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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 2, 14. 15. an die Philipper.
[Spaltenumbruch] und lauter, GOttes Kinder, unsträflich,
mitten unter dem unschlachtigen und ver-
kehrten Geschlechte, unter welchen ihr
scheinet, als Lichter in der Welt.

Anmerckungen.
1. Das Murren bestehet in der Unzufrie-
denheit mit dem, was einem begegnet, wenn
man dabey nicht auf die Providenz nnd gnädige
Regierung GOttes siehet; und stehet es der
Zufriedenheit und Gelassenheit entgegen, und
pfleget sich in ungeduldigen Worten und widri-
gen Geberden hervor zu thun. Dazu ein Mensch,
auf den manches los schläget, wie den Philippern
begegnete, leichtlich versuchet werden kan. Wie
sehr die Kinder Jsrael durch ein grobes und wi-
dersetzliches Murren sich an GOtt versündiget
haben, ist aus dem andern und vierten Buche
Mosis bekant.
2. Das Wort dialogismoi, welches al-
hier durch Zweifel übersetzet ist, kan auch so viel
heissen, als das Gezäncke. Und gleichwie das
vorhergehende sonderlich auf GOtt gerichtet ist,
so gehet dieses auf den Nechsten, wie man sich
gegen den verhalten soll; zumal in solchen Din-
gen, da man einem nicht beyfallen kan; daß
man darüber nicht in ein Streiten und Disputi-
ren gerathe, sondern einander trage.
3. Zwischen dem vierzehenden und funfze-
henden Verse hat man die ersten Worte des vier-
zehenden Verses dem Verstande nach also zu
wiederholen, daß sie auch auf den gantzen funf-
zehenden Vers gehen: nemlich die Philipper
sollen alles thun, wie ohne Murmelung und
ohne Zweifel, oder Gezänck, also auch im übri-
gen also, daß sie in allen Stücken möchten seyn
untadelich u. s. w.
4. Ein anders ist, ohne Tadel, ein an-
ders ohne Sünde seyn. Und weil dieses letz-
tere nicht möglich ist, auch im Stande der Gna-
den, so muß doch jenes statt haben: als welches
darinnen bestehet, daß einer die Sünde in kei-
nem Stücke also zum Ausbruch kommen läßt,
daß man andern einen Anstoß gebe: und, wo
man ja dergleichen an sich mercket, daß es aus
Schwachheit geschehen sey, daß man es abthue
und bessere. Dabey aber wird man wohl nicht
ohne Tadel der bösen Welt-Kinder bleiben:
deren Tadelsucht aber man nicht zu achten hat.
5. Die Lauterkeit bestehet in der Christ-
lichen Einfalt und Aufrichtigkeit, und ist sie
der Falschheit und Heucheley entgegen gesetzet.
Und wie die Unsträflichkeit, da man ohne Tadel
ist, sonderlich auf den Umgang mit Menschen
gehet: also ist die Lauterkeit am meisten auf
GOtt gerichtet. Davon man sehe Matth. 6,
21. 22. 23. 10, 16. 1 Cor. 5, 8.
6. Bey der Kindschaft GOttes hat
man zu sehen auf die hohe Wür[de], und auch auf
die Pflicht, welche jener gemäß ist. Diese fo-
dert Paulus alhier. So sehr man nun nach
derselben innerlich von unbekehrten Welt-Men-
schen unterschieden ist: so sehr muß sich und pfle-
get sich auch der Unterscheid im gantzen Wandel
zu zeigen. Sehen nun wohlgeartete leibliche
[Spaltenumbruch] Kinder darauf, daß ihre Eltern, von wel-
chen sie bey Menschen Ehre und Liebe haben,
von ihnen keine Schande haben; so ist dieses ge-
wißlich noch vielmehr die Art der wahren Kinder
GOttes, alle Verunehrung des Namens GOt-
tes zu verhüten, und denselben hingegen mit Lehr
und Leben zu verherrlichen.
7. Was der Apostel damals von den
Heiden sagte, daß sie ein unschlachtiges und
verkehrtes Geschlecht wären, das trifft leider
heute zu tage von den meisten vorlängst schon aus-
gearteten Christen ein: als welche nach dem
Grunde ihres Hertzens, auch guten Theils nach
dem äusserlichen Wandel, im Stande der ver-
derbten Natur stehen, und in der That nicht
besser sind, als Heiden; und hingegen noch eine
viel schwerere Verantwortung auf sich haben, als
jene.
8. Der Beweis des Christenthums beste-
het nicht darinnen, daß man in die Klöster gehe,
und gedencke, da wolle und könne man ohne
Hinderungen GOtt dienen. Denn ob es gleich
darinnen wol zu aller Zeit manche gute Seelen
gegeben hat, und noch giebet: so sind wir doch
darauf nicht gewiesen, ja vielmehr ist solche Le-
bens-Art, welche mit vielem abergläubischen
und gezwungenen Wesen verbunden ist, verbo-
ten. Jn menschlicher Gesellschaft, auch mitten
unter den Gottlosen bleiben, und dabey sein Ge-
wissen bewahren, dadurch beweiset man mehrere
Stärcke des Glaubens und des neuen Menschen,
als durch selbst-erwehlte Entziehung. Und da-
zu dienet der Umgang zur Erbauung. Ein an-
ders aber ist ein gemeiner und bürgerlicher, ein
anders ein brüderlicher Umgang.
9. Das unschlachtige Geschlechte heißt
genea skolia, das krumme, welches von rech-
ter Schlangen-Art ist, darinn der Satan, die
alte Schlange, welche die gantze Welt verfüh-
ret, Off. 12, 9. sonderlich sein Werck hat Eph.
2, 2. welches an statt des geraden und rechten,
lauter krumme Wege gehet, auch durch
allerley Arglistigkeit allerley Krümmen ma-
chet. Und gleichwie die unbekehrten Heiden
solche waren: also waren auch die ungläu-
bigen Jüden nicht besser. Darum Petrus
Apost. Gesch. 2, 40. zu den folgsamen Zuhö-
rern sagte: Lasset euch helfen apo tes geneas
tes skolias tautes, von diesen unartigen
Leuten, von diesem krummen Geschlecht!

Und da solche Gemühs- und Lebens-Krüm-
men lauter verkehrtes Wesen mit sich führen, so
heißt das krumme auch ein verkehrtes Ge-
schlecht. Und sind die Worte wol sonderlich
genommen aus 5 B. M. 32, 20. nach der Grie-
chischen Ubersetzung.
10. Das Wort phainesthe kan im Impera-
tivo
und Indicativo genommen werden. Es
kömmt zwar auf eines; nach dem vorhergehenden
Contexte aber ist der imperativus füglicher,
welcher denn auch den Indicativum dem Ver-
stande nach mit in sich hält. Und also will der
Apostel sagen, daß nach dem sie ein Licht waren
worden im HErrn, sie nun auch solten ihr Licht
leuchten lassen vor den bösen Leuten, um die
Kinder der Finsterniß mit zum Lichte herzuzuzie-
hen.
X x x x

Cap. 2, 14. 15. an die Philipper.
[Spaltenumbruch] und lauter, GOttes Kinder, unſtraͤflich,
mitten unter dem unſchlachtigen und ver-
kehrten Geſchlechte, unter welchen ihr
ſcheinet, als Lichter in der Welt.

Anmerckungen.
1. Das Murren beſtehet in der Unzufrie-
denheit mit dem, was einem begegnet, wenn
man dabey nicht auf die Providenz nnd gnaͤdige
Regierung GOttes ſiehet; und ſtehet es der
Zufriedenheit und Gelaſſenheit entgegen, und
pfleget ſich in ungeduldigen Worten und widri-
gen Geberden hervor zu thun. Dazu ein Menſch,
auf den manches los ſchlaͤget, wie den Philippern
begegnete, leichtlich verſuchet werden kan. Wie
ſehr die Kinder Jſrael durch ein grobes und wi-
derſetzliches Murren ſich an GOtt verſuͤndiget
haben, iſt aus dem andern und vierten Buche
Moſis bekant.
2. Das Wort διαλογισμοὶ, welches al-
hier durch Zweifel uͤberſetzet iſt, kan auch ſo viel
heiſſen, als das Gezaͤncke. Und gleichwie das
vorhergehende ſonderlich auf GOtt gerichtet iſt,
ſo gehet dieſes auf den Nechſten, wie man ſich
gegen den verhalten ſoll; zumal in ſolchen Din-
gen, da man einem nicht beyfallen kan; daß
man daruͤber nicht in ein Streiten und Diſputi-
ren gerathe, ſondern einander trage.
3. Zwiſchen dem vierzehenden und funfze-
henden Verſe hat man die erſten Worte des vier-
zehenden Verſes dem Verſtande nach alſo zu
wiederholen, daß ſie auch auf den gantzen funf-
zehenden Vers gehen: nemlich die Philipper
ſollen alles thun, wie ohne Murmelung und
ohne Zweifel, oder Gezaͤnck, alſo auch im uͤbri-
gen alſo, daß ſie in allen Stuͤcken moͤchten ſeyn
untadelich u. ſ. w.
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ders ohne Suͤnde ſeyn. Und weil dieſes letz-
tere nicht moͤglich iſt, auch im Stande der Gna-
den, ſo muß doch jenes ſtatt haben: als welches
darinnen beſtehet, daß einer die Suͤnde in kei-
nem Stuͤcke alſo zum Ausbruch kommen laͤßt,
daß man andern einen Anſtoß gebe: und, wo
man ja dergleichen an ſich mercket, daß es aus
Schwachheit geſchehen ſey, daß man es abthue
und beſſere. Dabey aber wird man wohl nicht
ohne Tadel der boͤſen Welt-Kinder bleiben:
deren Tadelſucht aber man nicht zu achten hat.
5. Die Lauterkeit beſtehet in der Chriſt-
lichen Einfalt und Aufrichtigkeit, und iſt ſie
der Falſchheit und Heucheley entgegen geſetzet.
Und wie die Unſtraͤflichkeit, da man ohne Tadel
iſt, ſonderlich auf den Umgang mit Menſchen
gehet: alſo iſt die Lauterkeit am meiſten auf
GOtt gerichtet. Davon man ſehe Matth. 6,
21. 22. 23. 10, 16. 1 Cor. 5, 8.
6. Bey der Kindſchaft GOttes hat
man zu ſehen auf die hohe Wuͤr[de], und auch auf
die Pflicht, welche jener gemaͤß iſt. Dieſe fo-
dert Paulus alhier. So ſehr man nun nach
derſelben innerlich von unbekehrten Welt-Men-
ſchen unterſchieden iſt: ſo ſehr muß ſich und pfle-
get ſich auch der Unterſcheid im gantzen Wandel
zu zeigen. Sehen nun wohlgeartete leibliche
[Spaltenumbruch] Kinder darauf, daß ihre Eltern, von wel-
chen ſie bey Menſchen Ehre und Liebe haben,
von ihnen keine Schande haben; ſo iſt dieſes ge-
wißlich noch vielmehr die Art der wahren Kinder
GOttes, alle Verunehrung des Namens GOt-
tes zu verhuͤten, und denſelben hingegen mit Lehr
und Leben zu verherrlichen.
7. Was der Apoſtel damals von den
Heiden ſagte, daß ſie ein unſchlachtiges und
verkehrtes Geſchlecht waͤren, das trifft leider
heute zu tage von den meiſten vorlaͤngſt ſchon aus-
gearteten Chriſten ein: als welche nach dem
Grunde ihres Hertzens, auch guten Theils nach
dem aͤuſſerlichen Wandel, im Stande der ver-
derbten Natur ſtehen, und in der That nicht
beſſer ſind, als Heiden; und hingegen noch eine
viel ſchwerere Verantwortung auf ſich haben, als
jene.
8. Der Beweis des Chriſtenthums beſte-
het nicht darinnen, daß man in die Kloͤſter gehe,
und gedencke, da wolle und koͤnne man ohne
Hinderungen GOtt dienen. Denn ob es gleich
darinnen wol zu aller Zeit manche gute Seelen
gegeben hat, und noch giebet: ſo ſind wir doch
darauf nicht gewieſen, ja vielmehr iſt ſolche Le-
bens-Art, welche mit vielem aberglaͤubiſchen
und gezwungenen Weſen verbunden iſt, verbo-
ten. Jn menſchlicher Geſellſchaft, auch mitten
unter den Gottloſen bleiben, und dabey ſein Ge-
wiſſen bewahren, dadurch beweiſet man mehrere
Staͤrcke des Glaubens und des neuen Menſchen,
als durch ſelbſt-erwehlte Entziehung. Und da-
zu dienet der Umgang zur Erbauung. Ein an-
ders aber iſt ein gemeiner und buͤrgerlicher, ein
anders ein bruͤderlicher Umgang.
9. Das unſchlachtige Geſchlechte heißt
γενεὰ σκολιὰ, das krumme, welches von rech-
ter Schlangen-Art iſt, darinn der Satan, die
alte Schlange, welche die gantze Welt verfuͤh-
ret, Off. 12, 9. ſonderlich ſein Werck hat Eph.
2, 2. welches an ſtatt des geraden und rechten,
lauter krumme Wege gehet, auch durch
allerley Argliſtigkeit allerley Kruͤmmen ma-
chet. Und gleichwie die unbekehrten Heiden
ſolche waren: alſo waren auch die unglaͤu-
bigen Juͤden nicht beſſer. Darum Petrus
Apoſt. Geſch. 2, 40. zu den folgſamen Zuhoͤ-
rern ſagte: Laſſet euch helfen ἀπὸ τῆς γενεᾶς
τῆς σκολιᾶς τάυτης, von dieſen unartigen
Leuten, von dieſem krummen Geſchlecht!

Und da ſolche Gemuͤhs- und Lebens-Kruͤm-
men lauter verkehrtes Weſen mit ſich fuͤhren, ſo
heißt das krumme auch ein verkehrtes Ge-
ſchlecht. Und ſind die Worte wol ſonderlich
genommen aus 5 B. M. 32, 20. nach der Grie-
chiſchen Uberſetzung.
10. Das Wort φαίνεσϑε kan im Impera-
tivo
und Indicativo genommen werden. Es
koͤmmt zwar auf eines; nach dem vorhergehenden
Contexte aber iſt der imperativus fuͤglicher,
welcher denn auch den Indicativum dem Ver-
ſtande nach mit in ſich haͤlt. Und alſo will der
Apoſtel ſagen, daß nach dem ſie ein Licht waren
worden im HErrn, ſie nun auch ſolten ihr Licht
leuchten laſſen vor den boͤſen Leuten, um die
Kinder der Finſterniß mit zum Lichte herzuzuzie-
hen.
X x x x
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[713/0741] Cap. 2, 14. 15. an die Philipper. und lauter, GOttes Kinder, unſtraͤflich, mitten unter dem unſchlachtigen und ver- kehrten Geſchlechte, unter welchen ihr ſcheinet, als Lichter in der Welt. Anmerckungen. 1. Das Murren beſtehet in der Unzufrie- denheit mit dem, was einem begegnet, wenn man dabey nicht auf die Providenz nnd gnaͤdige Regierung GOttes ſiehet; und ſtehet es der Zufriedenheit und Gelaſſenheit entgegen, und pfleget ſich in ungeduldigen Worten und widri- gen Geberden hervor zu thun. Dazu ein Menſch, auf den manches los ſchlaͤget, wie den Philippern begegnete, leichtlich verſuchet werden kan. Wie ſehr die Kinder Jſrael durch ein grobes und wi- derſetzliches Murren ſich an GOtt verſuͤndiget haben, iſt aus dem andern und vierten Buche Moſis bekant. 2. Das Wort διαλογισμοὶ, welches al- hier durch Zweifel uͤberſetzet iſt, kan auch ſo viel heiſſen, als das Gezaͤncke. Und gleichwie das vorhergehende ſonderlich auf GOtt gerichtet iſt, ſo gehet dieſes auf den Nechſten, wie man ſich gegen den verhalten ſoll; zumal in ſolchen Din- gen, da man einem nicht beyfallen kan; daß man daruͤber nicht in ein Streiten und Diſputi- ren gerathe, ſondern einander trage. 3. Zwiſchen dem vierzehenden und funfze- henden Verſe hat man die erſten Worte des vier- zehenden Verſes dem Verſtande nach alſo zu wiederholen, daß ſie auch auf den gantzen funf- zehenden Vers gehen: nemlich die Philipper ſollen alles thun, wie ohne Murmelung und ohne Zweifel, oder Gezaͤnck, alſo auch im uͤbri- gen alſo, daß ſie in allen Stuͤcken moͤchten ſeyn untadelich u. ſ. w. 4. Ein anders iſt, ohne Tadel, ein an- ders ohne Suͤnde ſeyn. Und weil dieſes letz- tere nicht moͤglich iſt, auch im Stande der Gna- den, ſo muß doch jenes ſtatt haben: als welches darinnen beſtehet, daß einer die Suͤnde in kei- nem Stuͤcke alſo zum Ausbruch kommen laͤßt, daß man andern einen Anſtoß gebe: und, wo man ja dergleichen an ſich mercket, daß es aus Schwachheit geſchehen ſey, daß man es abthue und beſſere. Dabey aber wird man wohl nicht ohne Tadel der boͤſen Welt-Kinder bleiben: deren Tadelſucht aber man nicht zu achten hat. 5. Die Lauterkeit beſtehet in der Chriſt- lichen Einfalt und Aufrichtigkeit, und iſt ſie der Falſchheit und Heucheley entgegen geſetzet. Und wie die Unſtraͤflichkeit, da man ohne Tadel iſt, ſonderlich auf den Umgang mit Menſchen gehet: alſo iſt die Lauterkeit am meiſten auf GOtt gerichtet. Davon man ſehe Matth. 6, 21. 22. 23. 10, 16. 1 Cor. 5, 8. 6. Bey der Kindſchaft GOttes hat man zu ſehen auf die hohe Wuͤrde, und auch auf die Pflicht, welche jener gemaͤß iſt. Dieſe fo- dert Paulus alhier. So ſehr man nun nach derſelben innerlich von unbekehrten Welt-Men- ſchen unterſchieden iſt: ſo ſehr muß ſich und pfle- get ſich auch der Unterſcheid im gantzen Wandel zu zeigen. Sehen nun wohlgeartete leibliche Kinder darauf, daß ihre Eltern, von wel- chen ſie bey Menſchen Ehre und Liebe haben, von ihnen keine Schande haben; ſo iſt dieſes ge- wißlich noch vielmehr die Art der wahren Kinder GOttes, alle Verunehrung des Namens GOt- tes zu verhuͤten, und denſelben hingegen mit Lehr und Leben zu verherrlichen. 7. Was der Apoſtel damals von den Heiden ſagte, daß ſie ein unſchlachtiges und verkehrtes Geſchlecht waͤren, das trifft leider heute zu tage von den meiſten vorlaͤngſt ſchon aus- gearteten Chriſten ein: als welche nach dem Grunde ihres Hertzens, auch guten Theils nach dem aͤuſſerlichen Wandel, im Stande der ver- derbten Natur ſtehen, und in der That nicht beſſer ſind, als Heiden; und hingegen noch eine viel ſchwerere Verantwortung auf ſich haben, als jene. 8. Der Beweis des Chriſtenthums beſte- het nicht darinnen, daß man in die Kloͤſter gehe, und gedencke, da wolle und koͤnne man ohne Hinderungen GOtt dienen. Denn ob es gleich darinnen wol zu aller Zeit manche gute Seelen gegeben hat, und noch giebet: ſo ſind wir doch darauf nicht gewieſen, ja vielmehr iſt ſolche Le- bens-Art, welche mit vielem aberglaͤubiſchen und gezwungenen Weſen verbunden iſt, verbo- ten. Jn menſchlicher Geſellſchaft, auch mitten unter den Gottloſen bleiben, und dabey ſein Ge- wiſſen bewahren, dadurch beweiſet man mehrere Staͤrcke des Glaubens und des neuen Menſchen, als durch ſelbſt-erwehlte Entziehung. Und da- zu dienet der Umgang zur Erbauung. Ein an- ders aber iſt ein gemeiner und buͤrgerlicher, ein anders ein bruͤderlicher Umgang. 9. Das unſchlachtige Geſchlechte heißt γενεὰ σκολιὰ, das krumme, welches von rech- ter Schlangen-Art iſt, darinn der Satan, die alte Schlange, welche die gantze Welt verfuͤh- ret, Off. 12, 9. ſonderlich ſein Werck hat Eph. 2, 2. welches an ſtatt des geraden und rechten, lauter krumme Wege gehet, auch durch allerley Argliſtigkeit allerley Kruͤmmen ma- chet. Und gleichwie die unbekehrten Heiden ſolche waren: alſo waren auch die unglaͤu- bigen Juͤden nicht beſſer. Darum Petrus Apoſt. Geſch. 2, 40. zu den folgſamen Zuhoͤ- rern ſagte: Laſſet euch helfen ἀπὸ τῆς γενεᾶς τῆς σκολιᾶς τάυτης, von dieſen unartigen Leuten, von dieſem krummen Geſchlecht! Und da ſolche Gemuͤhs- und Lebens-Kruͤm- men lauter verkehrtes Weſen mit ſich fuͤhren, ſo heißt das krumme auch ein verkehrtes Ge- ſchlecht. Und ſind die Worte wol ſonderlich genommen aus 5 B. M. 32, 20. nach der Grie- chiſchen Uberſetzung. 10. Das Wort φαίνεσϑε kan im Impera- tivo und Indicativo genommen werden. Es koͤmmt zwar auf eines; nach dem vorhergehenden Contexte aber iſt der imperativus fuͤglicher, welcher denn auch den Indicativum dem Ver- ſtande nach mit in ſich haͤlt. Und alſo will der Apoſtel ſagen, daß nach dem ſie ein Licht waren worden im HErrn, ſie nun auch ſolten ihr Licht leuchten laſſen vor den boͤſen Leuten, um die Kinder der Finſterniß mit zum Lichte herzuzuzie- hen. X x x x

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/741>, abgerufen am 24.11.2024.