Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 1, 21-24. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
7. Wie solte der Leib der Gläubigen nicht verkläret auferstehen, und mit der Seele der Herrlichkeit theilhaftig werden, da er alhier zur Verherrlichung Christi dienet, es sey im Leben am Evangelio, oder im Tode durch Standhaf- tigkeit des Glaubens. V. 21. Denn Christus ist mein Leben (oder Anmerckungen. 1. Der Verstand ist dieser: Lebe ich noch länger, so wende ich das Leben allein Christo zum Dienste an, und suche seinen Namen im- mermehr zu verherrlichen: sterbe ich aber, so ver- liere ich zwar das zeitliche Leben, solcher Verlust aber bringet mir den Gewinn des ewigen Le- bens. 2. Was es sey: Christus ist mir das Leben, oder Christo leben, das bezeuget der Apostel gar nachdrücklich Gal. 2, 20. Jch bin mit Christo gecreutziget: ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus le- bet in mir. Denn was ich ietzt lebe im Fleische, das lebe ich im Glauben des Sohnes GOttes. u. f. Und hierauf dringet auch der Apostel bey andern, wenn er Rom. 14, 7. 8. spricht: Unser keiner lebet ihm sel- ber, unser keiner stirbet ihm selber: leben wir, so leben wir dem HErrn, sterben wir, so sterben wir dem HErrn. Darum wir leben, oder sterben, so sind wir des HERRN. Desgleichen 2 Cor. 5, 15. CHristus ist darum für alle gestorben, auf daß die, so da leben, hinfort nicht ih- nen selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. 3. Gleichwie wir nun von dem, was der Mensch sonderlich hoch hält, worauf er sein Tich- ten und Trachten richtet, und womit er am mei- sten und am liebsten umgehet, des Menschen Leben zu nennen und zu sagen pflegen: Diß und das ist sein Leben: so muß einem Chri- sten Christus, von dem er seinen Namen hat, alles und in allen seyn; sonderlich einem Lehrer. 4. Daß das Sterben, dadurch der Mensch sonst alles verlieret, als einem wahren Christen zum rechten Gewinn wird, das ist ein recht göttlicher Character von der Wahr- heit und der Vortreflichkeit der Christlichen Re- ligion: davon sich bey der natürlichen Religion nur ein Schatten befindet. 5. Es gehöret aber Leben und Sterben in Christo zusammen. Mancher will zwar Chri- sto sterben, aber nicht Christo leben: da denn gemeiniglich das Sterben ein ewiger Verlust wird. 6. O wenn doch die Geitzigen bedäch- ten, daß Sterben dermaleins ihr rechter Ge- winn seyn müsse! da sie hingegen mit Verlust ihres geistlichen und ewigens Heils nur immer auf zeitlichen Gewinn bedacht sind. Was hül- [Spaltenumbruch] fe es dem Menschen, wenn er die gantze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seelen? spricht unser Heiland. Matth. 16, 26. V. 22. Sintemal aber im Fleisch leben dienet Anmerckungen. Karpos ergou, die Frucht des Werckes, V. 23. 24. Denn es lieget mir beydes hart an: Anmerckungen. 1. Jn der letztern Gefangenschaft zu Rom hieß es 2 Tim. 4, 6. Die Zeit meines Abschie- des ist vorhanden. Da der Apostel das Wort analusis hat, womit das alhier ge- brauchte Wort analusai übereinkömmt. Da- mit er einen solchen Abschied bezeichnet, da das natürliche Band zwischen Leib und Seele aufge- löset und getrennet wird, und die Seele aus ihrer irdischen Hütte und Herberge, nachdem sie zerbrochen worden, in das himmlische Vaterland fähret. Und bedienet sich der Apostel wol daher des activi, aufzulösen, an statt des passivi, auf- gelöset zu werden, dieweil er von der Seele redet, welche bey den Gläubigen, die sich also, wie er, nach dem Himmel sehnen, das Haus der irdischen Hütte mit aller Activität willig ver- läßt, und durch ihren Abschied verursachet, daß der Leib darauf so fort durch die Verwesung zerfällt. 2. Die vom Leibe geschiedene Seele ist bey Christo, wie dem glaubigen Schächer am Creutze von Christo selbst versichert wurde mit den Worten: Heute wirst du mit mir im Paradis seyn. Luc. 23, 43. Und da ein Gläu- biger schon in diesem Leben selig ist, warum sol- te er es der Seelen nach nicht so viel mehr nach dem Tode seyn? 3. Wer aber mit Paulo nach dem Tode will sun Khristo bey und mit CHristo seyn, der muß mit ihm, oder nach seiner Art, auch schon in T t t t 3
Cap. 1, 21-24. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
7. Wie ſolte der Leib der Glaͤubigen nicht verklaͤret auferſtehen, und mit der Seele der Herrlichkeit theilhaftig werden, da er alhier zur Verherrlichung Chriſti dienet, es ſey im Leben am Evangelio, oder im Tode durch Standhaf- tigkeit des Glaubens. V. 21. Denn Chriſtus iſt mein Leben (oder Anmerckungen. 1. Der Verſtand iſt dieſer: Lebe ich noch laͤnger, ſo wende ich das Leben allein Chriſto zum Dienſte an, und ſuche ſeinen Namen im- mermehr zu verherrlichen: ſterbe ich aber, ſo ver- liere ich zwar das zeitliche Leben, ſolcher Verluſt aber bringet mir den Gewinn des ewigen Le- bens. 2. Was es ſey: Chriſtus iſt mir das Leben, oder Chriſto leben, das bezeuget der Apoſtel gar nachdruͤcklich Gal. 2, 20. Jch bin mit Chriſto gecreutziget: ich lebe aber; doch nun nicht ich, ſondern Chriſtus le- bet in mir. Denn was ich ietzt lebe im Fleiſche, das lebe ich im Glauben des Sohnes GOttes. u. f. Und hierauf dringet auch der Apoſtel bey andern, wenn er Rom. 14, 7. 8. ſpricht: Unſer keiner lebet ihm ſel- ber, unſer keiner ſtirbet ihm ſelber: leben wir, ſo leben wir dem HErrn, ſterben wir, ſo ſterben wir dem HErrn. Darum wir leben, oder ſterben, ſo ſind wir des HERRN. Desgleichen 2 Cor. 5, 15. CHriſtus iſt darum fuͤr alle geſtorben, auf daß die, ſo da leben, hinfort nicht ih- nen ſelbſt leben, ſondern dem, der fuͤr ſie geſtorben und auferſtanden iſt. 3. Gleichwie wir nun von dem, was der Menſch ſonderlich hoch haͤlt, worauf er ſein Tich- ten und Trachten richtet, und womit er am mei- ſten und am liebſten umgehet, des Menſchen Leben zu nennen und zu ſagen pflegen: Diß und das iſt ſein Leben: ſo muß einem Chri- ſten Chriſtus, von dem er ſeinen Namen hat, alles und in allen ſeyn; ſonderlich einem Lehrer. 4. Daß das Sterben, dadurch der Menſch ſonſt alles verlieret, als einem wahren Chriſten zum rechten Gewinn wird, das iſt ein recht goͤttlicher Character von der Wahr- heit und der Vortreflichkeit der Chriſtlichen Re- ligion: davon ſich bey der natuͤrlichen Religion nur ein Schatten befindet. 5. Es gehoͤret aber Leben und Sterben in Chriſto zuſammen. Mancher will zwar Chri- ſto ſterben, aber nicht Chriſto leben: da denn gemeiniglich das Sterben ein ewiger Verluſt wird. 6. O wenn doch die Geitzigen bedaͤch- ten, daß Sterben dermaleins ihr rechter Ge- winn ſeyn muͤſſe! da ſie hingegen mit Verluſt ihres geiſtlichen und ewigens Heils nur immer auf zeitlichen Gewinn bedacht ſind. Was huͤl- [Spaltenumbruch] fe es dem Menſchen, wenn er die gantze Welt gewoͤnne, und naͤhme doch Schaden an ſeiner Seelen? ſpricht unſer Heiland. Matth. 16, 26. V. 22. Sintemal aber im Fleiſch leben dienet Anmerckungen. Καρπὸς ἔργου, die Frucht des Werckes, V. 23. 24. Denn es lieget mir beydes hart an: Anmerckungen. 1. Jn der letztern Gefangenſchaft zu Rom hieß es 2 Tim. 4, 6. Die Zeit meines Abſchie- des iſt vorhanden. Da der Apoſtel das Wort ἀνάλυσις hat, womit das alhier ge- brauchte Wort ἀνάλυσαι uͤbereinkoͤmmt. Da- mit er einen ſolchen Abſchied bezeichnet, da das natuͤrliche Band zwiſchen Leib und Seele aufge- loͤſet und getrennet wird, und die Seele aus ihrer irdiſchen Huͤtte und Herberge, nachdem ſie zerbrochen worden, in das himmliſche Vaterland faͤhret. Und bedienet ſich der Apoſtel wol daher des activi, aufzuloͤſen, an ſtatt des paſſivi, auf- geloͤſet zu werden, dieweil er von der Seele redet, welche bey den Glaͤubigen, die ſich alſo, wie er, nach dem Himmel ſehnen, das Haus der irdiſchen Huͤtte mit aller Activitaͤt willig ver- laͤßt, und durch ihren Abſchied verurſachet, daß der Leib darauf ſo fort durch die Verweſung zerfaͤllt. 2. Die vom Leibe geſchiedene Seele iſt bey Chriſto, wie dem glaubigen Schaͤcher am Creutze von Chriſto ſelbſt verſichert wurde mit den Worten: Heute wirſt du mit mir im Paradis ſeyn. Luc. 23, 43. Und da ein Glaͤu- biger ſchon in dieſem Leben ſelig iſt, warum ſol- te er es der Seelen nach nicht ſo viel mehr nach dem Tode ſeyn? 3. Wer aber mit Paulo nach dem Tode will σὺν Χριστῷ bey und mit CHriſto ſeyn, der muß mit ihm, oder nach ſeiner Art, auch ſchon in T t t t 3
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Cap. 1, 21-24. an die Philipper.
7. Wie ſolte der Leib der Glaͤubigen nicht
verklaͤret auferſtehen, und mit der Seele der
Herrlichkeit theilhaftig werden, da er alhier zur
Verherrlichung Chriſti dienet, es ſey im Leben
am Evangelio, oder im Tode durch Standhaf-
tigkeit des Glaubens.
V. 21.
Denn Chriſtus iſt mein Leben (oder
mir das Leben) und Sterben iſt mein (oder ein)
Gewinn.
Anmerckungen.
1. Der Verſtand iſt dieſer: Lebe ich noch
laͤnger, ſo wende ich das Leben allein Chriſto
zum Dienſte an, und ſuche ſeinen Namen im-
mermehr zu verherrlichen: ſterbe ich aber, ſo ver-
liere ich zwar das zeitliche Leben, ſolcher Verluſt
aber bringet mir den Gewinn des ewigen Le-
bens.
2. Was es ſey: Chriſtus iſt mir das
Leben, oder Chriſto leben, das bezeuget der
Apoſtel gar nachdruͤcklich Gal. 2, 20. Jch
bin mit Chriſto gecreutziget: ich lebe aber;
doch nun nicht ich, ſondern Chriſtus le-
bet in mir. Denn was ich ietzt lebe im
Fleiſche, das lebe ich im Glauben des
Sohnes GOttes. u. f. Und hierauf dringet
auch der Apoſtel bey andern, wenn er Rom. 14,
7. 8. ſpricht: Unſer keiner lebet ihm ſel-
ber, unſer keiner ſtirbet ihm ſelber: leben
wir, ſo leben wir dem HErrn, ſterben wir,
ſo ſterben wir dem HErrn. Darum wir
leben, oder ſterben, ſo ſind wir des
HERRN. Desgleichen 2 Cor. 5, 15.
CHriſtus iſt darum fuͤr alle geſtorben,
auf daß die, ſo da leben, hinfort nicht ih-
nen ſelbſt leben, ſondern dem, der fuͤr ſie
geſtorben und auferſtanden iſt.
3. Gleichwie wir nun von dem, was der
Menſch ſonderlich hoch haͤlt, worauf er ſein Tich-
ten und Trachten richtet, und womit er am mei-
ſten und am liebſten umgehet, des Menſchen
Leben zu nennen und zu ſagen pflegen: Diß
und das iſt ſein Leben: ſo muß einem Chri-
ſten Chriſtus, von dem er ſeinen Namen hat,
alles und in allen ſeyn; ſonderlich einem
Lehrer.
4. Daß das Sterben, dadurch der
Menſch ſonſt alles verlieret, als einem wahren
Chriſten zum rechten Gewinn wird, das iſt
ein recht goͤttlicher Character von der Wahr-
heit und der Vortreflichkeit der Chriſtlichen Re-
ligion: davon ſich bey der natuͤrlichen Religion
nur ein Schatten befindet.
5. Es gehoͤret aber Leben und Sterben
in Chriſto zuſammen. Mancher will zwar Chri-
ſto ſterben, aber nicht Chriſto leben: da denn
gemeiniglich das Sterben ein ewiger Verluſt
wird.
6. O wenn doch die Geitzigen bedaͤch-
ten, daß Sterben dermaleins ihr rechter Ge-
winn ſeyn muͤſſe! da ſie hingegen mit Verluſt
ihres geiſtlichen und ewigens Heils nur immer
auf zeitlichen Gewinn bedacht ſind. Was huͤl-
fe es dem Menſchen, wenn er die gantze
Welt gewoͤnne, und naͤhme doch Schaden
an ſeiner Seelen? ſpricht unſer Heiland.
Matth. 16, 26.
V. 22.
Sintemal aber im Fleiſch leben dienet
mehr Frucht zu ſchaffen, ſo weiß ich nicht,
welches ich erwehlen ſoll (wenn es auf meine
eigene Wahl ankaͤme.)
Anmerckungen.
Καρπὸς ἔργου, die Frucht des Werckes,
oder des apoſtoliſchen Amts war die Staͤrckung
und Gewinnung der Seelen: darauf ging
Pauli gantzes Leben: der Tod aber brachte ihm
den Gewinn der Ehren-Krone 2 Tim. 4, 8.
beydes wolte er gerne, das letztere ie eher ie lieber,
und doch auch das erſtere noch gerne mit nehmen.
Und alſo war beydes eine heilige, doch gelaſſene
Begierde. Wohl dem Lehrer, der da hat καρ-
πὸν ἔργου, viele Frucht ſeiner Arbeit. Wohl
dem Zuhoͤrer, der ſich hat recht gewinnen
laſſen.
V. 23. 24.
Denn es lieget mir beydes hart an:
ich habe Luſt abzuſcheiden und bey Chri-
ſto zu ſeyn; welches auch (fuͤr mich viel
beſſer waͤre: aber es iſt noͤthiger im Flei-
ſche bleiben, um eurent willen. Siehe auch
2 Cor. 5, 1. u. f.
Anmerckungen.
1. Jn der letztern Gefangenſchaft zu Rom
hieß es 2 Tim. 4, 6. Die Zeit meines Abſchie-
des iſt vorhanden. Da der Apoſtel das
Wort ἀνάλυσις hat, womit das alhier ge-
brauchte Wort ἀνάλυσαι uͤbereinkoͤmmt. Da-
mit er einen ſolchen Abſchied bezeichnet, da das
natuͤrliche Band zwiſchen Leib und Seele aufge-
loͤſet und getrennet wird, und die Seele aus
ihrer irdiſchen Huͤtte und Herberge, nachdem ſie
zerbrochen worden, in das himmliſche Vaterland
faͤhret. Und bedienet ſich der Apoſtel wol daher
des activi, aufzuloͤſen, an ſtatt des paſſivi, auf-
geloͤſet zu werden, dieweil er von der Seele
redet, welche bey den Glaͤubigen, die ſich alſo,
wie er, nach dem Himmel ſehnen, das Haus der
irdiſchen Huͤtte mit aller Activitaͤt willig ver-
laͤßt, und durch ihren Abſchied verurſachet, daß
der Leib darauf ſo fort durch die Verweſung
zerfaͤllt.
2. Die vom Leibe geſchiedene Seele iſt
bey Chriſto, wie dem glaubigen Schaͤcher am
Creutze von Chriſto ſelbſt verſichert wurde mit
den Worten: Heute wirſt du mit mir im
Paradis ſeyn. Luc. 23, 43. Und da ein Glaͤu-
biger ſchon in dieſem Leben ſelig iſt, warum ſol-
te er es der Seelen nach nicht ſo viel mehr nach
dem Tode ſeyn?
3. Wer aber mit Paulo nach dem Tode
will σὺν Χριστῷ bey und mit CHriſto ſeyn, der
muß mit ihm, oder nach ſeiner Art, auch ſchon
in
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