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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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C. 1. v. 6. 7. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] deiner Ordination zum Amte eines Evangelisten
Cap. 4, 5. die dir vorhin bereits mitgetheilten
Gnaden-Gaben sehr sind vermehret worden.)

Anmerckungen.

1. Es ist leichtlich zu erachten, daß das Ge-
bet Pauli und der Aeltesten, wie auch der dabey
versammleten Gemeine nebst Auflegung der Hän-
de Pauli und gedachter Aeltesten sehr kräftig ge-
wesen, also daß GOtt die schon vorhin in ihm ge-
legte Kraft des Glaubens mit den vorhin schon
geschenckten Gnaden-Gaben gar sehr vermehret
habe, und solches neue Maß der Gnade sich sofort
an Timotheo durch gantz besondere Kennzeichen
hervorgethan, darauf denn Paulus mit diesem
Zeugnisse siehet. Was sonst auch an andern bey
Auflegung der Hände geschehen, daß sehe man
Apost. Gesch. 8, 17. 19, 6.

2. Es gebrauchet sich der Apostel von der
Erweckung des gar nachdrücklichen Worts
anazopurei~n, welches sonst eigentlich hergenom-
men ist vom Feuer, und heißt: Das Feuer
durch Anblasen
und Zulegung neuer Materie
wieder zur rechten Flamme und Glut bringen und
also unterhalten. Nun lag es zwar bey Timo-
theo nicht etwa nur wie ein Füncklein unter der
Asche: sintemal er viel zu getreue bisher gewesen
war, als daß er es dazu hätte sollen kommen lassen:
indessen aber war er doch auch ein noch mit man-
cher Schwachheit umgebner Mensch; und haben
sich auch daher ohne Zweifel manche Umstände zu
dieser und jener Zeit gefunden, bey welchem die
Freudigkeit seines Glaubens und seiner lebendi-
gen Hoffnung zu wenigerer Empfindung gekom-
men, undgleichsam die helle und brennende Flam-
me verloren und das Ansehen gewonnen, als
wolte sie immer mehr verlöschen. Gleichwie
nun GOtt auf seiner Seiten getreu war, das in
ihn gelegte Gute gnädiglich zu bewahren, so war
doch auch auf Timothei Seiten eine sorgfältige
Wahrnehmung seiner selbst und getreue Erwe-
ckung nöthig.

3. Und eben dieses ist gewiß eine von den
Haupt-Pflichten eines ieden Christen, er stehe
nun noch in seinem Tauf-Bunde, oder habe den-
selben durch wahre Bekehrung wider erneuert,
daß er die in ihm wohnende Gnade GOttes und
Kraft des Glaubens und alles übrige empfange-
ne Gute bey sich beständig suche zu erwecken, und
das verlöschen wollende Feuer in sich wider an-
zublasen. Dazu denn sonderlich eine tägliche
Sammlung seiner selbst gehöret; zumal wenn
man durch äusserliche Verrichtung, und man-
cherley Anläufe oft und leicht zerstreuet wird.
Dagegen einem in solcher Sammlung der geist-
liche Sabbatismus, oder Sabbat, durch eine ge-
naue Prüfung seiner selbst, mit hinzugethanem
Gebet, und Erneuerung eines guten Vorsatzes
und widerholter Aufopferung an GOtt wohl zu
statten kömmt. Und hievon ist das auf dem
Brand-Opfer-Altar in der Stifts-Hütte und
im Tempel Tag und Nacht beständig zu unter-
haltende Feuer ein schönes Vorbild gewesen, da-
von es heißt 3 B. Mos. 6, 12. 13. Das Feuer auf
dem Altar soll brennen, und nimmermehr
[Spaltenumbruch] verlöschen - - ewig soll das Feuer auf dem
Altar brennen und nimmer verlöschen.

Und da die Unterhaltung des Feuers den Priestern
oblag; so sehen wir, welches der geistlichen Prie-
ster des neuen Testaments ihre Pflicht sey.

V. 7.

Denn GOtt hat uns (mir und dir und
insgesamt uns Gläubigen des neuen Testaments)
nicht gegeben den Geist der Furcht (nemlich
der knechtischen, oder der Furchtsamkeit, davon
zur Zeit des alten Testaments die Gläubigen ge-
meiniglich regieret wurden) sondern den Geist
der Kraft
(in besonderer Glaubens-Freudig-
keit, darinn der neue Mensch seine meiste Stärcke
und Kraft hat) und der Liebe (die den Gläu-
bigen als erwachsenen Kindern zukömmt) und
der Zucht
(sophronismou~, der weisen Maßigung,
recht weislich in allen Dingen zu verfahren.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderst ist alhie die Verbindung die-
ses Verses mit dem vorhergehenden wohl zu mer-
cken. Welche ist, daß der Apostel eine Ursache
anführet, warum Timotheus die in ihn geiegte
Gnaden-Gabe in sich zu erwecken habe, nemlich
weil sie so vortreflich sey, einen grossen Vorzug
habe vor der Gnade der Gläubigen des alten Te-
staments, und in dem Geiste der Kraft, der Liebe
und der Zucht bestehe.

2. Das Wort Geist behält man alhie bil-
lig in seinem eigentlichen Haupt-Verstande von
dem Heiligen Geiste, als der dritten Person in
der hochgelobten GOttheit. Denn obgleich die
folgende Worte, oder Sachen, davon der Geist
alhter seine Benennung hat, als Furcht, Kraft,
Liebe, Zucht, von der Beschaffenheit sind, daß in
Ansehung derselben das Wort Geist wol von
dem Gemüthe, oder Zustand und Affect der See-
len verstanden werden kan; so ist es doch viel füg-
licher, wenn man das Wort in seiner eigentlichen
Bedeutung stehen läßt.

3. Das Wort deilia heisset nicht sowol
Furcht, als Furchtsamkeit; und stehet diese
der Glaubens-Freudigkeit, welche der Oeco-
nomie
des neuen Bundes eigen ist, entgegen,
und war eine Eigenschaft der Gläubigen des alten
Testaments, und soviel als eine knechtische
Furcht.
Daher Paulus das Wort deilias,
Furchtsamkeit, Röm. 8, 14. mit dem Worte
douleias, Knechtschaft giebt, mit der Erläute-
rung der dabey gedachten Furcht, nemlich der
knechtischen, wenn er spricht: Jhr habet nicht
einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr
euch abermal fürchten müstet, sondern ihr
habt einen kindlichen Geist empfangen,
durch welchen, wir rufen; Abba, lieber
Vater,
welcher kindliche Geist, oder Geist der
völligen majorennen Kindschaft eben der Geist
der Kraft, der Liebe und der Zucht ist. Eine herr-
liche Erläuterung dieser Worte und Sache giebt
uns Paulus Gal. 4, 11. u. f. da es heißt: Jch
sage aber, so lange der Erbe ein
(nepios, un-
mündiges,) Kind ist, so ist unter ihm und ei-
nem Knechte kein Unterscheid, ob er wol ein

HErr
T 2

C. 1. v. 6. 7. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] deiner Ordination zum Amte eines Evangeliſten
Cap. 4, 5. die dir vorhin bereits mitgetheilten
Gnaden-Gaben ſehr ſind vermehret worden.)

Anmerckungen.

1. Es iſt leichtlich zu erachten, daß das Ge-
bet Pauli und der Aelteſten, wie auch der dabey
verſammleten Gemeine nebſt Auflegung der Haͤn-
de Pauli und gedachter Aelteſten ſehr kraͤftig ge-
weſen, alſo daß GOtt die ſchon vorhin in ihm ge-
legte Kraft des Glaubens mit den vorhin ſchon
geſchenckten Gnaden-Gaben gar ſehr vermehret
habe, und ſolches neue Maß der Gnade ſich ſofort
an Timotheo durch gantz beſondere Kennzeichen
hervorgethan, darauf denn Paulus mit dieſem
Zeugniſſe ſiehet. Was ſonſt auch an andern bey
Auflegung der Haͤnde geſchehen, daß ſehe man
Apoſt. Geſch. 8, 17. 19, 6.

2. Es gebrauchet ſich der Apoſtel von der
Erweckung des gar nachdruͤcklichen Worts
ἀναζωπυρει῀ν, welches ſonſt eigentlich hergenom-
men iſt vom Feuer, und heißt: Das Feuer
durch Anblaſen
und Zulegung neuer Materie
wieder zur rechten Flamme und Glut bringen und
alſo unterhalten. Nun lag es zwar bey Timo-
theo nicht etwa nur wie ein Fuͤncklein unter der
Aſche: ſintemal er viel zu getreue bisher geweſen
war, als daß er es dazu haͤtte ſollen kommen laſſen:
indeſſen aber war er doch auch ein noch mit man-
cher Schwachheit umgebner Menſch; und haben
ſich auch daher ohne Zweifel manche Umſtaͤnde zu
dieſer und jener Zeit gefunden, bey welchem die
Freudigkeit ſeines Glaubens und ſeiner lebendi-
gen Hoffnung zu wenigerer Empfindung gekom-
men, undgleichſam die helle und brennende Flam-
me verloren und das Anſehen gewonnen, als
wolte ſie immer mehr verloͤſchen. Gleichwie
nun GOtt auf ſeiner Seiten getreu war, das in
ihn gelegte Gute gnaͤdiglich zu bewahren, ſo war
doch auch auf Timothei Seiten eine ſorgfaͤltige
Wahrnehmung ſeiner ſelbſt und getreue Erwe-
ckung noͤthig.

3. Und eben dieſes iſt gewiß eine von den
Haupt-Pflichten eines ieden Chriſten, er ſtehe
nun noch in ſeinem Tauf-Bunde, oder habe den-
ſelben durch wahre Bekehrung wider erneuert,
daß er die in ihm wohnende Gnade GOttes und
Kraft des Glaubens und alles uͤbrige empfange-
ne Gute bey ſich beſtaͤndig ſuche zu erwecken, und
das verloͤſchen wollende Feuer in ſich wider an-
zublaſen. Dazu denn ſonderlich eine taͤgliche
Sammlung ſeiner ſelbſt gehoͤret; zumal wenn
man durch aͤuſſerliche Verrichtung, und man-
cherley Anlaͤufe oft und leicht zerſtreuet wird.
Dagegen einem in ſolcher Sammlung der geiſt-
liche Sabbatiſmus, oder Sabbat, durch eine ge-
naue Pruͤfung ſeiner ſelbſt, mit hinzugethanem
Gebet, und Erneuerung eines guten Vorſatzes
und widerholter Aufopferung an GOtt wohl zu
ſtatten koͤmmt. Und hievon iſt das auf dem
Brand-Opfer-Altar in der Stifts-Huͤtte und
im Tempel Tag und Nacht beſtaͤndig zu unter-
haltende Feuer ein ſchoͤnes Vorbild geweſen, da-
von es heißt 3 B. Moſ. 6, 12. 13. Das Feuer auf
dem Altar ſoll brennen, und nimmermehr
[Spaltenumbruch] verloͤſchen ‒ ‒ ewig ſoll das Feuer auf dem
Altar brennen und nimmer verloͤſchen.

Und da die Unterhaltung des Feuers den Prieſtern
oblag; ſo ſehen wir, welches der geiſtlichen Prie-
ſter des neuen Teſtaments ihre Pflicht ſey.

V. 7.

Denn GOtt hat uns (mir und dir und
insgeſamt uns Glaͤubigen des neuen Teſtaments)
nicht gegeben den Geiſt der Furcht (nemlich
der knechtiſchen, oder der Furchtſamkeit, davon
zur Zeit des alten Teſtaments die Glaͤubigen ge-
meiniglich regieret wurden) ſondern den Geiſt
der Kraft
(in beſonderer Glaubens-Freudig-
keit, darinn der neue Menſch ſeine meiſte Staͤrcke
und Kraft hat) und der Liebe (die den Glaͤu-
bigen als erwachſenen Kindern zukoͤmmt) und
der Zucht
(σωϕρονισμου῀, der weiſen Maßigung,
recht weislich in allen Dingen zu verfahren.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderſt iſt alhie die Verbindung die-
ſes Verſes mit dem vorhergehenden wohl zu mer-
cken. Welche iſt, daß der Apoſtel eine Urſache
anfuͤhret, warum Timotheus die in ihn geiegte
Gnaden-Gabe in ſich zu erwecken habe, nemlich
weil ſie ſo vortreflich ſey, einen groſſen Vorzug
habe vor der Gnade der Glaͤubigen des alten Te-
ſtaments, und in dem Geiſte der Kraft, der Liebe
und der Zucht beſtehe.

2. Das Wort Geiſt behaͤlt man alhie bil-
lig in ſeinem eigentlichen Haupt-Verſtande von
dem Heiligen Geiſte, als der dritten Perſon in
der hochgelobten GOttheit. Denn obgleich die
folgende Worte, oder Sachen, davon der Geiſt
alhter ſeine Benennung hat, als Furcht, Kraft,
Liebe, Zucht, von der Beſchaffenheit ſind, daß in
Anſehung derſelben das Wort Geiſt wol von
dem Gemuͤthe, oder Zuſtand und Affect der See-
len verſtanden werden kan; ſo iſt es doch viel fuͤg-
licher, wenn man das Wort in ſeiner eigentlichen
Bedeutung ſtehen laͤßt.

3. Das Wort δειλία heiſſet nicht ſowol
Furcht, als Furchtſamkeit; und ſtehet dieſe
der Glaubens-Freudigkeit, welche der Oeco-
nomie
des neuen Bundes eigen iſt, entgegen,
und war eine Eigenſchaft der Glaͤubigen des alten
Teſtaments, und ſoviel als eine knechtiſche
Furcht.
Daher Paulus das Wort δειλίας,
Furchtſamkeit, Roͤm. 8, 14. mit dem Worte
δουλείας, Knechtſchaft giebt, mit der Erlaͤute-
rung der dabey gedachten Furcht, nemlich der
knechtiſchen, wenn er ſpricht: Jhr habet nicht
einen knechtiſchen Geiſt empfangen, daß ihr
euch abermal fuͤrchten muͤſtet, ſondern ihr
habt einen kindlichen Geiſt empfangen,
durch welchen, wir rufen; Abba, lieber
Vater,
welcher kindliche Geiſt, oder Geiſt der
voͤlligen majorennen Kindſchaft eben der Geiſt
der Kraft, der Liebe und der Zucht iſt. Eine herr-
liche Erlaͤuterung dieſer Worte und Sache giebt
uns Paulus Gal. 4, 11. u. f. da es heißt: Jch
ſage aber, ſo lange der Erbe ein
(νήπιος, un-
muͤndiges,) Kind iſt, ſo iſt unter ihm und ei-
nem Knechte kein Unterſcheid, ob er wol ein

HErr
T 2
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[147/0149] C. 1. v. 6. 7. an den Timotheum. deiner Ordination zum Amte eines Evangeliſten Cap. 4, 5. die dir vorhin bereits mitgetheilten Gnaden-Gaben ſehr ſind vermehret worden.) Anmerckungen. 1. Es iſt leichtlich zu erachten, daß das Ge- bet Pauli und der Aelteſten, wie auch der dabey verſammleten Gemeine nebſt Auflegung der Haͤn- de Pauli und gedachter Aelteſten ſehr kraͤftig ge- weſen, alſo daß GOtt die ſchon vorhin in ihm ge- legte Kraft des Glaubens mit den vorhin ſchon geſchenckten Gnaden-Gaben gar ſehr vermehret habe, und ſolches neue Maß der Gnade ſich ſofort an Timotheo durch gantz beſondere Kennzeichen hervorgethan, darauf denn Paulus mit dieſem Zeugniſſe ſiehet. Was ſonſt auch an andern bey Auflegung der Haͤnde geſchehen, daß ſehe man Apoſt. Geſch. 8, 17. 19, 6. 2. Es gebrauchet ſich der Apoſtel von der Erweckung des gar nachdruͤcklichen Worts ἀναζωπυρει῀ν, welches ſonſt eigentlich hergenom- men iſt vom Feuer, und heißt: Das Feuer durch Anblaſen und Zulegung neuer Materie wieder zur rechten Flamme und Glut bringen und alſo unterhalten. Nun lag es zwar bey Timo- theo nicht etwa nur wie ein Fuͤncklein unter der Aſche: ſintemal er viel zu getreue bisher geweſen war, als daß er es dazu haͤtte ſollen kommen laſſen: indeſſen aber war er doch auch ein noch mit man- cher Schwachheit umgebner Menſch; und haben ſich auch daher ohne Zweifel manche Umſtaͤnde zu dieſer und jener Zeit gefunden, bey welchem die Freudigkeit ſeines Glaubens und ſeiner lebendi- gen Hoffnung zu wenigerer Empfindung gekom- men, undgleichſam die helle und brennende Flam- me verloren und das Anſehen gewonnen, als wolte ſie immer mehr verloͤſchen. Gleichwie nun GOtt auf ſeiner Seiten getreu war, das in ihn gelegte Gute gnaͤdiglich zu bewahren, ſo war doch auch auf Timothei Seiten eine ſorgfaͤltige Wahrnehmung ſeiner ſelbſt und getreue Erwe- ckung noͤthig. 3. Und eben dieſes iſt gewiß eine von den Haupt-Pflichten eines ieden Chriſten, er ſtehe nun noch in ſeinem Tauf-Bunde, oder habe den- ſelben durch wahre Bekehrung wider erneuert, daß er die in ihm wohnende Gnade GOttes und Kraft des Glaubens und alles uͤbrige empfange- ne Gute bey ſich beſtaͤndig ſuche zu erwecken, und das verloͤſchen wollende Feuer in ſich wider an- zublaſen. Dazu denn ſonderlich eine taͤgliche Sammlung ſeiner ſelbſt gehoͤret; zumal wenn man durch aͤuſſerliche Verrichtung, und man- cherley Anlaͤufe oft und leicht zerſtreuet wird. Dagegen einem in ſolcher Sammlung der geiſt- liche Sabbatiſmus, oder Sabbat, durch eine ge- naue Pruͤfung ſeiner ſelbſt, mit hinzugethanem Gebet, und Erneuerung eines guten Vorſatzes und widerholter Aufopferung an GOtt wohl zu ſtatten koͤmmt. Und hievon iſt das auf dem Brand-Opfer-Altar in der Stifts-Huͤtte und im Tempel Tag und Nacht beſtaͤndig zu unter- haltende Feuer ein ſchoͤnes Vorbild geweſen, da- von es heißt 3 B. Moſ. 6, 12. 13. Das Feuer auf dem Altar ſoll brennen, und nimmermehr verloͤſchen ‒ ‒ ewig ſoll das Feuer auf dem Altar brennen und nimmer verloͤſchen. Und da die Unterhaltung des Feuers den Prieſtern oblag; ſo ſehen wir, welches der geiſtlichen Prie- ſter des neuen Teſtaments ihre Pflicht ſey. V. 7. Denn GOtt hat uns (mir und dir und insgeſamt uns Glaͤubigen des neuen Teſtaments) nicht gegeben den Geiſt der Furcht (nemlich der knechtiſchen, oder der Furchtſamkeit, davon zur Zeit des alten Teſtaments die Glaͤubigen ge- meiniglich regieret wurden) ſondern den Geiſt der Kraft (in beſonderer Glaubens-Freudig- keit, darinn der neue Menſch ſeine meiſte Staͤrcke und Kraft hat) und der Liebe (die den Glaͤu- bigen als erwachſenen Kindern zukoͤmmt) und der Zucht (σωϕρονισμου῀, der weiſen Maßigung, recht weislich in allen Dingen zu verfahren.) Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt alhie die Verbindung die- ſes Verſes mit dem vorhergehenden wohl zu mer- cken. Welche iſt, daß der Apoſtel eine Urſache anfuͤhret, warum Timotheus die in ihn geiegte Gnaden-Gabe in ſich zu erwecken habe, nemlich weil ſie ſo vortreflich ſey, einen groſſen Vorzug habe vor der Gnade der Glaͤubigen des alten Te- ſtaments, und in dem Geiſte der Kraft, der Liebe und der Zucht beſtehe. 2. Das Wort Geiſt behaͤlt man alhie bil- lig in ſeinem eigentlichen Haupt-Verſtande von dem Heiligen Geiſte, als der dritten Perſon in der hochgelobten GOttheit. Denn obgleich die folgende Worte, oder Sachen, davon der Geiſt alhter ſeine Benennung hat, als Furcht, Kraft, Liebe, Zucht, von der Beſchaffenheit ſind, daß in Anſehung derſelben das Wort Geiſt wol von dem Gemuͤthe, oder Zuſtand und Affect der See- len verſtanden werden kan; ſo iſt es doch viel fuͤg- licher, wenn man das Wort in ſeiner eigentlichen Bedeutung ſtehen laͤßt. 3. Das Wort δειλία heiſſet nicht ſowol Furcht, als Furchtſamkeit; und ſtehet dieſe der Glaubens-Freudigkeit, welche der Oeco- nomie des neuen Bundes eigen iſt, entgegen, und war eine Eigenſchaft der Glaͤubigen des alten Teſtaments, und ſoviel als eine knechtiſche Furcht. Daher Paulus das Wort δειλίας, Furchtſamkeit, Roͤm. 8, 14. mit dem Worte δουλείας, Knechtſchaft giebt, mit der Erlaͤute- rung der dabey gedachten Furcht, nemlich der knechtiſchen, wenn er ſpricht: Jhr habet nicht einen knechtiſchen Geiſt empfangen, daß ihr euch abermal fuͤrchten muͤſtet, ſondern ihr habt einen kindlichen Geiſt empfangen, durch welchen, wir rufen; Abba, lieber Vater, welcher kindliche Geiſt, oder Geiſt der voͤlligen majorennen Kindſchaft eben der Geiſt der Kraft, der Liebe und der Zucht iſt. Eine herr- liche Erlaͤuterung dieſer Worte und Sache giebt uns Paulus Gal. 4, 11. u. f. da es heißt: Jch ſage aber, ſo lange der Erbe ein (νήπιος, un- muͤndiges,) Kind iſt, ſo iſt unter ihm und ei- nem Knechte kein Unterſcheid, ob er wol ein HErr T 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/149>, abgerufen am 23.11.2024.