Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 4, v. 2 3. an die Römer. [Spaltenumbruch]
26.) daß er funden (erlanget) habe, (fürsich und seine Nachkommen im Jüdenthum,) nach dem Fleisch, (ausser dem Meßia, nach eignem Verdienste seiner Opfer und Wercke in seinem Gottesdienste und übrigen Leben, auch nach dem Vorrechte der Beschneidung. d. i. er hat solcher Gestalt nichts gefunden, oder vor sich gehabt.) Anmerckung. 1. Wie sehr und vergeblich die Juden auf V. 2. Das sagen wir: Jst Abraham durch Anmerckungen. 1. Ein anders ist gerechtfertiget, oder für gerecht erkannt und gepriesen werden vor und von Menschen; ein anders vor und von GOtt: als auf welchen Unterscheid Paulus alhier weiset. 2. Jenes kan geschehen aus den Wercken; als welche ie rechtschaffner sie sind, ie mehr fal- len sie den Menschen ins Auge, und gereichen zum wohlverdienten Nachruhm. Dieses aber, nemlich vor GOtt für gerecht erkannt werden, nemlich also, daß GOtt nichts verdammliches mehr, sondern dasjenige an uns finde, womit wir vor seinem Gerichte ohne den Glauben an den Meßiam bestehen könten, kan aus den [Spaltenumbruch] Wercken nicht geschehen, oder durch die Wer- cke nicht erhalten werden: sintemal sie theils gar zu unvollkommen sind, wenn sie auch gleich die rechte Güte in sich haben; theils auch nicht aus unsern eignen Kräften herrühren, sondern aus der Gnaden-Kraft GOttes; und also nicht so wol unsere eigene Wercke, die uns selig machen könten, als GOttes Wercke in uns sind, die von der aus Gnaden in Christo zubereiteten auch schon zugeeigneten Seligkeit zeugen. 3. Paulus weiset uns alhie dergestalt auf den Unterscheid vom gerecht oder gerechtfertiget werden von und vor Menschen, und vor und von GOtt, daß er jenes dem Abraham gar nicht abspricht, sondern vielmehr beyleget, dieses aber ihm aberkennet. 4. Und auf diese Art läßt sich Pauli Aus- spruch mit dem Ausspruche Jacobi von der Rechtfertigung Abrahams gar wohl conciliiren. Denn was alhie Paulus dem Abraham von der Rechtfertigung aus den Wercken vor und von Menschen so gar nicht abspricht, daß er es ih- me vielmehr nicht undeutlich zuschreibet, davon handelt Jacobus c. 2, 21. 22. mit mehrern; sonderlich da er sahe, daß so manche sich nur falschlich auf Abrahams Glauben beriefen, aber ihren Glauben gar nicht durch die Wercke vor Menschen erwiesen, und mit solchem ihrem ein- gebildeten und gantz lieb- und wercklosen Glauben vor GOtt bestehen und selig werden wolten. 5. Und solcher Gestalt sehen wir den eigent- lichen Verstand der Worte Jacobi, wenn er c. 2, 20. spricht: Jst nicht Abraham, unser Vater, durch die Wercke gerecht (erfunden erkannt und gerühmet) worden (vor und von Menschen) als er seinen Sohn auf dem Al- tar opferte (und mit solchem seinem Gehorsam seinen Glauben an den Meßiam, und also auch die geschenckte Glaubens-Gerechtigkeit erwies? Ein mehrers davon sehe man in der Auslegung der Epistel Jacobi an solchem Orte. V. 3. Denn was saget die Schrift (Gen 15, menen H 2
Cap. 4, v. 2 3. an die Roͤmer. [Spaltenumbruch]
26.) daß er funden (erlanget) habe, (fuͤrſich und ſeine Nachkommen im Juͤdenthum,) nach dem Fleiſch, (auſſer dem Meßia, nach eignem Verdienſte ſeiner Opfer und Wercke in ſeinem Gottesdienſte und uͤbrigen Leben, auch nach dem Vorrechte der Beſchneidung. d. i. er hat ſolcher Geſtalt nichts gefunden, oder vor ſich gehabt.) Anmerckung. 1. Wie ſehr und vergeblich die Juden auf V. 2. Das ſagen wir: Jſt Abraham durch Anmerckungen. 1. Ein anders iſt gerechtfertiget, oder fuͤr gerecht erkannt und geprieſen werden vor und von Menſchen; ein anders vor und von GOtt: als auf welchen Unterſcheid Paulus alhier weiſet. 2. Jenes kan geſchehen aus den Wercken; als welche ie rechtſchaffner ſie ſind, ie mehr fal- len ſie den Menſchen ins Auge, und gereichen zum wohlverdienten Nachruhm. Dieſes aber, nemlich vor GOtt fuͤr gerecht erkannt werden, nemlich alſo, daß GOtt nichts verdammliches mehr, ſondern dasjenige an uns finde, womit wir vor ſeinem Gerichte ohne den Glauben an den Meßiam beſtehen koͤnten, kan aus den [Spaltenumbruch] Wercken nicht geſchehen, oder durch die Wer- cke nicht erhalten werden: ſintemal ſie theils gar zu unvollkommen ſind, wenn ſie auch gleich die rechte Guͤte in ſich haben; theils auch nicht aus unſern eignen Kraͤften herruͤhren, ſondern aus der Gnaden-Kraft GOttes; und alſo nicht ſo wol unſere eigene Wercke, die uns ſelig machen koͤnten, als GOttes Wercke in uns ſind, die von der aus Gnaden in Chriſto zubereiteten auch ſchon zugeeigneten Seligkeit zeugen. 3. Paulus weiſet uns alhie dergeſtalt auf den Unterſcheid vom gerecht oder gerechtfertiget werden von und vor Menſchen, und vor und von GOtt, daß er jenes dem Abraham gar nicht abſpricht, ſondern vielmehr beyleget, dieſes aber ihm aberkennet. 4. Und auf dieſe Art laͤßt ſich Pauli Aus- ſpruch mit dem Ausſpruche Jacobi von der Rechtfertigung Abrahams gar wohl conciliiren. Denn was alhie Paulus dem Abraham von der Rechtfertigung aus den Wercken vor und von Menſchen ſo gar nicht abſpricht, daß er es ih- me vielmehr nicht undeutlich zuſchreibet, davon handelt Jacobus c. 2, 21. 22. mit mehrern; ſonderlich da er ſahe, daß ſo manche ſich nur falſchlich auf Abrahams Glauben beriefen, aber ihren Glauben gar nicht durch die Wercke vor Menſchen erwieſen, und mit ſolchem ihrem ein- gebildeten und gantz lieb- und werckloſen Glauben vor GOtt beſtehen und ſelig werden wolten. 5. Und ſolcher Geſtalt ſehen wir den eigent- lichen Verſtand der Worte Jacobi, wenn er c. 2, 20. ſpricht: Jſt nicht Abraham, unſer Vater, durch die Wercke gerecht (erfunden erkannt und geruͤhmet) worden (vor und von Menſchen) als er ſeinen Sohn auf dem Al- tar opferte (und mit ſolchem ſeinem Gehorſam ſeinen Glauben an den Meßiam, und alſo auch die geſchenckte Glaubens-Gerechtigkeit erwies? Ein mehrers davon ſehe man in der Auslegung der Epiſtel Jacobi an ſolchem Orte. V. 3. Denn was ſaget die Schrift (Gen 15, menen H 2
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Cap. 4, v. 2 3. an die Roͤmer.
26.) daß er funden (erlanget) habe, (fuͤr
ſich und ſeine Nachkommen im Juͤdenthum,)
nach dem Fleiſch, (auſſer dem Meßia, nach
eignem Verdienſte ſeiner Opfer und Wercke in
ſeinem Gottesdienſte und uͤbrigen Leben, auch
nach dem Vorrechte der Beſchneidung. d. i. er
hat ſolcher Geſtalt nichts gefunden, oder vor ſich
gehabt.)
Anmerckung.
1. Wie ſehr und vergeblich die Juden auf
Abraham, als ihren Stamm-Vater, ſich ver-
laſſen, und ſich ſeiner geruͤhmet haben, ſiehet
man ſonderlich Matth. 3, 9. da unſer Heiland
ihnen ſolche falſche Stuͤtze hinweg nimmt, wenn
er ſpricht: Dencket nur nicht, daß ihr bey
euch ſagen wollet: wir haben Abraham
zum Vater, u. ſ. w. Jmgleichen Joh. 6, 33.
da ſie Chriſto gegen die bezeugete Wahrheit ant-
worteten: Wir ſind Abrahams Saamen ‒ ‒
Ferner v. 39. Abraham iſt unſer Vater.
Darauf unſer Heiland ſpricht: Wenn ihr
Abrahams Kinder waͤret, ſo thaͤtet ihr
Abrahams Wercke u. ſ. f. Daß die Redens-
Art nach dem Fleiſche alhie von dem aͤuſſerli-
chen Stande und deſſen Juͤdiſchen Vorrechten
verſtanden wird, ſiehet man aus der Sache
ſelbſt und andern Schrift-Stellen, als 1 Cor. 1,
26. c. 10, 18. 2 Cor. 5, 16. Gal. 3, 3. c. 6, 12.
13. Phil. 3, 3. 4. Siehe auch Hebr. 9, 10. 13.
imgleichen in dieſem Briefe an die Roͤmer c. 2,
28. 29. alwo die Beſchneidung nach dem
Geiſte der nach dem Fleiſche entgegen geſetzet
wird.
V. 2.
Das ſagen wir: Jſt Abraham durch
die Wercke gerecht: Gr. Denn ſo Abra-
ham durch die Wercke (oder aus den Wer-
cken) gerecht worden (gerecht von und vor
Menſchen erkannt worden, alſo daß er allewege
ſein Licht vor den Leuten in einem heiligen Wan-
del leuchten laſſen ſo hat er (ſein Exempel noch
itzo, gleichwie ſeine Perſon vor dem) wohl
Ruhm (ein gutes Lob und Nachruhm aus ſol-
chen ſeinen Wercken) aber nicht vor GOTT
(daß er damit bey ihm die Gerechtigkeit oder die
Gnade der Kindſchaft und die ewige Seligkeit
erlanget haͤtte, und damit ohne den Glauben an
den Meßiam vor ihm habe beſtehen koͤnnen.)
Anmerckungen.
1. Ein anders iſt gerechtfertiget, oder fuͤr
gerecht erkannt und geprieſen werden vor und
von Menſchen; ein anders vor und von
GOtt: als auf welchen Unterſcheid Paulus
alhier weiſet.
2. Jenes kan geſchehen aus den Wercken;
als welche ie rechtſchaffner ſie ſind, ie mehr fal-
len ſie den Menſchen ins Auge, und gereichen
zum wohlverdienten Nachruhm. Dieſes aber,
nemlich vor GOtt fuͤr gerecht erkannt werden,
nemlich alſo, daß GOtt nichts verdammliches
mehr, ſondern dasjenige an uns finde, womit
wir vor ſeinem Gerichte ohne den Glauben an
den Meßiam beſtehen koͤnten, kan aus den
Wercken nicht geſchehen, oder durch die Wer-
cke nicht erhalten werden: ſintemal ſie theils gar
zu unvollkommen ſind, wenn ſie auch gleich die
rechte Guͤte in ſich haben; theils auch nicht aus
unſern eignen Kraͤften herruͤhren, ſondern aus
der Gnaden-Kraft GOttes; und alſo nicht ſo
wol unſere eigene Wercke, die uns ſelig machen
koͤnten, als GOttes Wercke in uns ſind, die
von der aus Gnaden in Chriſto zubereiteten auch
ſchon zugeeigneten Seligkeit zeugen.
3. Paulus weiſet uns alhie dergeſtalt auf
den Unterſcheid vom gerecht oder gerechtfertiget
werden von und vor Menſchen, und vor
und von GOtt, daß er jenes dem Abraham
gar nicht abſpricht, ſondern vielmehr beyleget,
dieſes aber ihm aberkennet.
4. Und auf dieſe Art laͤßt ſich Pauli Aus-
ſpruch mit dem Ausſpruche Jacobi von der
Rechtfertigung Abrahams gar wohl conciliiren.
Denn was alhie Paulus dem Abraham von der
Rechtfertigung aus den Wercken vor und von
Menſchen ſo gar nicht abſpricht, daß er es ih-
me vielmehr nicht undeutlich zuſchreibet, davon
handelt Jacobus c. 2, 21. 22. mit mehrern;
ſonderlich da er ſahe, daß ſo manche ſich nur
falſchlich auf Abrahams Glauben beriefen, aber
ihren Glauben gar nicht durch die Wercke vor
Menſchen erwieſen, und mit ſolchem ihrem ein-
gebildeten und gantz lieb- und werckloſen Glauben
vor GOtt beſtehen und ſelig werden wolten.
5. Und ſolcher Geſtalt ſehen wir den eigent-
lichen Verſtand der Worte Jacobi, wenn er
c. 2, 20. ſpricht: Jſt nicht Abraham, unſer
Vater, durch die Wercke gerecht (erfunden
erkannt und geruͤhmet) worden (vor und von
Menſchen) als er ſeinen Sohn auf dem Al-
tar opferte (und mit ſolchem ſeinem Gehorſam
ſeinen Glauben an den Meßiam, und alſo auch
die geſchenckte Glaubens-Gerechtigkeit erwies?
Ein mehrers davon ſehe man in der Auslegung
der Epiſtel Jacobi an ſolchem Orte.
V. 3.
Denn was ſaget die Schrift (Gen 15,
6. ſaget ſie nicht mit gar groſſem Nachdruck:)
Abraham hat GOtt (in denen verheiſſungen,
daß er ſolte einen Sohn haben, aus deſſen Nach-
kommen der Meßias, als der ſchon laͤngſt verheiſ-
ſene Heyland der Welt, ſolte gebohren, und das
gantze menſchliche Geſchlecht in ihm und durch
ihn geſegnet und ſelig werden) geglaubet (und
zwar nicht erſt zu der Zeit, als die Verheiſſungen
Gen. 15. wiederhohlet und ihm beſtaͤtiget wur-
den, ſondern auch gleich von dem erſten Anfan-
ge, da ſie ihm gegeben ſind, nemlich als er aus
Chaldaͤa in Canaan zu gehen beordert wurde
Gen. 12, 1. ſeqq) und das (daß er ſolchen Ver-
heiſſungen, und inſonderheit dem rechten Kern
derſelben von dem allgemeinen Welt Heyland
und Erloͤſer, alſo geglaubet, daß er ſich die zu-
kuͤnftige Erloͤſung des Meßiaͤ, vermoͤge der ge-
wiſſen Verheiſſungen dergeſtalt zugeeignet, als
wenn ſie ſchon wuͤrcklich geſchehen waͤre) iſt ihm
zur Gerechtigkeit (und alſo zur Glaubens-
Gerechtigkeit, die er durch den Glauben an den
Meßiam hatte, und die von ſeiner unvollkom-
menen
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