Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 1, v. 2-4. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
wendet: so hat er auch, wenn er jenes ohne sei-ne Schuld verlieret, Trosts genug. 19. Den angefochtenen Seelen dienet zur Nachricht und zum Trost, daß, ob gleich kein Friede seyn kan ohne Gnade, dennoch die Gna- de statt habe ohne den Frieden, nemlich ohne das Gefühle des Friedens. Denn man hat ver- möge der Gnade, worinnen man stehet, auch den Frieden mit GOtt und in GOtt, ob man gleich im Stande hoher Anfechtungen des Friedens zur Glaubens-Freudigkeit nicht gewahr wird. Ge- nug, daß der verborgene Saame des Friedens dennoch in der Seele bleibet, und zu seiner Zeit sich schon zur erquicklichen Beruhigung zei- get. 20. Kömmt Gnade und Friede so wol von dem Sohne GOttes, als von dem Vater, so ist leichtlich zu erachten, daß er mit dem Vater eines Wesens sey. Und weil die gläubigen Chri- sten gleich bey ihrer Catechismus-Milch diese Lehre fasseten und dabey von der Person und dem Amte des Heiligen Geistes also unterrichtet wur- den, daß durch ihn zur Verklärung CHristi alle Wirckung an ihrer Seelen geschehe; so war es nicht nöthig, des Heiligen Geistes hierbey auch ausdrücklich zu gedencken; da ohne das alhier der Zweck nicht war, von dem Geheimniß der Heili- gen Drey-Einigkeit zu handeln. V. 3. 4. Wir dancken GOTT und dem Vater Anmerckungen. 1. Das Wörtlein und stehet alhier zwischen den Worten GOTT und Vater Erklärungs- weise, wie sonst an vielen andern Orten, und ist es so viel als: der da ist, GOtt, der da ist der Vater. 2. Es wird alhier GOttes, nach der ersten Person der hochgelobten Gottheit, als eines Va- ters unsers HErrn JEsu CHristi gedacht, um damit anzuzeigen, wie er in CHristo und sei- ner Erlösung an denen,, die in CHristo sind, ein Wohlgefallen habe. 3. Von dem Worte pantote, allezeit, ist bey dem Gebet Pauli schon anderwärtig erinnert, daß solches entgegen gesetzet sey einer solchen Un- terlassung, da man nach einer und der andern Handlung des Gebets und der Fürbitte davon wieder ablässet. Dagegen Paulus damit der- gestalt fortgefahren ist, daß, wenn er gebetet hat, er der Colossensischen Kirche ist mit eingedenck gewesen. 4. Die Fürbitte für andere ist eine solche Christen-Pflicht, dadurch sich die Lauterkeit der Liebe so viel mehr erweiset, so viel weniger sie ins Auge fällt, wie andere Ubungen der Liebe. Und an diesem Vermögen, seine Liebe andern, auch seinen Feinden, thätig zu erweisen, fehlet es nie- manden. Nicht angenehmer und gesegneter aber [Spaltenumbruch] ist sie, als wenn sie mit einer Dancksagung ge- schehen kan. Darum hierinnen ein rechter chara- cter eines rechtschaffenen Zuhörers und Lehrers lieget, daß man nemlich ein solches Danckvolles Gebet verursache und es fleißig verrichte. 5. Glaube und Liebe gehören allezeit zu- sammen. Der Glaube an CHristum und die Liebe zu allen Heiligen. Da denn der Apo- stel ein mehrers verstehet, als er ausdrucket, und was er ausläßt, ist von der Art, daß es die Co- losser von sich selbst darunter verstehen konten: nemlich daß der Glaube nicht allein gegen die Heiligen, sondern auch zuvorderst gegen CHri- stum sich thätig erweise, und daß die wohlgeord- nete Liebe gegen den Nächsten auch die wahre Liebe gegen uns selbst zum Grunde habe: im- gleichen daß die Liebe nicht allein gegen die Brü- der, sondern auch gegen die Feinde zu üben sey, und bisher war geübet worden. Siehe derglei- chen Verbindung des Glaubens und der Liebe Gal. 5, 6. Eph. 1, 15. 1 Thess. 1, 3. 2 Thess. 1, 3. Jac. 2, 14. u. f. Daß aber der Glaube an JE- sum CHristum auch ging auf den Vater und den Heiligen Geist, war eine gleich anfangs in der ersten Bekehrung gelegte Grund-Wahrheit. 6. Von der Eigenschaft und von dem Nach- druck der Griechischen Redens-Art pistis en Khristo, der Glaube an oder in CHristo für eis Khriston, an CHristum, ist anderwärtig schon Anzeigung geschehen: nemlich der Glaube ist von gedoppelter Haupt-Kraft, von der Eigen- schaft des sehnlichen Verlangens nach GOtt, und auch der zuversichtlichen Ruhe in GOtt: gleichwie ein klein Kind sich sehnet nach der Mutter Schoß und Brust, und auch darauf und daran ruhet. Wenn es nun heißt pist[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]uein eis Khriston, oder o pistis eis Khriston, glauben, oder der Glaube an CHristum, wird damit das Sehnen, so auch ein geistlicher Hunger und Durst ist, bezeichnet: heißt es hingegen e pistis en Khristo, der Glaube in CHristo, oder an CHristo, so wird damit sonderlich auf die ver- trauliche Ruhe, welche die Seele durch das Verlangen in CHristo suchet und findet, ge- sehen. 7. So bald ein Mensch rechtschaffen be- kehret wird, so gehet in ihm eine reine und zarte Bruder-Liebe auf gegen alle wahre Kinder GOttes, die er nur kennen lernet, oder von denen er nur höret. Welches ist die geistliche Gemeinschaft der Gläubigen: daran sie auch ein Kennzeichen ihres Gnaden-Standes haben, also, daß sie sich dadurch in Anfechtungen mit aufrichten können. Davon Johannes Ep. 1. c. 3. v. 14. spricht: Wir wissen, daß wir sind aus dem Tode in das Leben kommen: denn wir lieben die Brüder. Jn solcher Gemein- schaft stunden die Colosser: darum der Apostel an ihnen die Liebe zu allen Heiligen rühmet. 8. Man muß zwar niemanden ins Gesicht loben, und eben so wenig schriftlich, in so fern es nemlich aus einem falschen Zwecke herkömmt, und das Lob an sich auch ungegründet ist. Doch findet die Bezeugung des Guten, dessen man sich von einem andern versichert hält, gar wohl statt, wenn sie zur Anzeige und zur Vermehrung des guten B b b b b 2
Cap. 1, v. 2-4. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
wendet: ſo hat er auch, wenn er jenes ohne ſei-ne Schuld verlieret, Troſts genug. 19. Den angefochtenen Seelen dienet zur Nachricht und zum Troſt, daß, ob gleich kein Friede ſeyn kan ohne Gnade, dennoch die Gna- de ſtatt habe ohne den Frieden, nemlich ohne das Gefuͤhle des Friedens. Denn man hat ver- moͤge der Gnade, worinnen man ſtehet, auch den Frieden mit GOtt und in GOtt, ob man gleich im Stande hoher Anfechtungen des Friedens zur Glaubens-Freudigkeit nicht gewahr wird. Ge- nug, daß der verborgene Saame des Friedens dennoch in der Seele bleibet, und zu ſeiner Zeit ſich ſchon zur erquicklichen Beruhigung zei- get. 20. Koͤmmt Gnade und Friede ſo wol von dem Sohne GOttes, als von dem Vater, ſo iſt leichtlich zu erachten, daß er mit dem Vater eines Weſens ſey. Und weil die glaͤubigen Chri- ſten gleich bey ihrer Catechiſmus-Milch dieſe Lehre faſſeten und dabey von der Perſon und dem Amte des Heiligen Geiſtes alſo unterrichtet wur- den, daß durch ihn zur Verklaͤrung CHriſti alle Wirckung an ihrer Seelen geſchehe; ſo war es nicht noͤthig, des Heiligen Geiſtes hierbey auch ausdruͤcklich zu gedencken; da ohne das alhier der Zweck nicht war, von dem Geheimniß der Heili- gen Drey-Einigkeit zu handeln. V. 3. 4. Wir dancken GOTT und dem Vater Anmerckungen. 1. Das Woͤrtlein und ſtehet alhier zwiſchen den Worten GOTT und Vater Erklaͤrungs- weiſe, wie ſonſt an vielen andern Orten, und iſt es ſo viel als: der da iſt, GOtt, der da iſt der Vater. 2. Es wird alhier GOttes, nach der erſten Perſon der hochgelobten Gottheit, als eines Va- ters unſers HErrn JEſu CHriſti gedacht, um damit anzuzeigen, wie er in CHriſto und ſei- ner Erloͤſung an denen,, die in CHriſto ſind, ein Wohlgefallen habe. 3. Von dem Worte πάντοτε, allezeit, iſt bey dem Gebet Pauli ſchon anderwaͤrtig erinnert, daß ſolches entgegen geſetzet ſey einer ſolchen Un- terlaſſung, da man nach einer und der andern Handlung des Gebets und der Fuͤrbitte davon wieder ablaͤſſet. Dagegen Paulus damit der- geſtalt fortgefahren iſt, daß, wenn er gebetet hat, er der Coloſſenſiſchen Kirche iſt mit eingedenck geweſen. 4. Die Fuͤrbitte fuͤr andere iſt eine ſolche Chriſten-Pflicht, dadurch ſich die Lauterkeit der Liebe ſo viel mehr erweiſet, ſo viel weniger ſie ins Auge faͤllt, wie andere Ubungen der Liebe. Und an dieſem Vermoͤgen, ſeine Liebe andern, auch ſeinen Feinden, thaͤtig zu erweiſen, fehlet es nie- manden. Nicht angenehmer und geſegneter aber [Spaltenumbruch] iſt ſie, als wenn ſie mit einer Danckſagung ge- ſchehen kan. Darum hierinnen ein rechter chara- cter eines rechtſchaffenen Zuhoͤrers und Lehrers lieget, daß man nemlich ein ſolches Danckvolles Gebet verurſache und es fleißig verrichte. 5. Glaube und Liebe gehoͤren allezeit zu- ſammen. Der Glaube an CHriſtum und die Liebe zu allen Heiligen. Da denn der Apo- ſtel ein mehrers verſtehet, als er ausdrucket, und was er auslaͤßt, iſt von der Art, daß es die Co- loſſer von ſich ſelbſt darunter verſtehen konten: nemlich daß der Glaube nicht allein gegen die Heiligen, ſondern auch zuvorderſt gegen CHri- ſtum ſich thaͤtig erweiſe, und daß die wohlgeord- nete Liebe gegen den Naͤchſten auch die wahre Liebe gegen uns ſelbſt zum Grunde habe: im- gleichen daß die Liebe nicht allein gegen die Bruͤ- der, ſondern auch gegen die Feinde zu uͤben ſey, und bisher war geuͤbet worden. Siehe derglei- chen Verbindung des Glaubens und der Liebe Gal. 5, 6. Eph. 1, 15. 1 Theſſ. 1, 3. 2 Theſſ. 1, 3. Jac. 2, 14. u. f. Daß aber der Glaube an JE- ſum CHriſtum auch ging auf den Vater und den Heiligen Geiſt, war eine gleich anfangs in der erſten Bekehrung gelegte Grund-Wahrheit. 6. Von der Eigenſchaft und von dem Nach- druck der Griechiſchen Redens-Art πίστις ἐν Χριστῷ, der Glaube an oder in CHriſto fuͤr εἰς Χριστὸν, an CHriſtum, iſt anderwaͤrtig ſchon Anzeigung geſchehen: nemlich der Glaube iſt von gedoppelter Haupt-Kraft, von der Eigen- ſchaft des ſehnlichen Verlangens nach GOtt, und auch der zuverſichtlichen Ruhe in GOtt: gleichwie ein klein Kind ſich ſehnet nach der Mutter Schoß und Bruſt, und auch darauf und daran ruhet. Wenn es nun heißt πιστ[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]ύειν εἰς Χριστὸν, oder ὁ πίστις εἰς Χριστὸν, glauben, oder der Glaube an CHriſtum, wird damit das Sehnen, ſo auch ein geiſtlicher Hunger und Durſt iſt, bezeichnet: heißt es hingegen ἡ πίστις ἐν Χριστῷ, der Glaube in CHriſto, oder an CHriſto, ſo wird damit ſonderlich auf die ver- trauliche Ruhe, welche die Seele durch das Verlangen in CHriſto ſuchet und findet, ge- ſehen. 7. So bald ein Menſch rechtſchaffen be- kehret wird, ſo gehet in ihm eine reine und zarte Bruder-Liebe auf gegen alle wahre Kinder GOttes, die er nur kennen lernet, oder von denen er nur hoͤret. Welches iſt die geiſtliche Gemeinſchaft der Glaͤubigen: daran ſie auch ein Kennzeichen ihres Gnaden-Standes haben, alſo, daß ſie ſich dadurch in Anfechtungen mit aufrichten koͤnnen. Davon Johannes Ep. 1. c. 3. v. 14. ſpricht: Wir wiſſen, daß wir ſind aus dem Tode in das Leben kommen: denn wir lieben die Bruͤder. Jn ſolcher Gemein- ſchaft ſtunden die Coloſſer: darum der Apoſtel an ihnen die Liebe zu allen Heiligen ruͤhmet. 8. Man muß zwar niemanden ins Geſicht loben, und eben ſo wenig ſchriftlich, in ſo fern es nemlich aus einem falſchen Zwecke herkoͤmmt, und das Lob an ſich auch ungegruͤndet iſt. Doch findet die Bezeugung des Guten, deſſen man ſich von einem andern verſichert haͤlt, gar wohl ſtatt, wenn ſie zur Anzeige und zur Vermehrung des guten B b b b b 2
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Cap. 1, v. 2-4. an die Coloſſer.
wendet: ſo hat er auch, wenn er jenes ohne ſei-
ne Schuld verlieret, Troſts genug.
19. Den angefochtenen Seelen dienet
zur Nachricht und zum Troſt, daß, ob gleich kein
Friede ſeyn kan ohne Gnade, dennoch die Gna-
de ſtatt habe ohne den Frieden, nemlich ohne
das Gefuͤhle des Friedens. Denn man hat ver-
moͤge der Gnade, worinnen man ſtehet, auch den
Frieden mit GOtt und in GOtt, ob man gleich
im Stande hoher Anfechtungen des Friedens zur
Glaubens-Freudigkeit nicht gewahr wird. Ge-
nug, daß der verborgene Saame des Friedens
dennoch in der Seele bleibet, und zu ſeiner Zeit
ſich ſchon zur erquicklichen Beruhigung zei-
get.
20. Koͤmmt Gnade und Friede ſo wol von
dem Sohne GOttes, als von dem Vater, ſo
iſt leichtlich zu erachten, daß er mit dem Vater
eines Weſens ſey. Und weil die glaͤubigen Chri-
ſten gleich bey ihrer Catechiſmus-Milch dieſe
Lehre faſſeten und dabey von der Perſon und dem
Amte des Heiligen Geiſtes alſo unterrichtet wur-
den, daß durch ihn zur Verklaͤrung CHriſti alle
Wirckung an ihrer Seelen geſchehe; ſo war es
nicht noͤthig, des Heiligen Geiſtes hierbey auch
ausdruͤcklich zu gedencken; da ohne das alhier der
Zweck nicht war, von dem Geheimniß der Heili-
gen Drey-Einigkeit zu handeln.
V. 3. 4.
Wir dancken GOTT und dem Vater
unſers HErrn JEſu CHriſti, und beten
allezeit fuͤr euch: V. 4. Nachdem wir ge-
hoͤret haben von eurem Glauben an CHri-
ſtum JEſum, und von der Liebe zu allen
Heiligen.
Anmerckungen.
1. Das Woͤrtlein und ſtehet alhier zwiſchen
den Worten GOTT und Vater Erklaͤrungs-
weiſe, wie ſonſt an vielen andern Orten, und iſt
es ſo viel als: der da iſt, GOtt, der da iſt
der Vater.
2. Es wird alhier GOttes, nach der erſten
Perſon der hochgelobten Gottheit, als eines Va-
ters unſers HErrn JEſu CHriſti gedacht,
um damit anzuzeigen, wie er in CHriſto und ſei-
ner Erloͤſung an denen,, die in CHriſto ſind, ein
Wohlgefallen habe.
3. Von dem Worte πάντοτε, allezeit, iſt
bey dem Gebet Pauli ſchon anderwaͤrtig erinnert,
daß ſolches entgegen geſetzet ſey einer ſolchen Un-
terlaſſung, da man nach einer und der andern
Handlung des Gebets und der Fuͤrbitte davon
wieder ablaͤſſet. Dagegen Paulus damit der-
geſtalt fortgefahren iſt, daß, wenn er gebetet hat,
er der Coloſſenſiſchen Kirche iſt mit eingedenck
geweſen.
4. Die Fuͤrbitte fuͤr andere iſt eine ſolche
Chriſten-Pflicht, dadurch ſich die Lauterkeit der
Liebe ſo viel mehr erweiſet, ſo viel weniger ſie ins
Auge faͤllt, wie andere Ubungen der Liebe. Und
an dieſem Vermoͤgen, ſeine Liebe andern, auch
ſeinen Feinden, thaͤtig zu erweiſen, fehlet es nie-
manden. Nicht angenehmer und geſegneter aber
iſt ſie, als wenn ſie mit einer Danckſagung ge-
ſchehen kan. Darum hierinnen ein rechter chara-
cter eines rechtſchaffenen Zuhoͤrers und Lehrers
lieget, daß man nemlich ein ſolches Danckvolles
Gebet verurſache und es fleißig verrichte.
5. Glaube und Liebe gehoͤren allezeit zu-
ſammen. Der Glaube an CHriſtum und die
Liebe zu allen Heiligen. Da denn der Apo-
ſtel ein mehrers verſtehet, als er ausdrucket, und
was er auslaͤßt, iſt von der Art, daß es die Co-
loſſer von ſich ſelbſt darunter verſtehen konten:
nemlich daß der Glaube nicht allein gegen die
Heiligen, ſondern auch zuvorderſt gegen CHri-
ſtum ſich thaͤtig erweiſe, und daß die wohlgeord-
nete Liebe gegen den Naͤchſten auch die wahre
Liebe gegen uns ſelbſt zum Grunde habe: im-
gleichen daß die Liebe nicht allein gegen die Bruͤ-
der, ſondern auch gegen die Feinde zu uͤben ſey,
und bisher war geuͤbet worden. Siehe derglei-
chen Verbindung des Glaubens und der Liebe
Gal. 5, 6. Eph. 1, 15. 1 Theſſ. 1, 3. 2 Theſſ. 1, 3.
Jac. 2, 14. u. f. Daß aber der Glaube an JE-
ſum CHriſtum auch ging auf den Vater und den
Heiligen Geiſt, war eine gleich anfangs in der
erſten Bekehrung gelegte Grund-Wahrheit.
6. Von der Eigenſchaft und von dem Nach-
druck der Griechiſchen Redens-Art πίστις ἐν
Χριστῷ, der Glaube an oder in CHriſto fuͤr εἰς
Χριστὸν, an CHriſtum, iſt anderwaͤrtig ſchon
Anzeigung geſchehen: nemlich der Glaube iſt
von gedoppelter Haupt-Kraft, von der Eigen-
ſchaft des ſehnlichen Verlangens nach GOtt,
und auch der zuverſichtlichen Ruhe in GOtt:
gleichwie ein klein Kind ſich ſehnet nach der
Mutter Schoß und Bruſt, und auch darauf und
daran ruhet. Wenn es nun heißt πιστ_ ύειν εἰς
Χριστὸν, oder ὁ πίστις εἰς Χριστὸν, glauben, oder
der Glaube an CHriſtum, wird damit das
Sehnen, ſo auch ein geiſtlicher Hunger und
Durſt iſt, bezeichnet: heißt es hingegen ἡ πίστις
ἐν Χριστῷ, der Glaube in CHriſto, oder an
CHriſto, ſo wird damit ſonderlich auf die ver-
trauliche Ruhe, welche die Seele durch das
Verlangen in CHriſto ſuchet und findet, ge-
ſehen.
7. So bald ein Menſch rechtſchaffen be-
kehret wird, ſo gehet in ihm eine reine und zarte
Bruder-Liebe auf gegen alle wahre Kinder
GOttes, die er nur kennen lernet, oder von
denen er nur hoͤret. Welches iſt die geiſtliche
Gemeinſchaft der Glaͤubigen: daran ſie auch
ein Kennzeichen ihres Gnaden-Standes haben,
alſo, daß ſie ſich dadurch in Anfechtungen mit
aufrichten koͤnnen. Davon Johannes Ep. 1. c.
3. v. 14. ſpricht: Wir wiſſen, daß wir ſind
aus dem Tode in das Leben kommen: denn
wir lieben die Bruͤder. Jn ſolcher Gemein-
ſchaft ſtunden die Coloſſer: darum der Apoſtel
an ihnen die Liebe zu allen Heiligen ruͤhmet.
8. Man muß zwar niemanden ins Geſicht
loben, und eben ſo wenig ſchriftlich, in ſo fern
es nemlich aus einem falſchen Zwecke herkoͤmmt,
und das Lob an ſich auch ungegruͤndet iſt. Doch
findet die Bezeugung des Guten, deſſen man ſich
von einem andern verſichert haͤlt, gar wohl ſtatt,
wenn ſie zur Anzeige und zur Vermehrung des
guten
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