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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des andern Briefes Pauli C. 2. v. 1. 2.
[Spaltenumbruch] und unter ihrem mehrern Zufluß theilhaftig blei-
ben. Darum es billig heißt Hebr. 13, 9. Es
ist ein köstlich Ding, daß das Hertz vest
werde: welches geschiehet durch Gnade.

3. Wir finden demnach in diesen kurtzen
Worten des Apostels einen kräftigen Gegensatz
gegen die höchstschädlichen Jrrthümer des Epu-
reismi
und Pharisaismi, oder des ruchlosen und
heuchlerischen Wesens. Denn da man nach
dem ruchlosen Sinn nur immer von menschli-
cher Schwachheit
redet, und damit nur seine
Bosheit schmücket: so zeuget der Apostel von ei-
ner geistlichen Stärcke, und fordert sie, wie hier
bey dem Timotheo, also auch anderwärtig bey
allen rechtschaffnen Christen, als welche mit ihm
und Timotheo den Geist der Kraft gemein hat-
ten Cap. 1, 7. Und da man hingegen zwar auf
eine Stärcke gehet, aber sie sich selbst zuschreibet,
die verderbte Natur bey sich für Gnade hält, und
nach dem Pharisaismo und Pelagianismo nur
aus eigenen Kräften wircket; so weiset der Apo-
stel dagegen den rechten Grund und das rechte
Mittel der Stärcke, oder sie selbst an, nemlich
Christum und seine Gnade, oder die Gnade in
Christo.
Davon Paulus aus der Erfahrung
Phil. 4, 13. schreibet: Jch vermag alles,
durch den, der mich mächtig machet,
Christum.

V. 2.

Und was du von mir gehöret hast
(C. 1, 13. 3, 14. nemlich den gantzen Rath GOt-
tes von unserer Seligkeit, das Fürbild der heyl-
samen Worte, die gute Beylage Cap. 1, 13. 14.
die Haupt-Summa des Vortrages 1 Tim. 1, 15.)
durch viele Zeugen (in Gegenwart derselben,
da du theils nebst andern von mir ehemals in den
Wegen GOttes sorgfältig unterrichtet bist, theils
auch unter dem Beystande der Aeltesten zum Am-
te eines Evangelisten öffentlich bist von mir or-
dinir
et worden) das befiehl (übergib, als eine
theure Beylage) treuen Menschen (pisto[i]s, sol-
chen Gläubigen, welche vermöge ihres Glaubens
auch treu gemachet sind, ihr Amt getreulich aus-
zurichten Cap. 4, 5. und rechtschaffne unsträfliche
Arbeiter abzugeben Cap. 2, 15.) die da (aus dem
Grunde nicht der bloß buchstäblichen Erkenntniß,
sondern der Salbung aus GOtt, geistlich) tüch-
tig sind
(wie nach der Treue ausrichten zu wol-
len,
also auch nach der Tüchtigkeit zu können,
was man soll) auch andere zu lehren (öffent-
lich und besonders, mit gehöriger Theilung des
Worts wie zur eigentlichen Lehre, oder zum Un-
terricht, in den Wahrheiten, also auch zur Wi-
derlegung der Jrrthümer, zur Bestrafung der
Laster, zur Ermahnung zur Tugend, zur Ermun-
terung und Tröstung in den Leiden 2 Timoth.
3, 15. 16. 17.)

Anmerckungen.

1. Es kömmt bey der Person und bey dem
Amte eines öffentlichen Lehrers alles auf diese zwey
Haupt-Stücke an: auf die Tüchtigkeit und
Treue, daß sie dem Amte recht vorstehen kön-
nen
und auch wollen, oder es wircklich thun.
Keines von beyden ist allein genug. Denn was
[Spaltenumbruch] hülfe die Tüchtigkeit, wenn man sie nach der
Treue nicht recht gebrauchen, sondern sein anver-
trautes Pfund vergraben wolte? Matth. 25, 18. u. f.
Und was hülfe die Treue, wenn dieselbe nicht die
gehörige Tüchtigkeit zum Grunde hätte?

2. Man findet leider diesen Mangel an vie-
len Lehrern. Denn manche wolten wol treu
seyn, da sie im Gewissen eine Rührung von GOtt
haben; aber es fehlet ihnen an der rechten geist-
lichen Tüchtigkeit, die dazu erfordert wird.
Und andere sind zwar tüchtiger, und haben ein
ziemliches Maß der Gnade von GOtt empfan-
gen; aber sie gerathen nach und nach in allerhand
Unlauterkeit ihrer Absicht, und darüber immer
mehr in Trägheit und Untreu: worüber denn
auch die geistliche Beylage der inwohnenden
Gnade verloren gehet. Vielen fehlet es an bey-
den Stücken; da sie weder tüchtig, noch treue
sind. Daher leichtlich zu erkennen ist, wie ge-
ring die Anzahl der recht tüchtigen und treuen
Arbeiter sey. Darum unser Heyland Luc. 12, 42.
spricht: Wie ein groß Ding ist es um einen
treuen und klugen Haushalter!
da er unter
dem Worte klugen oder der Klugheit die wah-
re geistliche Tüchtigkeit verstehet.

3. Es ist aber auch wohl zu mercken, daß
man sowol die Tüchtigkeit, als die Treue un-
terscheiden muß in die natürliche und überna-
türliche.
Die natürliche Tüchtigkeit beste-
het in einem ziemlichen Vorrathe einer bloß buch-
stäblichen Erkenntniß, die man aus bloß natürli-
chen Kräften unter menschlicher Anführung und
bey Lesung guter Bücher in einem unbekehrten
Zustande, darinnen man der Gnaden-Wirckung
GOttes keinen Platz gelassen, erlanget hat; und
die verknüpfet ist mit der natürlichen Gabe eines
ordentlichen und deutlichen Vortrags. Diese
natürliche Tüchtigkeit, die sich bey vielen auch
nicht einmal findet, ist zwar in ihrer Masse gut;
aber doch gar noch nicht hinlänglich, den gantzen
Rath GOttes von unserer Seligkeit in seiner
rechten Lauterkeit und Tüchtigkeit zu erkennen,
also auch ihn recht vorzutragen und so zu applici-
r
en, wie es der Zustand eines ieden Zuhörers er-
fordert: als welchen ein unbekehrter und also
auch noch unerleuchteter Lehrer selbst noch nicht
beurtheilen kan: wie wir an der natürlichen Tüch-
tigkeit der Pharisäer sehen. Denn so viel gutes
und wahres sie auch immer mehr auf Mosis
Stuhl, das ist, nach dem Gesetze, sagen konnten,
so waren sie doch Blinde und Leiter der Blin-
den
Matth. 23, 1. u. s. w. Es gehöret demnach
zu der wahren geistlichen Tüchtigkeit die
geistliche Salbung, welche nicht anders, als
in der Ordnung wahrer Bekehrung und Erneue-
rung erlanget und vermehret wird, und die rechte
geistliche Erfahrung bey geübten geistlichen Sin-
nen mit sich bringet Phil. 1, 9. 10. 11. Hebr. 5, 14.
Denn wie könnte man zum Amte des Geistes
in einer andern Ordnung tüchtig werden, als
man insgemein zum rechtschaffnen Christenthum
tüchtig wird? da ja ein Hirte seyn noch viel mehr
auf sich hat, als nur ein Schaf seyn. Nun aber
fordert Paulus zur wahren übernatürlichen Tüch-
tigkeit am Dienste GOttes bey einem ieden Chri-

sten

Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 2. v. 1. 2.
[Spaltenumbruch] und unter ihrem mehrern Zufluß theilhaftig blei-
ben. Darum es billig heißt Hebr. 13, 9. Es
iſt ein koͤſtlich Ding, daß das Hertz veſt
werde: welches geſchiehet durch Gnade.

3. Wir finden demnach in dieſen kurtzen
Worten des Apoſtels einen kraͤftigen Gegenſatz
gegen die hoͤchſtſchaͤdlichen Jrrthuͤmer des Epu-
reiſmi
und Phariſaiſmi, oder des ruchloſen und
heuchleriſchen Weſens. Denn da man nach
dem ruchloſen Sinn nur immer von menſchli-
cher Schwachheit
redet, und damit nur ſeine
Bosheit ſchmuͤcket: ſo zeuget der Apoſtel von ei-
ner geiſtlichen Staͤrcke, und fordert ſie, wie hier
bey dem Timotheo, alſo auch anderwaͤrtig bey
allen rechtſchaffnen Chriſten, als welche mit ihm
und Timotheo den Geiſt der Kraft gemein hat-
ten Cap. 1, 7. Und da man hingegen zwar auf
eine Staͤrcke gehet, aber ſie ſich ſelbſt zuſchreibet,
die verderbte Natur bey ſich fuͤr Gnade haͤlt, und
nach dem Phariſaiſmo und Pelagianiſmo nur
aus eigenen Kraͤften wircket; ſo weiſet der Apo-
ſtel dagegen den rechten Grund und das rechte
Mittel der Staͤrcke, oder ſie ſelbſt an, nemlich
Chriſtum und ſeine Gnade, oder die Gnade in
Chriſto.
Davon Paulus aus der Erfahrung
Phil. 4, 13. ſchreibet: Jch vermag alles,
durch den, der mich maͤchtig machet,
Chriſtum.

V. 2.

Und was du von mir gehoͤret haſt
(C. 1, 13. 3, 14. nemlich den gantzen Rath GOt-
tes von unſerer Seligkeit, das Fuͤrbild der heyl-
ſamen Worte, die gute Beylage Cap. 1, 13. 14.
die Haupt-Summa des Vortrages 1 Tim. 1, 15.)
durch viele Zeugen (in Gegenwart derſelben,
da du theils nebſt andern von mir ehemals in den
Wegen GOttes ſorgfaͤltig unterrichtet biſt, theils
auch unter dem Beyſtande der Aelteſten zum Am-
te eines Evangeliſten oͤffentlich biſt von mir or-
dinir
et worden) das befiehl (uͤbergib, als eine
theure Beylage) treuen Menſchen (ϖιστο[ῖ]ς, ſol-
chen Glaͤubigen, welche vermoͤge ihres Glaubens
auch treu gemachet ſind, ihr Amt getreulich aus-
zurichten Cap. 4, 5. und rechtſchaffne unſtraͤfliche
Arbeiter abzugeben Cap. 2, 15.) die da (aus dem
Grunde nicht der bloß buchſtaͤblichen Erkenntniß,
ſondern der Salbung aus GOtt, geiſtlich) tuͤch-
tig ſind
(wie nach der Treue ausrichten zu wol-
len,
alſo auch nach der Tuͤchtigkeit zu koͤnnen,
was man ſoll) auch andere zu lehren (oͤffent-
lich und beſonders, mit gehoͤriger Theilung des
Worts wie zur eigentlichen Lehre, oder zum Un-
terricht, in den Wahrheiten, alſo auch zur Wi-
derlegung der Jrrthuͤmer, zur Beſtrafung der
Laſter, zur Ermahnung zur Tugend, zur Ermun-
terung und Troͤſtung in den Leiden 2 Timoth.
3, 15. 16. 17.)

Anmerckungen.

1. Es koͤmmt bey der Perſon und bey dem
Amte eines oͤffentlichen Lehrers alles auf dieſe zwey
Haupt-Stuͤcke an: auf die Tuͤchtigkeit und
Treue, daß ſie dem Amte recht vorſtehen koͤn-
nen
und auch wollen, oder es wircklich thun.
Keines von beyden iſt allein genug. Denn was
[Spaltenumbruch] huͤlfe die Tuͤchtigkeit, wenn man ſie nach der
Treue nicht recht gebrauchen, ſondern ſein anver-
trautes Pfund vergraben wolte? Matth. 25, 18. u. f.
Und was huͤlfe die Treue, wenn dieſelbe nicht die
gehoͤrige Tuͤchtigkeit zum Grunde haͤtte?

2. Man findet leider dieſen Mangel an vie-
len Lehrern. Denn manche wolten wol treu
ſeyn, da ſie im Gewiſſen eine Ruͤhrung von GOtt
haben; aber es fehlet ihnen an der rechten geiſt-
lichen Tuͤchtigkeit, die dazu erfordert wird.
Und andere ſind zwar tuͤchtiger, und haben ein
ziemliches Maß der Gnade von GOtt empfan-
gen; aber ſie gerathen nach und nach in allerhand
Unlauterkeit ihrer Abſicht, und daruͤber immer
mehr in Traͤgheit und Untreu: woruͤber denn
auch die geiſtliche Beylage der inwohnenden
Gnade verloren gehet. Vielen fehlet es an bey-
den Stuͤcken; da ſie weder tuͤchtig, noch treue
ſind. Daher leichtlich zu erkennen iſt, wie ge-
ring die Anzahl der recht tuͤchtigen und treuen
Arbeiter ſey. Darum unſer Heyland Luc. 12, 42.
ſpricht: Wie ein groß Ding iſt es um einen
treuen und klugen Haushalter!
da er unter
dem Worte klugen oder der Klugheit die wah-
re geiſtliche Tuͤchtigkeit verſtehet.

3. Es iſt aber auch wohl zu mercken, daß
man ſowol die Tuͤchtigkeit, als die Treue un-
terſcheiden muß in die natuͤrliche und uͤberna-
tuͤrliche.
Die natuͤrliche Tuͤchtigkeit beſte-
het in einem ziemlichen Vorrathe einer bloß buch-
ſtaͤblichen Erkenntniß, die man aus bloß natuͤrli-
chen Kraͤften unter menſchlicher Anfuͤhrung und
bey Leſung guter Buͤcher in einem unbekehrten
Zuſtande, darinnen man der Gnaden-Wirckung
GOttes keinen Platz gelaſſen, erlanget hat; und
die verknuͤpfet iſt mit der natuͤrlichen Gabe eines
ordentlichen und deutlichen Vortrags. Dieſe
natuͤrliche Tuͤchtigkeit, die ſich bey vielen auch
nicht einmal findet, iſt zwar in ihrer Maſſe gut;
aber doch gar noch nicht hinlaͤnglich, den gantzen
Rath GOttes von unſerer Seligkeit in ſeiner
rechten Lauterkeit und Tuͤchtigkeit zu erkennen,
alſo auch ihn recht vorzutragen und ſo zu applici-
r
en, wie es der Zuſtand eines ieden Zuhoͤrers er-
fordert: als welchen ein unbekehrter und alſo
auch noch unerleuchteter Lehrer ſelbſt noch nicht
beurtheilen kan: wie wir an der natuͤrlichen Tuͤch-
tigkeit der Phariſaͤer ſehen. Denn ſo viel gutes
und wahres ſie auch immer mehr auf Moſis
Stuhl, das iſt, nach dem Geſetze, ſagen konnten,
ſo waren ſie doch Blinde und Leiter der Blin-
den
Matth. 23, 1. u. ſ. w. Es gehoͤret demnach
zu der wahren geiſtlichen Tuͤchtigkeit die
geiſtliche Salbung, welche nicht anders, als
in der Ordnung wahrer Bekehrung und Erneue-
rung erlanget und vermehret wird, und die rechte
geiſtliche Erfahrung bey geuͤbten geiſtlichen Sin-
nen mit ſich bringet Phil. 1, 9. 10. 11. Hebr. 5, 14.
Denn wie koͤnnte man zum Amte des Geiſtes
in einer andern Ordnung tuͤchtig werden, als
man insgemein zum rechtſchaffnen Chriſtenthum
tuͤchtig wird? da ja ein Hirte ſeyn noch viel mehr
auf ſich hat, als nur ein Schaf ſeyn. Nun aber
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[156/0158] Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 2. v. 1. 2. und unter ihrem mehrern Zufluß theilhaftig blei- ben. Darum es billig heißt Hebr. 13, 9. Es iſt ein koͤſtlich Ding, daß das Hertz veſt werde: welches geſchiehet durch Gnade. 3. Wir finden demnach in dieſen kurtzen Worten des Apoſtels einen kraͤftigen Gegenſatz gegen die hoͤchſtſchaͤdlichen Jrrthuͤmer des Epu- reiſmi und Phariſaiſmi, oder des ruchloſen und heuchleriſchen Weſens. Denn da man nach dem ruchloſen Sinn nur immer von menſchli- cher Schwachheit redet, und damit nur ſeine Bosheit ſchmuͤcket: ſo zeuget der Apoſtel von ei- ner geiſtlichen Staͤrcke, und fordert ſie, wie hier bey dem Timotheo, alſo auch anderwaͤrtig bey allen rechtſchaffnen Chriſten, als welche mit ihm und Timotheo den Geiſt der Kraft gemein hat- ten Cap. 1, 7. Und da man hingegen zwar auf eine Staͤrcke gehet, aber ſie ſich ſelbſt zuſchreibet, die verderbte Natur bey ſich fuͤr Gnade haͤlt, und nach dem Phariſaiſmo und Pelagianiſmo nur aus eigenen Kraͤften wircket; ſo weiſet der Apo- ſtel dagegen den rechten Grund und das rechte Mittel der Staͤrcke, oder ſie ſelbſt an, nemlich Chriſtum und ſeine Gnade, oder die Gnade in Chriſto. Davon Paulus aus der Erfahrung Phil. 4, 13. ſchreibet: Jch vermag alles, durch den, der mich maͤchtig machet, Chriſtum. V. 2. Und was du von mir gehoͤret haſt (C. 1, 13. 3, 14. nemlich den gantzen Rath GOt- tes von unſerer Seligkeit, das Fuͤrbild der heyl- ſamen Worte, die gute Beylage Cap. 1, 13. 14. die Haupt-Summa des Vortrages 1 Tim. 1, 15.) durch viele Zeugen (in Gegenwart derſelben, da du theils nebſt andern von mir ehemals in den Wegen GOttes ſorgfaͤltig unterrichtet biſt, theils auch unter dem Beyſtande der Aelteſten zum Am- te eines Evangeliſten oͤffentlich biſt von mir or- diniret worden) das befiehl (uͤbergib, als eine theure Beylage) treuen Menſchen (ϖιστοῖς, ſol- chen Glaͤubigen, welche vermoͤge ihres Glaubens auch treu gemachet ſind, ihr Amt getreulich aus- zurichten Cap. 4, 5. und rechtſchaffne unſtraͤfliche Arbeiter abzugeben Cap. 2, 15.) die da (aus dem Grunde nicht der bloß buchſtaͤblichen Erkenntniß, ſondern der Salbung aus GOtt, geiſtlich) tuͤch- tig ſind (wie nach der Treue ausrichten zu wol- len, alſo auch nach der Tuͤchtigkeit zu koͤnnen, was man ſoll) auch andere zu lehren (oͤffent- lich und beſonders, mit gehoͤriger Theilung des Worts wie zur eigentlichen Lehre, oder zum Un- terricht, in den Wahrheiten, alſo auch zur Wi- derlegung der Jrrthuͤmer, zur Beſtrafung der Laſter, zur Ermahnung zur Tugend, zur Ermun- terung und Troͤſtung in den Leiden 2 Timoth. 3, 15. 16. 17.) Anmerckungen. 1. Es koͤmmt bey der Perſon und bey dem Amte eines oͤffentlichen Lehrers alles auf dieſe zwey Haupt-Stuͤcke an: auf die Tuͤchtigkeit und Treue, daß ſie dem Amte recht vorſtehen koͤn- nen und auch wollen, oder es wircklich thun. Keines von beyden iſt allein genug. Denn was huͤlfe die Tuͤchtigkeit, wenn man ſie nach der Treue nicht recht gebrauchen, ſondern ſein anver- trautes Pfund vergraben wolte? Matth. 25, 18. u. f. Und was huͤlfe die Treue, wenn dieſelbe nicht die gehoͤrige Tuͤchtigkeit zum Grunde haͤtte? 2. Man findet leider dieſen Mangel an vie- len Lehrern. Denn manche wolten wol treu ſeyn, da ſie im Gewiſſen eine Ruͤhrung von GOtt haben; aber es fehlet ihnen an der rechten geiſt- lichen Tuͤchtigkeit, die dazu erfordert wird. Und andere ſind zwar tuͤchtiger, und haben ein ziemliches Maß der Gnade von GOtt empfan- gen; aber ſie gerathen nach und nach in allerhand Unlauterkeit ihrer Abſicht, und daruͤber immer mehr in Traͤgheit und Untreu: woruͤber denn auch die geiſtliche Beylage der inwohnenden Gnade verloren gehet. Vielen fehlet es an bey- den Stuͤcken; da ſie weder tuͤchtig, noch treue ſind. Daher leichtlich zu erkennen iſt, wie ge- ring die Anzahl der recht tuͤchtigen und treuen Arbeiter ſey. Darum unſer Heyland Luc. 12, 42. ſpricht: Wie ein groß Ding iſt es um einen treuen und klugen Haushalter! da er unter dem Worte klugen oder der Klugheit die wah- re geiſtliche Tuͤchtigkeit verſtehet. 3. Es iſt aber auch wohl zu mercken, daß man ſowol die Tuͤchtigkeit, als die Treue un- terſcheiden muß in die natuͤrliche und uͤberna- tuͤrliche. Die natuͤrliche Tuͤchtigkeit beſte- het in einem ziemlichen Vorrathe einer bloß buch- ſtaͤblichen Erkenntniß, die man aus bloß natuͤrli- chen Kraͤften unter menſchlicher Anfuͤhrung und bey Leſung guter Buͤcher in einem unbekehrten Zuſtande, darinnen man der Gnaden-Wirckung GOttes keinen Platz gelaſſen, erlanget hat; und die verknuͤpfet iſt mit der natuͤrlichen Gabe eines ordentlichen und deutlichen Vortrags. Dieſe natuͤrliche Tuͤchtigkeit, die ſich bey vielen auch nicht einmal findet, iſt zwar in ihrer Maſſe gut; aber doch gar noch nicht hinlaͤnglich, den gantzen Rath GOttes von unſerer Seligkeit in ſeiner rechten Lauterkeit und Tuͤchtigkeit zu erkennen, alſo auch ihn recht vorzutragen und ſo zu applici- ren, wie es der Zuſtand eines ieden Zuhoͤrers er- fordert: als welchen ein unbekehrter und alſo auch noch unerleuchteter Lehrer ſelbſt noch nicht beurtheilen kan: wie wir an der natuͤrlichen Tuͤch- tigkeit der Phariſaͤer ſehen. Denn ſo viel gutes und wahres ſie auch immer mehr auf Moſis Stuhl, das iſt, nach dem Geſetze, ſagen konnten, ſo waren ſie doch Blinde und Leiter der Blin- den Matth. 23, 1. u. ſ. w. Es gehoͤret demnach zu der wahren geiſtlichen Tuͤchtigkeit die geiſtliche Salbung, welche nicht anders, als in der Ordnung wahrer Bekehrung und Erneue- rung erlanget und vermehret wird, und die rechte geiſtliche Erfahrung bey geuͤbten geiſtlichen Sin- nen mit ſich bringet Phil. 1, 9. 10. 11. Hebr. 5, 14. Denn wie koͤnnte man zum Amte des Geiſtes in einer andern Ordnung tuͤchtig werden, als man insgemein zum rechtſchaffnen Chriſtenthum tuͤchtig wird? da ja ein Hirte ſeyn noch viel mehr auf ſich hat, als nur ein Schaf ſeyn. Nun aber fordert Paulus zur wahren uͤbernatuͤrlichen Tuͤch- tigkeit am Dienſte GOttes bey einem ieden Chri- ſten

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/158>, abgerufen am 21.11.2024.