Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 1, v. 6-8. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
löset habe. Welche Lehre, so ungereimt sieauch ausser ihren rechten Gründen und ausser dem Zusammenhange der dazu gehörigen Leh- ren zu seyn schiene, so hoch vernünftig, weise, und kräftig erwiese sie sich doch, wenn sie recht erkannt wurde. b. Der Weg und die Ordnung, in welcher das Evangelium verkündiget wurde, und an- zunehmen war: welche war die Verleugnung seiner selbst und der Welt mit aller ihrer Lust und Herrlichkeit, und mit allen ihren Gü- tern. Und gleichwie die Gläubigen eines Theils allen solchen Dingen, so fern sie vor dem ihr Hertz daran gehänget und ihr höch- stes Gut darinnen gesuchet hatten, musten ab- sagen, so musten sie andern Theils das Creutz CHristi, und mit demselben so viel Schmach, ja den Tod selbst über sich nehmen. c. Die dazu gebrauchte Werckzeuge: welche waren wenige, und dazu geringe unansehnli- che Menschen, die weder mit grosser Auctorität, noch mit Verheissung der zeitlichen Güter und Ehren, oder Wollüste, noch mit gekünstelter Wohlredenheit, und noch viel weniger mit ei- nigem Zwang oder einiger List einen eintzigen Menschen zur Annehmung des Evangelii zu bringen und zu bereden gesuchet haben. d. Die Beschaffenheit der damaligen Welt, oder Menschen im Judenthum und Heiden- thum; die fast alle theils in der größten Blind- heit und im Unglauben, theils in dem tiefsten Aberglauben und der abscheulichsten Abgötte- rey steckten, und darinnen so verstricket waren, daß es unmöglich schiene, sie aus solchem Schlamm heraus zu ziehen und sie von solchen Banden zu befreyen: davon doch ihrer so viele tausend, ja so viele hundert tausend aufs kräf- tigste entbunden sind. e. Der schnelle Lauf des Evangelii: welcher von der Beschaffenheit war, daß Paulus schon zu seinen Zeiten schreiben konte, es sey in alle Welt gekommen; ja es sey geprediget al- ler Creatur, die unter dem Himmel ist v. 23. Wie denn die ältesten Kirchen-Lehrer, Tertullianus und Irenaeus im andern Seculo, dieses mit mehrern bekräftigen, und bezeugen, wie unter andern auch unser Teutschland schon dazumal hie und da Gemeinen CHristi gehabt habe. 3. Wer bey der Ausbreitung des Evan- gelii diefe fünf Umstände erweget; der muß ge- wiß erkennen und bekennen, daß es ein Wort der Wahrheit von recht göttlicher Kraft sey. Und dieser Character leuchtet daran so viel mehr hervor, so viel mehr man dabey erweget die grosse und herrliche Frucht, welche sich dadurch an unzehlbaren Menschen hervor gethan hat. Wel- che zuvorderst darinnen bestunde, daß sie gantz andere Menschen wurden von Hertzen, Muth, Sinn und allen Kräften, daß sie zuvorderst bey sich aller herrschenden Eigen- und Welt-Liebe mit aller übrigen herrschenden Sünde absturben, auch innerlich also erleuchtet und geheiliget wur- den, daß sie daher auch aller äusserlichen Abgöt- terey, und allem übrigen gottlosen Wesen gantz freywillig und beständig absagten, und nach ih- [Spaltenumbruch] rem innerlichen neuen Leben einen gantz neuen, weisen, tugendsamen, und nicht allein unanstös- sigen, sondern auch erbaulichen Wandel führe- ten. Wobey sie denn nicht allein äusserlich ein gutes Exempel gaben, und also das rechte Saltz der Erden waren, sondern auch innerlich das Reich GOttes bey sich hatten, und sich schon in dieser Welt für selig erkannten; und des ewi- gen Lebens, auch dabey der Auferstehung von den Todten, so versichert waren, daß sie auch die äusserste Marter nicht scheueten, und ihr irdi- sches Leben gern dahin gaben, und den Raub ih- rer Güter, als eine Kleinigkeit, mit Freuden er- duldeten. Wer diese Frucht bey der Ausbrei- tung des Evangelii recht erweget, der kan nicht anders, als darinnen einen gedoppelten Haupt- Character von desselben recht göttlichen Beschaf- fenheit erkennen. Und gewiß, wo alle Menschen das Evangelium bey sich, seiner Kraft nach, zu dieser Frucht kommen liessen, so würde man einen rechten Himmel schon auf Erden haben. Doch wird es noch einmal dahin kommen, daß der Wille GOttes, wie wir in der dritten Bitte be- ten, also auf Erden geschehe, wie im Him- mel. Wie wir unten in der Offenbarung Jo- hannis vernehmen werden. 4. Die Gnade GOttes in der Wahr- heit erkannt haben, das ist, dieselbe also er- kannt haben, daß man dadurch sey zum Glau- ben, als zum geistlichen Leben und geistlichen Lichte gebracht, und also recht erleuchtet wor- den. Und also schicket sich diese Erkäntniß in der Wahrheit zu dem Evangelio, als dem Worte der Wahrheit. V. 7. 8. Wie ihr denn gelernet habet von E- Anmerckungen. 1. Dieser Epaphras scheinet wol mit ab- gekürtzetem Namen eben der Epaphroditus zu seyn, dessen in dem Briefe an die Philipper gedacht wird c. 2, 25. u. f. doch ist es nicht ge- wiß; sondern es können auch wol zwo unter- schiedliche Personen gewesen seyn. 2. Das Lehren und Lernen war bey den ersten Christen rechter Art. Wie rein, ge- treulich und kräftig Epaphras muß gelehret haben, das siehet man aus dem, wie die Colos- ser so gar fruchtbarlich gelernet haben. 3. Man siehet aus dem Dienste dieses Epa- phrä, daß die ersten Christlichen Gemeinen nicht allein von den Aposteln, sondern auch von den Apostolischen Männern sind gepflantzet worden. 4. Die Liebe im Geiste ist nicht allein ei- ne geistliche Liebe, sondern dabey auch eine solche, die nur bloß dem Gemüthe nach gegen die, wel- che man von Person nicht kennet, geheget wird. Auf welche Art sich viele Glieder Christi im Gei- ste lieben, sonderlich unter rechtschafnen Lehrern in B b b b b 3
Cap. 1, v. 6-8. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
loͤſet habe. Welche Lehre, ſo ungereimt ſieauch auſſer ihren rechten Gruͤnden und auſſer dem Zuſammenhange der dazu gehoͤrigen Leh- ren zu ſeyn ſchiene, ſo hoch vernuͤnftig, weiſe, und kraͤftig erwieſe ſie ſich doch, wenn ſie recht erkannt wurde. b. Der Weg und die Ordnung, in welcher das Evangelium verkuͤndiget wurde, und an- zunehmen war: welche war die Verleugnung ſeiner ſelbſt und der Welt mit aller ihrer Luſt und Herrlichkeit, und mit allen ihren Guͤ- tern. Und gleichwie die Glaͤubigen eines Theils allen ſolchen Dingen, ſo fern ſie vor dem ihr Hertz daran gehaͤnget und ihr hoͤch- ſtes Gut darinnen geſuchet hatten, muſten ab- ſagen, ſo muſten ſie andern Theils das Creutz CHriſti, und mit demſelben ſo viel Schmach, ja den Tod ſelbſt uͤber ſich nehmen. c. Die dazu gebrauchte Werckzeuge: welche waren wenige, und dazu geringe unanſehnli- che Menſchen, die weder mit groſſer Auctoritaͤt, noch mit Verheiſſung der zeitlichen Guͤter und Ehren, oder Wolluͤſte, noch mit gekuͤnſtelter Wohlredenheit, und noch viel weniger mit ei- nigem Zwang oder einiger Liſt einen eintzigen Menſchen zur Annehmung des Evangelii zu bringen und zu bereden geſuchet haben. d. Die Beſchaffenheit der damaligen Welt, oder Menſchen im Judenthum und Heiden- thum; die faſt alle theils in der groͤßten Blind- heit und im Unglauben, theils in dem tiefſten Aberglauben und der abſcheulichſten Abgoͤtte- rey ſteckten, und darinnen ſo verſtricket waren, daß es unmoͤglich ſchiene, ſie aus ſolchem Schlamm heraus zu ziehen und ſie von ſolchen Banden zu befreyen: davon doch ihrer ſo viele tauſend, ja ſo viele hundert tauſend aufs kraͤf- tigſte entbunden ſind. e. Der ſchnelle Lauf des Evangelii: welcher von der Beſchaffenheit war, daß Paulus ſchon zu ſeinen Zeiten ſchreiben konte, es ſey in alle Welt gekommen; ja es ſey geprediget al- ler Creatur, die unter dem Himmel iſt v. 23. Wie denn die aͤlteſten Kirchen-Lehrer, Tertullianus und Irenæus im andern Seculo, dieſes mit mehrern bekraͤftigen, und bezeugen, wie unter andern auch unſer Teutſchland ſchon dazumal hie und da Gemeinen CHriſti gehabt habe. 3. Wer bey der Ausbreitung des Evan- gelii diefe fuͤnf Umſtaͤnde erweget; der muß ge- wiß erkennen und bekennen, daß es ein Wort der Wahrheit von recht goͤttlicher Kraft ſey. Und dieſer Character leuchtet daran ſo viel mehr hervor, ſo viel mehr man dabey erweget die groſſe und herrliche Frucht, welche ſich dadurch an unzehlbaren Menſchen hervor gethan hat. Wel- che zuvorderſt darinnen beſtunde, daß ſie gantz andere Menſchen wurden von Hertzen, Muth, Sinn und allen Kraͤften, daß ſie zuvorderſt bey ſich aller herrſchenden Eigen- und Welt-Liebe mit aller uͤbrigen herrſchenden Suͤnde abſturben, auch innerlich alſo erleuchtet und geheiliget wur- den, daß ſie daher auch aller aͤuſſerlichen Abgoͤt- terey, und allem uͤbrigen gottloſen Weſen gantz freywillig und beſtaͤndig abſagten, und nach ih- [Spaltenumbruch] rem innerlichen neuen Leben einen gantz neuen, weiſen, tugendſamen, und nicht allein unanſtoͤſ- ſigen, ſondern auch erbaulichen Wandel fuͤhre- ten. Wobey ſie denn nicht allein aͤuſſerlich ein gutes Exempel gaben, und alſo das rechte Saltz der Erden waren, ſondern auch innerlich das Reich GOttes bey ſich hatten, und ſich ſchon in dieſer Welt fuͤr ſelig erkannten; und des ewi- gen Lebens, auch dabey der Auferſtehung von den Todten, ſo verſichert waren, daß ſie auch die aͤuſſerſte Marter nicht ſcheueten, und ihr irdi- ſches Leben gern dahin gaben, und den Raub ih- rer Guͤter, als eine Kleinigkeit, mit Freuden er- duldeten. Wer dieſe Frucht bey der Ausbrei- tung des Evangelii recht erweget, der kan nicht anders, als darinnen einen gedoppelten Haupt- Character von deſſelben recht goͤttlichen Beſchaf- fenheit erkennen. Und gewiß, wo alle Menſchen das Evangelium bey ſich, ſeiner Kraft nach, zu dieſer Frucht kommen lieſſen, ſo wuͤrde man einen rechten Himmel ſchon auf Erden haben. Doch wird es noch einmal dahin kommen, daß der Wille GOttes, wie wir in der dritten Bitte be- ten, alſo auf Erden geſchehe, wie im Him- mel. Wie wir unten in der Offenbarung Jo- hannis vernehmen werden. 4. Die Gnade GOttes in der Wahr- heit erkannt haben, das iſt, dieſelbe alſo er- kannt haben, daß man dadurch ſey zum Glau- ben, als zum geiſtlichen Leben und geiſtlichen Lichte gebracht, und alſo recht erleuchtet wor- den. Und alſo ſchicket ſich dieſe Erkaͤntniß in der Wahrheit zu dem Evangelio, als dem Worte der Wahrheit. V. 7. 8. Wie ihr denn gelernet habet von E- Anmerckungen. 1. Dieſer Epaphras ſcheinet wol mit ab- gekuͤrtzetem Namen eben der Epaphroditus zu ſeyn, deſſen in dem Briefe an die Philipper gedacht wird c. 2, 25. u. f. doch iſt es nicht ge- wiß; ſondern es koͤnnen auch wol zwo unter- ſchiedliche Perſonen geweſen ſeyn. 2. Das Lehren und Lernen war bey den erſten Chriſten rechter Art. Wie rein, ge- treulich und kraͤftig Epaphras muß gelehret haben, das ſiehet man aus dem, wie die Coloſ- ſer ſo gar fruchtbarlich gelernet haben. 3. Man ſiehet aus dem Dienſte dieſes Epa- phraͤ, daß die erſten Chriſtlichen Gemeinen nicht allein von den Apoſteln, ſondern auch von den Apoſtoliſchen Maͤnnern ſind gepflantzet worden. 4. Die Liebe im Geiſte iſt nicht allein ei- ne geiſtliche Liebe, ſondern dabey auch eine ſolche, die nur bloß dem Gemuͤthe nach gegen die, wel- che man von Perſon nicht kennet, geheget wird. Auf welche Art ſich viele Glieder Chriſti im Gei- ſte lieben, ſonderlich unter rechtſchafnen Lehrern in B b b b b 3
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Cap. 1, v. 6-8. an die Coloſſer.
loͤſet habe. Welche Lehre, ſo ungereimt ſie
auch auſſer ihren rechten Gruͤnden und auſſer
dem Zuſammenhange der dazu gehoͤrigen Leh-
ren zu ſeyn ſchiene, ſo hoch vernuͤnftig, weiſe,
und kraͤftig erwieſe ſie ſich doch, wenn ſie recht
erkannt wurde.
b. Der Weg und die Ordnung, in welcher
das Evangelium verkuͤndiget wurde, und an-
zunehmen war: welche war die Verleugnung
ſeiner ſelbſt und der Welt mit aller ihrer
Luſt und Herrlichkeit, und mit allen ihren Guͤ-
tern. Und gleichwie die Glaͤubigen eines
Theils allen ſolchen Dingen, ſo fern ſie vor
dem ihr Hertz daran gehaͤnget und ihr hoͤch-
ſtes Gut darinnen geſuchet hatten, muſten ab-
ſagen, ſo muſten ſie andern Theils das Creutz
CHriſti, und mit demſelben ſo viel Schmach,
ja den Tod ſelbſt uͤber ſich nehmen.
c. Die dazu gebrauchte Werckzeuge: welche
waren wenige, und dazu geringe unanſehnli-
che Menſchen, die weder mit groſſer Auctoritaͤt,
noch mit Verheiſſung der zeitlichen Guͤter und
Ehren, oder Wolluͤſte, noch mit gekuͤnſtelter
Wohlredenheit, und noch viel weniger mit ei-
nigem Zwang oder einiger Liſt einen eintzigen
Menſchen zur Annehmung des Evangelii zu
bringen und zu bereden geſuchet haben.
d. Die Beſchaffenheit der damaligen Welt,
oder Menſchen im Judenthum und Heiden-
thum; die faſt alle theils in der groͤßten Blind-
heit und im Unglauben, theils in dem tiefſten
Aberglauben und der abſcheulichſten Abgoͤtte-
rey ſteckten, und darinnen ſo verſtricket waren,
daß es unmoͤglich ſchiene, ſie aus ſolchem
Schlamm heraus zu ziehen und ſie von ſolchen
Banden zu befreyen: davon doch ihrer ſo viele
tauſend, ja ſo viele hundert tauſend aufs kraͤf-
tigſte entbunden ſind.
e. Der ſchnelle Lauf des Evangelii: welcher
von der Beſchaffenheit war, daß Paulus ſchon
zu ſeinen Zeiten ſchreiben konte, es ſey in alle
Welt gekommen; ja es ſey geprediget al-
ler Creatur, die unter dem Himmel iſt
v. 23. Wie denn die aͤlteſten Kirchen-Lehrer,
Tertullianus und Irenæus im andern Seculo,
dieſes mit mehrern bekraͤftigen, und bezeugen,
wie unter andern auch unſer Teutſchland ſchon
dazumal hie und da Gemeinen CHriſti gehabt
habe.
3. Wer bey der Ausbreitung des Evan-
gelii diefe fuͤnf Umſtaͤnde erweget; der muß ge-
wiß erkennen und bekennen, daß es ein Wort
der Wahrheit von recht goͤttlicher Kraft ſey.
Und dieſer Character leuchtet daran ſo viel mehr
hervor, ſo viel mehr man dabey erweget die groſſe
und herrliche Frucht, welche ſich dadurch an
unzehlbaren Menſchen hervor gethan hat. Wel-
che zuvorderſt darinnen beſtunde, daß ſie gantz
andere Menſchen wurden von Hertzen, Muth,
Sinn und allen Kraͤften, daß ſie zuvorderſt bey
ſich aller herrſchenden Eigen- und Welt-Liebe
mit aller uͤbrigen herrſchenden Suͤnde abſturben,
auch innerlich alſo erleuchtet und geheiliget wur-
den, daß ſie daher auch aller aͤuſſerlichen Abgoͤt-
terey, und allem uͤbrigen gottloſen Weſen gantz
freywillig und beſtaͤndig abſagten, und nach ih-
rem innerlichen neuen Leben einen gantz neuen,
weiſen, tugendſamen, und nicht allein unanſtoͤſ-
ſigen, ſondern auch erbaulichen Wandel fuͤhre-
ten. Wobey ſie denn nicht allein aͤuſſerlich ein
gutes Exempel gaben, und alſo das rechte Saltz
der Erden waren, ſondern auch innerlich das
Reich GOttes bey ſich hatten, und ſich ſchon
in dieſer Welt fuͤr ſelig erkannten; und des ewi-
gen Lebens, auch dabey der Auferſtehung von
den Todten, ſo verſichert waren, daß ſie auch die
aͤuſſerſte Marter nicht ſcheueten, und ihr irdi-
ſches Leben gern dahin gaben, und den Raub ih-
rer Guͤter, als eine Kleinigkeit, mit Freuden er-
duldeten. Wer dieſe Frucht bey der Ausbrei-
tung des Evangelii recht erweget, der kan nicht
anders, als darinnen einen gedoppelten Haupt-
Character von deſſelben recht goͤttlichen Beſchaf-
fenheit erkennen. Und gewiß, wo alle Menſchen
das Evangelium bey ſich, ſeiner Kraft nach, zu
dieſer Frucht kommen lieſſen, ſo wuͤrde man einen
rechten Himmel ſchon auf Erden haben. Doch
wird es noch einmal dahin kommen, daß der
Wille GOttes, wie wir in der dritten Bitte be-
ten, alſo auf Erden geſchehe, wie im Him-
mel. Wie wir unten in der Offenbarung Jo-
hannis vernehmen werden.
4. Die Gnade GOttes in der Wahr-
heit erkannt haben, das iſt, dieſelbe alſo er-
kannt haben, daß man dadurch ſey zum Glau-
ben, als zum geiſtlichen Leben und geiſtlichen
Lichte gebracht, und alſo recht erleuchtet wor-
den. Und alſo ſchicket ſich dieſe Erkaͤntniß in
der Wahrheit zu dem Evangelio, als dem
Worte der Wahrheit.
V. 7. 8.
Wie ihr denn gelernet habet von E-
paphra, unſerm lieben Mit-Diener, wel-
cher iſt ein treuer Diener Chriſti fuͤr euch,
der uns auch hat eroͤffnet eure Liebe im
Geiſte (da ihr mich nach dem Fleiſche noch nie
geſehen habt.)
Anmerckungen.
1. Dieſer Epaphras ſcheinet wol mit ab-
gekuͤrtzetem Namen eben der Epaphroditus
zu ſeyn, deſſen in dem Briefe an die Philipper
gedacht wird c. 2, 25. u. f. doch iſt es nicht ge-
wiß; ſondern es koͤnnen auch wol zwo unter-
ſchiedliche Perſonen geweſen ſeyn.
2. Das Lehren und Lernen war bey
den erſten Chriſten rechter Art. Wie rein, ge-
treulich und kraͤftig Epaphras muß gelehret
haben, das ſiehet man aus dem, wie die Coloſ-
ſer ſo gar fruchtbarlich gelernet haben.
3. Man ſiehet aus dem Dienſte dieſes Epa-
phraͤ, daß die erſten Chriſtlichen Gemeinen nicht
allein von den Apoſteln, ſondern auch von den
Apoſtoliſchen Maͤnnern ſind gepflantzet worden.
4. Die Liebe im Geiſte iſt nicht allein ei-
ne geiſtliche Liebe, ſondern dabey auch eine ſolche,
die nur bloß dem Gemuͤthe nach gegen die, wel-
che man von Perſon nicht kennet, geheget wird.
Auf welche Art ſich viele Glieder Chriſti im Gei-
ſte lieben, ſonderlich unter rechtſchafnen Lehrern
in
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