2. Daß die Seele die Haupt-Substantz der menschlichen Natur sey, siehet man auch daraus, daß Paulus alhier die Thessalonicher der Seele nach anredet, und den Leib nur ihr Gefäß nennet; welches uns denn lehret, wieviel an der Seele gelegen sey.
3. Hält man ein Gefäß, welches man zum essen und trincken, auch sonst zu wichtigen oder reinlichen Handlungen gebraucht, gern sauber und rein, warum soll denn ein Mensch seinen Leib, womit die Seele GOTT und dem Näch- sten dienet, durch Hurerey beflecken und verun- ehren? zumal da er, wie ein irdenes Gefäß, so sehr zerbrechlich ist. 2 Cor. 4, 7. Man hat demnach wohl zu bedencken, was Paulus sagt 1 Cor. 3, 16. Wisset ihr nicht, daß ihr Tempel GOttes seyd, und der Geist GOttes in euch wohnet, u. s. w. So hat man auch zu be- dencken, was für eine herrliche Verheissung wir auch dem Leibe nach vor uns haben, nemlich daß er in der Auferstehung von den Todten soll ver- kläret und ähnlich werden dem verklärten Leibe Christi. 1 Cor. 15. Phil. 3, 21. welche künftige Herrlichkeit ja billig erfordert, daß man den Leib durch die Heiligung in Ehren halte.
V. 5.
Nicht in der Lust-Seuche (da ein Mensch sich durch die Macht der bösen Lüste der- gestalt beherrschen läßt, daß er seiner selbst nicht mehr mächtig bleibet, sondern gehet und verfäh- ret wie ihn die Lust-Sucht treibet,) wie die Hey- den, die von GOtt nichts (also) wissen. (wie er sich in seinem Worte geoffenbaret hat, und was sie noch aus dem Lichte der Natur er- kennen, in sich ersticken, und in Ungerechtigkeit aufhalten. Röm. 1, 21. u. s. w. Eph. 2, 12. c. 4, 17. 18. 19.)
Anmerckungen.
1. Die Lust-Begierde ist nach dem Fall durch die Sünde gantz verderbet, und lieget darinnen die Wurtzel und Sammlung aller Sünden; wenn sie bey dem Menschen herrschet, so entstehet daher bey ihm pathos, das ist, ein solcher Zustand, daß er sich ohne Widerstand derselben gantz zu eigen und zum Sclaven ergie- bet, und sich also leidentlich verhält, da er nicht widerstehet, aber auch zugleich höchst wircksam ist, und dadurch unter der Gewalt des Satans recht gefangen gehalten wird. 2 Tim. 2, 26.
2. Wenn nun einer, der auf Christum ge- tauffet ist, sich auch sonst für einen Christen aus- giebet, sich in solchem Stande der Lust-Seuche befindet, der hat daran zu erkennen, daß er so gar nicht besser sey, als ein Heyde, daß er viel- mehr so viel ärger und unverantwortlicher han- dele, so vielmehr er von einem Heyden unter- schieden seyn solte.
3. Es findet sich aber solche Lust-Seuche nicht allein in der herrschenden Geilheit, sondern auch in dem Ehr- und Geld-Geitze: sintemal ein Ehr- und Geld-Geitziger von der bösen Begier- de Ehr und Geld und Güt er zu erwerben [Spaltenumbruch]
und zu vermehren, eben so Sclavisch beherr- schet wird.
4. Gleichwie in Ansehung des verkehr- ten Willens, der von der Lust-Seuche beherr- schet wird, es leider unter den Christen sehr viele heydnisch-gesinnete giebet; so findet sich das heydnische Wesen auch nicht weniger bey so vie- len, dem Verstande nach, in der so grossen Un- wissenheit von GOTT; daß man wohl sagen kan, daß sie von GOTT nicht wissen: Derglei- chen sich auch schon zu Pauli Zeiten einige mit zu der Corinthischen Gemeine halten wolten. Daher Paulus spricht 1 Cor. 15, 34. Wachet recht auf, und sündiget nicht, denn etliche wissen nichts von GOtt: das sage ich euch zur Schande.
V. 6.
Und daß niemand zu weit greife, und (aus Geitz) vervortheile seinen Bruder (den Nächsten, er sey ein Christe, oder nicht) im Handel (en p1agmati in negotio quocun- que, in solchem Geschäfte, da man es mit dem Nächsten in äusserlichen und bürgerlichen Dingen zu thun hat, es sey kaufen und verkau- fen, miethen und vermiethen, mit umsetzen der Waare, und dergleichen:) denn der HErr ist der Rächer über das alles: wie wir euch zuvor gesaget und (mit mehrern, auch mit Nachdruck zur Uberzeugung eures Gewissens) bezeuget haben.
Anmerckungen.
1. Thessalonich war eine grosse Handels- Stadt, da unter den Einwohnern selbst, theils auch mit den Fremden, viel Verkehrens war; zumal da sie am Meere lag. Und daher funde Paulus es für gar nöthig, den zu Christo Be- kehrten Einwohnern solche Lehren zu geben, wel- che sich auf ihren Zustand schickten.
2. Das Christenthum hebet die äusserlichen Stände und unterschiedene Lebens-Arten nicht auf, sondern heiliget sie und hilft ihnen auf; denn obgleich auch schon das im Menschen noch übrige Licht und Recht der Natur disfals zeiget, was zu thun und zu lassen sey: so ist solches Zeugniß doch nach dem Fall nicht allein zu dunckel und zu unvollkommen, wegen der grossen Verderbniß der menschlichen Natur; sondern es ist auch zu unkräftig, und führet aus Schuld derselben nicht solche Beweis- und Bewegungs-Gründe zur Uberzeugung mit sich, als das in dem göttli- chrn Moral-Gesetze aufgeklärte Licht und Recht der Natur; daher wir die geoffenbahrete Reli- gion auch in Ansehung des Gesetzes für eine recht göttliche Lehre zu halten haben.
3. Wie weit nun ein Mensch im Handel oder kaufen und verkaufen gehen könne, oder sich zu verhalten habe, daß er nicht zu weit greiffe, noch den Nächsten aus Geitz vervortheile, (wel- ches hie heißt pleonektei~n,) das läßt sich nicht wohl in besondere Reguln verfassen. Es ist hier hinlänglich die aufrichtige Application der von Christo selbst aus dem Rechte der Natur wieder- holten und eingeschärften Haupt-Regel: Alles, das ihr wollet, das euch die Leute thun
sollen,
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 4. 5. 6.
2. Daß die Seele die Haupt-Subſtantz der menſchlichen Natur ſey, ſiehet man auch daraus, daß Paulus alhier die Theſſalonicher der Seele nach anredet, und den Leib nur ihr Gefaͤß nennet; welches uns denn lehret, wieviel an der Seele gelegen ſey.
3. Haͤlt man ein Gefaͤß, welches man zum eſſen und trincken, auch ſonſt zu wichtigen oder reinlichen Handlungen gebraucht, gern ſauber und rein, warum ſoll denn ein Menſch ſeinen Leib, womit die Seele GOTT und dem Naͤch- ſten dienet, durch Hurerey beflecken und verun- ehren? zumal da er, wie ein irdenes Gefaͤß, ſo ſehr zerbrechlich iſt. 2 Cor. 4, 7. Man hat demnach wohl zu bedencken, was Paulus ſagt 1 Cor. 3, 16. Wiſſet ihr nicht, daß ihr Tempel GOttes ſeyd, und der Geiſt GOttes in euch wohnet, u. ſ. w. So hat man auch zu be- dencken, was fuͤr eine herrliche Verheiſſung wir auch dem Leibe nach vor uns haben, nemlich daß er in der Auferſtehung von den Todten ſoll ver- klaͤret und aͤhnlich werden dem verklaͤrten Leibe Chriſti. 1 Cor. 15. Phil. 3, 21. welche kuͤnftige Herrlichkeit ja billig erfordert, daß man den Leib durch die Heiligung in Ehren halte.
V. 5.
Nicht in der Luſt-Seuche (da ein Menſch ſich durch die Macht der boͤſen Luͤſte der- geſtalt beherrſchen laͤßt, daß er ſeiner ſelbſt nicht mehr maͤchtig bleibet, ſondern gehet und verfaͤh- ret wie ihn die Luſt-Sucht treibet,) wie die Hey- den, die von GOtt nichts (alſo) wiſſen. (wie er ſich in ſeinem Worte geoffenbaret hat, und was ſie noch aus dem Lichte der Natur er- kennen, in ſich erſticken, und in Ungerechtigkeit aufhalten. Roͤm. 1, 21. u. ſ. w. Eph. 2, 12. c. 4, 17. 18. 19.)
Anmerckungen.
1. Die Luſt-Begierde iſt nach dem Fall durch die Suͤnde gantz verderbet, und lieget darinnen die Wurtzel und Sammlung aller Suͤnden; wenn ſie bey dem Menſchen herrſchet, ſo entſtehet daher bey ihm πάϑος, das iſt, ein ſolcher Zuſtand, daß er ſich ohne Widerſtand derſelben gantz zu eigen und zum Sclaven ergie- bet, und ſich alſo leidentlich verhaͤlt, da er nicht widerſtehet, aber auch zugleich hoͤchſt wirckſam iſt, und dadurch unter der Gewalt des Satans recht gefangen gehalten wird. 2 Tim. 2, 26.
2. Wenn nun einer, der auf Chriſtum ge- tauffet iſt, ſich auch ſonſt fuͤr einen Chriſten aus- giebet, ſich in ſolchem Stande der Luſt-Seuche befindet, der hat daran zu erkennen, daß er ſo gar nicht beſſer ſey, als ein Heyde, daß er viel- mehr ſo viel aͤrger und unverantwortlicher han- dele, ſo vielmehr er von einem Heyden unter- ſchieden ſeyn ſolte.
3. Es findet ſich aber ſolche Luſt-Seuche nicht allein in der herrſchenden Geilheit, ſondern auch in dem Ehr- und Geld-Geitze: ſintemal ein Ehr- und Geld-Geitziger von der boͤſen Begier- de Ehr und Geld und Guͤt er zu erwerben [Spaltenumbruch]
und zu vermehren, eben ſo Sclaviſch beherr- ſchet wird.
4. Gleichwie in Anſehung des verkehr- ten Willens, der von der Luſt-Seuche beherr- ſchet wird, es leider unter den Chriſten ſehr viele heydniſch-geſinnete giebet; ſo findet ſich das heydniſche Weſen auch nicht weniger bey ſo vie- len, dem Verſtande nach, in der ſo groſſen Un- wiſſenheit von GOTT; daß man wohl ſagen kan, daß ſie von GOTT nicht wiſſen: Derglei- chen ſich auch ſchon zu Pauli Zeiten einige mit zu der Corinthiſchen Gemeine halten wolten. Daher Paulus ſpricht 1 Cor. 15, 34. Wachet recht auf, und ſuͤndiget nicht, denn etliche wiſſen nichts von GOtt: das ſage ich euch zur Schande.
V. 6.
Und daß niemand zu weit greife, und (aus Geitz) vervortheile ſeinen Bruder (den Naͤchſten, er ſey ein Chriſte, oder nicht) im Handel (ἐν π1άγματι in negotio quocun- que, in ſolchem Geſchaͤfte, da man es mit dem Naͤchſten in aͤuſſerlichen und buͤrgerlichen Dingen zu thun hat, es ſey kaufen und verkau- fen, miethen und vermiethen, mit umſetzen der Waare, und dergleichen:) denn der HErr iſt der Raͤcher uͤber das alles: wie wir euch zuvor geſaget und (mit mehrern, auch mit Nachdruck zur Uberzeugung eures Gewiſſens) bezeuget haben.
Anmerckungen.
1. Theſſalonich war eine groſſe Handels- Stadt, da unter den Einwohnern ſelbſt, theils auch mit den Fremden, viel Verkehrens war; zumal da ſie am Meere lag. Und daher funde Paulus es fuͤr gar noͤthig, den zu Chriſto Be- kehrten Einwohnern ſolche Lehren zu geben, wel- che ſich auf ihren Zuſtand ſchickten.
2. Das Chriſtenthum hebet die aͤuſſerlichen Staͤnde und unterſchiedene Lebens-Arten nicht auf, ſondern heiliget ſie und hilft ihnen auf; denn obgleich auch ſchon das im Menſchen noch uͤbrige Licht und Recht der Natur disfals zeiget, was zu thun und zu laſſen ſey: ſo iſt ſolches Zeugniß doch nach dem Fall nicht allein zu dunckel und zu unvollkommen, wegen der groſſen Verderbniß der menſchlichen Natur; ſondern es iſt auch zu unkraͤftig, und fuͤhret aus Schuld derſelben nicht ſolche Beweis- und Bewegungs-Gruͤnde zur Uberzeugung mit ſich, als das in dem goͤttli- chrn Moral-Geſetze aufgeklaͤrte Licht und Recht der Natur; daher wir die geoffenbahrete Reli- gion auch in Anſehung des Geſetzes fuͤr eine recht goͤttliche Lehre zu halten haben.
3. Wie weit nun ein Menſch im Handel oder kaufen und verkaufen gehen koͤnne, oder ſich zu verhalten habe, daß er nicht zu weit greiffe, noch den Naͤchſten aus Geitz vervortheile, (wel- ches hie heißt πλεονεκτει῀ν,) das laͤßt ſich nicht wohl in beſondere Reguln verfaſſen. Es iſt hier hinlaͤnglich die aufrichtige Application der von Chriſto ſelbſt aus dem Rechte der Natur wieder- holten und eingeſchaͤrften Haupt-Regel: Alles, das ihr wollet, das euch die Leute thun
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[26/0028]
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 4. 5. 6.
nung ſtehe, daß darinnen das Regiment GOt-
tes ſtatt habe.
2. Daß die Seele die Haupt-Subſtantz
der menſchlichen Natur ſey, ſiehet man auch
daraus, daß Paulus alhier die Theſſalonicher
der Seele nach anredet, und den Leib nur ihr
Gefaͤß nennet; welches uns denn lehret, wieviel
an der Seele gelegen ſey.
3. Haͤlt man ein Gefaͤß, welches man zum
eſſen und trincken, auch ſonſt zu wichtigen oder
reinlichen Handlungen gebraucht, gern ſauber
und rein, warum ſoll denn ein Menſch ſeinen
Leib, womit die Seele GOTT und dem Naͤch-
ſten dienet, durch Hurerey beflecken und verun-
ehren? zumal da er, wie ein irdenes Gefaͤß, ſo ſehr
zerbrechlich iſt. 2 Cor. 4, 7. Man hat demnach
wohl zu bedencken, was Paulus ſagt 1 Cor. 3,
16. Wiſſet ihr nicht, daß ihr Tempel
GOttes ſeyd, und der Geiſt GOttes in
euch wohnet, u. ſ. w. So hat man auch zu be-
dencken, was fuͤr eine herrliche Verheiſſung wir
auch dem Leibe nach vor uns haben, nemlich daß
er in der Auferſtehung von den Todten ſoll ver-
klaͤret und aͤhnlich werden dem verklaͤrten Leibe
Chriſti. 1 Cor. 15. Phil. 3, 21. welche kuͤnftige
Herrlichkeit ja billig erfordert, daß man den Leib
durch die Heiligung in Ehren halte.
V. 5.
Nicht in der Luſt-Seuche (da ein
Menſch ſich durch die Macht der boͤſen Luͤſte der-
geſtalt beherrſchen laͤßt, daß er ſeiner ſelbſt nicht
mehr maͤchtig bleibet, ſondern gehet und verfaͤh-
ret wie ihn die Luſt-Sucht treibet,) wie die Hey-
den, die von GOtt nichts (alſo) wiſſen.
(wie er ſich in ſeinem Worte geoffenbaret hat,
und was ſie noch aus dem Lichte der Natur er-
kennen, in ſich erſticken, und in Ungerechtigkeit
aufhalten. Roͤm. 1, 21. u. ſ. w. Eph. 2, 12. c. 4,
17. 18. 19.)
Anmerckungen.
1. Die Luſt-Begierde iſt nach dem Fall
durch die Suͤnde gantz verderbet, und lieget
darinnen die Wurtzel und Sammlung aller
Suͤnden; wenn ſie bey dem Menſchen herrſchet,
ſo entſtehet daher bey ihm πάϑος, das iſt, ein
ſolcher Zuſtand, daß er ſich ohne Widerſtand
derſelben gantz zu eigen und zum Sclaven ergie-
bet, und ſich alſo leidentlich verhaͤlt, da er nicht
widerſtehet, aber auch zugleich hoͤchſt wirckſam
iſt, und dadurch unter der Gewalt des Satans
recht gefangen gehalten wird. 2 Tim. 2, 26.
2. Wenn nun einer, der auf Chriſtum ge-
tauffet iſt, ſich auch ſonſt fuͤr einen Chriſten aus-
giebet, ſich in ſolchem Stande der Luſt-Seuche
befindet, der hat daran zu erkennen, daß er ſo
gar nicht beſſer ſey, als ein Heyde, daß er viel-
mehr ſo viel aͤrger und unverantwortlicher han-
dele, ſo vielmehr er von einem Heyden unter-
ſchieden ſeyn ſolte.
3. Es findet ſich aber ſolche Luſt-Seuche
nicht allein in der herrſchenden Geilheit, ſondern
auch in dem Ehr- und Geld-Geitze: ſintemal ein
Ehr- und Geld-Geitziger von der boͤſen Begier-
de Ehr und Geld und Guͤt er zu erwerben
und zu vermehren, eben ſo Sclaviſch beherr-
ſchet wird.
4. Gleichwie in Anſehung des verkehr-
ten Willens, der von der Luſt-Seuche beherr-
ſchet wird, es leider unter den Chriſten ſehr viele
heydniſch-geſinnete giebet; ſo findet ſich das
heydniſche Weſen auch nicht weniger bey ſo vie-
len, dem Verſtande nach, in der ſo groſſen Un-
wiſſenheit von GOTT; daß man wohl ſagen
kan, daß ſie von GOTT nicht wiſſen: Derglei-
chen ſich auch ſchon zu Pauli Zeiten einige mit
zu der Corinthiſchen Gemeine halten wolten.
Daher Paulus ſpricht 1 Cor. 15, 34. Wachet
recht auf, und ſuͤndiget nicht, denn etliche
wiſſen nichts von GOtt: das ſage ich euch
zur Schande.
V. 6.
Und daß niemand zu weit greife, und
(aus Geitz) vervortheile ſeinen Bruder (den
Naͤchſten, er ſey ein Chriſte, oder nicht) im
Handel (ἐν π1άγματι in negotio quocun-
que, in ſolchem Geſchaͤfte, da man es mit
dem Naͤchſten in aͤuſſerlichen und buͤrgerlichen
Dingen zu thun hat, es ſey kaufen und verkau-
fen, miethen und vermiethen, mit umſetzen der
Waare, und dergleichen:) denn der HErr iſt
der Raͤcher uͤber das alles: wie wir euch
zuvor geſaget und (mit mehrern, auch mit
Nachdruck zur Uberzeugung eures Gewiſſens)
bezeuget haben.
Anmerckungen.
1. Theſſalonich war eine groſſe Handels-
Stadt, da unter den Einwohnern ſelbſt, theils
auch mit den Fremden, viel Verkehrens war;
zumal da ſie am Meere lag. Und daher funde
Paulus es fuͤr gar noͤthig, den zu Chriſto Be-
kehrten Einwohnern ſolche Lehren zu geben, wel-
che ſich auf ihren Zuſtand ſchickten.
2. Das Chriſtenthum hebet die aͤuſſerlichen
Staͤnde und unterſchiedene Lebens-Arten nicht
auf, ſondern heiliget ſie und hilft ihnen auf; denn
obgleich auch ſchon das im Menſchen noch uͤbrige
Licht und Recht der Natur disfals zeiget, was
zu thun und zu laſſen ſey: ſo iſt ſolches Zeugniß
doch nach dem Fall nicht allein zu dunckel und zu
unvollkommen, wegen der groſſen Verderbniß
der menſchlichen Natur; ſondern es iſt auch zu
unkraͤftig, und fuͤhret aus Schuld derſelben
nicht ſolche Beweis- und Bewegungs-Gruͤnde
zur Uberzeugung mit ſich, als das in dem goͤttli-
chrn Moral-Geſetze aufgeklaͤrte Licht und Recht
der Natur; daher wir die geoffenbahrete Reli-
gion auch in Anſehung des Geſetzes fuͤr eine recht
goͤttliche Lehre zu halten haben.
3. Wie weit nun ein Menſch im Handel
oder kaufen und verkaufen gehen koͤnne, oder
ſich zu verhalten habe, daß er nicht zu weit greiffe,
noch den Naͤchſten aus Geitz vervortheile, (wel-
ches hie heißt πλεονεκτει῀ν,) das laͤßt ſich nicht
wohl in beſondere Reguln verfaſſen. Es iſt hier
hinlaͤnglich die aufrichtige Application der von
Chriſto ſelbſt aus dem Rechte der Natur wieder-
holten und eingeſchaͤrften Haupt-Regel: Alles,
das ihr wollet, das euch die Leute thun
ſollen,
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/28>, abgerufen am 23.11.2024.
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