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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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C. 2. v. 4. 5. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] vorhandenen Textes sehen wir, daß der Wille
GOttes von unserer Seligkeit zwar gar ernst-
lich, aber doch keines weges absolut, oder un-
bedinget sey. Denn er gehet auf die Heyls-
Ordnung, und setzet diese in Christo zum Grun-
de. Welches angezeiget ist mit denen zu den
Worten vom Willen GOttes hinzugesetzten
übrigen Worten: und zur Erkentniß der
Wahrheit kommen.
Und also kan der
Mensch solchem Willen GOttes durch Miß-
brauch seines freyen Willens auch widerstehen,
wenn er sich nemlich in solche Heyls-Ordnung
der gläubigen Erkentniß nicht bringen lässet. Eben
dieses bezeuget auch Petrus 2 Epist. Cap. 3, 9.
wenn er saget: GOtt hat Geduld mit uns,
und will nicht, daß iemand verloren
werde, sondern daß sich iederman zur
Busse kehre.

5. Wie solte die Christliche Religion nicht
wahr seyn, da sie auf die Erkentniß der seligma-
chenden Wahrheiten führet, gegen welche alle
übrige Wahrheiten nur ein Schatten-Werck
sind?

6. Da es nun das Christenthum mit lauter
Wahrheit zu thun hat; so muß davon billig in
der Ubung alle Heucheley ferne seyn und bleiben;
also daß man GOtt auch im Geiste und in der
Wahrheit diene.

7. Da die Wahrheit erkennen so viel
ist, als an Christum glauben und ohne Glau-
ben keine Erkentniß rechter Art ist; so haben un-
bekehrte und glaublose Leute keine wahre geistliche
und lebendige Erkentniß von GOtt; ob sie wol
eine buchstäbliche Wissenschaft göttlicher Dinge
haben.

V. 5.

Denn es ist ein GOtt (eis, ein einiger
GOTT aller Menschen der Jüden und Heyden
5 B. Mos. 6, 4. Röm. 3, 29. 30.) und ein Mitt-
ler
(eis ein einiger Versöhner) zwischen GOtt
und Menschen
(aller und ieder V. 1. 4. 6.)
nemlich der Mensch Christus JEsus (der
Sohn GOttes, der in angenommener menschli-
chen Natur das Mittler-Amt geführet hat, und
noch unser Mittler zur Rechten GOttes bleibet.
Gal. 3, 20. Hebr. 9, 15.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderst ist alhie die Verbindung die-
ses Verses mit dem vorhergehenden wohl zu mer-
cken, nach Anzeigung der Particul denn. Pau-
lus hatte gesaget, man soll für alle Menschen be-
ten, und GOTT will, daß alle Menschen selig
werden. Nun erläutert er solchen Satz damit,
daß nur ein einiger GOtt ist aller Menschen, und
also die vom Evangelio noch entferneten Heyden
keinen andern GOtt über sich hätten, als eben den
einigen wahren GOtt; bey welchem doch aber
die Jüden, und die noch judentzenden Christen,
dagegen Paulus auch zum theil diese Epistel ge-
richtet hat, immer einen besondern Vorzug vor
den Heyden zu haben vermeynten. Daher denn
dieser Ort gar fein erläutert wird durch den Röm.
3, 29. 30. Jst GOTT allein der Jüden
GOTT? ist er nicht auch der Heyden
[Spaltenumbruch] GOtt? ja freylich auch der Heyden GOtt:
sintemal es ist ein einiger GOtt, der da
gerecht machet die Beschneidung aus
dem Glauben, und die Vorhaut durch
den Glauben.

2. Ein Mittler ist nach dem gehörigen
Nachdruck dieses Worts, eine solche Person,
welche sich einer andern vor Gericht dergestalt
anmmmt, daß er sich für ihn verbürget, ihn
ranzioniret, und also seine böse Sache also aus-
führet, daß er sie gut machet. Daß das menschliche
Geschlecht nun bey GOtt eines Mittlers bedarf,
das zeiget an, wie sehr es von GOtt durch die
Sünde geschieden, und wie unwandelbar die Ge-
rechtigkeit GOttes sey, daß GOtt nemlich ohne
Vermittelung eines Heylandes, als Mittlers,
dasselbe nicht zu Gnaden annehmen können.

3. Durch die Vermittelung aber ist es ge-
schehen, daß GOtt und Menschen wieder eins
worden. Denn gleichwie GOtt vermöge des
Mittler-Amts Christi gegen das menschliche Ge-
schlecht ausgesöhnet und väterlich gesinnet wor-
den, auch mit lauter Gnade ausfliesset: also hat
das menschliche Geschlecht durch dasselbe einen
freyen Zugang zu GOtt, so gar daß es in Christo
durch den Glauben zu der innigsten Vereinigung
und Gemeinschaft mit GOTT gelangen kan.
Joh. 14, 6. Röm. 5, 1. 2. Eph. 2, 18. 3, 12. Hebr.
4, 16. 10, 19.

4. Wenn der Apostel den Mittler, JEsum
Christum, einen Menschen nennet, so zeiget er
damit an, wie die blosse Gottheit sich zum Mitt-
ler-Amte nicht geschicket habe, sondern dazu eine
wahre Menschheit, oder menschliche Natur er-
fordert worden sey: womit er denn zugleich bey
uns Menschen das Vertrauen zu ihm und durch
ihn zu GOtt erwecken wollen. Daß er aber
nicht sey ein blosser Mensch, sondern auch wahrer
GOtt, und also theanthropos, ein wahrer GOtt-
Mensch,
das war bey Timotheo und den übri-
gen Gläubigen eine schon vest gegründete Wahr-
heit. Denn so wenig die blosse Gottheit
fähig war der zum Mittler-Amte gehörigen Er-
niedrigung und Leiden: eben so wenig konte auch
die blosse Menschheit ohne jene das Mittler-
Amt übernehmen und ausführen. Und was ist
deutlicher in den Worten des Textes, als dieses,
daß der Mittler auch wahrer GOtt sey? sinte-
mal er den Namen JEsus, das ist, eines solchen
Seligmachers führet, dessen Werck der Erlö-
sung und Seligmachung, worauf die folgenden
Worte noch deutlicher gehen, ein wahrhaftiges
göttliches Werck war.

5. Da nun der Mittler ein solcher seyn solte
zwischen GOtt und Menschen, so siehet man
darinnen die höchste Weisheit GOttes, daß er
ist zugleich GOtt und Mensch. Und da er vor-
her nur allein wahrer GOtt war, so ist er auch
wahrer Mensch worden, um die verlohrne Sa-
che des gantzen menschlichen Geschlechts recht
weislich und vollkommen ausführen zu kön-
nen.

6. Wenn nun bey iemanden alhier der
Gedancke entstehet, wie denn Christus, da er
selbst wahrer GOtt ist, ein Mittler bey GOtt

seyn
N 2

C. 2. v. 4. 5. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] vorhandenen Textes ſehen wir, daß der Wille
GOttes von unſerer Seligkeit zwar gar ernſt-
lich, aber doch keines weges abſolut, oder un-
bedinget ſey. Denn er gehet auf die Heyls-
Ordnung, und ſetzet dieſe in Chriſto zum Grun-
de. Welches angezeiget iſt mit denen zu den
Worten vom Willen GOttes hinzugeſetzten
uͤbrigen Worten: und zur Erkentniß der
Wahrheit kommen.
Und alſo kan der
Menſch ſolchem Willen GOttes durch Miß-
brauch ſeines freyen Willens auch widerſtehen,
wenn er ſich nemlich in ſolche Heyls-Ordnung
der glaͤubigen Erkentniß nicht bringen laͤſſet. Eben
dieſes bezeuget auch Petrus 2 Epiſt. Cap. 3, 9.
wenn er ſaget: GOtt hat Geduld mit uns,
und will nicht, daß iemand verloren
werde, ſondern daß ſich iederman zur
Buſſe kehre.

5. Wie ſolte die Chriſtliche Religion nicht
wahr ſeyn, da ſie auf die Erkentniß der ſeligma-
chenden Wahrheiten fuͤhret, gegen welche alle
uͤbrige Wahrheiten nur ein Schatten-Werck
ſind?

6. Da es nun das Chriſtenthum mit lauter
Wahrheit zu thun hat; ſo muß davon billig in
der Ubung alle Heucheley ferne ſeyn und bleiben;
alſo daß man GOtt auch im Geiſte und in der
Wahrheit diene.

7. Da die Wahrheit erkennen ſo viel
iſt, als an Chriſtum glauben und ohne Glau-
ben keine Erkentniß rechter Art iſt; ſo haben un-
bekehrte und glaubloſe Leute keine wahre geiſtliche
und lebendige Erkentniß von GOtt; ob ſie wol
eine buchſtaͤbliche Wiſſenſchaft goͤttlicher Dinge
haben.

V. 5.

Denn es iſt ein GOtt (ἑις, ein einiger
GOTT aller Menſchen der Juͤden und Heyden
5 B. Moſ. 6, 4. Roͤm. 3, 29. 30.) und ein Mitt-
ler
(ἐις ein einiger Verſoͤhner) zwiſchen GOtt
und Menſchen
(aller und ieder V. 1. 4. 6.)
nemlich der Menſch Chriſtus JEſus (der
Sohn GOttes, der in angenommener menſchli-
chen Natur das Mittler-Amt gefuͤhret hat, und
noch unſer Mittler zur Rechten GOttes bleibet.
Gal. 3, 20. Hebr. 9, 15.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderſt iſt alhie die Verbindung die-
ſes Verſes mit dem vorhergehenden wohl zu mer-
cken, nach Anzeigung der Particul denn. Pau-
lus hatte geſaget, man ſoll fuͤr alle Menſchen be-
ten, und GOTT will, daß alle Menſchen ſelig
werden. Nun erlaͤutert er ſolchen Satz damit,
daß nur ein einiger GOtt iſt aller Menſchen, und
alſo die vom Evangelio noch entferneten Heyden
keinen andern GOtt uͤber ſich haͤtten, als eben den
einigen wahren GOtt; bey welchem doch aber
die Juͤden, und die noch judentzenden Chriſten,
dagegen Paulus auch zum theil dieſe Epiſtel ge-
richtet hat, immer einen beſondern Vorzug vor
den Heyden zu haben vermeynten. Daher denn
dieſer Ort gar fein erlaͤutert wird durch den Roͤm.
3, 29. 30. Jſt GOTT allein der Juͤden
GOTT? iſt er nicht auch der Heyden
[Spaltenumbruch] GOtt? ja freylich auch der Heyden GOtt:
ſintemal es iſt ein einiger GOtt, der da
gerecht machet die Beſchneidung aus
dem Glauben, und die Vorhaut durch
den Glauben.

2. Ein Mittler iſt nach dem gehoͤrigen
Nachdruck dieſes Worts, eine ſolche Perſon,
welche ſich einer andern vor Gericht dergeſtalt
anmmmt, daß er ſich fuͤr ihn verbuͤrget, ihn
ranzioniret, und alſo ſeine boͤſe Sache alſo aus-
fuͤhret, daß er ſie gut machet. Daß das menſchliche
Geſchlecht nun bey GOtt eines Mittlers bedarf,
das zeiget an, wie ſehr es von GOtt durch die
Suͤnde geſchieden, und wie unwandelbar die Ge-
rechtigkeit GOttes ſey, daß GOtt nemlich ohne
Vermittelung eines Heylandes, als Mittlers,
daſſelbe nicht zu Gnaden annehmen koͤnnen.

3. Durch die Vermittelung aber iſt es ge-
ſchehen, daß GOtt und Menſchen wieder eins
worden. Denn gleichwie GOtt vermoͤge des
Mittler-Amts Chriſti gegen das menſchliche Ge-
ſchlecht ausgeſoͤhnet und vaͤterlich geſinnet wor-
den, auch mit lauter Gnade ausflieſſet: alſo hat
das menſchliche Geſchlecht durch daſſelbe einen
freyen Zugang zu GOtt, ſo gar daß es in Chriſto
durch den Glauben zu der innigſten Vereinigung
und Gemeinſchaft mit GOTT gelangen kan.
Joh. 14, 6. Roͤm. 5, 1. 2. Eph. 2, 18. 3, 12. Hebr.
4, 16. 10, 19.

4. Wenn der Apoſtel den Mittler, JEſum
Chriſtum, einen Menſchen nennet, ſo zeiget er
damit an, wie die bloſſe Gottheit ſich zum Mitt-
ler-Amte nicht geſchicket habe, ſondern dazu eine
wahre Menſchheit, oder menſchliche Natur er-
fordert worden ſey: womit er denn zugleich bey
uns Menſchen das Vertrauen zu ihm und durch
ihn zu GOtt erwecken wollen. Daß er aber
nicht ſey ein bloſſer Menſch, ſondern auch wahrer
GOtt, und alſo ϑεανϑρωϖος, ein wahrer GOtt-
Menſch,
das war bey Timotheo und den uͤbri-
gen Glaͤubigen eine ſchon veſt gegruͤndete Wahr-
heit. Denn ſo wenig die bloſſe Gottheit
faͤhig war der zum Mittler-Amte gehoͤrigen Er-
niedrigung und Leiden: eben ſo wenig konte auch
die bloſſe Menſchheit ohne jene das Mittler-
Amt uͤbernehmen und ausfuͤhren. Und was iſt
deutlicher in den Worten des Textes, als dieſes,
daß der Mittler auch wahrer GOtt ſey? ſinte-
mal er den Namen JEſus, das iſt, eines ſolchen
Seligmachers fuͤhret, deſſen Werck der Erloͤ-
ſung und Seligmachung, worauf die folgenden
Worte noch deutlicher gehen, ein wahrhaftiges
goͤttliches Werck war.

5. Da nun der Mittler ein ſolcher ſeyn ſolte
zwiſchen GOtt und Menſchen, ſo ſiehet man
darinnen die hoͤchſte Weisheit GOttes, daß er
iſt zugleich GOtt und Menſch. Und da er vor-
her nur allein wahrer GOtt war, ſo iſt er auch
wahrer Menſch worden, um die verlohrne Sa-
che des gantzen menſchlichen Geſchlechts recht
weislich und vollkommen ausfuͤhren zu koͤn-
nen.

6. Wenn nun bey iemanden alhier der
Gedancke entſtehet, wie denn Chriſtus, da er
ſelbſt wahrer GOtt iſt, ein Mittler bey GOtt

ſeyn
N 2
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[99/0101] C. 2. v. 4. 5. an den Timotheum. vorhandenen Textes ſehen wir, daß der Wille GOttes von unſerer Seligkeit zwar gar ernſt- lich, aber doch keines weges abſolut, oder un- bedinget ſey. Denn er gehet auf die Heyls- Ordnung, und ſetzet dieſe in Chriſto zum Grun- de. Welches angezeiget iſt mit denen zu den Worten vom Willen GOttes hinzugeſetzten uͤbrigen Worten: und zur Erkentniß der Wahrheit kommen. Und alſo kan der Menſch ſolchem Willen GOttes durch Miß- brauch ſeines freyen Willens auch widerſtehen, wenn er ſich nemlich in ſolche Heyls-Ordnung der glaͤubigen Erkentniß nicht bringen laͤſſet. Eben dieſes bezeuget auch Petrus 2 Epiſt. Cap. 3, 9. wenn er ſaget: GOtt hat Geduld mit uns, und will nicht, daß iemand verloren werde, ſondern daß ſich iederman zur Buſſe kehre. 5. Wie ſolte die Chriſtliche Religion nicht wahr ſeyn, da ſie auf die Erkentniß der ſeligma- chenden Wahrheiten fuͤhret, gegen welche alle uͤbrige Wahrheiten nur ein Schatten-Werck ſind? 6. Da es nun das Chriſtenthum mit lauter Wahrheit zu thun hat; ſo muß davon billig in der Ubung alle Heucheley ferne ſeyn und bleiben; alſo daß man GOtt auch im Geiſte und in der Wahrheit diene. 7. Da die Wahrheit erkennen ſo viel iſt, als an Chriſtum glauben und ohne Glau- ben keine Erkentniß rechter Art iſt; ſo haben un- bekehrte und glaubloſe Leute keine wahre geiſtliche und lebendige Erkentniß von GOtt; ob ſie wol eine buchſtaͤbliche Wiſſenſchaft goͤttlicher Dinge haben. V. 5. Denn es iſt ein GOtt (ἑις, ein einiger GOTT aller Menſchen der Juͤden und Heyden 5 B. Moſ. 6, 4. Roͤm. 3, 29. 30.) und ein Mitt- ler (ἐις ein einiger Verſoͤhner) zwiſchen GOtt und Menſchen (aller und ieder V. 1. 4. 6.) nemlich der Menſch Chriſtus JEſus (der Sohn GOttes, der in angenommener menſchli- chen Natur das Mittler-Amt gefuͤhret hat, und noch unſer Mittler zur Rechten GOttes bleibet. Gal. 3, 20. Hebr. 9, 15.) Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt alhie die Verbindung die- ſes Verſes mit dem vorhergehenden wohl zu mer- cken, nach Anzeigung der Particul denn. Pau- lus hatte geſaget, man ſoll fuͤr alle Menſchen be- ten, und GOTT will, daß alle Menſchen ſelig werden. Nun erlaͤutert er ſolchen Satz damit, daß nur ein einiger GOtt iſt aller Menſchen, und alſo die vom Evangelio noch entferneten Heyden keinen andern GOtt uͤber ſich haͤtten, als eben den einigen wahren GOtt; bey welchem doch aber die Juͤden, und die noch judentzenden Chriſten, dagegen Paulus auch zum theil dieſe Epiſtel ge- richtet hat, immer einen beſondern Vorzug vor den Heyden zu haben vermeynten. Daher denn dieſer Ort gar fein erlaͤutert wird durch den Roͤm. 3, 29. 30. Jſt GOTT allein der Juͤden GOTT? iſt er nicht auch der Heyden GOtt? ja freylich auch der Heyden GOtt: ſintemal es iſt ein einiger GOtt, der da gerecht machet die Beſchneidung aus dem Glauben, und die Vorhaut durch den Glauben. 2. Ein Mittler iſt nach dem gehoͤrigen Nachdruck dieſes Worts, eine ſolche Perſon, welche ſich einer andern vor Gericht dergeſtalt anmmmt, daß er ſich fuͤr ihn verbuͤrget, ihn ranzioniret, und alſo ſeine boͤſe Sache alſo aus- fuͤhret, daß er ſie gut machet. Daß das menſchliche Geſchlecht nun bey GOtt eines Mittlers bedarf, das zeiget an, wie ſehr es von GOtt durch die Suͤnde geſchieden, und wie unwandelbar die Ge- rechtigkeit GOttes ſey, daß GOtt nemlich ohne Vermittelung eines Heylandes, als Mittlers, daſſelbe nicht zu Gnaden annehmen koͤnnen. 3. Durch die Vermittelung aber iſt es ge- ſchehen, daß GOtt und Menſchen wieder eins worden. Denn gleichwie GOtt vermoͤge des Mittler-Amts Chriſti gegen das menſchliche Ge- ſchlecht ausgeſoͤhnet und vaͤterlich geſinnet wor- den, auch mit lauter Gnade ausflieſſet: alſo hat das menſchliche Geſchlecht durch daſſelbe einen freyen Zugang zu GOtt, ſo gar daß es in Chriſto durch den Glauben zu der innigſten Vereinigung und Gemeinſchaft mit GOTT gelangen kan. Joh. 14, 6. Roͤm. 5, 1. 2. Eph. 2, 18. 3, 12. Hebr. 4, 16. 10, 19. 4. Wenn der Apoſtel den Mittler, JEſum Chriſtum, einen Menſchen nennet, ſo zeiget er damit an, wie die bloſſe Gottheit ſich zum Mitt- ler-Amte nicht geſchicket habe, ſondern dazu eine wahre Menſchheit, oder menſchliche Natur er- fordert worden ſey: womit er denn zugleich bey uns Menſchen das Vertrauen zu ihm und durch ihn zu GOtt erwecken wollen. Daß er aber nicht ſey ein bloſſer Menſch, ſondern auch wahrer GOtt, und alſo ϑεανϑρωϖος, ein wahrer GOtt- Menſch, das war bey Timotheo und den uͤbri- gen Glaͤubigen eine ſchon veſt gegruͤndete Wahr- heit. Denn ſo wenig die bloſſe Gottheit faͤhig war der zum Mittler-Amte gehoͤrigen Er- niedrigung und Leiden: eben ſo wenig konte auch die bloſſe Menſchheit ohne jene das Mittler- Amt uͤbernehmen und ausfuͤhren. Und was iſt deutlicher in den Worten des Textes, als dieſes, daß der Mittler auch wahrer GOtt ſey? ſinte- mal er den Namen JEſus, das iſt, eines ſolchen Seligmachers fuͤhret, deſſen Werck der Erloͤ- ſung und Seligmachung, worauf die folgenden Worte noch deutlicher gehen, ein wahrhaftiges goͤttliches Werck war. 5. Da nun der Mittler ein ſolcher ſeyn ſolte zwiſchen GOtt und Menſchen, ſo ſiehet man darinnen die hoͤchſte Weisheit GOttes, daß er iſt zugleich GOtt und Menſch. Und da er vor- her nur allein wahrer GOtt war, ſo iſt er auch wahrer Menſch worden, um die verlohrne Sa- che des gantzen menſchlichen Geſchlechts recht weislich und vollkommen ausfuͤhren zu koͤn- nen. 6. Wenn nun bey iemanden alhier der Gedancke entſtehet, wie denn Chriſtus, da er ſelbſt wahrer GOtt iſt, ein Mittler bey GOtt ſeyn N 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/101>, abgerufen am 23.11.2024.