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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 8. 9.
[Spaltenumbruch] wendigkeit aller Dinge und Begebenheiten
gehen: so fliesset denn dieses gedoppelte Fa-
tum
in das neue Systema zusammen, und ma-
chet daraus ein solches Monstrum, dergleichen
noch nie ist erhöret worden, so lange die Welt
stehet. Demselben aber einigen Schein zu
geben, stellet man darinnen den Menschen
nach Leib und Seele, mit verläugneter
derselben natürlichen Vereinigung, vor, als
ein gedoppeltes Uhrwerck, davon zwar ein
iedes alles vor sich allein in seinen Verände-
rungen und Handlungen thue und leide, und
zwar nothwendiger und unwandelbarer Wei-
se, wie eines Uhrwercks Natur mit sich brin-
get; aber doch eines mit der andern in der ge-
nauesten Harmonie stehe, welche man praesta-
bilitam
nennet, und, damit auch GOtt bey
diesem neuen Systemate etwas zu thun habe,
die praestabilition GOtt zueignet. Und ist
also die also genannte harmonia praestabilita das
Centrum des gantzen Systematis.
f. Und was die Lehre von GOtt und der natür-
lichen Religion
betrift; so wird davon zwar
ein solches Geprale gemachet, als wenn es die-
ses Systema darinnen an der Richtigkeit allen
andern zuvor thäte: wenn man es aber recht
beym Lichte besiehet, so ist alles von Anfang
bis zu Ende grund falsch und daran nichts ge-
sundes: sondern es sind die Definitiones von
GOtt und seinen wesentlichen Eigenschaften
also beschaffen, daß sie einen nichts als eine
Chimaere vorstellen, und zur Verläugnung
GOttes und aller natürlichen Religion ver-
möge richtiger Vernunfts-Schlüsse gereichen.
Und also ists ein Systema, darinnen der Athei-
smus
unter einem scheinbaren und präch-
tigen Gebäude der natürlichen Religion
aufgerichtet, und denn zu noch mehrer
Bevestigung um und um gleichsam mit
der hohen und starcken Mauer des un-
geheuren und alle
Moralität über einen
Haufen werfenden
Fati verwahret ist:
zu welches philosophischen Babels Umstür-
tzung aber kein Sturm und Platz-Regen nö-
thig, sondern auch nur, also zu reden, eine
Hand voll natürlicher und göttlicher Weisheit
hinlänglich ist. Meine dagegen edirte sieben
Schriften sind nicht unbekant, nemlich Caussa
Dei
tomi primi, Modesta Disquisitio, Vindicia
Disquisitionis,
Ausführliche Entdeckung,
Ausführliche
Recension aller von andern Au-
ctoribus
wider dieses Systema heraus gegebe-
nen Schriften, und denn endlich Idea & Ana-
tome.
Welcher gestalt diese Pseudophiloso-
phi
e und lose Verführung einen sehr ungnä-
digen Abschied bekommen habe, und wie hart
auf den vier Königl. Preuß. Universitäten der
Gebrauch der dazu verleitenden Bücher sey
verboten worden, ist auch nicht unbekant.
V. 9.

Denn in ihm wohnet die gantze Fülle
der Gottheit leibhaftig.

Anmerckungen.
1. Zuvorderst ist alhier die Verbindung die-
[Spaltenumbruch] ses und zugleich des folgenden zehenden Verses
wohl zu mercken. Es hatte der Apostel die Co-
losser vor der Philosophie, als einer solchen Ver-
führung, die zwar vieles vorgebe, aber gar leer
sey, nichts in sich halte und mittheile; und zugleich
auch vor den ohne CHristum betrachteten dürf-
tigen Satzungen des Mosaischen Gottes-Dien-
stes, als welche eben so wenig zur Seligkeit hel-
fen könten, gewarnet. Dieser Warnung giebt
er nun damit den rechten Nachdruck, daß er da-
gegen anzeiget, daß, an statt des leeren philoso-
phi
schen und Mosaischen Wesens, in CHristo,
der wesentlichen und selbstständigen Weisheit,
die Fülle der Gottheit, im Gegenbilde auf alles
Schattenwerck des alten Testaments, vermöge
der persönlichen Vereinigung beyder Naturen,
dergestalt würcklich wohne, daß die Gläubigen
solcher Fülle in ihrer Masse auch selbst aus seiner
Mittheilung theilhaftig würden, und daher die
Seligkeit erlangten, und folglich nicht nöthig
hätten, dieselbe in der leeren Philosophie und in
dem dürftigen Wesen des Mosaischen äusserli-
chen Gottes-Dienstes zu suchen; als darinn
nichts weniger zu finden sey.
2. Es sind in diesem kurtzen, aber sehr wich-
tigen Spruche, alle Worte, um den Nachdruck
desselben recht zu erkennen, wohl zu mercken.
Da nun dieser Ort diesen Satz in sich hält: Die
Fülle der Gottheit wohnet in CHristo leib-
haftig;
so haben wir erstlich zu betrachten, was
da sey die Fülle der Gottheit; und denn, wie
diese in CHristo wohne;
und zwar, der Art
und Weise nach, somatikos, leibhaftig.
3. Die Gottheit ist das göttliche Wesen,
oder die göttliche Natur, dadurch GOtt ist, was
er ist, und dadurch er auch als GOTT erkannt
wird. Die Fülle der Gottheit zeiget zuvorderst
an die Unendlichkeit des Wesens, und dabey
alle besondere Eigenschaften, die von unendlicher
Vollkommenheit sind. Denn man mag sich von
den GOtt zukommenden, oder zu seinem Wesen
gehörigen, Attributis, Eigenschaften, vorstellen,
welche man nur will, so ist eine iede voll, oder
vollkommen und unendlich, und machen alle sol-
che Vollkommenheiten eine solche unendliche
(also nach unserm schwachen Begriff davon zu re-
den) Fülle, oder im geistlichen Verstande genom-
mene Tiefe und Höhe, Weite und Breite aus,
welche wie ein unendliches Meer der Herrlich-
keit ist, und über allen unsern Verstand gehet.
Welchen Nachdruck anzuzeigen der Apostel zu
dem Worte Fülle das Wort pan setzet, und
spricht alle Fülle.
4. Von dieser Fülle der Gottheit wird nun
gesaget, daß sie wohne in CHristo. Da denn
das Wort CHristus zwar von der gantzen Per-
son
unsers Heilandes zu verstehen; aber das Ab-
sehen doch eigentlich darunter auf die men schliche
Natur gerichtet ist: sintemal CHristus alhier
also muß angesehen werden, daß die göttliche
Natur in ihm hat wohnen können; welche aber
nicht in sich selbst wohnen konte, sondern in der
menschlichen Natur; welche alhier deßwegen
mit dem auf die gantze Person gehenden Worte
bezeichnet wird, weil sie nach der persönlichen
Ver-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 8. 9.
[Spaltenumbruch] wendigkeit aller Dinge und Begebenheiten
gehen: ſo flieſſet denn dieſes gedoppelte Fa-
tum
in das neue Syſtema zuſammen, und ma-
chet daraus ein ſolches Monſtrum, dergleichen
noch nie iſt erhoͤret worden, ſo lange die Welt
ſtehet. Demſelben aber einigen Schein zu
geben, ſtellet man darinnen den Menſchen
nach Leib und Seele, mit verlaͤugneter
derſelben natuͤrlichen Vereinigung, vor, als
ein gedoppeltes Uhrwerck, davon zwar ein
iedes alles vor ſich allein in ſeinen Veraͤnde-
rungen und Handlungen thue und leide, und
zwar nothwendiger und unwandelbarer Wei-
ſe, wie eines Uhrwercks Natur mit ſich brin-
get; aber doch eines mit der andern in der ge-
naueſten Harmonie ſtehe, welche man præſta-
bilitam
nennet, und, damit auch GOtt bey
dieſem neuen Syſtemate etwas zu thun habe,
die præſtabilition GOtt zueignet. Und iſt
alſo die alſo genannte harmonia præſtabilita das
Centrum des gantzen Syſtematis.
f. Und was die Lehre von GOtt und der natuͤr-
lichen Religion
betrift; ſo wird davon zwar
ein ſolches Geprale gemachet, als wenn es die-
ſes Syſtema darinnen an der Richtigkeit allen
andern zuvor thaͤte: wenn man es aber recht
beym Lichte beſiehet, ſo iſt alles von Anfang
bis zu Ende grund falſch und daran nichts ge-
ſundes: ſondern es ſind die Definitiones von
GOtt und ſeinen weſentlichen Eigenſchaften
alſo beſchaffen, daß ſie einen nichts als eine
Chimære vorſtellen, und zur Verlaͤugnung
GOttes und aller natuͤrlichen Religion ver-
moͤge richtiger Vernunfts-Schluͤſſe gereichen.
Und alſo iſts ein Syſtema, darinnen der Athei-
ſmus
unter einem ſcheinbaren und praͤch-
tigen Gebaͤude der natuͤrlichen Religion
aufgerichtet, und denn zu noch mehrer
Beveſtigung um und um gleichſam mit
der hohen und ſtarcken Mauer des un-
geheuren und alle
Moralitaͤt uͤber einen
Haufen werfenden
Fati verwahret iſt:
zu welches philoſophiſchen Babels Umſtuͤr-
tzung aber kein Sturm und Platz-Regen noͤ-
thig, ſondern auch nur, alſo zu reden, eine
Hand voll natuͤrlicher und goͤttlicher Weisheit
hinlaͤnglich iſt. Meine dagegen edirte ſieben
Schriften ſind nicht unbekant, nemlich Cauſſa
Dei
tomi primi, Modeſta Disquiſitio, Vindicia
Disquiſitionis,
Ausfuͤhrliche Entdeckung,
Ausfuͤhrliche
Recenſion aller von andern Au-
ctoribus
wider dieſes Syſtema heraus gegebe-
nen Schriften, und denn endlich Idea & Ana-
tome.
Welcher geſtalt dieſe Pſeudophiloſo-
phi
e und loſe Verfuͤhrung einen ſehr ungnaͤ-
digen Abſchied bekommen habe, und wie hart
auf den vier Koͤnigl. Preuß. Univerſitaͤten der
Gebrauch der dazu verleitenden Buͤcher ſey
verboten worden, iſt auch nicht unbekant.
V. 9.

Denn in ihm wohnet die gantze Fuͤlle
der Gottheit leibhaftig.

Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt alhier die Verbindung die-
[Spaltenumbruch] ſes und zugleich des folgenden zehenden Verſes
wohl zu mercken. Es hatte der Apoſtel die Co-
loſſer vor der Philoſophie, als einer ſolchen Ver-
fuͤhrung, die zwar vieles vorgebe, aber gar leer
ſey, nichts in ſich halte und mittheile; und zugleich
auch vor den ohne CHriſtum betrachteten duͤrf-
tigen Satzungen des Moſaiſchen Gottes-Dien-
ſtes, als welche eben ſo wenig zur Seligkeit hel-
fen koͤnten, gewarnet. Dieſer Warnung giebt
er nun damit den rechten Nachdruck, daß er da-
gegen anzeiget, daß, an ſtatt des leeren philoſo-
phi
ſchen und Moſaiſchen Weſens, in CHriſto,
der weſentlichen und ſelbſtſtaͤndigen Weisheit,
die Fuͤlle der Gottheit, im Gegenbilde auf alles
Schattenwerck des alten Teſtaments, vermoͤge
der perſoͤnlichen Vereinigung beyder Naturen,
dergeſtalt wuͤrcklich wohne, daß die Glaͤubigen
ſolcher Fuͤlle in ihrer Maſſe auch ſelbſt aus ſeiner
Mittheilung theilhaftig wuͤrden, und daher die
Seligkeit erlangten, und folglich nicht noͤthig
haͤtten, dieſelbe in der leeren Philoſophie und in
dem duͤrftigen Weſen des Moſaiſchen aͤuſſerli-
chen Gottes-Dienſtes zu ſuchen; als darinn
nichts weniger zu finden ſey.
2. Es ſind in dieſem kurtzen, aber ſehr wich-
tigen Spruche, alle Worte, um den Nachdruck
deſſelben recht zu erkennen, wohl zu mercken.
Da nun dieſer Ort dieſen Satz in ſich haͤlt: Die
Fuͤlle der Gottheit wohnet in CHriſto leib-
haftig;
ſo haben wir erſtlich zu betrachten, was
da ſey die Fuͤlle der Gottheit; und denn, wie
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und zwar, der Art
und Weiſe nach, σωματικῶς, leibhaftig.
3. Die Gottheit iſt das goͤttliche Weſen,
oder die goͤttliche Natur, dadurch GOtt iſt, was
er iſt, und dadurch er auch als GOTT erkannt
wird. Die Fuͤlle der Gottheit zeiget zuvorderſt
an die Unendlichkeit des Weſens, und dabey
alle beſondere Eigenſchaften, die von unendlicher
Vollkommenheit ſind. Denn man mag ſich von
den GOtt zukommenden, oder zu ſeinem Weſen
gehoͤrigen, Attributis, Eigenſchaften, vorſtellen,
welche man nur will, ſo iſt eine iede voll, oder
vollkommen und unendlich, und machen alle ſol-
che Vollkommenheiten eine ſolche unendliche
(alſo nach unſerm ſchwachen Begriff davon zu re-
den) Fuͤlle, oder im geiſtlichen Verſtande genom-
mene Tiefe und Hoͤhe, Weite und Breite aus,
welche wie ein unendliches Meer der Herrlich-
keit iſt, und uͤber allen unſern Verſtand gehet.
Welchen Nachdruck anzuzeigen der Apoſtel zu
dem Worte Fuͤlle das Wort πᾶν ſetzet, und
ſpricht alle Fuͤlle.
4. Von dieſer Fuͤlle der Gottheit wird nun
geſaget, daß ſie wohne in CHriſto. Da denn
das Wort CHriſtus zwar von der gantzen Per-
ſon
unſers Heilandes zu verſtehen; aber das Ab-
ſehen doch eigentlich darunter auf die men ſchliche
Natur gerichtet iſt: ſintemal CHriſtus alhier
alſo muß angeſehen werden, daß die goͤttliche
Natur in ihm hat wohnen koͤnnen; welche aber
nicht in ſich ſelbſt wohnen konte, ſondern in der
menſchlichen Natur; welche alhier deßwegen
mit dem auf die gantze Perſon gehenden Worte
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[778/0806] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 8. 9. wendigkeit aller Dinge und Begebenheiten gehen: ſo flieſſet denn dieſes gedoppelte Fa- tum in das neue Syſtema zuſammen, und ma- chet daraus ein ſolches Monſtrum, dergleichen noch nie iſt erhoͤret worden, ſo lange die Welt ſtehet. Demſelben aber einigen Schein zu geben, ſtellet man darinnen den Menſchen nach Leib und Seele, mit verlaͤugneter derſelben natuͤrlichen Vereinigung, vor, als ein gedoppeltes Uhrwerck, davon zwar ein iedes alles vor ſich allein in ſeinen Veraͤnde- rungen und Handlungen thue und leide, und zwar nothwendiger und unwandelbarer Wei- ſe, wie eines Uhrwercks Natur mit ſich brin- get; aber doch eines mit der andern in der ge- naueſten Harmonie ſtehe, welche man præſta- bilitam nennet, und, damit auch GOtt bey dieſem neuen Syſtemate etwas zu thun habe, die præſtabilition GOtt zueignet. Und iſt alſo die alſo genannte harmonia præſtabilita das Centrum des gantzen Syſtematis. f. Und was die Lehre von GOtt und der natuͤr- lichen Religion betrift; ſo wird davon zwar ein ſolches Geprale gemachet, als wenn es die- ſes Syſtema darinnen an der Richtigkeit allen andern zuvor thaͤte: wenn man es aber recht beym Lichte beſiehet, ſo iſt alles von Anfang bis zu Ende grund falſch und daran nichts ge- ſundes: ſondern es ſind die Definitiones von GOtt und ſeinen weſentlichen Eigenſchaften alſo beſchaffen, daß ſie einen nichts als eine Chimære vorſtellen, und zur Verlaͤugnung GOttes und aller natuͤrlichen Religion ver- moͤge richtiger Vernunfts-Schluͤſſe gereichen. Und alſo iſts ein Syſtema, darinnen der Athei- ſmus unter einem ſcheinbaren und praͤch- tigen Gebaͤude der natuͤrlichen Religion aufgerichtet, und denn zu noch mehrer Beveſtigung um und um gleichſam mit der hohen und ſtarcken Mauer des un- geheuren und alle Moralitaͤt uͤber einen Haufen werfenden Fati verwahret iſt: zu welches philoſophiſchen Babels Umſtuͤr- tzung aber kein Sturm und Platz-Regen noͤ- thig, ſondern auch nur, alſo zu reden, eine Hand voll natuͤrlicher und goͤttlicher Weisheit hinlaͤnglich iſt. Meine dagegen edirte ſieben Schriften ſind nicht unbekant, nemlich Cauſſa Dei tomi primi, Modeſta Disquiſitio, Vindicia Disquiſitionis, Ausfuͤhrliche Entdeckung, Ausfuͤhrliche Recenſion aller von andern Au- ctoribus wider dieſes Syſtema heraus gegebe- nen Schriften, und denn endlich Idea & Ana- tome. Welcher geſtalt dieſe Pſeudophiloſo- phie und loſe Verfuͤhrung einen ſehr ungnaͤ- digen Abſchied bekommen habe, und wie hart auf den vier Koͤnigl. Preuß. Univerſitaͤten der Gebrauch der dazu verleitenden Buͤcher ſey verboten worden, iſt auch nicht unbekant. V. 9. Denn in ihm wohnet die gantze Fuͤlle der Gottheit leibhaftig. Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt alhier die Verbindung die- ſes und zugleich des folgenden zehenden Verſes wohl zu mercken. Es hatte der Apoſtel die Co- loſſer vor der Philoſophie, als einer ſolchen Ver- fuͤhrung, die zwar vieles vorgebe, aber gar leer ſey, nichts in ſich halte und mittheile; und zugleich auch vor den ohne CHriſtum betrachteten duͤrf- tigen Satzungen des Moſaiſchen Gottes-Dien- ſtes, als welche eben ſo wenig zur Seligkeit hel- fen koͤnten, gewarnet. Dieſer Warnung giebt er nun damit den rechten Nachdruck, daß er da- gegen anzeiget, daß, an ſtatt des leeren philoſo- phiſchen und Moſaiſchen Weſens, in CHriſto, der weſentlichen und ſelbſtſtaͤndigen Weisheit, die Fuͤlle der Gottheit, im Gegenbilde auf alles Schattenwerck des alten Teſtaments, vermoͤge der perſoͤnlichen Vereinigung beyder Naturen, dergeſtalt wuͤrcklich wohne, daß die Glaͤubigen ſolcher Fuͤlle in ihrer Maſſe auch ſelbſt aus ſeiner Mittheilung theilhaftig wuͤrden, und daher die Seligkeit erlangten, und folglich nicht noͤthig haͤtten, dieſelbe in der leeren Philoſophie und in dem duͤrftigen Weſen des Moſaiſchen aͤuſſerli- chen Gottes-Dienſtes zu ſuchen; als darinn nichts weniger zu finden ſey. 2. Es ſind in dieſem kurtzen, aber ſehr wich- tigen Spruche, alle Worte, um den Nachdruck deſſelben recht zu erkennen, wohl zu mercken. Da nun dieſer Ort dieſen Satz in ſich haͤlt: Die Fuͤlle der Gottheit wohnet in CHriſto leib- haftig; ſo haben wir erſtlich zu betrachten, was da ſey die Fuͤlle der Gottheit; und denn, wie dieſe in CHriſto wohne; und zwar, der Art und Weiſe nach, σωματικῶς, leibhaftig. 3. Die Gottheit iſt das goͤttliche Weſen, oder die goͤttliche Natur, dadurch GOtt iſt, was er iſt, und dadurch er auch als GOTT erkannt wird. Die Fuͤlle der Gottheit zeiget zuvorderſt an die Unendlichkeit des Weſens, und dabey alle beſondere Eigenſchaften, die von unendlicher Vollkommenheit ſind. Denn man mag ſich von den GOtt zukommenden, oder zu ſeinem Weſen gehoͤrigen, Attributis, Eigenſchaften, vorſtellen, welche man nur will, ſo iſt eine iede voll, oder vollkommen und unendlich, und machen alle ſol- che Vollkommenheiten eine ſolche unendliche (alſo nach unſerm ſchwachen Begriff davon zu re- den) Fuͤlle, oder im geiſtlichen Verſtande genom- mene Tiefe und Hoͤhe, Weite und Breite aus, welche wie ein unendliches Meer der Herrlich- keit iſt, und uͤber allen unſern Verſtand gehet. Welchen Nachdruck anzuzeigen der Apoſtel zu dem Worte Fuͤlle das Wort πᾶν ſetzet, und ſpricht alle Fuͤlle. 4. Von dieſer Fuͤlle der Gottheit wird nun geſaget, daß ſie wohne in CHriſto. Da denn das Wort CHriſtus zwar von der gantzen Per- ſon unſers Heilandes zu verſtehen; aber das Ab- ſehen doch eigentlich darunter auf die men ſchliche Natur gerichtet iſt: ſintemal CHriſtus alhier alſo muß angeſehen werden, daß die goͤttliche Natur in ihm hat wohnen koͤnnen; welche aber nicht in ſich ſelbſt wohnen konte, ſondern in der menſchlichen Natur; welche alhier deßwegen mit dem auf die gantze Perſon gehenden Worte bezeichnet wird, weil ſie nach der perſoͤnlichen Ver-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 778. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/806>, abgerufen am 24.11.2024.