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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli C. 2. v. 12.
[Spaltenumbruch] de und suchet darinnen seine Weide, wie
ein Käfer im Miste, wie eine Saue an den
Trebern, ja im Kothe. Wenn aber die züch-
tigende Gnade, oder die züchtigende Liebe
GOTTes in das Hertz ausgegossen wird, so
gehet darinnen eine reine Lust und die Freude im
HErrn auf; da man denn die unreine weltliche
Lüste so leichte verleugnen kan, als ein Durstiger
von einem stinckenden unreinen Sumpfe zu einer
frischen und reinen Qvelle gehet.

5. Es ist demnach die Lust nach dem Fal-
le durchaus kein Mittelding, welches an sich,
weder gut, noch böse sey, sondern erst gut, oder
böse werde, nachdem es recht gebrauchet, oder
gemißbrauchet wird. Denn es muß die Lust
des Willens nicht mit dem Willen selbst ver-
menget werden. Der Wille der Seelen ge-
höret zu dem Wesen derselben, und der ist an
sich selbst der Schöpfung und seinem Wesen
nach gut: allein da in den Willen des Menschen
durch den Sünden-Fall die verkehrte Eigenliebe
eingetreten ist und ihn gantz eingenommen und
verderbet hat, so ist dadurch die Lust des Men-
schen durch und durch verunreiniget worden.
Und diese unreine Lust ist das Haupt-Stücke der
Erb-Sünde und eine Quelle aller übrigen Sün-
den. Denn was sind die drey Haupt-Sünden,
dazu alle übrige gehören, anders, als eine ver-
kehrte Lust? Da die grobe Wollust, oder Flei-
sches-Lust der Geilheit diesen Namen ausdrück-
lich führet; so ists auch nicht weniger offenbar,
daß der Ehr- und Geld-Geitz in einer unreinen
und unordentlichen Lust-Begierde nach vieler
Ehre und nach Geld und Gut bestehet. Zwar hält
die durch die Lust-Seuche verblendete Vernunft
die Lust für eine indifferente, oder an sich un-
sündliche Sache: aber GOttes Wort saget an-
ders dazu. Paulus spricht Röm. 7, 7. Jch
wuste nichts von der Lust
(daß sie auch schon
an sich selbst sündlich sey) wo das Gesetz nicht
gesaget hätte: laß dich nicht gelüsten.
2 B.
Mos. 5, 21.

6. Da es nun also um die Lust stehet, so
darf man nicht gedencken, daß sie erst durch die
gröbern Excesse oder Ausbrüche sündlich wer-
de. Man kan sie zwar unterscheiden in die mäs-
sige
und unmäßige: aber es sey ferne, daß
man die mäßige für unsündlich halten wolte und
dürfte. Denn sie ist ja nichts anders, als eine
aus der Erb-Sünde entstehende würckliche Sün-
de, die von der unmäßigen nicht ihrer Art und
Natur, sondern nur dem Grad und der Maaße
nach unterschieden ist, und sich bey der bürgerli-
chen Ehrbarkeit von groben Excessen enthält;
im Hertzen aber so unrein ist und sowol herrschet,
als die unmäßige: welches sich am allerbesten
aus ein paar Exempeln erkennen läßt. Man
stelle sich zwey Ehr- und Geld-Geitzige, auch zwey
wollüstige Leute vor, die zwar mit einander dar-
innen übereinkommen, daß sie die unreine Lust-
Begierde bey sich herrschen lassen, also daß sie
davon beständig angetrieben werden, zu solchem
Antrieb willigen, die Begierden bey sich mit al-
lem Wohlgefallen hegen, und unterhalten, auch
[Spaltenumbruch] wohl vermehren, und alle ihr Tichten und Trach-
ten dahin richten, um ihrer recht froh zu wer-
den. Allein bey dem einen brechen diese Lüste
weiter nicht aus, als der äusserliche Wohlstand,
darauf er siehet, vor Menschen, und die Furcht vor
obrigkeitlicher Strafe und äusserlicher Schan-
de es zuläßt, und daher hütet er sich im Ehrgeitze
vor einem solchen eigenen Ruhm und übrigen
Betragen, darüber er von Menschen billig wür-
de verlachet werden: im Geld-Geitze hütet er
sich vor solchem Betruge und solchen Gattungen
der Ungerechtigkeit, und in der Wollust des
Fleisches vor einem solchen Ausbruch der Geil-
heit, oder Hurerey, und des Ehebruchs, da-
durch er vor Menschen zu schanden werden, ja
auch wol dabey obrigkeitliche Strafe über sich
ziehen würde. Und also sind seine Lust-Begier-
den gemäßiget, nemlich von solchen groben
Uberfahrungen. Wer wolte nun aber sagen,
daß sie deswegen indifferent, unsündlich und
Mitteldinge wären? wie man doch leider thut
nach den verkehrten Principiis der gantz ver-
derbten Aristotelischen Sitten-Lehre, darinnen
die gerühmte Mediocrität nicht anders ist, als
eine Disciplin mittelmäßig zu sündigen, oder
die herrschenden unreinen Lust-Begierden vom
gröbern Ausbruch zu mäßigen.

7. Will man hingegen einen gesunden Un-
terscheid der Lust haben, so unterscheide man
sie in die ordentliche und unordentliche.
Die ordentliche hatte die menschliche Natur
im Stande der Unschuld; und nach dem sie durch
den Sünden-Fall gäntzlich verlohren worden, so
wird sie wieder hergestellet, wenn der Mensch
in die Heyls-Ordnung trit, durch die züchti-
gende Gnade der herrschenden unreinen Lust ab-
stirbt, und was davon übrig bleibet, für Sünde
erkennet, und immer mehr mortificiret, an statt
der unreinen aber eine reine Lust oder Liebe ge-
gen GOTT, sich selbst und den Nächsten be-
kömmt. Welche denn nicht erst darf gemäßi-
get werden, als wenn man darinnen zu weit
gehen oder zu vollkommen werden könnte; son-
dern weil wir darinnen unvollkommen bleiben,
so ists so viel besser, so viel weiter wir darinnen
fortgehen können. Eine ordentliche Lust und
Liebe heißt sie billig deswegen, weil sie in der
gehörigen Ordnung und Subordination unter
GOTT stehet und der von GOTT zu unserer
Wiederbringung gemachten Heyls-Ordnung
gemäß ist, und allein bey denen sich befindet,
welche darinnen stehen. Da hingegen die un-
ordentliche
Lust und Liebe ausser der Heyls-
Ordnung sich bey allen unbekehrten Menschen
befindet; und zwar mit dem Unterscheid, daß
sie bey einigen von groben Excessen gemäßiget
ist, bey andern nicht.

8. Nach diesem Grunde ist nun die Frage
leichtlich beantwortet, was von dem weltli-
chen Spielen, Tantzen, Comödianten-We-
sen und übrigen Lust-Handlungen zu hal-
ten sey? ob sie schon an sich selbst sündlich
sind, oder aber erst durch gewisse
Excesse
sündlich werden? Nemlich sie sind schon an

sich

Erklaͤrung des Briefes Pauli C. 2. v. 12.
[Spaltenumbruch] de und ſuchet darinnen ſeine Weide, wie
ein Kaͤfer im Miſte, wie eine Saue an den
Trebern, ja im Kothe. Wenn aber die zuͤch-
tigende Gnade, oder die zuͤchtigende Liebe
GOTTes in das Hertz ausgegoſſen wird, ſo
gehet darinnen eine reine Luſt und die Freude im
HErrn auf; da man denn die unreine weltliche
Luͤſte ſo leichte verleugnen kan, als ein Durſtiger
von einem ſtinckenden unreinen Sumpfe zu einer
friſchen und reinen Qvelle gehet.

5. Es iſt demnach die Luſt nach dem Fal-
le durchaus kein Mittelding, welches an ſich,
weder gut, noch boͤſe ſey, ſondern erſt gut, oder
boͤſe werde, nachdem es recht gebrauchet, oder
gemißbrauchet wird. Denn es muß die Luſt
des Willens nicht mit dem Willen ſelbſt ver-
menget werden. Der Wille der Seelen ge-
hoͤret zu dem Weſen derſelben, und der iſt an
ſich ſelbſt der Schoͤpfung und ſeinem Weſen
nach gut: allein da in den Willen des Menſchen
durch den Suͤnden-Fall die verkehrte Eigenliebe
eingetreten iſt und ihn gantz eingenommen und
verderbet hat, ſo iſt dadurch die Luſt des Men-
ſchen durch und durch verunreiniget worden.
Und dieſe unreine Luſt iſt das Haupt-Stuͤcke der
Erb-Suͤnde und eine Quelle aller uͤbrigen Suͤn-
den. Denn was ſind die drey Haupt-Suͤnden,
dazu alle uͤbrige gehoͤren, anders, als eine ver-
kehrte Luſt? Da die grobe Wolluſt, oder Flei-
ſches-Luſt der Geilheit dieſen Namen ausdruͤck-
lich fuͤhret; ſo iſts auch nicht weniger offenbar,
daß der Ehr- und Geld-Geitz in einer unreinen
und unordentlichen Luſt-Begierde nach vieler
Ehre und nach Geld und Gut beſtehet. Zwar haͤlt
die durch die Luſt-Seuche verblendete Vernunft
die Luſt fuͤr eine indifferente, oder an ſich un-
ſuͤndliche Sache: aber GOttes Wort ſaget an-
ders dazu. Paulus ſpricht Roͤm. 7, 7. Jch
wuſte nichts von der Luſt
(daß ſie auch ſchon
an ſich ſelbſt ſuͤndlich ſey) wo das Geſetz nicht
geſaget haͤtte: laß dich nicht geluͤſten.
2 B.
Moſ. 5, 21.

6. Da es nun alſo um die Luſt ſtehet, ſo
darf man nicht gedencken, daß ſie erſt durch die
groͤbern Exceſſe oder Ausbruͤche ſuͤndlich wer-
de. Man kan ſie zwar unterſcheiden in die maͤſ-
ſige
und unmaͤßige: aber es ſey ferne, daß
man die maͤßige fuͤr unſuͤndlich halten wolte und
duͤrfte. Denn ſie iſt ja nichts anders, als eine
aus der Erb-Suͤnde entſtehende wuͤrckliche Suͤn-
de, die von der unmaͤßigen nicht ihrer Art und
Natur, ſondern nur dem Grad und der Maaße
nach unterſchieden iſt, und ſich bey der buͤrgerli-
chen Ehrbarkeit von groben Exceſſen enthaͤlt;
im Hertzen aber ſo unrein iſt und ſowol herrſchet,
als die unmaͤßige: welches ſich am allerbeſten
aus ein paar Exempeln erkennen laͤßt. Man
ſtelle ſich zwey Ehr- und Geld-Geitzige, auch zwey
wolluͤſtige Leute vor, die zwar mit einander dar-
innen uͤbereinkommen, daß ſie die unreine Luſt-
Begierde bey ſich herrſchen laſſen, alſo daß ſie
davon beſtaͤndig angetrieben werden, zu ſolchem
Antrieb willigen, die Begierden bey ſich mit al-
lem Wohlgefallen hegen, und unterhalten, auch
[Spaltenumbruch] wohl vermehren, und alle ihr Tichten und Trach-
ten dahin richten, um ihrer recht froh zu wer-
den. Allein bey dem einen brechen dieſe Luͤſte
weiter nicht aus, als der aͤuſſerliche Wohlſtand,
darauf er ſiehet, vor Menſchen, und die Furcht vor
obrigkeitlicher Strafe und aͤuſſerlicher Schan-
de es zulaͤßt, und daher huͤtet er ſich im Ehrgeitze
vor einem ſolchen eigenen Ruhm und uͤbrigen
Betragen, daruͤber er von Menſchen billig wuͤr-
de verlachet werden: im Geld-Geitze huͤtet er
ſich vor ſolchem Betruge und ſolchen Gattungen
der Ungerechtigkeit, und in der Wolluſt des
Fleiſches vor einem ſolchen Ausbruch der Geil-
heit, oder Hurerey, und des Ehebruchs, da-
durch er vor Menſchen zu ſchanden werden, ja
auch wol dabey obrigkeitliche Strafe uͤber ſich
ziehen wuͤrde. Und alſo ſind ſeine Luſt-Begier-
den gemaͤßiget, nemlich von ſolchen groben
Uberfahrungen. Wer wolte nun aber ſagen,
daß ſie deswegen indifferent, unſuͤndlich und
Mitteldinge waͤren? wie man doch leider thut
nach den verkehrten Principiis der gantz ver-
derbten Ariſtoteliſchen Sitten-Lehre, darinnen
die geruͤhmte Mediocritaͤt nicht anders iſt, als
eine Diſciplin mittelmaͤßig zu ſuͤndigen, oder
die herrſchenden unreinen Luſt-Begierden vom
groͤbern Ausbruch zu maͤßigen.

7. Will man hingegen einen geſunden Un-
terſcheid der Luſt haben, ſo unterſcheide man
ſie in die ordentliche und unordentliche.
Die ordentliche hatte die menſchliche Natur
im Stande der Unſchuld; und nach dem ſie durch
den Suͤnden-Fall gaͤntzlich verlohren worden, ſo
wird ſie wieder hergeſtellet, wenn der Menſch
in die Heyls-Ordnung trit, durch die zuͤchti-
gende Gnade der herrſchenden unreinen Luſt ab-
ſtirbt, und was davon uͤbrig bleibet, fuͤr Suͤnde
erkennet, und immer mehr mortificiret, an ſtatt
der unreinen aber eine reine Luſt oder Liebe ge-
gen GOTT, ſich ſelbſt und den Naͤchſten be-
koͤmmt. Welche denn nicht erſt darf gemaͤßi-
get werden, als wenn man darinnen zu weit
gehen oder zu vollkommen werden koͤnnte; ſon-
dern weil wir darinnen unvollkommen bleiben,
ſo iſts ſo viel beſſer, ſo viel weiter wir darinnen
fortgehen koͤnnen. Eine ordentliche Luſt und
Liebe heißt ſie billig deswegen, weil ſie in der
gehoͤrigen Ordnung und Subordination unter
GOTT ſtehet und der von GOTT zu unſerer
Wiederbringung gemachten Heyls-Ordnung
gemaͤß iſt, und allein bey denen ſich befindet,
welche darinnen ſtehen. Da hingegen die un-
ordentliche
Luſt und Liebe auſſer der Heyls-
Ordnung ſich bey allen unbekehrten Menſchen
befindet; und zwar mit dem Unterſcheid, daß
ſie bey einigen von groben Exceſſen gemaͤßiget
iſt, bey andern nicht.

8. Nach dieſem Grunde iſt nun die Frage
leichtlich beantwortet, was von dem weltli-
chen Spielen, Tantzen, Comoͤdianten-We-
ſen und uͤbrigen Luſt-Handlungen zu hal-
ten ſey? ob ſie ſchon an ſich ſelbſt ſuͤndlich
ſind, oder aber erſt durch gewiſſe
Exceſſe
ſuͤndlich werden? Nemlich ſie ſind ſchon an

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[208/0210] Erklaͤrung des Briefes Pauli C. 2. v. 12. de und ſuchet darinnen ſeine Weide, wie ein Kaͤfer im Miſte, wie eine Saue an den Trebern, ja im Kothe. Wenn aber die zuͤch- tigende Gnade, oder die zuͤchtigende Liebe GOTTes in das Hertz ausgegoſſen wird, ſo gehet darinnen eine reine Luſt und die Freude im HErrn auf; da man denn die unreine weltliche Luͤſte ſo leichte verleugnen kan, als ein Durſtiger von einem ſtinckenden unreinen Sumpfe zu einer friſchen und reinen Qvelle gehet. 5. Es iſt demnach die Luſt nach dem Fal- le durchaus kein Mittelding, welches an ſich, weder gut, noch boͤſe ſey, ſondern erſt gut, oder boͤſe werde, nachdem es recht gebrauchet, oder gemißbrauchet wird. Denn es muß die Luſt des Willens nicht mit dem Willen ſelbſt ver- menget werden. Der Wille der Seelen ge- hoͤret zu dem Weſen derſelben, und der iſt an ſich ſelbſt der Schoͤpfung und ſeinem Weſen nach gut: allein da in den Willen des Menſchen durch den Suͤnden-Fall die verkehrte Eigenliebe eingetreten iſt und ihn gantz eingenommen und verderbet hat, ſo iſt dadurch die Luſt des Men- ſchen durch und durch verunreiniget worden. Und dieſe unreine Luſt iſt das Haupt-Stuͤcke der Erb-Suͤnde und eine Quelle aller uͤbrigen Suͤn- den. Denn was ſind die drey Haupt-Suͤnden, dazu alle uͤbrige gehoͤren, anders, als eine ver- kehrte Luſt? Da die grobe Wolluſt, oder Flei- ſches-Luſt der Geilheit dieſen Namen ausdruͤck- lich fuͤhret; ſo iſts auch nicht weniger offenbar, daß der Ehr- und Geld-Geitz in einer unreinen und unordentlichen Luſt-Begierde nach vieler Ehre und nach Geld und Gut beſtehet. Zwar haͤlt die durch die Luſt-Seuche verblendete Vernunft die Luſt fuͤr eine indifferente, oder an ſich un- ſuͤndliche Sache: aber GOttes Wort ſaget an- ders dazu. Paulus ſpricht Roͤm. 7, 7. Jch wuſte nichts von der Luſt (daß ſie auch ſchon an ſich ſelbſt ſuͤndlich ſey) wo das Geſetz nicht geſaget haͤtte: laß dich nicht geluͤſten. 2 B. Moſ. 5, 21. 6. Da es nun alſo um die Luſt ſtehet, ſo darf man nicht gedencken, daß ſie erſt durch die groͤbern Exceſſe oder Ausbruͤche ſuͤndlich wer- de. Man kan ſie zwar unterſcheiden in die maͤſ- ſige und unmaͤßige: aber es ſey ferne, daß man die maͤßige fuͤr unſuͤndlich halten wolte und duͤrfte. Denn ſie iſt ja nichts anders, als eine aus der Erb-Suͤnde entſtehende wuͤrckliche Suͤn- de, die von der unmaͤßigen nicht ihrer Art und Natur, ſondern nur dem Grad und der Maaße nach unterſchieden iſt, und ſich bey der buͤrgerli- chen Ehrbarkeit von groben Exceſſen enthaͤlt; im Hertzen aber ſo unrein iſt und ſowol herrſchet, als die unmaͤßige: welches ſich am allerbeſten aus ein paar Exempeln erkennen laͤßt. Man ſtelle ſich zwey Ehr- und Geld-Geitzige, auch zwey wolluͤſtige Leute vor, die zwar mit einander dar- innen uͤbereinkommen, daß ſie die unreine Luſt- Begierde bey ſich herrſchen laſſen, alſo daß ſie davon beſtaͤndig angetrieben werden, zu ſolchem Antrieb willigen, die Begierden bey ſich mit al- lem Wohlgefallen hegen, und unterhalten, auch wohl vermehren, und alle ihr Tichten und Trach- ten dahin richten, um ihrer recht froh zu wer- den. Allein bey dem einen brechen dieſe Luͤſte weiter nicht aus, als der aͤuſſerliche Wohlſtand, darauf er ſiehet, vor Menſchen, und die Furcht vor obrigkeitlicher Strafe und aͤuſſerlicher Schan- de es zulaͤßt, und daher huͤtet er ſich im Ehrgeitze vor einem ſolchen eigenen Ruhm und uͤbrigen Betragen, daruͤber er von Menſchen billig wuͤr- de verlachet werden: im Geld-Geitze huͤtet er ſich vor ſolchem Betruge und ſolchen Gattungen der Ungerechtigkeit, und in der Wolluſt des Fleiſches vor einem ſolchen Ausbruch der Geil- heit, oder Hurerey, und des Ehebruchs, da- durch er vor Menſchen zu ſchanden werden, ja auch wol dabey obrigkeitliche Strafe uͤber ſich ziehen wuͤrde. Und alſo ſind ſeine Luſt-Begier- den gemaͤßiget, nemlich von ſolchen groben Uberfahrungen. Wer wolte nun aber ſagen, daß ſie deswegen indifferent, unſuͤndlich und Mitteldinge waͤren? wie man doch leider thut nach den verkehrten Principiis der gantz ver- derbten Ariſtoteliſchen Sitten-Lehre, darinnen die geruͤhmte Mediocritaͤt nicht anders iſt, als eine Diſciplin mittelmaͤßig zu ſuͤndigen, oder die herrſchenden unreinen Luſt-Begierden vom groͤbern Ausbruch zu maͤßigen. 7. Will man hingegen einen geſunden Un- terſcheid der Luſt haben, ſo unterſcheide man ſie in die ordentliche und unordentliche. Die ordentliche hatte die menſchliche Natur im Stande der Unſchuld; und nach dem ſie durch den Suͤnden-Fall gaͤntzlich verlohren worden, ſo wird ſie wieder hergeſtellet, wenn der Menſch in die Heyls-Ordnung trit, durch die zuͤchti- gende Gnade der herrſchenden unreinen Luſt ab- ſtirbt, und was davon uͤbrig bleibet, fuͤr Suͤnde erkennet, und immer mehr mortificiret, an ſtatt der unreinen aber eine reine Luſt oder Liebe ge- gen GOTT, ſich ſelbſt und den Naͤchſten be- koͤmmt. Welche denn nicht erſt darf gemaͤßi- get werden, als wenn man darinnen zu weit gehen oder zu vollkommen werden koͤnnte; ſon- dern weil wir darinnen unvollkommen bleiben, ſo iſts ſo viel beſſer, ſo viel weiter wir darinnen fortgehen koͤnnen. Eine ordentliche Luſt und Liebe heißt ſie billig deswegen, weil ſie in der gehoͤrigen Ordnung und Subordination unter GOTT ſtehet und der von GOTT zu unſerer Wiederbringung gemachten Heyls-Ordnung gemaͤß iſt, und allein bey denen ſich befindet, welche darinnen ſtehen. Da hingegen die un- ordentliche Luſt und Liebe auſſer der Heyls- Ordnung ſich bey allen unbekehrten Menſchen befindet; und zwar mit dem Unterſcheid, daß ſie bey einigen von groben Exceſſen gemaͤßiget iſt, bey andern nicht. 8. Nach dieſem Grunde iſt nun die Frage leichtlich beantwortet, was von dem weltli- chen Spielen, Tantzen, Comoͤdianten-We- ſen und uͤbrigen Luſt-Handlungen zu hal- ten ſey? ob ſie ſchon an ſich ſelbſt ſuͤndlich ſind, oder aber erſt durch gewiſſe Exceſſe ſuͤndlich werden? Nemlich ſie ſind ſchon an ſich

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/210>, abgerufen am 04.12.2024.