Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

C, 2. v. 5. 6. 7. 8. 9. an die Thessalonicher.
[Spaltenumbruch] ler unter ihnen gewesen. Aber daß er von allem
Affect des Geitzes ferne gewesen, das war eine
Sache, die ihme selbst und GOtt allein bekannt
war. Daher er sich auf GOtt beziehet.

5. Jst der Geitz bey allen Menschen eine
Wurtzel alles Ubels, nach Pauli Ausspruch
1 Tim. 6, 10. so ist er es gewiß am allermeisten bey
einem Lehrer, als den er in vielen Stücken zum
Schmeichler und falschen Propheten, und über-
haupt zum Mietling machet. Darum eines Leh-
rers Hertz davon vor allen Dingen gereiniget seyn
muß.

6. Man hüte sich ja, daß man sich nicht auf
GOttes Zeugniß berufe, da einem das Gewissen
ein anders saget, oder es doch von todten Wer-
cken noch nicht recht gereiniget und noch viel we-
niger recht geprüfet ist. Duo cum faciunt
idem, non est idem:
mag es auch alhie heissen.
Daß es Paulus öfter gethan, siehet man Röm.
1, 9. 9, 1. 2 Cor. 1, 23. Gal. 1, 20. Philipp. 1, 8.
1 Tim. 2, 7.

V. 6.

Haben auch nicht Ehre gesucht von den
Leuten, weder von euch, noch von andern:
hätten euch auch mögen schwer seyn
(einige
Last mit rechtmäßiger Forderung des Unterhalts
verursachen v. 9. Dagegen aber Paulus mit
seinen Gehülfen in allen Stücken abares gewe-
sen 2 Cor. 11, 9.) als Christi Apostel (welche
von den Gemeinen ihre Nothdurft genommen
haben 1 Cor. 9, 6. u. f.)

Anmerckungen.

1. Wie der Geldgeitz, also ist auch der
Ehrgeitz eine rechte Pest der reinen Lehre und des
Lehr-Amts; als dadurch die Lauterkeit der Lehre,
und des Lehrers Verrichtung gar sehr verkehret
wird. Man siehet es an dem Exempel der Pha-
risäer, bey welchen sich beydes funde. Von ihrem
Ehr-Geitze spricht unser Heyland: Wie könnet
ihr glauben, die ihr Ehre von einander neh-
mee, und die Ehre, die von GOtt allein ist,
suchet ihr nicht
Joh. 5, 44. Siehe auch Cap.
12, 43. von dem Geld-Geitze Matth. 23, 14.

2. Ein anders ist Ehre haben, ein anders
Ehre suchen. Man kan sie also haben, daß sie
von sich selbst kömmt, und wie ein Schatten von
einem Cörper, also auch von dem Amte und dessel-
ben löblicher Verrichtung, auch von einem exem-
plarischen Wandel fällt. Da man sie denn nicht
hat als ein Eigenthum, vielweniger darinnen
ruhet, sondern sie zur Ehre GOttes richtet, sie
auch hat mit solcher Verleugnung, daß man bereit
ist, auch das Gegentheil, so einem um der Wahr-
heit gar oft begegnet, über sich ergehen zu lassen.
Da hingegen ein Ehrsüchtiger nicht allein alles zu
seiner eignen Ehre richtet, sondern auch von der-
selben Verleugnung nichts weiß, ja alles verhütet,
was ihn dazu veranlassen könte.

V. 7.

Sondern wir sind mütterlich gewesen
bey euch
(epioi en meso umon, freundlich, lieb-
reich, gelinde, gutthätig, so wie es der Affect ei-
[Spaltenumbruch] nes Vaters oder einer Mutter gegen zarte Kinder
mit sich bringet) wie eine Amme ihre Kin-
der pfleget
(trophos, nutrix, es sey eine leibliche
Mutter, oder an ihrer statt eine Amme, welche,
wenn sie rechter Art ist, einen rechten Mutter-
Sinn in der Liebe und Treue mit an sich nimt
Siehe 4 B. Mos. 11, 12.)

Anmerckungen.

1. Nichts ist, was einem Lehrer mehrern
und leichtern Eingang bey seinen Zuhörern mit
dem Worte GOttes machet, als ein solcher Ev-
angelischer Sinn und Umgang, dadurch man
recht mütterlich in aller Liebe und Freundlichkeit
mit ihnen verfähret, und nach Pauli Exempel
1 Cor. 9. suchet allen allerley zu werden, um im-
mer etliche zu gewinnen.

2. Es gehöret aber zu solchem Umgange die-
se Vorsichtigkeit, daß das liebreiche Bezeigen
nicht zu einer solchen Familiarität werde, wo-
durch die dem Lehrer auch nöthige Auctorität,
und schuldige Ehrerbietung hinweg fällt; noch
daß man dabey allen Ernst gegen den Ausbruch
der Aergernisse fahren lasse.

3. Das Wort thalpein, pflegen, erwärmen
stehet auch Ephes. 5, 29. und bey den Griechischen
Interpretibus 3 B. Mos. 22, 6. von den alten
Vögeln, welche ihrer Jungen in den Nestern
pflegen.

V. 8.

Also hatten wir Hertzens-Lust an
euch, und waren willig euch mitzutheilen
nicht allein das Evangelium GOttes
(C.
2, 2. welches nach C. 1, 5. auch unser Evangelium
ist) sondern auch unser Leben (waren bereit
es für euch zu lassen; daß also das Wort mitzu-
theilen, eigentlich auf das Evangelium gehet, und
in Ansehung des Lebens einen weiten Verstand
hat) darum daß wir euch lieb hatten ge-
wonnen,
(wie überhaupt, da uns billig von
GOttes wegen alle Menschen lieb sind; also auch
insonderheit daher, da wir an euch die so willige
und freudige Aufnahme des Evangelii unter so
vielem Leiden gesehen haben.)

Anmerckungen.

1. Ein Lehrer hat sonderlich dahin zu sehen,
daß sein Hertz möge mit rechter väterlicher und
mütterlicher Liebe gegen seine Gemeine erfüllet
werden. Denn ist diese da, so wird ihm alle sonst
schwere Arbeit und grosse Mühe leicht und gar er-
träglich. Solche Liebe aber setzet den Glauben
und die Liebe gegen GOtt zum Grunde. Denn
wo diese nicht ist, da wird das Wasser gleichsam
in den Brunnen getragen, und ist man nur ein
Mietling.

2. Nicht weniger ist es auch eines recht-
schaffenen Zuhörers Pflicht, sich also gegen den
Lehrer und gegen das von ihm vorgetragene Wort
zu verhalten, daß er den Lehrer zur Liebe reitze, und
seiner zarten Liebe werth sey.

V. 9.

Jhr seyd wohl eindächtig (eingedenck)

lie-

C, 2. v. 5. 6. 7. 8. 9. an die Theſſalonicher.
[Spaltenumbruch] ler unter ihnen geweſen. Aber daß er von allem
Affect des Geitzes ferne geweſen, das war eine
Sache, die ihme ſelbſt und GOtt allein bekannt
war. Daher er ſich auf GOtt beziehet.

5. Jſt der Geitz bey allen Menſchen eine
Wurtzel alles Ubels, nach Pauli Ausſpruch
1 Tim. 6, 10. ſo iſt er es gewiß am allermeiſten bey
einem Lehrer, als den er in vielen Stuͤcken zum
Schmeichler und falſchen Propheten, und uͤber-
haupt zum Mietling machet. Darum eines Leh-
rers Hertz davon vor allen Dingen gereiniget ſeyn
muß.

6. Man huͤte ſich ja, daß man ſich nicht auf
GOttes Zeugniß berufe, da einem das Gewiſſen
ein anders ſaget, oder es doch von todten Wer-
cken noch nicht recht gereiniget und noch viel we-
niger recht gepruͤfet iſt. Duo cum faciunt
idem, non eſt idem:
mag es auch alhie heiſſen.
Daß es Paulus oͤfter gethan, ſiehet man Roͤm.
1, 9. 9, 1. 2 Cor. 1, 23. Gal. 1, 20. Philipp. 1, 8.
1 Tim. 2, 7.

V. 6.

Haben auch nicht Ehre geſucht von den
Leuten, weder von euch, noch von andern:
haͤtten euch auch moͤgen ſchwer ſeyn
(einige
Laſt mit rechtmaͤßiger Forderung des Unterhalts
verurſachen v. 9. Dagegen aber Paulus mit
ſeinen Gehuͤlfen in allen Stuͤcken ἀβαρής gewe-
ſen 2 Cor. 11, 9.) als Chriſti Apoſtel (welche
von den Gemeinen ihre Nothdurft genommen
haben 1 Cor. 9, 6. u. f.)

Anmerckungen.

1. Wie der Geldgeitz, alſo iſt auch der
Ehrgeitz eine rechte Peſt der reinen Lehre und des
Lehr-Amts; als dadurch die Lauterkeit der Lehre,
und des Lehrers Verrichtung gar ſehr verkehret
wird. Man ſiehet es an dem Exempel der Pha-
riſaͤer, bey welchen ſich beydes funde. Von ihrem
Ehr-Geitze ſpricht unſer Heyland: Wie koͤnnet
ihr glauben, die ihr Ehre von einander neh-
mee, und die Ehre, die von GOtt allein iſt,
ſuchet ihr nicht
Joh. 5, 44. Siehe auch Cap.
12, 43. von dem Geld-Geitze Matth. 23, 14.

2. Ein anders iſt Ehre haben, ein anders
Ehre ſuchen. Man kan ſie alſo haben, daß ſie
von ſich ſelbſt koͤmmt, und wie ein Schatten von
einem Coͤrper, alſo auch von dem Amte und deſſel-
ben loͤblicher Verrichtung, auch von einem exem-
plariſchen Wandel faͤllt. Da man ſie denn nicht
hat als ein Eigenthum, vielweniger darinnen
ruhet, ſondern ſie zur Ehre GOttes richtet, ſie
auch hat mit ſolcher Verleugnung, daß man bereit
iſt, auch das Gegentheil, ſo einem um der Wahr-
heit gar oft begegnet, uͤber ſich ergehen zu laſſen.
Da hingegen ein Ehrſuͤchtiger nicht allein alles zu
ſeiner eignen Ehre richtet, ſondern auch von der-
ſelben Verleugnung nichts weiß, ja alles verhuͤtet,
was ihn dazu veranlaſſen koͤnte.

V. 7.

Sondern wir ſind muͤtterlich geweſen
bey euch
(ἤπιοι ἐν μέσῳ ὑμῶν, freundlich, lieb-
reich, gelinde, gutthaͤtig, ſo wie es der Affect ei-
[Spaltenumbruch] nes Vaters oder einer Mutter gegen zarte Kinder
mit ſich bringet) wie eine Amme ihre Kin-
der pfleget
(τροϕός, nutrix, es ſey eine leibliche
Mutter, oder an ihrer ſtatt eine Amme, welche,
wenn ſie rechter Art iſt, einen rechten Mutter-
Sinn in der Liebe und Treue mit an ſich nimt
Siehe 4 B. Moſ. 11, 12.)

Anmerckungen.

1. Nichts iſt, was einem Lehrer mehrern
und leichtern Eingang bey ſeinen Zuhoͤrern mit
dem Worte GOttes machet, als ein ſolcher Ev-
angeliſcher Sinn und Umgang, dadurch man
recht muͤtterlich in aller Liebe und Freundlichkeit
mit ihnen verfaͤhret, und nach Pauli Exempel
1 Cor. 9. ſuchet allen allerley zu werden, um im-
mer etliche zu gewinnen.

2. Es gehoͤret aber zu ſolchem Umgange die-
ſe Vorſichtigkeit, daß das liebreiche Bezeigen
nicht zu einer ſolchen Familiaritaͤt werde, wo-
durch die dem Lehrer auch noͤthige Auctoritaͤt,
und ſchuldige Ehrerbietung hinweg faͤllt; noch
daß man dabey allen Ernſt gegen den Ausbruch
der Aergerniſſe fahren laſſe.

3. Das Wort ϑάλπειν, pflegen, erwaͤrmen
ſtehet auch Epheſ. 5, 29. und bey den Griechiſchen
Interpretibus 3 B. Moſ. 22, 6. von den alten
Voͤgeln, welche ihrer Jungen in den Neſtern
pflegen.

V. 8.

Alſo hatten wir Hertzens-Luſt an
euch, und waren willig euch mitzutheilen
nicht allein das Evangelium GOttes
(C.
2, 2. welches nach C. 1, 5. auch unſer Evangelium
iſt) ſondern auch unſer Leben (waren bereit
es fuͤr euch zu laſſen; daß alſo das Wort mitzu-
theilen, eigentlich auf das Evangelium gehet, und
in Anſehung des Lebens einen weiten Verſtand
hat) darum daß wir euch lieb hatten ge-
wonnen,
(wie uͤberhaupt, da uns billig von
GOttes wegen alle Menſchen lieb ſind; alſo auch
inſonderheit daher, da wir an euch die ſo willige
und freudige Aufnahme des Evangelii unter ſo
vielem Leiden geſehen haben.)

Anmerckungen.

1. Ein Lehrer hat ſonderlich dahin zu ſehen,
daß ſein Hertz moͤge mit rechter vaͤterlicher und
muͤtterlicher Liebe gegen ſeine Gemeine erfuͤllet
werden. Denn iſt dieſe da, ſo wird ihm alle ſonſt
ſchwere Arbeit und groſſe Muͤhe leicht und gar er-
traͤglich. Solche Liebe aber ſetzet den Glauben
und die Liebe gegen GOtt zum Grunde. Denn
wo dieſe nicht iſt, da wird das Waſſer gleichſam
in den Brunnen getragen, und iſt man nur ein
Mietling.

2. Nicht weniger iſt es auch eines recht-
ſchaffenen Zuhoͤrers Pflicht, ſich alſo gegen den
Lehrer und gegen das von ihm vorgetragene Wort
zu verhalten, daß er den Lehrer zur Liebe reitze, und
ſeiner zarten Liebe werth ſey.

V. 9.

Jhr ſeyd wohl eindaͤchtig (eingedenck)

lie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0017" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">C, 2. v. 5. 6. 7. 8. 9. an die The&#x017F;&#x017F;alonicher.</hi></fw><lb/><cb/>
ler unter ihnen gewe&#x017F;en. Aber daß er von allem<lb/><hi rendition="#aq">Affect</hi> des Geitzes ferne gewe&#x017F;en, das war eine<lb/>
Sache, die ihme &#x017F;elb&#x017F;t und GOtt allein bekannt<lb/>
war. Daher er &#x017F;ich auf GOtt beziehet.</p><lb/>
              <p>5. J&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Geitz</hi> bey allen Men&#x017F;chen eine<lb/>
Wurtzel alles Ubels, nach Pauli Aus&#x017F;pruch<lb/>
1 Tim. 6, 10. &#x017F;o i&#x017F;t er es gewiß am allermei&#x017F;ten bey<lb/>
einem Lehrer, als den er in vielen Stu&#x0364;cken zum<lb/>
Schmeichler und fal&#x017F;chen Propheten, und u&#x0364;ber-<lb/>
haupt zum Mietling machet. Darum eines Leh-<lb/>
rers Hertz davon vor allen Dingen gereiniget &#x017F;eyn<lb/>
muß.</p><lb/>
              <p>6. Man hu&#x0364;te &#x017F;ich ja, daß man &#x017F;ich nicht auf<lb/>
GOttes Zeugniß berufe, da einem das Gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ein anders &#x017F;aget, oder es doch von todten Wer-<lb/>
cken noch nicht recht gereiniget und noch viel we-<lb/>
niger recht gepru&#x0364;fet i&#x017F;t. <hi rendition="#aq">Duo cum faciunt<lb/>
idem, non e&#x017F;t idem:</hi> mag es auch alhie hei&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Daß es Paulus o&#x0364;fter gethan, &#x017F;iehet man Ro&#x0364;m.<lb/>
1, 9. 9, 1. 2 Cor. 1, 23. Gal. 1, 20. Philipp. 1, 8.<lb/>
1 Tim. 2, 7.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 6.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Haben auch nicht Ehre ge&#x017F;ucht von den<lb/>
Leuten, weder von euch, noch von andern:<lb/>
ha&#x0364;tten euch auch mo&#x0364;gen &#x017F;chwer &#x017F;eyn</hi> (einige<lb/>
La&#x017F;t mit rechtma&#x0364;ßiger Forderung des Unterhalts<lb/>
verur&#x017F;achen v. 9. Dagegen aber Paulus mit<lb/>
&#x017F;einen Gehu&#x0364;lfen in allen Stu&#x0364;cken &#x1F00;&#x03B2;&#x03B1;&#x03C1;&#x03AE;&#x03C2; gewe-<lb/>
&#x017F;en 2 Cor. 11, 9.) <hi rendition="#fr">als Chri&#x017F;ti Apo&#x017F;tel</hi> (welche<lb/>
von den Gemeinen ihre Nothdurft genommen<lb/>
haben 1 Cor. 9, 6. u. f.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Wie der <hi rendition="#fr">Geldgeitz,</hi> al&#x017F;o i&#x017F;t auch der<lb/><hi rendition="#fr">Ehrgeitz</hi> eine rechte Pe&#x017F;t der reinen Lehre und des<lb/>
Lehr-Amts; als dadurch die Lauterkeit der Lehre,<lb/>
und des Lehrers Verrichtung gar &#x017F;ehr verkehret<lb/>
wird. Man &#x017F;iehet es an dem Exempel der Pha-<lb/>
ri&#x017F;a&#x0364;er, bey welchen &#x017F;ich beydes funde. Von ihrem<lb/>
Ehr-Geitze &#x017F;pricht un&#x017F;er Heyland: <hi rendition="#fr">Wie ko&#x0364;nnet<lb/>
ihr glauben, die ihr Ehre von einander neh-<lb/>
mee, und die Ehre, die von GOtt allein i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;uchet ihr nicht</hi> Joh. 5, 44. Siehe auch Cap.<lb/>
12, 43. von dem Geld-Geitze Matth. 23, 14.</p><lb/>
              <p>2. Ein anders i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Ehre haben,</hi> ein anders<lb/><hi rendition="#fr">Ehre &#x017F;uchen.</hi> Man kan &#x017F;ie al&#x017F;o haben, daß &#x017F;ie<lb/>
von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ko&#x0364;mmt, und wie ein Schatten von<lb/>
einem Co&#x0364;rper, al&#x017F;o auch von dem Amte und de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
ben lo&#x0364;blicher Verrichtung, auch von einem exem-<lb/>
plari&#x017F;chen Wandel fa&#x0364;llt. Da man &#x017F;ie denn nicht<lb/>
hat als ein Eigenthum, vielweniger darinnen<lb/>
ruhet, &#x017F;ondern &#x017F;ie zur Ehre GOttes richtet, &#x017F;ie<lb/>
auch hat mit &#x017F;olcher Verleugnung, daß man bereit<lb/>
i&#x017F;t, auch das Gegentheil, &#x017F;o einem um der Wahr-<lb/>
heit gar oft begegnet, u&#x0364;ber &#x017F;ich ergehen zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Da hingegen ein Ehr&#x017F;u&#x0364;chtiger nicht allein alles zu<lb/>
&#x017F;einer eignen Ehre richtet, &#x017F;ondern auch von der-<lb/>
&#x017F;elben Verleugnung nichts weiß, ja alles verhu&#x0364;tet,<lb/>
was ihn dazu veranla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nte.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 7.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Sondern wir &#x017F;ind mu&#x0364;tterlich gewe&#x017F;en<lb/>
bey euch</hi> (&#x1F24;&#x03C0;&#x03B9;&#x03BF;&#x03B9; &#x1F10;&#x03BD; &#x03BC;&#x03AD;&#x03C3;&#x1FF3; &#x1F51;&#x03BC;&#x1FF6;&#x03BD;, freundlich, lieb-<lb/>
reich, gelinde, guttha&#x0364;tig, &#x017F;o wie es der <hi rendition="#aq">Affect</hi> ei-<lb/><cb/>
nes Vaters oder einer Mutter gegen zarte Kinder<lb/>
mit &#x017F;ich bringet) <hi rendition="#fr">wie eine Amme ihre Kin-<lb/>
der pfleget</hi> (&#x03C4;&#x03C1;&#x03BF;&#x03D5;&#x03CC;&#x03C2;, <hi rendition="#aq">nutrix,</hi> es &#x017F;ey eine leibliche<lb/>
Mutter, oder an ihrer &#x017F;tatt eine Amme, welche,<lb/>
wenn &#x017F;ie rechter Art i&#x017F;t, einen rechten Mutter-<lb/>
Sinn in der Liebe und Treue mit an &#x017F;ich nimt<lb/>
Siehe 4 B. Mo&#x017F;. 11, 12.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Nichts i&#x017F;t, was einem Lehrer mehrern<lb/>
und leichtern Eingang bey &#x017F;einen Zuho&#x0364;rern mit<lb/>
dem Worte GOttes machet, als ein &#x017F;olcher Ev-<lb/>
angeli&#x017F;cher Sinn und Umgang, dadurch man<lb/>
recht mu&#x0364;tterlich in aller Liebe und Freundlichkeit<lb/>
mit ihnen verfa&#x0364;hret, und nach Pauli Exempel<lb/>
1 Cor. 9. &#x017F;uchet allen allerley zu werden, um im-<lb/>
mer etliche zu gewinnen.</p><lb/>
              <p>2. Es geho&#x0364;ret aber zu &#x017F;olchem Umgange die-<lb/>
&#x017F;e Vor&#x017F;ichtigkeit, daß das liebreiche Bezeigen<lb/>
nicht zu einer &#x017F;olchen <hi rendition="#aq">Familiarit</hi>a&#x0364;t werde, wo-<lb/>
durch die dem Lehrer auch no&#x0364;thige <hi rendition="#aq">Auctorit</hi>a&#x0364;t,<lb/>
und &#x017F;chuldige Ehrerbietung hinweg fa&#x0364;llt; noch<lb/>
daß man dabey allen Ern&#x017F;t gegen den Ausbruch<lb/>
der Aergerni&#x017F;&#x017F;e fahren la&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
              <p>3. Das Wort &#x03D1;&#x03AC;&#x03BB;&#x03C0;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;, pflegen, erwa&#x0364;rmen<lb/>
&#x017F;tehet auch Ephe&#x017F;. 5, 29. und bey den Griechi&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#aq">Interpretibus</hi> 3 B. Mo&#x017F;. 22, 6. von den alten<lb/>
Vo&#x0364;geln, welche ihrer Jungen in den Ne&#x017F;tern<lb/>
pflegen.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 8.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Al&#x017F;o hatten wir Hertzens-Lu&#x017F;t an<lb/>
euch, und waren willig euch mitzutheilen<lb/>
nicht allein das Evangelium GOttes</hi> (C.<lb/>
2, 2. welches nach C. 1, 5. auch un&#x017F;er Evangelium<lb/>
i&#x017F;t) <hi rendition="#fr">&#x017F;ondern auch un&#x017F;er Leben</hi> (waren bereit<lb/>
es fu&#x0364;r euch zu la&#x017F;&#x017F;en; daß al&#x017F;o das Wort mitzu-<lb/>
theilen, eigentlich auf das Evangelium gehet, und<lb/>
in An&#x017F;ehung des Lebens einen weiten Ver&#x017F;tand<lb/>
hat) <hi rendition="#fr">darum daß wir euch lieb hatten ge-<lb/>
wonnen,</hi> (wie u&#x0364;berhaupt, da uns billig von<lb/>
GOttes wegen alle Men&#x017F;chen lieb &#x017F;ind; al&#x017F;o auch<lb/>
in&#x017F;onderheit daher, da wir an euch die &#x017F;o willige<lb/>
und freudige Aufnahme des Evangelii unter &#x017F;o<lb/>
vielem Leiden ge&#x017F;ehen haben.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Ein Lehrer hat &#x017F;onderlich dahin zu &#x017F;ehen,<lb/>
daß &#x017F;ein Hertz mo&#x0364;ge mit rechter va&#x0364;terlicher und<lb/>
mu&#x0364;tterlicher Liebe gegen &#x017F;eine Gemeine erfu&#x0364;llet<lb/>
werden. Denn i&#x017F;t die&#x017F;e da, &#x017F;o wird ihm alle &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chwere Arbeit und gro&#x017F;&#x017F;e Mu&#x0364;he leicht und gar er-<lb/>
tra&#x0364;glich. Solche Liebe aber &#x017F;etzet den Glauben<lb/>
und die Liebe gegen GOtt zum Grunde. Denn<lb/>
wo die&#x017F;e nicht i&#x017F;t, da wird das Wa&#x017F;&#x017F;er gleich&#x017F;am<lb/>
in den Brunnen getragen, und i&#x017F;t man nur ein<lb/>
Mietling.</p><lb/>
              <p>2. Nicht weniger i&#x017F;t es auch eines recht-<lb/>
&#x017F;chaffenen Zuho&#x0364;rers Pflicht, &#x017F;ich al&#x017F;o gegen den<lb/>
Lehrer und gegen das von ihm vorgetragene Wort<lb/>
zu verhalten, daß er den Lehrer zur Liebe reitze, und<lb/>
&#x017F;einer zarten Liebe werth &#x017F;ey.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 9.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Jhr &#x017F;eyd wohl einda&#x0364;chtig</hi> (eingedenck)<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lie-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0017] C, 2. v. 5. 6. 7. 8. 9. an die Theſſalonicher. ler unter ihnen geweſen. Aber daß er von allem Affect des Geitzes ferne geweſen, das war eine Sache, die ihme ſelbſt und GOtt allein bekannt war. Daher er ſich auf GOtt beziehet. 5. Jſt der Geitz bey allen Menſchen eine Wurtzel alles Ubels, nach Pauli Ausſpruch 1 Tim. 6, 10. ſo iſt er es gewiß am allermeiſten bey einem Lehrer, als den er in vielen Stuͤcken zum Schmeichler und falſchen Propheten, und uͤber- haupt zum Mietling machet. Darum eines Leh- rers Hertz davon vor allen Dingen gereiniget ſeyn muß. 6. Man huͤte ſich ja, daß man ſich nicht auf GOttes Zeugniß berufe, da einem das Gewiſſen ein anders ſaget, oder es doch von todten Wer- cken noch nicht recht gereiniget und noch viel we- niger recht gepruͤfet iſt. Duo cum faciunt idem, non eſt idem: mag es auch alhie heiſſen. Daß es Paulus oͤfter gethan, ſiehet man Roͤm. 1, 9. 9, 1. 2 Cor. 1, 23. Gal. 1, 20. Philipp. 1, 8. 1 Tim. 2, 7. V. 6. Haben auch nicht Ehre geſucht von den Leuten, weder von euch, noch von andern: haͤtten euch auch moͤgen ſchwer ſeyn (einige Laſt mit rechtmaͤßiger Forderung des Unterhalts verurſachen v. 9. Dagegen aber Paulus mit ſeinen Gehuͤlfen in allen Stuͤcken ἀβαρής gewe- ſen 2 Cor. 11, 9.) als Chriſti Apoſtel (welche von den Gemeinen ihre Nothdurft genommen haben 1 Cor. 9, 6. u. f.) Anmerckungen. 1. Wie der Geldgeitz, alſo iſt auch der Ehrgeitz eine rechte Peſt der reinen Lehre und des Lehr-Amts; als dadurch die Lauterkeit der Lehre, und des Lehrers Verrichtung gar ſehr verkehret wird. Man ſiehet es an dem Exempel der Pha- riſaͤer, bey welchen ſich beydes funde. Von ihrem Ehr-Geitze ſpricht unſer Heyland: Wie koͤnnet ihr glauben, die ihr Ehre von einander neh- mee, und die Ehre, die von GOtt allein iſt, ſuchet ihr nicht Joh. 5, 44. Siehe auch Cap. 12, 43. von dem Geld-Geitze Matth. 23, 14. 2. Ein anders iſt Ehre haben, ein anders Ehre ſuchen. Man kan ſie alſo haben, daß ſie von ſich ſelbſt koͤmmt, und wie ein Schatten von einem Coͤrper, alſo auch von dem Amte und deſſel- ben loͤblicher Verrichtung, auch von einem exem- plariſchen Wandel faͤllt. Da man ſie denn nicht hat als ein Eigenthum, vielweniger darinnen ruhet, ſondern ſie zur Ehre GOttes richtet, ſie auch hat mit ſolcher Verleugnung, daß man bereit iſt, auch das Gegentheil, ſo einem um der Wahr- heit gar oft begegnet, uͤber ſich ergehen zu laſſen. Da hingegen ein Ehrſuͤchtiger nicht allein alles zu ſeiner eignen Ehre richtet, ſondern auch von der- ſelben Verleugnung nichts weiß, ja alles verhuͤtet, was ihn dazu veranlaſſen koͤnte. V. 7. Sondern wir ſind muͤtterlich geweſen bey euch (ἤπιοι ἐν μέσῳ ὑμῶν, freundlich, lieb- reich, gelinde, gutthaͤtig, ſo wie es der Affect ei- nes Vaters oder einer Mutter gegen zarte Kinder mit ſich bringet) wie eine Amme ihre Kin- der pfleget (τροϕός, nutrix, es ſey eine leibliche Mutter, oder an ihrer ſtatt eine Amme, welche, wenn ſie rechter Art iſt, einen rechten Mutter- Sinn in der Liebe und Treue mit an ſich nimt Siehe 4 B. Moſ. 11, 12.) Anmerckungen. 1. Nichts iſt, was einem Lehrer mehrern und leichtern Eingang bey ſeinen Zuhoͤrern mit dem Worte GOttes machet, als ein ſolcher Ev- angeliſcher Sinn und Umgang, dadurch man recht muͤtterlich in aller Liebe und Freundlichkeit mit ihnen verfaͤhret, und nach Pauli Exempel 1 Cor. 9. ſuchet allen allerley zu werden, um im- mer etliche zu gewinnen. 2. Es gehoͤret aber zu ſolchem Umgange die- ſe Vorſichtigkeit, daß das liebreiche Bezeigen nicht zu einer ſolchen Familiaritaͤt werde, wo- durch die dem Lehrer auch noͤthige Auctoritaͤt, und ſchuldige Ehrerbietung hinweg faͤllt; noch daß man dabey allen Ernſt gegen den Ausbruch der Aergerniſſe fahren laſſe. 3. Das Wort ϑάλπειν, pflegen, erwaͤrmen ſtehet auch Epheſ. 5, 29. und bey den Griechiſchen Interpretibus 3 B. Moſ. 22, 6. von den alten Voͤgeln, welche ihrer Jungen in den Neſtern pflegen. V. 8. Alſo hatten wir Hertzens-Luſt an euch, und waren willig euch mitzutheilen nicht allein das Evangelium GOttes (C. 2, 2. welches nach C. 1, 5. auch unſer Evangelium iſt) ſondern auch unſer Leben (waren bereit es fuͤr euch zu laſſen; daß alſo das Wort mitzu- theilen, eigentlich auf das Evangelium gehet, und in Anſehung des Lebens einen weiten Verſtand hat) darum daß wir euch lieb hatten ge- wonnen, (wie uͤberhaupt, da uns billig von GOttes wegen alle Menſchen lieb ſind; alſo auch inſonderheit daher, da wir an euch die ſo willige und freudige Aufnahme des Evangelii unter ſo vielem Leiden geſehen haben.) Anmerckungen. 1. Ein Lehrer hat ſonderlich dahin zu ſehen, daß ſein Hertz moͤge mit rechter vaͤterlicher und muͤtterlicher Liebe gegen ſeine Gemeine erfuͤllet werden. Denn iſt dieſe da, ſo wird ihm alle ſonſt ſchwere Arbeit und groſſe Muͤhe leicht und gar er- traͤglich. Solche Liebe aber ſetzet den Glauben und die Liebe gegen GOtt zum Grunde. Denn wo dieſe nicht iſt, da wird das Waſſer gleichſam in den Brunnen getragen, und iſt man nur ein Mietling. 2. Nicht weniger iſt es auch eines recht- ſchaffenen Zuhoͤrers Pflicht, ſich alſo gegen den Lehrer und gegen das von ihm vorgetragene Wort zu verhalten, daß er den Lehrer zur Liebe reitze, und ſeiner zarten Liebe werth ſey. V. 9. Jhr ſeyd wohl eindaͤchtig (eingedenck) lie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/17
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/17>, abgerufen am 21.11.2024.