Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 2, 11. 12. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
lichen Ausführung aller seiner Wercke zeige underweise. 10. Nun haben wir auch mit wenigen den Ort Jes. 45. zu erwegen, worauf sich Paulus al- hier beziehet. Davon ist nun überhaupt zu mer- cken, daß der Sohn GOttes, wie an den mei- sten Orten durch den gantzen Jesaiam, also auch insonderheit in diesem Capitel nach seiner göttli- chen Majestät, als der Schöpfer Himmels und der Erden, als der GOtt, HErr und Regierer des Jsraelitischen Volcks, redet. Da er denn nach angezeigeter solcher seiner Obermacht und Majestät v. 22. u. f. also spricht: Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig aller Welt Ende. Denn ich (mit dem Vater und dem Heiligen Geiste in Einigkeit des göttlichen We- sens) bin GOTT und keiner mehr. Jch schwere bey mir selbst, und ein Wort der Gerechtigkeit gehet aus meinem Munde, da soll es bey bleiben, nemlich: Mir sol- len sich alle Knie beugen und alle Zungen schweren und sagen: Jm HErrn habe ich Gerechtigkeit und Stärcke u. s. w. Daß der Meßias hie rede, bekräftiget auch Paulus Rom. 14, 10. 11. wenn er spricht: Wir werden alle vor dem Richterstuhl Christi dargestel- let werden, nach dem geschrieben stehet: So wahr als ich lebe, spricht der HErr, mir sollen alle Knie gebeuget werden, und alle Zungen sollen GOtt bekennen. 11. Jm übrigen ist bey dem Stande der Erhöhung Christi noch wohl zu mercken, daß, wie zuvorderst durch die Menschwerdung Chri- sti selbst, also sonderlich durch die Erhöhung der menschlichen Natur Christi das menschliche Geschlecht dergestalt geehret und geadelt sey, daß es einen grossen Vorzug vor den heiligen Engeln selbst überkommen habe. Denn es sitzet kein Engel zur Rechten GOttes, sondern ein wahrer Mensch, der GOtt-Mensch, Christus JEsus, welcher auch daher die erlöseten Men- schen so hoch ehret, daß er sich mit ihnen vereini- get, in ihnen wohnet, sie seine Brüder ja seine Braut nennet, und daß er sie nicht allein zu Un- terthanen, sondern auch gar zu Reichs-Genossen und also seiner Königlichen Würde mit theilhaf- tig machet, 1 Cor. 6, 2. 3. Off. 1, 5. 6. 3, 21. 5, 9. 10. welches den Engeln nicht zukömmt. Daher wir sehen, was wir unserm Heilande nach dem Stande der Erniedrigung, darinnen er uns solches grosse Heil erworben hat, zu dan- cken haben. V. 12. Also (oste, darum) meine Liebsten, wie Anmerckungen. 1. Der Apostel ziehet, der Verbindung nach, aus der vorhergehenden Materie, einen paedeutischen Schluß zur genauen Wahrneh- [Spaltenumbruch] mung ihrer selbst, der Philipper, und gehet da- mit wieder zurück auf alles vorhergehende, was er von dem grossen Verdienste Christi im Stan- de seiner Crniedrigung und dabey von seinem Gehorsam, und noch weiter vorher von dem so gar rechtschafnen Anfange und Fortgange der Philipper gesaget hatte. Welches denn, nach dem Exempel des vollkommnesten Gehorsams Christi, einen beständigen Gehorsam gegen GOtt erforderte. 2. Wir finden alhier ein schönes Exempel rechtschafner Kinder, Schüler und Zuhörer: welcher Eigenschaft diese ist, daß sie in ihren El- tern und Lehrern eigentlich auf GOtt sehen, dessen Stelle sie in der Erziehung und Anfüh- rung vertreten: wie denn Paulus saget: GOtt vermahnet durch uns 2 Cor. 5, 21. und daher erweisen sie ihre Folgsamkeit nicht allein in Ge- genwart, sondern auch in Abwesenheit dersel- ben; weil sie den allenthalben gegenwärtigen GOtt vor Augen und im Hertzen haben. 3. Die Redens-Art schaffen, daß man selig werde, oder seine eigene Seligkeit wir- cken, und damit geschäftig seyn, muß man billig also verstehen, wie es der Zustand der Philipper und der Context mit sich bringet. Die Philipper waren bereits in der Ordnung der Bekehrung durch den Glauben gerecht worden. Und daher wurde von ihnen nichts mehr erfodert, als daß sie [u]nter guter Wahrnehmung ihrer selbst in dem Stande der Gnaden beharreten, das ist, suche- ten, um nicht am Glauben und an der Seligkeit Schiffbruch zu leiden, ein gutes Gewissen zu be- wahren. Und hierauf gehet auch der gantze Context vorher und nachher. Und folglich wird den natürlichen Kräften dadurch nichts zuge- schrieben; wie denn Paulus dagegen ausdrück- lich c. 1, 16. bezeuget hat, daß GOtt das gute Werck in ihnen selbst angefangen habe und auch selbst vollenden wolle und werde, wel- ches er auch in den unmittelbar auf diesen Text folgenden Worten wiederhohlet. 4. Was die Worte mit Furcht und Zittern betrifft, schaffen, daß man selig wer- de mit Furcht und Zittern, so solte es fast das Ansehen haben, als stünden dieselbe dem kindli- chen Geiste der Gläubigen entgegen, und wer- de damit eine knechtische Furcht gefodert; zu- mal da diese Redens-Art Eph. 6, 5. von den Knechten gebrauchet und gesaget wird, daß sie ihren leiblichen HErrn gehorsam seyn sol- len mit Furcht und Zittern. Allein Paulus will damit nichts mehr sagen, als daß man sich nicht allein nach dem Evangelio die Gnade und Leutseligkeit GOttes in Christo, sondern auch nach dem Gesetze die Majestät, Heiligkeit und Gerechtigkeit GOttes vorstellen solle, um die Gnade nicht zur Sicherheit zu mißbrauchen. Er giebet uns die beste Deutung dieser Worte Hebr. 12, 28. 29. Dieweil wir empfangen ein unbewegliches Reich, haben wir Gna- de, durch welche wir sollen GOtt dienen mit Zucht und Furcht. Denn unser GOtt ist ein verzehrend Feuer. Dergleichen fin- den wir in den Worten Petri Ep. 1. c. 1, 15-17. Nach dem, der euch berufen hat und heilig ist,
Cap. 2, 11. 12. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
lichen Ausfuͤhrung aller ſeiner Wercke zeige underweiſe. 10. Nun haben wir auch mit wenigen den Ort Jeſ. 45. zu erwegen, worauf ſich Paulus al- hier beziehet. Davon iſt nun uͤberhaupt zu mer- cken, daß der Sohn GOttes, wie an den mei- ſten Orten durch den gantzen Jeſaiam, alſo auch inſonderheit in dieſem Capitel nach ſeiner goͤttli- chen Majeſtaͤt, als der Schoͤpfer Himmels und der Erden, als der GOtt, HErr und Regierer des Jſraelitiſchen Volcks, redet. Da er denn nach angezeigeter ſolcher ſeiner Obermacht und Majeſtaͤt v. 22. u. f. alſo ſpricht: Wendet euch zu mir, ſo werdet ihr ſelig aller Welt Ende. Denn ich (mit dem Vater und dem Heiligen Geiſte in Einigkeit des goͤttlichen We- ſens) bin GOTT und keiner mehr. Jch ſchwere bey mir ſelbſt, und ein Wort der Gerechtigkeit gehet aus meinem Munde, da ſoll es bey bleiben, nemlich: Mir ſol- len ſich alle Knie beugen und alle Zungen ſchweren und ſagen: Jm HErrn habe ich Gerechtigkeit und Staͤrcke u. ſ. w. Daß der Meßias hie rede, bekraͤftiget auch Paulus Rom. 14, 10. 11. wenn er ſpricht: Wir werden alle vor dem Richterſtuhl Chriſti dargeſtel- let werden, nach dem geſchrieben ſtehet: So wahr als ich lebe, ſpricht der HErr, mir ſollen alle Knie gebeuget werden, und alle Zungen ſollen GOtt bekennen. 11. Jm uͤbrigen iſt bey dem Stande der Erhoͤhung Chriſti noch wohl zu mercken, daß, wie zuvorderſt durch die Menſchwerdung Chri- ſti ſelbſt, alſo ſonderlich durch die Erhoͤhung der menſchlichen Natur Chriſti das menſchliche Geſchlecht dergeſtalt geehret und geadelt ſey, daß es einen groſſen Vorzug vor den heiligen Engeln ſelbſt uͤberkommen habe. Denn es ſitzet kein Engel zur Rechten GOttes, ſondern ein wahrer Menſch, der GOtt-Menſch, Chriſtus JEſus, welcher auch daher die erloͤſeten Men- ſchen ſo hoch ehret, daß er ſich mit ihnen vereini- get, in ihnen wohnet, ſie ſeine Bruͤder ja ſeine Braut nennet, und daß er ſie nicht allein zu Un- terthanen, ſondern auch gar zu Reichs-Genoſſen und alſo ſeiner Koͤniglichen Wuͤrde mit theilhaf- tig machet, 1 Cor. 6, 2. 3. Off. 1, 5. 6. 3, 21. 5, 9. 10. welches den Engeln nicht zukoͤmmt. Daher wir ſehen, was wir unſerm Heilande nach dem Stande der Erniedrigung, darinnen er uns ſolches groſſe Heil erworben hat, zu dan- cken haben. V. 12. Alſo (ὥστε, darum) meine Liebſten, wie Anmerckungen. 1. Der Apoſtel ziehet, der Verbindung nach, aus der vorhergehenden Materie, einen pædeutiſchen Schluß zur genauen Wahrneh- [Spaltenumbruch] mung ihrer ſelbſt, der Philipper, und gehet da- mit wieder zuruͤck auf alles vorhergehende, was er von dem groſſen Verdienſte Chriſti im Stan- de ſeiner Crniedrigung und dabey von ſeinem Gehorſam, und noch weiter vorher von dem ſo gar rechtſchafnen Anfange und Fortgange der Philipper geſaget hatte. Welches denn, nach dem Exempel des vollkommneſten Gehorſams Chriſti, einen beſtaͤndigen Gehorſam gegen GOtt erforderte. 2. Wir finden alhier ein ſchoͤnes Exempel rechtſchafner Kinder, Schuͤler und Zuhoͤrer: welcher Eigenſchaft dieſe iſt, daß ſie in ihren El- tern und Lehrern eigentlich auf GOtt ſehen, deſſen Stelle ſie in der Erziehung und Anfuͤh- rung vertreten: wie denn Paulus ſaget: GOtt vermahnet durch uns 2 Cor. 5, 21. und daher erweiſen ſie ihre Folgſamkeit nicht allein in Ge- genwart, ſondern auch in Abweſenheit derſel- ben; weil ſie den allenthalben gegenwaͤrtigen GOtt vor Augen und im Hertzen haben. 3. Die Redens-Art ſchaffen, daß man ſelig werde, oder ſeine eigene Seligkeit wir- cken, und damit geſchaͤftig ſeyn, muß man billig alſo verſtehen, wie es der Zuſtand der Philipper und der Context mit ſich bringet. Die Philipper waren bereits in der Ordnung der Bekehrung durch den Glauben gerecht worden. Und daher wurde von ihnen nichts mehr erfodert, als daß ſie [u]nter guter Wahrnehmung ihrer ſelbſt in dem Stande der Gnaden beharreten, das iſt, ſuche- ten, um nicht am Glauben und an der Seligkeit Schiffbruch zu leiden, ein gutes Gewiſſen zu be- wahren. Und hierauf gehet auch der gantze Context vorher und nachher. Und folglich wird den natuͤrlichen Kraͤften dadurch nichts zuge- ſchrieben; wie denn Paulus dagegen ausdruͤck- lich c. 1, 16. bezeuget hat, daß GOtt das gute Werck in ihnen ſelbſt angefangen habe und auch ſelbſt vollenden wolle und werde, wel- ches er auch in den unmittelbar auf dieſen Text folgenden Worten wiederhohlet. 4. Was die Worte mit Furcht und Zittern betrifft, ſchaffen, daß man ſelig wer- de mit Furcht und Zittern, ſo ſolte es faſt das Anſehen haben, als ſtuͤnden dieſelbe dem kindli- chen Geiſte der Glaͤubigen entgegen, und wer- de damit eine knechtiſche Furcht gefodert; zu- mal da dieſe Redens-Art Eph. 6, 5. von den Knechten gebrauchet und geſaget wird, daß ſie ihren leiblichen HErrn gehorſam ſeyn ſol- len mit Furcht und Zittern. Allein Paulus will damit nichts mehr ſagen, als daß man ſich nicht allein nach dem Evangelio die Gnade und Leutſeligkeit GOttes in Chriſto, ſondern auch nach dem Geſetze die Majeſtaͤt, Heiligkeit und Gerechtigkeit GOttes vorſtellen ſolle, um die Gnade nicht zur Sicherheit zu mißbrauchen. Er giebet uns die beſte Deutung dieſer Worte Hebr. 12, 28. 29. Dieweil wir empfangen ein unbewegliches Reich, haben wir Gna- de, durch welche wir ſollen GOtt dienen mit Zucht und Furcht. Denn unſer GOtt iſt ein verzehrend Feuer. Dergleichen fin- den wir in den Worten Petri Ep. 1. c. 1, 15-17. Nach dem, der euch berufen hat und heilig iſt,
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Cap. 2, 11. 12. an die Philipper.
lichen Ausfuͤhrung aller ſeiner Wercke zeige und
erweiſe.
10. Nun haben wir auch mit wenigen den
Ort Jeſ. 45. zu erwegen, worauf ſich Paulus al-
hier beziehet. Davon iſt nun uͤberhaupt zu mer-
cken, daß der Sohn GOttes, wie an den mei-
ſten Orten durch den gantzen Jeſaiam, alſo auch
inſonderheit in dieſem Capitel nach ſeiner goͤttli-
chen Majeſtaͤt, als der Schoͤpfer Himmels und
der Erden, als der GOtt, HErr und Regierer
des Jſraelitiſchen Volcks, redet. Da er denn
nach angezeigeter ſolcher ſeiner Obermacht und
Majeſtaͤt v. 22. u. f. alſo ſpricht: Wendet
euch zu mir, ſo werdet ihr ſelig aller Welt
Ende. Denn ich (mit dem Vater und dem
Heiligen Geiſte in Einigkeit des goͤttlichen We-
ſens) bin GOTT und keiner mehr. Jch
ſchwere bey mir ſelbſt, und ein Wort der
Gerechtigkeit gehet aus meinem Munde,
da ſoll es bey bleiben, nemlich: Mir ſol-
len ſich alle Knie beugen und alle Zungen
ſchweren und ſagen: Jm HErrn habe ich
Gerechtigkeit und Staͤrcke u. ſ. w. Daß
der Meßias hie rede, bekraͤftiget auch Paulus
Rom. 14, 10. 11. wenn er ſpricht: Wir werden
alle vor dem Richterſtuhl Chriſti dargeſtel-
let werden, nach dem geſchrieben ſtehet:
So wahr als ich lebe, ſpricht der HErr,
mir ſollen alle Knie gebeuget werden, und
alle Zungen ſollen GOtt bekennen.
11. Jm uͤbrigen iſt bey dem Stande der
Erhoͤhung Chriſti noch wohl zu mercken, daß,
wie zuvorderſt durch die Menſchwerdung Chri-
ſti ſelbſt, alſo ſonderlich durch die Erhoͤhung der
menſchlichen Natur Chriſti das menſchliche
Geſchlecht dergeſtalt geehret und geadelt ſey,
daß es einen groſſen Vorzug vor den heiligen
Engeln ſelbſt uͤberkommen habe. Denn es ſitzet
kein Engel zur Rechten GOttes, ſondern ein
wahrer Menſch, der GOtt-Menſch, Chriſtus
JEſus, welcher auch daher die erloͤſeten Men-
ſchen ſo hoch ehret, daß er ſich mit ihnen vereini-
get, in ihnen wohnet, ſie ſeine Bruͤder ja ſeine
Braut nennet, und daß er ſie nicht allein zu Un-
terthanen, ſondern auch gar zu Reichs-Genoſſen
und alſo ſeiner Koͤniglichen Wuͤrde mit theilhaf-
tig machet, 1 Cor. 6, 2. 3. Off. 1, 5. 6. 3, 21. 5,
9. 10. welches den Engeln nicht zukoͤmmt.
Daher wir ſehen, was wir unſerm Heilande
nach dem Stande der Erniedrigung, darinnen
er uns ſolches groſſe Heil erworben hat, zu dan-
cken haben.
V. 12.
Alſo (ὥστε, darum) meine Liebſten, wie
ihr ſeyd allezeit gehorſam geweſen, nicht
allein in meiner Gegenwaͤrtigkeit, ſondern
auch nun vielmehr in meinem Abweſen,
ſchaffet, daß ihr ſelig werdet mit Furcht
und Zittern (und beweiſet damit auch abwe-
ſend euren Gehorſam.)
Anmerckungen.
1. Der Apoſtel ziehet, der Verbindung
nach, aus der vorhergehenden Materie, einen
pædeutiſchen Schluß zur genauen Wahrneh-
mung ihrer ſelbſt, der Philipper, und gehet da-
mit wieder zuruͤck auf alles vorhergehende, was
er von dem groſſen Verdienſte Chriſti im Stan-
de ſeiner Crniedrigung und dabey von ſeinem
Gehorſam, und noch weiter vorher von dem
ſo gar rechtſchafnen Anfange und Fortgange der
Philipper geſaget hatte. Welches denn, nach
dem Exempel des vollkommneſten Gehorſams
Chriſti, einen beſtaͤndigen Gehorſam gegen GOtt
erforderte.
2. Wir finden alhier ein ſchoͤnes Exempel
rechtſchafner Kinder, Schuͤler und Zuhoͤrer:
welcher Eigenſchaft dieſe iſt, daß ſie in ihren El-
tern und Lehrern eigentlich auf GOtt ſehen,
deſſen Stelle ſie in der Erziehung und Anfuͤh-
rung vertreten: wie denn Paulus ſaget: GOtt
vermahnet durch uns 2 Cor. 5, 21. und daher
erweiſen ſie ihre Folgſamkeit nicht allein in Ge-
genwart, ſondern auch in Abweſenheit derſel-
ben; weil ſie den allenthalben gegenwaͤrtigen
GOtt vor Augen und im Hertzen haben.
3. Die Redens-Art ſchaffen, daß man
ſelig werde, oder ſeine eigene Seligkeit wir-
cken, und damit geſchaͤftig ſeyn, muß man billig
alſo verſtehen, wie es der Zuſtand der Philipper
und der Context mit ſich bringet. Die Philipper
waren bereits in der Ordnung der Bekehrung
durch den Glauben gerecht worden. Und daher
wurde von ihnen nichts mehr erfodert, als daß ſie
unter guter Wahrnehmung ihrer ſelbſt in dem
Stande der Gnaden beharreten, das iſt, ſuche-
ten, um nicht am Glauben und an der Seligkeit
Schiffbruch zu leiden, ein gutes Gewiſſen zu be-
wahren. Und hierauf gehet auch der gantze
Context vorher und nachher. Und folglich wird
den natuͤrlichen Kraͤften dadurch nichts zuge-
ſchrieben; wie denn Paulus dagegen ausdruͤck-
lich c. 1, 16. bezeuget hat, daß GOtt das gute
Werck in ihnen ſelbſt angefangen habe und
auch ſelbſt vollenden wolle und werde, wel-
ches er auch in den unmittelbar auf dieſen Text
folgenden Worten wiederhohlet.
4. Was die Worte mit Furcht und
Zittern betrifft, ſchaffen, daß man ſelig wer-
de mit Furcht und Zittern, ſo ſolte es faſt das
Anſehen haben, als ſtuͤnden dieſelbe dem kindli-
chen Geiſte der Glaͤubigen entgegen, und wer-
de damit eine knechtiſche Furcht gefodert; zu-
mal da dieſe Redens-Art Eph. 6, 5. von den
Knechten gebrauchet und geſaget wird, daß ſie
ihren leiblichen HErrn gehorſam ſeyn ſol-
len mit Furcht und Zittern. Allein Paulus
will damit nichts mehr ſagen, als daß man ſich
nicht allein nach dem Evangelio die Gnade und
Leutſeligkeit GOttes in Chriſto, ſondern auch
nach dem Geſetze die Majeſtaͤt, Heiligkeit und
Gerechtigkeit GOttes vorſtellen ſolle, um die
Gnade nicht zur Sicherheit zu mißbrauchen.
Er giebet uns die beſte Deutung dieſer Worte
Hebr. 12, 28. 29. Dieweil wir empfangen
ein unbewegliches Reich, haben wir Gna-
de, durch welche wir ſollen GOtt dienen
mit Zucht und Furcht. Denn unſer GOtt
iſt ein verzehrend Feuer. Dergleichen fin-
den wir in den Worten Petri Ep. 1. c. 1, 15-17.
Nach dem, der euch berufen hat und heilig
iſt,
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