Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 3, 14-16. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
te Christi Luc. 17, 32. Gedencket an LotsWeib! Demas sahe durch die Welt-Liebe wieder hinter sich, und verließ darüber Pau- lum und Christum selbst, auch sein Kleinod 2 Tim. 4, 10. Siehet man nun nicht allein zurück, sondern lauffet man gar wieder hin- terwärts, so heißt es von solchen 2 Pet. 2, 19-21. das letztere ist mit ihnen ärger denn das - Es ist ihnen widerfah- ren das wahre Sprichwort: Der Hund frisset wieder, was er gespeyet hat, und die Saue weltzet sich nach der Schwem- me wieder in den Koth. Von manchen, die von GOtt ergriffen waren, und eine Zeit- lang gar fein liefen, mag man wol sagen, wie Paulus von den Galatern c. 5, 7. Jhr liefet fein, wer hat euch aufgehalten, der Wahrheit nicht zu gehorchen! b. Das Strecken nachdem, das da vorne ist; gleichwie ein Läuffer nebst den Füssen, Kopf und Hände vor sich hin ausrecket, um das Kleinod zu ergreiffen. Welches Aus- strecken ist diejenige Ubung des Glaubens, welche sich in dem sehnlichen Verlangen, in der innigsten Begierde, in dem Hunger und Durst nach GOtt hervor thut. Dahin auch das gehet, wenn der Apostel c. 1, 23. spricht: Es lieget mir beydes hart an, ich habe Lust abzuscheiden, und bey Christo zu seyn. Und Rom. 8, 23. Wir, die wir des Geistes Erstlinge haben, sehnen uns bey uns selbst nach der Kindschaft, und war- ten auf unsers Leibes Erlösung. c. Und eben dieses Ausstrecken ist denn auch das würckliche Nachjagen; wozu aber al- les übrige gehöret, was zur sämtlichen Chri- sten- und Amts-Pflicht erfodert wird, und in einem rechten Ernst bestehet, sonst auch durch das Ringen und Kämpfen ausgedrucket wird. 6. Es hat sich ein ieder diesen Text nach dem Exempel Pauli wohl zu nutze zu machen, und daraus das rechte eines, und darin alles, nemlich das einzige Nothwendige wohl zu erkennen: wie David saget Ps. 27, 4. Eines bitte ich vom HErrn, das hätte ich gern. Und unser Heiland: Eines ist noth: Maria hat das beste Theil erwehlet, das soll nicht von ihr genommen werden. Luc. 10, 42. Siehe auch c. 9, 62. Wer seine Hand an den Pflug leget und siehet zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche GOttes. Jm übrigen hat man hiebey folgende Oerter zu conferiren: 1 Cor. 11, 24. u. f. Hebr. 12, 14. 1 Tim. 6, 12. Ps. 45, 11. V. 15. 16. Wieviel nun unser vollkommen (und Anmerckungen. 1. Es handelt dieser Ort mit dem Contexte von der Vollkommenheit der Christen, und ist er davon vor andern wohl zu mercken. Denn wir finden darinnen beydes, der Christen ihre Vollkommenheit, und auch ihre Unvoll- kommenheit mit ausdrücklichen Worten; doch ohne alle Contradiction im unterschiedenen Verstande. Vollkommen sind sie im Gegen- satze gegen die noch schwächern und ersten An- fänger, welche noch die zarteste Milch-Speise, aber noch keine starcke Speise vertragen können. Und bestehet ihre Vollkommenheit darinnen, daß sie nach dem Verstande von allen nöthi- gen Glaubens-Articuln eine hinlängliche und lebendige Erkäntniß haben, nach dem Willen aber alle Christenthums-Pflichten also ausü- ben, daß sie es an keinem gar fehlen und das Ge- gentheil an sich sehen lassen. Und also haben sie alle wesentliche Stücke des Christenthums an sich, Glaube, Liebe, Hoffnung, und ihre Liebe beweisen sie gegen GOtt, sich selbst und den Nechsten, auch gegen ihre Feinde, und in der Lie- be die Demuth, Sanftmuth, Geduld u. s. w. 2. So rechtschaffen aber nun gleich solches ihr Christenthum in allen Stücken ist, so man- gelhaft ist es doch darinnen noch, und zwar also, daß sie darinnen nicht allein noch immer mehr zuzunehmen haben, sondern auch mit solchem nimmer fertig werden, sondern mit Paulo dar- an zu arbeiten haben bis an ihren seligen Ab- schied. Gleichwie nun jene Vollkommenheit der Apostel sich und andern zuschreibet: also hält er sich von der, dabey kein Wachsthum mehr statt findet, noch ferne, wenn er v 12. aus- drücklich saget: Nicht daß ichs schon ergrif- fen habe, oder vollkommen sey u. f. und sol- ches v. 13. wiederhohlet: Meine Brüder, ich schätze mich noch nicht, daß ichs ergriffen habe. Von der christlichen Vollkommenheit, so fern sie nöthig und möglich ist, sehe man un- ter andern Matth. 5, 48. Jhr solt vollkom- men seyn, gleichwie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist: da das gleichwie nicht auf eine gäntzliche Gleichheit, sondern nur auf eine Aehnlichkeit in der Nachfolge gehet. Siehe ferner 1 Cor. 2, 6. 14, 20. Eph. 4, 13. 14. Col. 1, 28. 2, 22. 3, 14. Hebr. 5, 14. Jac. 1, 4. Von der künftigen Vollkommenheit heist es 1 Cor. 13, 10. 12. Wenn da kommen wird das Vollkommene, so wird das Stück- werck aufhören. - Wir sehen ietzt durch einen Spiegel in einem dunckeln Wort: Denn aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ichs stückweise. Denn aber werde ichs erkennen, gleichwie ich erken- net Y y y y 3
Cap. 3, 14-16. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
te Chriſti Luc. 17, 32. Gedencket an LotsWeib! Demas ſahe durch die Welt-Liebe wieder hinter ſich, und verließ daruͤber Pau- lum und Chriſtum ſelbſt, auch ſein Kleinod 2 Tim. 4, 10. Siehet man nun nicht allein zuruͤck, ſondern lauffet man gar wieder hin- terwaͤrts, ſo heißt es von ſolchen 2 Pet. 2, 19-21. das letztere iſt mit ihnen aͤrger denn das - Es iſt ihnen widerfah- ren das wahre Sprichwort: Der Hund friſſet wieder, was er geſpeyet hat, und die Saue weltzet ſich nach der Schwem- me wieder in den Koth. Von manchen, die von GOtt ergriffen waren, und eine Zeit- lang gar fein liefen, mag man wol ſagen, wie Paulus von den Galatern c. 5, 7. Jhr liefet fein, wer hat euch aufgehalten, der Wahrheit nicht zu gehorchen! b. Das Strecken nachdem, das da vorne iſt; gleichwie ein Laͤuffer nebſt den Fuͤſſen, Kopf und Haͤnde vor ſich hin ausrecket, um das Kleinod zu ergreiffen. Welches Aus- ſtrecken iſt diejenige Ubung des Glaubens, welche ſich in dem ſehnlichen Verlangen, in der innigſten Begierde, in dem Hunger und Durſt nach GOtt hervor thut. Dahin auch das gehet, wenn der Apoſtel c. 1, 23. ſpricht: Es lieget mir beydes hart an, ich habe Luſt abzuſcheiden, und bey Chriſto zu ſeyn. Und Rom. 8, 23. Wir, die wir des Geiſtes Erſtlinge haben, ſehnen uns bey uns ſelbſt nach der Kindſchaft, und war- ten auf unſers Leibes Erloͤſung. c. Und eben dieſes Ausſtrecken iſt denn auch das wuͤrckliche Nachjagen; wozu aber al- les uͤbrige gehoͤret, was zur ſaͤmtlichen Chri- ſten- und Amts-Pflicht erfodert wird, und in einem rechten Ernſt beſtehet, ſonſt auch durch das Ringen und Kaͤmpfen ausgedrucket wird. 6. Es hat ſich ein ieder dieſen Text nach dem Exempel Pauli wohl zu nutze zu machen, und daraus das rechte eines, und darin alles, nemlich das einzige Nothwendige wohl zu erkennen: wie David ſaget Pſ. 27, 4. Eines bitte ich vom HErrn, das haͤtte ich gern. Und unſer Heiland: Eines iſt noth: Maria hat das beſte Theil erwehlet, das ſoll nicht von ihr genommen werden. Luc. 10, 42. Siehe auch c. 9, 62. Wer ſeine Hand an den Pflug leget und ſiehet zuruͤck, der iſt nicht geſchickt zum Reiche GOttes. Jm uͤbrigen hat man hiebey folgende Oerter zu conferiren: 1 Cor. 11, 24. u. f. Hebr. 12, 14. 1 Tim. 6, 12. Pſ. 45, 11. V. 15. 16. Wieviel nun unſer vollkommen (und Anmerckungen. 1. Es handelt dieſer Ort mit dem Contexte von der Vollkommenheit der Chriſten, und iſt er davon vor andern wohl zu mercken. Denn wir finden darinnen beydes, der Chriſten ihre Vollkommenheit, und auch ihre Unvoll- kommenheit mit ausdruͤcklichen Worten; doch ohne alle Contradiction im unterſchiedenen Verſtande. Vollkommen ſind ſie im Gegen- ſatze gegen die noch ſchwaͤchern und erſten An- faͤnger, welche noch die zarteſte Milch-Speiſe, aber noch keine ſtarcke Speiſe vertragen koͤnnen. Und beſtehet ihre Vollkommenheit darinnen, daß ſie nach dem Verſtande von allen noͤthi- gen Glaubens-Articuln eine hinlaͤngliche und lebendige Erkaͤntniß haben, nach dem Willen aber alle Chriſtenthums-Pflichten alſo ausuͤ- ben, daß ſie es an keinem gar fehlen und das Ge- gentheil an ſich ſehen laſſen. Und alſo haben ſie alle weſentliche Stuͤcke des Chriſtenthums an ſich, Glaube, Liebe, Hoffnung, und ihre Liebe beweiſen ſie gegen GOtt, ſich ſelbſt und den Nechſten, auch gegen ihre Feinde, und in der Lie- be die Demuth, Sanftmuth, Geduld u. ſ. w. 2. So rechtſchaffen aber nun gleich ſolches ihr Chriſtenthum in allen Stuͤcken iſt, ſo man- gelhaft iſt es doch darinnen noch, und zwar alſo, daß ſie darinnen nicht allein noch immer mehr zuzunehmen haben, ſondern auch mit ſolchem nimmer fertig werden, ſondern mit Paulo dar- an zu arbeiten haben bis an ihren ſeligen Ab- ſchied. Gleichwie nun jene Vollkommenheit der Apoſtel ſich und andern zuſchreibet: alſo haͤlt er ſich von der, dabey kein Wachsthum mehr ſtatt findet, noch ferne, wenn er v 12. aus- druͤcklich ſaget: Nicht daß ichs ſchon ergrif- fen habe, oder vollkommen ſey u. f. und ſol- ches v. 13. wiederhohlet: Meine Bruͤder, ich ſchaͤtze mich noch nicht, daß ichs ergriffen habe. Von der chriſtlichen Vollkommenheit, ſo fern ſie noͤthig und moͤglich iſt, ſehe man un- ter andern Matth. 5, 48. Jhr ſolt vollkom- men ſeyn, gleichwie auch euer Vater im Himmel vollkommen iſt: da das gleichwie nicht auf eine gaͤntzliche Gleichheit, ſondern nur auf eine Aehnlichkeit in der Nachfolge gehet. Siehe ferner 1 Cor. 2, 6. 14, 20. Eph. 4, 13. 14. Col. 1, 28. 2, 22. 3, 14. Hebr. 5, 14. Jac. 1, 4. Von der kuͤnftigen Vollkommenheit heiſt es 1 Cor. 13, 10. 12. Wenn da kommen wird das Vollkommene, ſo wird das Stuͤck- werck aufhoͤren. ‒ Wir ſehen ietzt durch einen Spiegel in einem dunckeln Wort: Denn aber von Angeſicht zu Angeſicht. Jetzt erkenne ichs ſtuͤckweiſe. Denn aber werde ichs erkennen, gleichwie ich erken- net Y y y y 3
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Cap. 3, 14-16. an die Philipper.
te Chriſti Luc. 17, 32. Gedencket an Lots
Weib! Demas ſahe durch die Welt-Liebe
wieder hinter ſich, und verließ daruͤber Pau-
lum und Chriſtum ſelbſt, auch ſein Kleinod
2 Tim. 4, 10. Siehet man nun nicht allein
zuruͤck, ſondern lauffet man gar wieder hin-
terwaͤrts, ſo heißt es von ſolchen 2 Pet. 2,
19-21. das letztere iſt mit ihnen aͤrger
denn das - Es iſt ihnen widerfah-
ren das wahre Sprichwort: Der Hund
friſſet wieder, was er geſpeyet hat, und
die Saue weltzet ſich nach der Schwem-
me wieder in den Koth. Von manchen,
die von GOtt ergriffen waren, und eine Zeit-
lang gar fein liefen, mag man wol ſagen, wie
Paulus von den Galatern c. 5, 7. Jhr liefet
fein, wer hat euch aufgehalten, der
Wahrheit nicht zu gehorchen!
b. Das Strecken nachdem, das da vorne
iſt; gleichwie ein Laͤuffer nebſt den Fuͤſſen,
Kopf und Haͤnde vor ſich hin ausrecket, um
das Kleinod zu ergreiffen. Welches Aus-
ſtrecken iſt diejenige Ubung des Glaubens,
welche ſich in dem ſehnlichen Verlangen, in
der innigſten Begierde, in dem Hunger und
Durſt nach GOtt hervor thut. Dahin auch
das gehet, wenn der Apoſtel c. 1, 23. ſpricht:
Es lieget mir beydes hart an, ich habe
Luſt abzuſcheiden, und bey Chriſto zu
ſeyn. Und Rom. 8, 23. Wir, die wir des
Geiſtes Erſtlinge haben, ſehnen uns bey
uns ſelbſt nach der Kindſchaft, und war-
ten auf unſers Leibes Erloͤſung.
c. Und eben dieſes Ausſtrecken iſt denn auch
das wuͤrckliche Nachjagen; wozu aber al-
les uͤbrige gehoͤret, was zur ſaͤmtlichen Chri-
ſten- und Amts-Pflicht erfodert wird, und in
einem rechten Ernſt beſtehet, ſonſt auch durch
das Ringen und Kaͤmpfen ausgedrucket
wird.
6. Es hat ſich ein ieder dieſen Text nach
dem Exempel Pauli wohl zu nutze zu machen,
und daraus das rechte eines, und darin alles,
nemlich das einzige Nothwendige wohl zu
erkennen: wie David ſaget Pſ. 27, 4. Eines
bitte ich vom HErrn, das haͤtte ich gern.
Und unſer Heiland: Eines iſt noth: Maria
hat das beſte Theil erwehlet, das ſoll nicht
von ihr genommen werden. Luc. 10, 42.
Siehe auch c. 9, 62. Wer ſeine Hand an den
Pflug leget und ſiehet zuruͤck, der iſt nicht
geſchickt zum Reiche GOttes. Jm uͤbrigen
hat man hiebey folgende Oerter zu conferiren:
1 Cor. 11, 24. u. f. Hebr. 12, 14. 1 Tim. 6, 12.
Pſ. 45, 11.
V. 15. 16.
Wieviel nun unſer vollkommen (und
von den Anfaͤngern, und gleichſam Milch-Kin-
dern in Chriſto unterſchieden) ſind, die laſſet
uns alſo geſinnet ſeyn (wie ich zuvor von der
Verleugnung alles irdiſchen und aller eignen
Gerechtigkeit und von der Gewinnung Chriſti
und ſeiner Gerechtigkeit, wie auch von unſerem
Lauffe nach dem vorgeſteckten Ziel bezeuget habe)
und ſolt ihr ſonſt etwas halten (Gr. und
ſeyd ihr worinnen anders Sinnes) das laſſet
euch GOtt offenbaren (Gr. das wird euch
GOtt zu erkennen geben, oder ſchon entdecken,
um mit mir eines Sinnes ſeyn zu koͤnnen) doch
ſo fern, daß wir nach einer Regel, darein
wir gekommen ſind, wandeln, (Gr. doch
ſollen wir darinnen, dazu wir bereits gekommen
ſind, nach einer Regel einhergehen, und) gleich
geſinnet ſeyn.
Anmerckungen.
1. Es handelt dieſer Ort mit dem Contexte
von der Vollkommenheit der Chriſten, und
iſt er davon vor andern wohl zu mercken. Denn
wir finden darinnen beydes, der Chriſten ihre
Vollkommenheit, und auch ihre Unvoll-
kommenheit mit ausdruͤcklichen Worten;
doch ohne alle Contradiction im unterſchiedenen
Verſtande. Vollkommen ſind ſie im Gegen-
ſatze gegen die noch ſchwaͤchern und erſten An-
faͤnger, welche noch die zarteſte Milch-Speiſe,
aber noch keine ſtarcke Speiſe vertragen koͤnnen.
Und beſtehet ihre Vollkommenheit darinnen,
daß ſie nach dem Verſtande von allen noͤthi-
gen Glaubens-Articuln eine hinlaͤngliche und
lebendige Erkaͤntniß haben, nach dem Willen
aber alle Chriſtenthums-Pflichten alſo ausuͤ-
ben, daß ſie es an keinem gar fehlen und das Ge-
gentheil an ſich ſehen laſſen. Und alſo haben ſie
alle weſentliche Stuͤcke des Chriſtenthums an
ſich, Glaube, Liebe, Hoffnung, und ihre Liebe
beweiſen ſie gegen GOtt, ſich ſelbſt und den
Nechſten, auch gegen ihre Feinde, und in der Lie-
be die Demuth, Sanftmuth, Geduld u. ſ. w.
2. So rechtſchaffen aber nun gleich ſolches
ihr Chriſtenthum in allen Stuͤcken iſt, ſo man-
gelhaft iſt es doch darinnen noch, und zwar alſo,
daß ſie darinnen nicht allein noch immer mehr
zuzunehmen haben, ſondern auch mit ſolchem
nimmer fertig werden, ſondern mit Paulo dar-
an zu arbeiten haben bis an ihren ſeligen Ab-
ſchied. Gleichwie nun jene Vollkommenheit
der Apoſtel ſich und andern zuſchreibet: alſo
haͤlt er ſich von der, dabey kein Wachsthum
mehr ſtatt findet, noch ferne, wenn er v 12. aus-
druͤcklich ſaget: Nicht daß ichs ſchon ergrif-
fen habe, oder vollkommen ſey u. f. und ſol-
ches v. 13. wiederhohlet: Meine Bruͤder, ich
ſchaͤtze mich noch nicht, daß ichs ergriffen
habe. Von der chriſtlichen Vollkommenheit,
ſo fern ſie noͤthig und moͤglich iſt, ſehe man un-
ter andern Matth. 5, 48. Jhr ſolt vollkom-
men ſeyn, gleichwie auch euer Vater im
Himmel vollkommen iſt: da das gleichwie
nicht auf eine gaͤntzliche Gleichheit, ſondern nur
auf eine Aehnlichkeit in der Nachfolge gehet.
Siehe ferner 1 Cor. 2, 6. 14, 20. Eph. 4, 13.
14. Col. 1, 28. 2, 22. 3, 14. Hebr. 5, 14. Jac.
1, 4. Von der kuͤnftigen Vollkommenheit heiſt
es 1 Cor. 13, 10. 12. Wenn da kommen wird
das Vollkommene, ſo wird das Stuͤck-
werck aufhoͤren. ‒ Wir ſehen ietzt durch
einen Spiegel in einem dunckeln Wort:
Denn aber von Angeſicht zu Angeſicht.
Jetzt erkenne ichs ſtuͤckweiſe. Denn aber
werde ichs erkennen, gleichwie ich erken-
net
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