Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 1, v. 1-6. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
sie rechtschafne Bischöfe abgeben, da sie sich vonJugend auf in einer bescheidenen Lebens- Art zu solchem Amte gewidmet; und was für eine schwere verantwortung sie dißfals über sich haben. V 2. Gnade sey mit euch und Friede von Anmerckungen. 1. Gnade stehet der Natur entgegen, und Friede allem Unheil, worinnen die Natur ih- rer Verderbniß wegen lieget: Gnade ist der Grund und die Quelle alles Friedens, oder al- les Heils, und aller Heils-Güter. 2. Beydes kömmt von GOTT, als un- serm Vater, und dem HErrn JEsu CHristo in der kräftigen Wirckung des Heiligen Gei- stes. Welches letztere nicht dazu gesetzet wird, weil dieses den Gläubigen schon bewust war. Und also war es genug, sie nur auf das Ge- heimniß des Vaters und des Sohnes zu führen. Ein mehrers sehe der Leser von diesem Segens- Wunsche im Anfange der übrigen Briefe. V. 3. 4. 5. Jch dancke meinem GOTT, so oft Anmerckungen. 1. Zuvorderst ist die Construction zu mer- cken, nach welcher der vierte Vers in parenthe- si stehet, und der fünfte mit dem dritten zusam- men hanget. Denn nachdem der Apostel sei- nes Danck-vollen Gebets gedacht v. 3, und v. 4. hinzu gethan hat, wie er solches verrichte, so zeiget er v. 5. an, worüber es geschehe, nemlich über der Gemeinschaft am Evangelio. Und also finden sich alhier diese drey Stücke vom Gebet für die Philipper: actus, die Gebets- Handlung selbst, modus, die Art des Gebets, caussa, die Sache, weswegen das Gebet ge- schiehet, und zwar mit einer Dancksagung. 2. Die Gebets-Handlung selbst drucket der Apostel aus mit den Worten des mit Danck- sagung geschehenen Andenckens. Welches denn ein solches Geschäfte seiner Seelen war, dabey es eigentlich auf die Ubung des geneigte- sten und ergebensten Willens ankam: als durch welche alles dasjenige, was Paulus von ihnen im Gedächtniße hatte, in lauter Liebe bey ihm unterhalten wurde. Wohl dem, der andern dergestalt im Gedächtniß lieget, daß sie seiner vor GOTT mit einer Dancksagung eingedenck seyn können, nicht aber über ihn zu GOtt seuf- tzen dürfen. Man siehet alhier an Paulo und den Philippern einen Character eines rechtschaf- nen Lehrers und Zuhörers. 3. Zu der Art und Weise des Gebets, [Spaltenumbruch] oder der Fürbitte, gehöret, ausser der schon an- gezeigten Dancksagung, dieses, daß Paulus das Gebet that allezeit, und dazu mit Freu- den, auch nicht nur für einige, sondern für sie alle. Da denn die Worte pantote pase u- per panton einen besondern Nachdruck haben. Denn es war in der gantzen und eigentlich zu- sammenhaltenden Gemeine keiner, der nicht rechtschaffen gesinnet war: da die vielen Leiden, unter welchen das Evangelium verkündiget und angenommen wurde, alle Gottlose und Heuch- ler davon zurück hielten. Und also war es gleich Anfangs eine recht wohl geläuterte und geheilig- te Gemeine. 4. Daß der Apostel mit Freuden beten können, dazu hat auch dieses vieles beygetragen, daß er das Gebet nicht allein für eine schuldige Pflicht, sondern auch für ein hohes Evan- gelisches Privilegium und Recht, auch für eine Würde und Wohlthat erkennet hat. Denn unmittelbar, ohne Anrufung eines Heili- gen, zum Gnaden-Thron treten dürfen, und davon gnädig angesehen werden, das ist gewiß- lich kein geringes. Es wird demnach keiner das Gebet, als eine Pflicht, recht und mit Freu- den verrichten, als der, der es dabey für eines der grössesten Wohlthaten hält, dadurch er zugleich vieler andern Wohlthaten immer mehr fähig und theilhaftig wird. 5. Ein anders ist es, sich mit unter die Ev- angelischen Christen rechnen, ein anders auch wircklich eine Gemeinschaft am Evangelio haben. Denn hiezu kömmt man nicht anders, als in der Ordnung wahrer Bekehrung durch den Glauben an CHristum. Und wer in sol- cher Gemeinschaft am Evangelio stehet, der ste- het zugleich in der Gemeinschaft CHristi, ist im Geiste des Gemüthes erneuert, und ziehet aus dem Evangelio, als der lautern Milch, auch starcken Speise, seine beständige Nahrung. 6. Paulus konte für die Philipper gleich von dem ersten Tage an GOTT dancken. Wie mancher Mensch läßt nicht gantze Jahre an sich vergeblich arbeiten! Wohl dem, der andern, sonderlich seinem getreuen Lehrer, gleich von dem ersten Anfange an, da er sich seines Amts bedienet, Ursache zur Dancksagung gegen GOtt giebet! V. 6. Und bin desselben in guter Zuversicht, Anmerckungen. 1. Das in den Philippern angefangene gute Werck, war das Werck der Bekeh- rung, der gantze Gnaden-Stand, dabey es zuvorderst auf den Glauben, als ein göttliches Leben und ein göttliches Licht in ihrer Seelen, ankam. Und diß ist eben das haupt-gute Werck, daher alle übrige gute Wercke entstehen müssen. Weil es bey den meisten, auch von denen, wel- che sich der Gemeinschaft am Evangelio rühmen, an S s s s 2
Cap. 1, v. 1-6. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
ſie rechtſchafne Biſchoͤfe abgeben, da ſie ſich vonJugend auf in einer beſcheidenen Lebens- Art zu ſolchem Amte gewidmet; und was fuͤr eine ſchwere verantwortung ſie dißfals uͤber ſich haben. V 2. Gnade ſey mit euch und Friede von Anmerckungen. 1. Gnade ſtehet der Natur entgegen, und Friede allem Unheil, worinnen die Natur ih- rer Verderbniß wegen lieget: Gnade iſt der Grund und die Quelle alles Friedens, oder al- les Heils, und aller Heils-Guͤter. 2. Beydes koͤmmt von GOTT, als un- ſerm Vater, und dem HErrn JEſu CHriſto in der kraͤftigen Wirckung des Heiligen Gei- ſtes. Welches letztere nicht dazu geſetzet wird, weil dieſes den Glaͤubigen ſchon bewuſt war. Und alſo war es genug, ſie nur auf das Ge- heimniß des Vaters und des Sohnes zu fuͤhren. Ein mehrers ſehe der Leſer von dieſem Segens- Wunſche im Anfange der uͤbrigen Briefe. V. 3. 4. 5. Jch dancke meinem GOTT, ſo oft Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt die Conſtruction zu mer- cken, nach welcher der vierte Vers in parenthe- ſi ſtehet, und der fuͤnfte mit dem dritten zuſam- men hanget. Denn nachdem der Apoſtel ſei- nes Danck-vollen Gebets gedacht v. 3, und v. 4. hinzu gethan hat, wie er ſolches verrichte, ſo zeiget er v. 5. an, woruͤber es geſchehe, nemlich uͤber der Gemeinſchaft am Evangelio. Und alſo finden ſich alhier dieſe drey Stuͤcke vom Gebet fuͤr die Philipper: actus, die Gebets- Handlung ſelbſt, modus, die Art des Gebets, cauſſa, die Sache, weswegen das Gebet ge- ſchiehet, und zwar mit einer Danckſagung. 2. Die Gebets-Handlung ſelbſt drucket der Apoſtel aus mit den Worten des mit Danck- ſagung geſchehenen Andenckens. Welches denn ein ſolches Geſchaͤfte ſeiner Seelen war, dabey es eigentlich auf die Ubung des geneigte- ſten und ergebenſten Willens ankam: als durch welche alles dasjenige, was Paulus von ihnen im Gedaͤchtniße hatte, in lauter Liebe bey ihm unterhalten wurde. Wohl dem, der andern dergeſtalt im Gedaͤchtniß lieget, daß ſie ſeiner vor GOTT mit einer Danckſagung eingedenck ſeyn koͤnnen, nicht aber uͤber ihn zu GOtt ſeuf- tzen duͤrfen. Man ſiehet alhier an Paulo und den Philippern einen Character eines rechtſchaf- nen Lehrers und Zuhoͤrers. 3. Zu der Art und Weiſe des Gebets, [Spaltenumbruch] oder der Fuͤrbitte, gehoͤret, auſſer der ſchon an- gezeigten Danckſagung, dieſes, daß Paulus das Gebet that allezeit, und dazu mit Freu- den, auch nicht nur fuͤr einige, ſondern fuͤr ſie alle. Da denn die Worte πάντοτε πάσῃ ὑ- πὲρ πάντων einen beſondern Nachdruck haben. Denn es war in der gantzen und eigentlich zu- ſammenhaltenden Gemeine keiner, der nicht rechtſchaffen geſinnet war: da die vielen Leiden, unter welchen das Evangelium verkuͤndiget und angenommen wurde, alle Gottloſe und Heuch- ler davon zuruͤck hielten. Und alſo war es gleich Anfangs eine recht wohl gelaͤuterte und geheilig- te Gemeine. 4. Daß der Apoſtel mit Freuden beten koͤnnen, dazu hat auch dieſes vieles beygetragen, daß er das Gebet nicht allein fuͤr eine ſchuldige Pflicht, ſondern auch fuͤr ein hohes Evan- geliſches Privilegium und Recht, auch fuͤr eine Wuͤrde und Wohlthat erkennet hat. Denn unmittelbar, ohne Anrufung eines Heili- gen, zum Gnaden-Thron treten duͤrfen, und davon gnaͤdig angeſehen werden, das iſt gewiß- lich kein geringes. Es wird demnach keiner das Gebet, als eine Pflicht, recht und mit Freu- den verrichten, als der, der es dabey fuͤr eines der groͤſſeſten Wohlthaten haͤlt, dadurch er zugleich vieler andern Wohlthaten immer mehr faͤhig und theilhaftig wird. 5. Ein anders iſt es, ſich mit unter die Ev- angeliſchen Chriſten rechnen, ein anders auch wircklich eine Gemeinſchaft am Evangelio haben. Denn hiezu koͤmmt man nicht anders, als in der Ordnung wahrer Bekehrung durch den Glauben an CHriſtum. Und wer in ſol- cher Gemeinſchaft am Evangelio ſtehet, der ſte- het zugleich in der Gemeinſchaft CHriſti, iſt im Geiſte des Gemuͤthes erneuert, und ziehet aus dem Evangelio, als der lautern Milch, auch ſtarcken Speiſe, ſeine beſtaͤndige Nahrung. 6. Paulus konte fuͤr die Philipper gleich von dem erſten Tage an GOTT dancken. Wie mancher Menſch laͤßt nicht gantze Jahre an ſich vergeblich arbeiten! Wohl dem, der andern, ſonderlich ſeinem getreuen Lehrer, gleich von dem erſten Anfange an, da er ſich ſeines Amts bedienet, Urſache zur Danckſagung gegen GOtt giebet! V. 6. Und bin deſſelben in guter Zuverſicht, Anmerckungen. 1. Das in den Philippern angefangene gute Werck, war das Werck der Bekeh- rung, der gantze Gnaden-Stand, dabey es zuvorderſt auf den Glauben, als ein goͤttliches Leben und ein goͤttliches Licht in ihrer Seelen, ankam. Und diß iſt eben das haupt-gute Werck, daher alle uͤbrige gute Wercke entſtehen muͤſſen. Weil es bey den meiſten, auch von denen, wel- che ſich der Gemeinſchaft am Evangelio ruͤhmen, an S s s s 2
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Cap. 1, v. 1-6. an die Philipper.
ſie rechtſchafne Biſchoͤfe abgeben, da ſie ſich von
Jugend auf in einer beſcheidenen Lebens-
Art zu ſolchem Amte gewidmet; und was fuͤr
eine ſchwere verantwortung ſie dißfals uͤber ſich
haben.
V 2.
Gnade ſey mit euch und Friede von
GOTT unſerm Vater und dem HErrn
JEſu CHriſto.
Anmerckungen.
1. Gnade ſtehet der Natur entgegen, und
Friede allem Unheil, worinnen die Natur ih-
rer Verderbniß wegen lieget: Gnade iſt der
Grund und die Quelle alles Friedens, oder al-
les Heils, und aller Heils-Guͤter.
2. Beydes koͤmmt von GOTT, als un-
ſerm Vater, und dem HErrn JEſu CHriſto
in der kraͤftigen Wirckung des Heiligen Gei-
ſtes. Welches letztere nicht dazu geſetzet wird,
weil dieſes den Glaͤubigen ſchon bewuſt war.
Und alſo war es genug, ſie nur auf das Ge-
heimniß des Vaters und des Sohnes zu fuͤhren.
Ein mehrers ſehe der Leſer von dieſem Segens-
Wunſche im Anfange der uͤbrigen Briefe.
V. 3. 4. 5.
Jch dancke meinem GOTT, ſo oft
ich euer gedencke; welches ich allezeit thue
in allem meinem Gebet fuͤr euch alle, und
thue das Gebet mit Freuden; uͤber eurer
Gemeinſchaft am Evangelio vom erſten
Tage an bisher, (ſeit dem ohngefehr ſchon
eilf Jahre verfloſſen waren.)
Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt die Conſtruction zu mer-
cken, nach welcher der vierte Vers in parenthe-
ſi ſtehet, und der fuͤnfte mit dem dritten zuſam-
men hanget. Denn nachdem der Apoſtel ſei-
nes Danck-vollen Gebets gedacht v. 3, und v. 4.
hinzu gethan hat, wie er ſolches verrichte, ſo
zeiget er v. 5. an, woruͤber es geſchehe, nemlich
uͤber der Gemeinſchaft am Evangelio.
Und alſo finden ſich alhier dieſe drey Stuͤcke vom
Gebet fuͤr die Philipper: actus, die Gebets-
Handlung ſelbſt, modus, die Art des Gebets,
cauſſa, die Sache, weswegen das Gebet ge-
ſchiehet, und zwar mit einer Danckſagung.
2. Die Gebets-Handlung ſelbſt drucket
der Apoſtel aus mit den Worten des mit Danck-
ſagung geſchehenen Andenckens. Welches
denn ein ſolches Geſchaͤfte ſeiner Seelen war,
dabey es eigentlich auf die Ubung des geneigte-
ſten und ergebenſten Willens ankam: als durch
welche alles dasjenige, was Paulus von ihnen
im Gedaͤchtniße hatte, in lauter Liebe bey ihm
unterhalten wurde. Wohl dem, der andern
dergeſtalt im Gedaͤchtniß lieget, daß ſie ſeiner
vor GOTT mit einer Danckſagung eingedenck
ſeyn koͤnnen, nicht aber uͤber ihn zu GOtt ſeuf-
tzen duͤrfen. Man ſiehet alhier an Paulo und
den Philippern einen Character eines rechtſchaf-
nen Lehrers und Zuhoͤrers.
3. Zu der Art und Weiſe des Gebets,
oder der Fuͤrbitte, gehoͤret, auſſer der ſchon an-
gezeigten Danckſagung, dieſes, daß Paulus
das Gebet that allezeit, und dazu mit Freu-
den, auch nicht nur fuͤr einige, ſondern fuͤr ſie
alle. Da denn die Worte πάντοτε πάσῃ ὑ-
πὲρ πάντων einen beſondern Nachdruck haben.
Denn es war in der gantzen und eigentlich zu-
ſammenhaltenden Gemeine keiner, der nicht
rechtſchaffen geſinnet war: da die vielen Leiden,
unter welchen das Evangelium verkuͤndiget und
angenommen wurde, alle Gottloſe und Heuch-
ler davon zuruͤck hielten. Und alſo war es gleich
Anfangs eine recht wohl gelaͤuterte und geheilig-
te Gemeine.
4. Daß der Apoſtel mit Freuden beten
koͤnnen, dazu hat auch dieſes vieles beygetragen,
daß er das Gebet nicht allein fuͤr eine ſchuldige
Pflicht, ſondern auch fuͤr ein hohes Evan-
geliſches Privilegium und Recht, auch fuͤr
eine Wuͤrde und Wohlthat erkennet hat.
Denn unmittelbar, ohne Anrufung eines Heili-
gen, zum Gnaden-Thron treten duͤrfen, und
davon gnaͤdig angeſehen werden, das iſt gewiß-
lich kein geringes. Es wird demnach keiner
das Gebet, als eine Pflicht, recht und mit Freu-
den verrichten, als der, der es dabey fuͤr eines
der groͤſſeſten Wohlthaten haͤlt, dadurch er
zugleich vieler andern Wohlthaten immer mehr
faͤhig und theilhaftig wird.
5. Ein anders iſt es, ſich mit unter die Ev-
angeliſchen Chriſten rechnen, ein anders auch
wircklich eine Gemeinſchaft am Evangelio
haben. Denn hiezu koͤmmt man nicht anders,
als in der Ordnung wahrer Bekehrung durch
den Glauben an CHriſtum. Und wer in ſol-
cher Gemeinſchaft am Evangelio ſtehet, der ſte-
het zugleich in der Gemeinſchaft CHriſti, iſt im
Geiſte des Gemuͤthes erneuert, und ziehet aus
dem Evangelio, als der lautern Milch, auch
ſtarcken Speiſe, ſeine beſtaͤndige Nahrung.
6. Paulus konte fuͤr die Philipper gleich
von dem erſten Tage an GOTT dancken. Wie
mancher Menſch laͤßt nicht gantze Jahre an ſich
vergeblich arbeiten! Wohl dem, der andern,
ſonderlich ſeinem getreuen Lehrer, gleich von
dem erſten Anfange an, da er ſich ſeines Amts
bedienet, Urſache zur Danckſagung gegen GOtt
giebet!
V. 6.
Und bin deſſelben in guter Zuverſicht,
daß der in euch angefangen hat, das gute
Werck, der wirds auch vollfuͤhren, bis an
den Tag JEſu CHriſti.
Anmerckungen.
1. Das in den Philippern angefangene
gute Werck, war das Werck der Bekeh-
rung, der gantze Gnaden-Stand, dabey es
zuvorderſt auf den Glauben, als ein goͤttliches
Leben und ein goͤttliches Licht in ihrer Seelen,
ankam. Und diß iſt eben das haupt-gute Werck,
daher alle uͤbrige gute Wercke entſtehen muͤſſen.
Weil es bey den meiſten, auch von denen, wel-
che ſich der Gemeinſchaft am Evangelio ruͤhmen,
an
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