- lich von ihm ſelbſt herruͤhre, und welches er ſelbſt thue, ſondern welches er leide, als etwas frem- des in ihm: und folglich, daß es weder ein Zei- chen ſey von ſeiner Ungnade bey GOtt, noch ihn auſſer den Stand der Gnade ſetze, und daß es ihm GOtt nicht zurechne. Welches bey ſich zu er- achten, und alſo von dieſer Verſuchung in der Zueignung auf ſich ſelbſt zu urtheilen, allerdings ein Werck des Glaubens iſt. 4. Da nun des Glaubens Eigenſchaft iſt, daß er uͤber der gewiſſen Verſicherung von der Gnade GOttes recht muthig machet: ſo entſte- het daher in dem alſo Verſuchten eine rechte geiſt- liche Großmuͤthigkeit, Vermoͤge welcher er ſolche Pfeile des Boͤſewichts nicht achtet, noch ſich dar- uͤber aͤngſtiget, wenn ſie, nachdem ſie eine Zeit- lang aufgehoͤret haben, doch bald wieder kom- men. Denn ob er gleich die gaͤntzliche Beſſerung wuͤnſchet, GOTT auch wol mit Paulo mehr- mal darum anflehet 2 Cor. 12, 8. 9. ſo iſt er doch dabey gelaſſen, und laͤſſet ſich bey anhaltender und wiederkommender Anfechtung mit Paulo an GOttes Gnade begnuͤgen, da er verſichert ſeyn kan, daß ihm dadurch an dem Genuß der Gnade GOttes nichts abgehe, ja daß es ein Zei- chen ſeines Gnaden-Standes bey GOTT ſey: ſintemal diejenigen, welche auſſer dem Stande der Gnade ſtehen, vom Satan damit nicht ver- ſuchet werden. 5. Und dieſes iſt wohl zu mercken, daß die glaͤubige Großmuͤthigkeit, dadurch man die An- faͤlle des Boͤſewichts, aus vorgedachtem Grun- de, nicht achtet, noch ſich daruͤber aͤngſtiget, das allerbeſte Mittel dagegen ſey. Denn ie weniger man es achtet, es moͤge da ſeyn, oder nicht, ie weniger wird es empfunden, ie eher verlieret es ſich, und ie weniger koͤmmt es wieder. Da hin- gegen durch die groſſe Beaͤngſtigung uͤbel nur noch immer aͤrger wird, und den Menſchen, wenn er ſich nicht im Glauben faſſet, zur aͤuſſer- ſten Kleinmuͤthigkeit bringet. Welches und noch ein mehrers der Satan ſuchet. GOTT aber iſt getreu, daß er ſie nicht verſuchen laͤßt uͤber ihr Vermoͤgen. 6. Es haben demnach Seelen, die da er- fahren, was feurige Pfeile (davon ſich nicht wol deutlicher ſchreiben laͤſſet) des Boͤſewichts ſind, dieſen Spruch Pauli mit jenem 2 Cor. 12. wohl zu mercken, und zu ihrem Troſte zu erkennen, daß der Glaube nicht eben machet, daß ſie nicht da ſind, oder nicht wiederkommen, ſondern dieſes, daß ſie zur Verunruhigung des Hertzens keine Entzuͤndung darinnen zuwege bringen. Denn dagegen loͤſchet der Glaͤubige ſie eben damit aus, daß er ſich verſichert haͤlt, er werde dadurch nicht aus dem Stande der Gnade geſetzet, es ſey auch nicht ſein eignes Werck, welches er ſelbſtaus ſich wircke, ſondern des Satans fremdes Werck, welches er nur leide, und nicht zu achten, ſondern dagegen als ein Zeichen ſeines Gnaden-Standes anzuſehen habe, da er es hoͤchſt verabſcheuet, und dagegen Vermoͤge ſeines Glaubens in einer zar- ten Liebe gegen GOTT und ſeinen Naͤchſten ſtehet. 7. Es iſt auch wohl zu mercken, daß dieſe Verſuchung viel gemeiner ſey, als man es ver- meinet. Daß man ſie fuͤr gar etwas ſeltenes und auſſerordentliches haͤlt, koͤmmt daher, weil die allerwenigſten ihre geheime Noth von ſich ſagen, und mancher gedencket, er ſey es gantz al- lein, dem es alſo ergehe, da er doch gewiß ſehr viele Bruͤder und Schweſtern dißfalls hat. Man thut auch mit der Verſchweigung in ſo weit wohl, als es die wenigſten faſſen, und noch weniger dar- innen recht zu rathen wiſſen: durch welche ſie mit der Entdeckung bey ſich uͤbel nur aͤrger machen wuͤrden. Jndeſſen iſt es doch rathſam, ja noͤthig, denen, welche man im Chriſtenthum fuͤr treu und wohlgeuͤbet haͤlt, es zu eroͤffnen, um ſich ihres Raths, welcher in obigen Anmerckungen gege- ben iſt, heilſamlich zu bedienen. Man muß aber auch bey Eroͤffnung dieſe Behutſamkeit gebrau- chen, daß man es nur uͤberhaupt anzeige, und ſich der Meldung dieſer und jener argen Gedan- cken inſonderheit enthalte, theils aus eigner Furcht vor GOTT, theils aus Liebe gegen den Naͤchſten, um denſelben damit nicht zu aͤrgern. Daß aber dieſe Art der Anfechtung viel gemeiner ſey, als die Angefochtenen etwa gedencken, iſt daher leichtlich zu erkennen, daß ſie Paulus als etwas faſt gemeines beſchreibet, und allen Chri- ſten insgemein dagegen ein bewaͤhrtes Stuͤck von der geiſtlichen Ruͤſtung anpreiſet: ob wol auch manche Seelen damit verſchonet bleiben. 8. Jm uͤbrigen dienet auch dieſes denen da- mit

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/708>, abgerufen am 24.11.2024.