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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, 8-11.
[Spaltenumbruch] der, daß er nicht füglich kan von einander gethei-
let werden. Er läßt sich aber füglich in fol-
gende drey Stücke eintheilen, als da sind:
1. die Verleugnung des vorigen Gewinnes:
2. der Gewinn, wozu Paulus dadurch in
Christo gelanget sey: 3. die Gemeinschaft und
Gleichförmigkeit mit Christo, welche dieser
Gewinn zum Tode und zur Auferstehung, und
also zur gäntzlichen Vollendung des Heils mit
sich führe.
2. Was die Verleugnung betrifft, so ist
dabey zuvorderst dieses zu mercken, daß der Apo-
stel damit von der schon vergangenen Zeit auf die
gegenwärtige kömmt, denn nachdem er v. 7. ge-
saget hat, er habe schon alles um Christi willen
für Schaden geachtet, nemlich vom ersten An-
fange seiner Bekehrung an, so thut er hinzu, wie
daß er darinnen beständig fortfahre, und sich in
solcher Verleugnung noch übe, wenn er spricht:
ich achte es alles für Schaden. So sind
auch die Wörtlein alla menounge eigentlich zu
übersetzen: ja gewißlich, womit der Apostoli-
sche Ausspruch so viel mehrern Nachdruck be-
kömmt. Diese Bedeutung des Worts [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]lla
haben wir schon oben c. 1, 18. gehabt, und dabey
mehrere Exempel gesehen.
3. Uber das so erläutert der Apostel das
Wort zemia, Gchaden, selbst durch das Wort
skubala, Dreck, damit anzuzeigen, wie gar ge-
ringe er alle vorhin angeführte Dinge achte:
und zwar in Vergleichung Christi und in Anse-
hung ihres Einflusses, welchen sie einem zur Se-
ligkeit ausser Christo geben könten: als dagegen
es lauter nichtswürdige Sachen sind: aber nicht
allein zu solchem Zweck für sich selbst gar nichts
beytragen, sondern auch noch dazu in so fern, als
man sich ausser Christo darauf verläßt, schädlich
werden.
4. Dahin muß es demnach bey einem je-
den Menschen in der Bekehrung, wenn sie an-
ders rechter Art ist, kommen, daß man alles,
woraus man der Natur nach etwas machet, für
nichts achte und das Hertz davon abziehe, als da
sonderlich ist äusserliche Ehre vor der Welt, für-
nehmerer Stand, Reichthum und dergleichen.
Denn wem solche Dinge noch groß sind, der
hat sie zum Zweck vor sich und richtet auch seine
Handlungen darnach ein. Christus hingegen
ist ihm in der That wenig, oder gar nichts; ob
er gleich mit Worten das Gegentheil bezeuget.
Je mehr und lauterer man aber solche Sachen
verleugnet, ie richtiger lassen sie sich, so fern sie
an sich selbst nicht sündlich sind, gebrauchen,
und durch richtige Administration zur Ehre GOt-
tes anwenden.
5. Der Grund und der Antrieb zur Ver-
leugnung war Christus, oder die überschwengli-
che Erkäntniß Christi. Denn wer etwas ge-
ringers will fahren lassen, der muß etwas bessers
haben: sintemal die Begierden der Seelen des
Menschen, nach welchen er worinnen seine Ru-
he und Vergnügung suchet, wesentlich sind.
Man setze, iemand müsse seinen Durst stillen bey
einer unreinen Quelle, oder einer kothigten und
stinckenden Pfütze, und seinen Hunger an den
Träbern, er sey auch eines so verwehnten Ge-
[Spaltenumbruch] schmacks, daß er beydes für etwas delicates hal-
te. Dieser wird es gewißlich eher nicht fahren
lassen, ehe er nicht mit rectisicirten Geschmacke
zu einer reinen und süssen Quelle, und zu einer
wohlbereiteten Mahlzeit geführet wird. Glei-
che Beschaffenheit hat es im Geistlichen. Wo
einem Christus mit seinen Heils-Gütern nicht
anfänget süsse und angenehm zu werden, da wird
einem die Welt mit ihrer Lust und mit ihren Gü-
tern nicht verleidet; und da ist es auch kein
Wunder, daß die Seele, welche gerne eine
Religions-Ruhe haben will, dieselbe in äusserli-
chen Ceremonien und in gesetzlicher eigenen Ge-
rechtigkeit suchet. Wenn nun die vorlauffende
Gnade das Gewissen der Sünde halber beunru-
higet, und es denn findt, daß es der Unruhen
durch jene Mittel nicht loß werden kan, und
denn dabey im Evangelio von Christo höret, so
ist das so denn der Weg zur rechten Verleug-
nung aller falschen Ruhe.
6. Durch die Erkäntniß Christi, um
welcher willen Paulus zur gründlichen Verleug-
nung gekommen war, verstehet er den Glauben
an Christum: als welcher wie ein göttliches Le-
ben, also auch zugleich ein geistliches Licht in der
Seele ist. Daher der Glaube auch sonst öfter
mit dem Worte Erkäntniß bezeichnet wird.
Z. E. Jes. 53, 11. Durch sein Erkäntniß (da
er heilsamlich erkant wird) wird er mein
Knecht, der Gerechte, viele gerecht ma-
chen.
Joh. 17, 3. Das ist das ewige Leben,
daß sie dich, der du allein wahrer GOtt
bist, und den du gesandt hast, JEsum
Christum, erkennen.
2 Petr. 1, 2. GOtt
gebe euch viel Gnade und Friede durch das
Erkäntniß JEsu Christi unsers HErrn.

Jmgleichen v. 3. Es ist uns allerley seiner
göttlichen Kraft, was zum Leben und gött-
lichen Wandel dienet, geschencket durch
die Erkäntniß deß, der uns berufen hat
durch seine Herrlichkeit und Tugend.
Fer-
ner c. 2, 20. da es heißt: Dem Unflath der
Welt entflohen seyn durch die Erkäntniß
des HERRN und Heilandes JESU
CHristi.
7. Jst aber nun an Christum glauben
und Christum erkennen
solchergestalt einer-
ley, und wie kein Glaube ohne wahre
Erkäntniß, also auch keine wahre Erkäntniß
ohne Glauben; so siehet man wol, daß kein
Glaub- und liebloser Mensch, und also kein un-
bekehrter, eine wahre geistliche und lebendige
Erkäntniß GOttes habe, oder erleuchtet sey;
noch wenn seine buchstäbliche Wissenschaft gleich
so groß ist.
8. Uberschwenglich aber, oder übertref-
fend nennet der Apostel die Erkäntniß Christi son-
derlich in Ansehung Christi; als welcher mit sei-
nen Heils-Gütern der Gläubigen Seele so groß
und so herrlich wird, daß alles andere, was den
Namen des Guten und der Herrlichkeit hat, da-
gegen gar in keine Vergleichung kömmt, und al-
so gar leicht und willig verleugnet werden kan.
Hieher gehöret, was der Apostel Eph. 3, 18. 19.
von der Breite, Länge, Tiefe und Höhe der
Liebe Gottes in Christo,
und wie sie alle unsere
Er-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, 8-11.
[Spaltenumbruch] der, daß er nicht fuͤglich kan von einander gethei-
let werden. Er laͤßt ſich aber fuͤglich in fol-
gende drey Stuͤcke eintheilen, als da ſind:
1. die Verleugnung des vorigen Gewinnes:
2. der Gewinn, wozu Paulus dadurch in
Chriſto gelanget ſey: 3. die Gemeinſchaft und
Gleichfoͤrmigkeit mit Chriſto, welche dieſer
Gewinn zum Tode und zur Auferſtehung, und
alſo zur gaͤntzlichen Vollendung des Heils mit
ſich fuͤhre.
2. Was die Verleugnung betrifft, ſo iſt
dabey zuvorderſt dieſes zu mercken, daß der Apo-
ſtel damit von der ſchon vergangenen Zeit auf die
gegenwaͤrtige koͤmmt, denn nachdem er v. 7. ge-
ſaget hat, er habe ſchon alles um Chriſti willen
fuͤr Schaden geachtet, nemlich vom erſten An-
fange ſeiner Bekehrung an, ſo thut er hinzu, wie
daß er darinnen beſtaͤndig fortfahre, und ſich in
ſolcher Verleugnung noch uͤbe, wenn er ſpricht:
ich achte es alles fuͤr Schaden. So ſind
auch die Woͤrtlein ἀλλὰ μενοῦνγε eigentlich zu
uͤberſetzen: ja gewißlich, womit der Apoſtoli-
ſche Ausſpruch ſo viel mehrern Nachdruck be-
koͤmmt. Dieſe Bedeutung des Worts [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]λλὰ
haben wir ſchon oben c. 1, 18. gehabt, und dabey
mehrere Exempel geſehen.
3. Uber das ſo erlaͤutert der Apoſtel das
Wort ζημία, Gchaden, ſelbſt durch das Wort
σκύβαλα, Dreck, damit anzuzeigen, wie gar ge-
ringe er alle vorhin angefuͤhrte Dinge achte:
und zwar in Vergleichung Chriſti und in Anſe-
hung ihres Einfluſſes, welchen ſie einem zur Se-
ligkeit auſſer Chriſto geben koͤnten: als dagegen
es lauter nichtswuͤrdige Sachen ſind: aber nicht
allein zu ſolchem Zweck fuͤr ſich ſelbſt gar nichts
beytragen, ſondern auch noch dazu in ſo fern, als
man ſich auſſer Chriſto darauf verlaͤßt, ſchaͤdlich
werden.
4. Dahin muß es demnach bey einem je-
den Menſchen in der Bekehrung, wenn ſie an-
ders rechter Art iſt, kommen, daß man alles,
woraus man der Natur nach etwas machet, fuͤr
nichts achte und das Hertz davon abziehe, als da
ſonderlich iſt aͤuſſerliche Ehre vor der Welt, fuͤr-
nehmerer Stand, Reichthum und dergleichen.
Denn wem ſolche Dinge noch groß ſind, der
hat ſie zum Zweck vor ſich und richtet auch ſeine
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iſt ihm in der That wenig, oder gar nichts; ob
er gleich mit Worten das Gegentheil bezeuget.
Je mehr und lauterer man aber ſolche Sachen
verleugnet, ie richtiger laſſen ſie ſich, ſo fern ſie
an ſich ſelbſt nicht ſuͤndlich ſind, gebrauchen,
und durch richtige Adminiſtration zur Ehre GOt-
tes anwenden.
5. Der Grund und der Antrieb zur Ver-
leugnung war Chriſtus, oder die uͤberſchwengli-
che Erkaͤntniß Chriſti. Denn wer etwas ge-
ringers will fahren laſſen, der muß etwas beſſers
haben: ſintemal die Begierden der Seelen des
Menſchen, nach welchen er worinnen ſeine Ru-
he und Vergnuͤgung ſuchet, weſentlich ſind.
Man ſetze, iemand muͤſſe ſeinen Durſt ſtillen bey
einer unreinen Quelle, oder einer kothigten und
ſtinckenden Pfuͤtze, und ſeinen Hunger an den
Traͤbern, er ſey auch eines ſo verwehnten Ge-
[Spaltenumbruch] ſchmacks, daß er beydes fuͤr etwas delicates hal-
te. Dieſer wird es gewißlich eher nicht fahren
laſſen, ehe er nicht mit rectiſicirten Geſchmacke
zu einer reinen und ſuͤſſen Quelle, und zu einer
wohlbereiteten Mahlzeit gefuͤhret wird. Glei-
che Beſchaffenheit hat es im Geiſtlichen. Wo
einem Chriſtus mit ſeinen Heils-Guͤtern nicht
anfaͤnget ſuͤſſe und angenehm zu werden, da wird
einem die Welt mit ihrer Luſt und mit ihren Guͤ-
tern nicht verleidet; und da iſt es auch kein
Wunder, daß die Seele, welche gerne eine
Religions-Ruhe haben will, dieſelbe in aͤuſſerli-
chen Ceremonien und in geſetzlicher eigenen Ge-
rechtigkeit ſuchet. Wenn nun die vorlauffende
Gnade das Gewiſſen der Suͤnde halber beunru-
higet, und es denn findt, daß es der Unruhẽ
durch jene Mittel nicht loß werden kan, und
denn dabey im Evangelio von Chriſto hoͤret, ſo
iſt das ſo denn der Weg zur rechten Verleug-
nung aller falſchen Ruhe.
6. Durch die Erkaͤntniß Chriſti, um
welcher willen Paulus zur gruͤndlichen Verleug-
nung gekommen war, verſtehet er den Glauben
an Chriſtum: als welcher wie ein goͤttliches Le-
ben, alſo auch zugleich ein geiſtliches Licht in der
Seele iſt. Daher der Glaube auch ſonſt oͤfter
mit dem Worte Erkaͤntniß bezeichnet wird.
Z. E. Jeſ. 53, 11. Durch ſein Erkaͤntniß (da
er heilſamlich erkant wird) wird er mein
Knecht, der Gerechte, viele gerecht ma-
chen.
Joh. 17, 3. Das iſt das ewige Leben,
daß ſie dich, der du allein wahrer GOtt
biſt, und den du geſandt haſt, JEſum
Chriſtum, erkennen.
2 Petr. 1, 2. GOtt
gebe euch viel Gnade und Friede durch das
Erkaͤntniß JEſu Chriſti unſers HErrn.

Jmgleichen v. 3. Es iſt uns allerley ſeiner
goͤttlichen Kraft, was zum Leben und goͤtt-
lichen Wandel dienet, geſchencket durch
die Erkaͤntniß deß, der uns berufen hat
durch ſeine Herrlichkeit und Tugend.
Fer-
ner c. 2, 20. da es heißt: Dem Unflath der
Welt entflohen ſeyn durch die Erkaͤntniß
des HERRN und Heilandes JESU
CHriſti.
7. Jſt aber nun an Chriſtum glauben
und Chriſtum erkennen
ſolchergeſtalt einer-
ley, und wie kein Glaube ohne wahre
Erkaͤntniß, alſo auch keine wahre Erkaͤntniß
ohne Glauben; ſo ſiehet man wol, daß kein
Glaub- und liebloſer Menſch, und alſo kein un-
bekehrter, eine wahre geiſtliche und lebendige
Erkaͤntniß GOttes habe, oder erleuchtet ſey;
noch wenn ſeine buchſtaͤbliche Wiſſenſchaft gleich
ſo groß iſt.
8. Uberſchwenglich aber, oder uͤbertref-
fend nennet der Apoſtel die Erkaͤntniß Chriſti ſon-
derlich in Anſehung Chriſti; als welcher mit ſei-
nen Heils-Guͤtern der Glaͤubigen Seele ſo groß
und ſo herrlich wird, daß alles andere, was den
Namen des Guten und der Herrlichkeit hat, da-
gegen gar in keine Vergleichung koͤmmt, und al-
ſo gar leicht und willig verleugnet werden kan.
Hieher gehoͤret, was der Apoſtel Eph. 3, 18. 19.
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Liebe Gottes in Chriſto,
und wie ſie alle unſere
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[722/0750] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, 8-11. der, daß er nicht fuͤglich kan von einander gethei- let werden. Er laͤßt ſich aber fuͤglich in fol- gende drey Stuͤcke eintheilen, als da ſind: 1. die Verleugnung des vorigen Gewinnes: 2. der Gewinn, wozu Paulus dadurch in Chriſto gelanget ſey: 3. die Gemeinſchaft und Gleichfoͤrmigkeit mit Chriſto, welche dieſer Gewinn zum Tode und zur Auferſtehung, und alſo zur gaͤntzlichen Vollendung des Heils mit ſich fuͤhre. 2. Was die Verleugnung betrifft, ſo iſt dabey zuvorderſt dieſes zu mercken, daß der Apo- ſtel damit von der ſchon vergangenen Zeit auf die gegenwaͤrtige koͤmmt, denn nachdem er v. 7. ge- ſaget hat, er habe ſchon alles um Chriſti willen fuͤr Schaden geachtet, nemlich vom erſten An- fange ſeiner Bekehrung an, ſo thut er hinzu, wie daß er darinnen beſtaͤndig fortfahre, und ſich in ſolcher Verleugnung noch uͤbe, wenn er ſpricht: ich achte es alles fuͤr Schaden. So ſind auch die Woͤrtlein ἀλλὰ μενοῦνγε eigentlich zu uͤberſetzen: ja gewißlich, womit der Apoſtoli- ſche Ausſpruch ſo viel mehrern Nachdruck be- koͤmmt. Dieſe Bedeutung des Worts _ λλὰ haben wir ſchon oben c. 1, 18. gehabt, und dabey mehrere Exempel geſehen. 3. Uber das ſo erlaͤutert der Apoſtel das Wort ζημία, Gchaden, ſelbſt durch das Wort σκύβαλα, Dreck, damit anzuzeigen, wie gar ge- ringe er alle vorhin angefuͤhrte Dinge achte: und zwar in Vergleichung Chriſti und in Anſe- hung ihres Einfluſſes, welchen ſie einem zur Se- ligkeit auſſer Chriſto geben koͤnten: als dagegen es lauter nichtswuͤrdige Sachen ſind: aber nicht allein zu ſolchem Zweck fuͤr ſich ſelbſt gar nichts beytragen, ſondern auch noch dazu in ſo fern, als man ſich auſſer Chriſto darauf verlaͤßt, ſchaͤdlich werden. 4. Dahin muß es demnach bey einem je- den Menſchen in der Bekehrung, wenn ſie an- ders rechter Art iſt, kommen, daß man alles, woraus man der Natur nach etwas machet, fuͤr nichts achte und das Hertz davon abziehe, als da ſonderlich iſt aͤuſſerliche Ehre vor der Welt, fuͤr- nehmerer Stand, Reichthum und dergleichen. Denn wem ſolche Dinge noch groß ſind, der hat ſie zum Zweck vor ſich und richtet auch ſeine Handlungen darnach ein. Chriſtus hingegen iſt ihm in der That wenig, oder gar nichts; ob er gleich mit Worten das Gegentheil bezeuget. Je mehr und lauterer man aber ſolche Sachen verleugnet, ie richtiger laſſen ſie ſich, ſo fern ſie an ſich ſelbſt nicht ſuͤndlich ſind, gebrauchen, und durch richtige Adminiſtration zur Ehre GOt- tes anwenden. 5. Der Grund und der Antrieb zur Ver- leugnung war Chriſtus, oder die uͤberſchwengli- che Erkaͤntniß Chriſti. Denn wer etwas ge- ringers will fahren laſſen, der muß etwas beſſers haben: ſintemal die Begierden der Seelen des Menſchen, nach welchen er worinnen ſeine Ru- he und Vergnuͤgung ſuchet, weſentlich ſind. Man ſetze, iemand muͤſſe ſeinen Durſt ſtillen bey einer unreinen Quelle, oder einer kothigten und ſtinckenden Pfuͤtze, und ſeinen Hunger an den Traͤbern, er ſey auch eines ſo verwehnten Ge- ſchmacks, daß er beydes fuͤr etwas delicates hal- te. Dieſer wird es gewißlich eher nicht fahren laſſen, ehe er nicht mit rectiſicirten Geſchmacke zu einer reinen und ſuͤſſen Quelle, und zu einer wohlbereiteten Mahlzeit gefuͤhret wird. Glei- che Beſchaffenheit hat es im Geiſtlichen. Wo einem Chriſtus mit ſeinen Heils-Guͤtern nicht anfaͤnget ſuͤſſe und angenehm zu werden, da wird einem die Welt mit ihrer Luſt und mit ihren Guͤ- tern nicht verleidet; und da iſt es auch kein Wunder, daß die Seele, welche gerne eine Religions-Ruhe haben will, dieſelbe in aͤuſſerli- chen Ceremonien und in geſetzlicher eigenen Ge- rechtigkeit ſuchet. Wenn nun die vorlauffende Gnade das Gewiſſen der Suͤnde halber beunru- higet, und es denn findt, daß es der Unruhẽ durch jene Mittel nicht loß werden kan, und denn dabey im Evangelio von Chriſto hoͤret, ſo iſt das ſo denn der Weg zur rechten Verleug- nung aller falſchen Ruhe. 6. Durch die Erkaͤntniß Chriſti, um welcher willen Paulus zur gruͤndlichen Verleug- nung gekommen war, verſtehet er den Glauben an Chriſtum: als welcher wie ein goͤttliches Le- ben, alſo auch zugleich ein geiſtliches Licht in der Seele iſt. Daher der Glaube auch ſonſt oͤfter mit dem Worte Erkaͤntniß bezeichnet wird. Z. E. Jeſ. 53, 11. Durch ſein Erkaͤntniß (da er heilſamlich erkant wird) wird er mein Knecht, der Gerechte, viele gerecht ma- chen. Joh. 17, 3. Das iſt das ewige Leben, daß ſie dich, der du allein wahrer GOtt biſt, und den du geſandt haſt, JEſum Chriſtum, erkennen. 2 Petr. 1, 2. GOtt gebe euch viel Gnade und Friede durch das Erkaͤntniß JEſu Chriſti unſers HErrn. Jmgleichen v. 3. Es iſt uns allerley ſeiner goͤttlichen Kraft, was zum Leben und goͤtt- lichen Wandel dienet, geſchencket durch die Erkaͤntniß deß, der uns berufen hat durch ſeine Herrlichkeit und Tugend. Fer- ner c. 2, 20. da es heißt: Dem Unflath der Welt entflohen ſeyn durch die Erkaͤntniß des HERRN und Heilandes JESU CHriſti. 7. Jſt aber nun an Chriſtum glauben und Chriſtum erkennen ſolchergeſtalt einer- ley, und wie kein Glaube ohne wahre Erkaͤntniß, alſo auch keine wahre Erkaͤntniß ohne Glauben; ſo ſiehet man wol, daß kein Glaub- und liebloſer Menſch, und alſo kein un- bekehrter, eine wahre geiſtliche und lebendige Erkaͤntniß GOttes habe, oder erleuchtet ſey; noch wenn ſeine buchſtaͤbliche Wiſſenſchaft gleich ſo groß iſt. 8. Uberſchwenglich aber, oder uͤbertref- fend nennet der Apoſtel die Erkaͤntniß Chriſti ſon- derlich in Anſehung Chriſti; als welcher mit ſei- nen Heils-Guͤtern der Glaͤubigen Seele ſo groß und ſo herrlich wird, daß alles andere, was den Namen des Guten und der Herrlichkeit hat, da- gegen gar in keine Vergleichung koͤmmt, und al- ſo gar leicht und willig verleugnet werden kan. Hieher gehoͤret, was der Apoſtel Eph. 3, 18. 19. von der Breite, Laͤnge, Tiefe und Hoͤhe der Liebe Gottes in Chriſto, und wie ſie alle unſere Er-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 722. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/750>, abgerufen am 24.11.2024.