[Spaltenumbruch]
Dreyeinigen GOttes und in der heiligen Drey- Einigkeit, nach der besondern Oeconomie, des Sohnes GOttes, der mir das Amt mit einem Befehl vom Himmel aufgetragen hat Ap. Ges. 9. c. 20, 24. Gal. 1, 1. 8. 16. 1 Tim. 1, 11. von dem Worte Heyland siehe 1 Tim. 1, 1.)
V. 4.
Tito, meinem rechtschafnen Sohne, (gnesio, der rechter Art und mir recht wohl ge- rathen ist: siehe 1 Tim. 1, 2.) nach unser bey- der Glauben (meinem Glaubens-Sohn, oder meinem geistlichen Sohn, der, da er den selig- machenden Glauben, den ich habe, in sich wir- cken lassen, dadurch ein Kind GOttes; und in Ansehung meines, als eines geistlichen Vaters, dazu gebrauchten Dienstes, auch mein Sohn ist, der mit mir in der Gemeinschaft des Glaubens stehet.) Gnade, Barmhertzigkeit und Frie- de von GOtt dem Vater, und dem HErrn JEsu Christo, unserm Heylande. (siehe 1 Tim. 1, 2, 2 Tim. 1, 2. und diesen Segens-Gruß bey dem Anfange der übrigen vorhergehenden Brie- fe, sonderlich Rom. 1, 7.)
V. 5.
Derohalben ließ ich dich (als ich mit dir von Rom gekommen war) in Creta (auf der grossen Jnsel Candia auf dem Mittelländischen Meere,) daß du (die Kirchen-Sachen) sollest vollend anrichten, da ichs gelassen habe (ta leiponta, was noch übrig war, und von mir der nöthigen Abreise wegen nicht konnte zu Stan- de gebracht werden) und besetzen die Städte (deren hundert auf der Jnsel gewesen seyn sollen) hin und her mit Aeltesten (und in den Städ- ten, oder den Christlichen Gemeinen derselben, Aeltesten bestelletest) wie ich dir (nach apostoli- scher Auctorität von GOttes wegen) befohlen habe: (wie ich es auch selbsten also gethan habe in den Gemeinen Asiens Ap. Ges. 14, 23. Da denn gewisse Personen erwehlet, der Gemeine vorgestellet, über sie GOTT angeruffen und sie also mit Auflegung der Hände verordnet wurden.)
Anmerckungen.
1. Man siehet hieraus den vortreflichen Wachsthum der Kirche Christi auch auf dieser grossen und volckreichen Jnsel, daß der Apostel nöthig gefunden, kata polin, von Stadt zu Stadt in den bereits gepflantzten Gemeinen öf- fentliche Lehrer zu verordnen. Den ersten Samen des Evangelii hatten diese Oerter wol empfan- gen von denen, welche schon zu den Zeiten Jo- hannis des Täufers und Christi die Predigt des Evangelii im Jüdischen Lande, dahin die auf dieser Jnsel haufig wohnenden Juden gar oft verreiseten, zum Segen angehöret hatten. So waren auch unter denen zu Jerusalem am ersten Pfingst-Tage nach Christi Himmelfahrt bekehr- ten ausländischen Juden Creter Ap. Ges. 2, 11.
2. Aeltesten werden die öffentlichen Leh- rer und Vorsteher der Gemeinen genennet von [Spaltenumbruch]
ihrem Alter, welches sie hatten, nicht allein nach ihrem natürlichen Alter des Lebens, sondern auch nach ihrem geistlichen Alter des Christen- thums: sintemal man zu dem wichtigen Amte gern geübte, und, wo sie zu haben waren, auch schon bejahrte Männer nahm: Wie denn ein Lehrer nicht noch neophutos, ein neubekehrter seyn muste 1 Tim. 3, 6.
3. Und da die Hirten der Gemeinen nicht nach heutiger Art aus den Candidatis Theo- logiae konnten genommen, sondern aus der Ge- meine musten erwehlet werden: so siehet man daraus, was es für geübte und begabte Chri- sten in der ersten Kirche müsse gegeben haben: und wie sehr es denen, welche sich nach itziger Kirchen-Verfassung, um sich als Lehrer gebrau- chen zu lassen, auf das studium Theologiae legen, angelegen seyn soll, daß sie die hier v. 6. 7. 8. 9. und 1 Tim. 3. erfoderte Eigenschaften an sich haben: als welche bey ihnen so vielmehr erfo- dert werden, so viel mehrere Gelegenheit sie zur würdigen Zubereitung haben.
4. Es haben die Christen zwar ofte vielen Druck, aber doch dabey nebst den Juden von den Römern viele Freyheit gehabt, also daß hin und wieder, zwar nicht ohne mancherley Hin- derungen, doch aber auch ofte, und an vielen Or- ten, mit vieler Freyheit haben Christliche Ge- meinen können gepflantzet und ausgebreitet wer- den. Welches denn mit daher kam, daß sie für eine Jüdische Secte gehalten wurden, und also der Freyheit, welche im gantzen Römischen Rei- che die darinn gar sehr ausgebreitete Jüdische Nation hatte, mit genosse: die ihnen doch aber aus Neid und Haß der Juden oft sehr beschnit- ten, wo nicht gar genommen wurde.
5. Jm übrigen ist zu mercken, daß Paulus mit der Vorhaltung des Zwecks, zu welchem er Titum in Creta gelassen, ihn erinnert, demsel- ben getreulich nachzukommen, und ihn damit auch schriftlich auctorisiret, um es mit desto mehrerm Nachdruck im Segen thun zu kön- nen.
V. 6.
Wo einer ist untadelich (daß wider sei- ne Lehre und Leben nichts könne mit Bestand der Wahrheit eingewendet werden, sondern er wegen seines exemplarischen Wandels bekannt sey) eines Weibes Mann (der nicht vor dem in seinem Juden- oder Heydenthum mehrere, als ein Weib genommen: siehe hievon ein mehrers 1 Tim. 3, 2.) der gläubige (gleichfals zu Chri- sto schon bekehrte, und dabey gehorsame und ordentlich wandelnde) Kinder habe, nicht be- rüchtiget, (zur öffentlichen Anklage, me en ka- tegoria asotias) daß sie Schwelger und ungehorsame sind. (1 Tim. 3, 4. 5.)
Anmerckungen.
1. Gläubige Kinder haben stunde zwar bey keinem Haus-Vater, da sich manchmal in einer Familie die Eltern allein zu Christo bekehrten, die Kinder aber nicht; oder die Kinder, und
nicht
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Cap. 1. v. 3-6. an den Titum.
[Spaltenumbruch]
Dreyeinigen GOttes und in der heiligen Drey- Einigkeit, nach der beſondern Oeconomie, des Sohnes GOttes, der mir das Amt mit einem Befehl vom Himmel aufgetragen hat Ap. Geſ. 9. c. 20, 24. Gal. 1, 1. 8. 16. 1 Tim. 1, 11. von dem Worte Heyland ſiehe 1 Tim. 1, 1.)
V. 4.
Tito, meinem rechtſchafnen Sohne, (γνησίῳ, der rechter Art und mir recht wohl ge- rathen iſt: ſiehe 1 Tim. 1, 2.) nach unſer bey- der Glauben (meinem Glaubens-Sohn, oder meinem geiſtlichen Sohn, der, da er den ſelig- machenden Glauben, den ich habe, in ſich wir- cken laſſen, dadurch ein Kind GOttes; und in Anſehung meines, als eines geiſtlichen Vaters, dazu gebrauchten Dienſtes, auch mein Sohn iſt, der mit mir in der Gemeinſchaft des Glaubens ſtehet.) Gnade, Barmhertzigkeit und Frie- de von GOtt dem Vater, und dem HErrn JEſu Chriſto, unſerm Heylande. (ſiehe 1 Tim. 1, 2, 2 Tim. 1, 2. und dieſen Segens-Gruß bey dem Anfange der uͤbrigen vorhergehenden Brie- fe, ſonderlich Rom. 1, 7.)
V. 5.
Derohalben ließ ich dich (als ich mit dir von Rom gekommen war) in Creta (auf der groſſen Jnſel Candia auf dem Mittellaͤndiſchen Meere,) daß du (die Kirchen-Sachen) ſolleſt vollend anrichten, da ichs gelaſſen habe (τὰ λέιποντα, was noch uͤbrig war, und von mir der noͤthigen Abreiſe wegen nicht konnte zu Stan- de gebracht werden) und beſetzen die Staͤdte (deren hundert auf der Jnſel geweſen ſeyn ſollen) hin und her mit Aelteſten (und in den Staͤd- ten, oder den Chriſtlichen Gemeinen derſelben, Aelteſten beſtelleteſt) wie ich dir (nach apoſtoli- ſcher Auctoritaͤt von GOttes wegen) befohlen habe: (wie ich es auch ſelbſten alſo gethan habe in den Gemeinen Aſiens Ap. Geſ. 14, 23. Da denn gewiſſe Perſonen erwehlet, der Gemeine vorgeſtellet, uͤber ſie GOTT angeruffen und ſie alſo mit Auflegung der Haͤnde verordnet wurden.)
Anmerckungen.
1. Man ſiehet hieraus den vortreflichen Wachsthum der Kirche Chriſti auch auf dieſer groſſen und volckreichen Jnſel, daß der Apoſtel noͤthig gefunden, κατὰ πόλιν, von Stadt zu Stadt in den bereits gepflantzten Gemeinen oͤf- fentliche Lehrer zu verordnen. Den erſten Samen des Evangelii hatten dieſe Oerter wol empfan- gen von denen, welche ſchon zu den Zeiten Jo- hannis des Taͤufers und Chriſti die Predigt des Evangelii im Juͤdiſchen Lande, dahin die auf dieſer Jnſel haufig wohnenden Juden gar oft verreiſeten, zum Segen angehoͤret hatten. So waren auch unter denen zu Jeruſalem am erſten Pfingſt-Tage nach Chriſti Himmelfahrt bekehr- ten auslaͤndiſchen Juden Creter Ap. Geſ. 2, 11.
2. Aelteſten werden die oͤffentlichen Leh- rer und Vorſteher der Gemeinen genennet von [Spaltenumbruch]
ihrem Alter, welches ſie hatten, nicht allein nach ihrem natuͤrlichen Alter des Lebens, ſondern auch nach ihrem geiſtlichen Alter des Chriſten- thums: ſintemal man zu dem wichtigen Amte gern geuͤbte, und, wo ſie zu haben waren, auch ſchon bejahrte Maͤnner nahm: Wie denn ein Lehrer nicht noch νεόφυτος, ein neubekehrter ſeyn muſte 1 Tim. 3, 6.
3. Und da die Hirten der Gemeinen nicht nach heutiger Art aus den Candidatis Theo- logiæ konnten genommen, ſondern aus der Ge- meine muſten erwehlet werden: ſo ſiehet man daraus, was es fuͤr geuͤbte und begabte Chri- ſten in der erſten Kirche muͤſſe gegeben haben: und wie ſehr es denen, welche ſich nach itziger Kirchen-Verfaſſung, um ſich als Lehrer gebrau- chen zu laſſen, auf das ſtudium Theologiæ legen, angelegen ſeyn ſoll, daß ſie die hier v. 6. 7. 8. 9. und 1 Tim. 3. erfoderte Eigenſchaften an ſich haben: als welche bey ihnen ſo vielmehr erfo- dert werden, ſo viel mehrere Gelegenheit ſie zur wuͤrdigen Zubereitung haben.
4. Es haben die Chriſten zwar ofte vielen Druck, aber doch dabey nebſt den Juden von den Roͤmern viele Freyheit gehabt, alſo daß hin und wieder, zwar nicht ohne mancherley Hin- derungen, doch aber auch ofte, und an vielen Or- ten, mit vieler Freyheit haben Chriſtliche Ge- meinen koͤnnen gepflantzet und ausgebreitet wer- den. Welches denn mit daher kam, daß ſie fuͤr eine Juͤdiſche Secte gehalten wurden, und alſo der Freyheit, welche im gantzen Roͤmiſchen Rei- che die darinn gar ſehr ausgebreitete Juͤdiſche Nation hatte, mit genoſſe: die ihnen doch aber aus Neid und Haß der Juden oft ſehr beſchnit- ten, wo nicht gar genommen wurde.
5. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß Paulus mit der Vorhaltung des Zwecks, zu welchem er Titum in Creta gelaſſen, ihn erinnert, demſel- ben getreulich nachzukommen, und ihn damit auch ſchriftlich auctoriſiret, um es mit deſto mehrerm Nachdruck im Segen thun zu koͤn- nen.
V. 6.
Wo einer iſt untadelich (daß wider ſei- ne Lehre und Leben nichts koͤnne mit Beſtand der Wahrheit eingewendet werden, ſondern er wegen ſeines exemplariſchen Wandels bekannt ſey) eines Weibes Mann (der nicht vor dem in ſeinem Juden- oder Heydenthum mehrere, als ein Weib genommen: ſiehe hievon ein mehrers 1 Tim. 3, 2.) der glaͤubige (gleichfals zu Chri- ſto ſchon bekehrte, und dabey gehorſame und ordentlich wandelnde) Kinder habe, nicht be- ruͤchtiget, (zur oͤffentlichen Anklage, μὴ ἐν κα- τηγορίᾳ ἀσωτίας) daß ſie Schwelger und ungehorſame ſind. (1 Tim. 3, 4. 5.)
Anmerckungen.
1. Glaͤubige Kinder haben ſtunde zwar bey keinem Haus-Vater, da ſich manchmal in einer Familie die Eltern allein zu Chriſto bekehrten, die Kinder aber nicht; oder die Kinder, und
nicht
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Cap. 1. v. 3-6. an den Titum.
Dreyeinigen GOttes und in der heiligen Drey-
Einigkeit, nach der beſondern Oeconomie, des
Sohnes GOttes, der mir das Amt mit einem
Befehl vom Himmel aufgetragen hat Ap. Geſ.
9. c. 20, 24. Gal. 1, 1. 8. 16. 1 Tim. 1, 11. von
dem Worte Heyland ſiehe 1 Tim. 1, 1.)
V. 4.
Tito, meinem rechtſchafnen Sohne,
(γνησίῳ, der rechter Art und mir recht wohl ge-
rathen iſt: ſiehe 1 Tim. 1, 2.) nach unſer bey-
der Glauben (meinem Glaubens-Sohn, oder
meinem geiſtlichen Sohn, der, da er den ſelig-
machenden Glauben, den ich habe, in ſich wir-
cken laſſen, dadurch ein Kind GOttes; und in
Anſehung meines, als eines geiſtlichen Vaters,
dazu gebrauchten Dienſtes, auch mein Sohn iſt,
der mit mir in der Gemeinſchaft des Glaubens
ſtehet.) Gnade, Barmhertzigkeit und Frie-
de von GOtt dem Vater, und dem HErrn
JEſu Chriſto, unſerm Heylande. (ſiehe 1 Tim.
1, 2, 2 Tim. 1, 2. und dieſen Segens-Gruß bey
dem Anfange der uͤbrigen vorhergehenden Brie-
fe, ſonderlich Rom. 1, 7.)
V. 5.
Derohalben ließ ich dich (als ich mit dir
von Rom gekommen war) in Creta (auf der
groſſen Jnſel Candia auf dem Mittellaͤndiſchen
Meere,) daß du (die Kirchen-Sachen) ſolleſt
vollend anrichten, da ichs gelaſſen habe
(τὰ λέιποντα, was noch uͤbrig war, und von mir
der noͤthigen Abreiſe wegen nicht konnte zu Stan-
de gebracht werden) und beſetzen die Staͤdte
(deren hundert auf der Jnſel geweſen ſeyn ſollen)
hin und her mit Aelteſten (und in den Staͤd-
ten, oder den Chriſtlichen Gemeinen derſelben,
Aelteſten beſtelleteſt) wie ich dir (nach apoſtoli-
ſcher Auctoritaͤt von GOttes wegen) befohlen
habe: (wie ich es auch ſelbſten alſo gethan habe
in den Gemeinen Aſiens Ap. Geſ. 14, 23. Da
denn gewiſſe Perſonen erwehlet, der Gemeine
vorgeſtellet, uͤber ſie GOTT angeruffen und
ſie alſo mit Auflegung der Haͤnde verordnet
wurden.)
Anmerckungen.
1. Man ſiehet hieraus den vortreflichen
Wachsthum der Kirche Chriſti auch auf dieſer
groſſen und volckreichen Jnſel, daß der Apoſtel
noͤthig gefunden, κατὰ πόλιν, von Stadt zu
Stadt in den bereits gepflantzten Gemeinen oͤf-
fentliche Lehrer zu verordnen. Den erſten Samen
des Evangelii hatten dieſe Oerter wol empfan-
gen von denen, welche ſchon zu den Zeiten Jo-
hannis des Taͤufers und Chriſti die Predigt des
Evangelii im Juͤdiſchen Lande, dahin die auf
dieſer Jnſel haufig wohnenden Juden gar oft
verreiſeten, zum Segen angehoͤret hatten. So
waren auch unter denen zu Jeruſalem am erſten
Pfingſt-Tage nach Chriſti Himmelfahrt bekehr-
ten auslaͤndiſchen Juden Creter Ap. Geſ. 2, 11.
2. Aelteſten werden die oͤffentlichen Leh-
rer und Vorſteher der Gemeinen genennet von
ihrem Alter, welches ſie hatten, nicht allein nach
ihrem natuͤrlichen Alter des Lebens, ſondern
auch nach ihrem geiſtlichen Alter des Chriſten-
thums: ſintemal man zu dem wichtigen Amte
gern geuͤbte, und, wo ſie zu haben waren, auch
ſchon bejahrte Maͤnner nahm: Wie denn ein
Lehrer nicht noch νεόφυτος, ein neubekehrter ſeyn
muſte 1 Tim. 3, 6.
3. Und da die Hirten der Gemeinen nicht
nach heutiger Art aus den Candidatis Theo-
logiæ konnten genommen, ſondern aus der Ge-
meine muſten erwehlet werden: ſo ſiehet man
daraus, was es fuͤr geuͤbte und begabte Chri-
ſten in der erſten Kirche muͤſſe gegeben haben:
und wie ſehr es denen, welche ſich nach itziger
Kirchen-Verfaſſung, um ſich als Lehrer gebrau-
chen zu laſſen, auf das ſtudium Theologiæ
legen, angelegen ſeyn ſoll, daß ſie die hier v. 6. 7. 8.
9. und 1 Tim. 3. erfoderte Eigenſchaften an ſich
haben: als welche bey ihnen ſo vielmehr erfo-
dert werden, ſo viel mehrere Gelegenheit ſie zur
wuͤrdigen Zubereitung haben.
4. Es haben die Chriſten zwar ofte vielen
Druck, aber doch dabey nebſt den Juden von
den Roͤmern viele Freyheit gehabt, alſo daß
hin und wieder, zwar nicht ohne mancherley Hin-
derungen, doch aber auch ofte, und an vielen Or-
ten, mit vieler Freyheit haben Chriſtliche Ge-
meinen koͤnnen gepflantzet und ausgebreitet wer-
den. Welches denn mit daher kam, daß ſie fuͤr
eine Juͤdiſche Secte gehalten wurden, und alſo
der Freyheit, welche im gantzen Roͤmiſchen Rei-
che die darinn gar ſehr ausgebreitete Juͤdiſche
Nation hatte, mit genoſſe: die ihnen doch aber
aus Neid und Haß der Juden oft ſehr beſchnit-
ten, wo nicht gar genommen wurde.
5. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß Paulus
mit der Vorhaltung des Zwecks, zu welchem er
Titum in Creta gelaſſen, ihn erinnert, demſel-
ben getreulich nachzukommen, und ihn damit
auch ſchriftlich auctoriſiret, um es mit deſto
mehrerm Nachdruck im Segen thun zu koͤn-
nen.
V. 6.
Wo einer iſt untadelich (daß wider ſei-
ne Lehre und Leben nichts koͤnne mit Beſtand
der Wahrheit eingewendet werden, ſondern er
wegen ſeines exemplariſchen Wandels bekannt
ſey) eines Weibes Mann (der nicht vor dem
in ſeinem Juden- oder Heydenthum mehrere, als
ein Weib genommen: ſiehe hievon ein mehrers
1 Tim. 3, 2.) der glaͤubige (gleichfals zu Chri-
ſto ſchon bekehrte, und dabey gehorſame und
ordentlich wandelnde) Kinder habe, nicht be-
ruͤchtiget, (zur oͤffentlichen Anklage, μὴ ἐν κα-
τηγορίᾳ ἀσωτίας) daß ſie Schwelger und
ungehorſame ſind. (1 Tim. 3, 4. 5.)
Anmerckungen.
1. Glaͤubige Kinder haben ſtunde zwar bey
keinem Haus-Vater, da ſich manchmal in einer
Familie die Eltern allein zu Chriſto bekehrten,
die Kinder aber nicht; oder die Kinder, und
nicht
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/199>, abgerufen am 16.02.2025.
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