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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli Cap. 6. v. 19. 20.
[Spaltenumbruch] lich ist, so ist es besser, man ziehe das relativum
welche, auf die vorhergehende Worte iskhuran
paraklesin, starcken Trost; als welche Worte
der Apostel mit grossem Nachdruck gesetzet hat:
die sich auch daher so viel mehr zu dem schicken,
was davon v, 19. gesaget wird: nemlich daß wir
sie, oder ihn, den starcken Trost, hätten als einen
sichern und vesten Ancker unserer Seele; auf wel-
che Art das zu dem Worte Trost gesetzte Wort
starcken recht nachdrücklich erläutert wird. Hier-
zu kömmt, daß, nach dem Sprichworte der Grie-
chen, die Worte ancora sacra, der grosse
und veste Ancker, eigentlich soviel heißt, als ein star-
cker Trost und freudige Zuversicht.

2. Damit man sehe, daß sich der starcke
Trost
füglich mit einem Ancker, der in das Aller-
heiligste hineingehet, vergleichen lasse, so hat man
zu mercken, daß damit sonderlich auf den Glau-
ben gesehen werde. Denn da der Glaube sonst
auch heißt plerophoria, eine Freudigkeit; so
ist diese nichts anders, als eine solche trost-volle
Kraft des Glaubens,
vermöge welcher man
sich an das Wort der Verheissung also veste hält,
daß man darinnen zugleich die rechte Kraftvolle
Nahrung der Seelen finde. Und also wird durch
die Worte vom starcken Troste der Glaube
dergestalt bezeichnet, daß damit zugleich die Evan-
gelische Haupt-Eigenschaft des Glaubens, nach
welcher er recht trost-voll und trostreich ist,
ausgedrucket wird.

3. Was nun aber ein Ancker, und zwar ein
vester und recht grosser Ancker, (den die Griechen
nenneten ancoram sacram: wie denn nicht ein
ieder Ancker ein iedes Schiff über seinen Grund
vest zu halten, oder auch nur denselben zu errei-
chen und in ihn recht und tief genug einzudringen,
vermögend ist) ist einem Schiffe, das ist der
Glaube der Seele. Nun aber hält der Ancker das
Schiff auf dem Meere im Sturme veste, und ver-
hindert damit, daß es nicht an diese und jene be-
fürchte Klippe geworfen und zum völligen Bru-
che in Stücken zerschlagen werde. Das ist auch
die Eigenschaft des Glaubens. Denn so lange
der Mensch noch in dieser Welt, oder streitenden
Kirche auf Erden ist, so lange schwebet er unter
vieler Gefahr auch unter vielen Stürmen der
geistlichen Feinde, gleichsam wie auf dem wilden
Meere, und gebrauchet des Glaubens an statt ei-
nes Anckers.

4. Es findet sich denn aber bey dieser grossen
Gleichheit diese von den so gar unterschiedenen
Sachen selbst dependirende Ungleichheit, daß
da der Ancker unterwerts in die Erde gehet,
nach der Natur eines nur bloß irdischen Schifs:
so gehet hingegen der Glaube, nach Art der
himmlisch gesinneten Seele, über sich in den
Himmel, fasset darinnen vermöge der Verheis-
sungen vesten Grund, und hält also die Seele
unter allen Stürmen unbeweglich und vor aller
Gefahr gesichert.

5. Gleichwie der Glaube in diesem Texte
mit einem Ancker verglichen wird: so verglei-
chet ihn Paulus 1 Tim. 1, 19. mit der Ladung,
oder den Gütern eines Schiffs, wenn er spricht:
[Spaltenumbruch] Daß du habest den Glauben und ein gutes
Gewissen, welches etliche von sich gestos-
sen, und am Glauben Schiffbruch gelitten
haben.
Es läßt sich auch der Glaube so viel
füglicher mit der Ladung eines Schiffes verglei-
chen, so viel klärer es ist, daß er schon an sich
selbst ein rechtes geistliches Hauptgut und wohl
zu bewahrende theure Beylage ist, und alle ü-
brige Heyls-Güter wie ergreifet, also auch in
sich hält. Man hat sich dahero nach der Er-
mahnung Pauli fleißig in acht zunehmen, daß
man ein reines und gutes Gewissen bewahre,
um nicht am Glauben, und damit zugleich an al-
len Heyls-Schätzen, und an Christo selbst Schiff-
bruch zu leiden und sie zu verlieren.

6. Daß der Apostel sich der von der Stifts-
Hütte und dem Tempel hergenommenen Re-
dens-Arten bedienet, kömmt daher, weil die
gantze Stifts-Hütte mit dem Tempel, der gött-
lichen Intention nach, eine Abbildung war vom
Reiche Christi. Gleichwie nun der Tempel mit
der Stifts-Hütte drey Haupt-Theile hatte, den
Vorhof, das Heilige, und das Allerheiligste:
also hat auch das Reich Christi drey Haupt-Un-
terscheide, oder Stände: davon die beyden er-
sten gehen auf dieses Leben, der dritte auf das
ewige. Jn diesem Leben findet sich bey dem
Reiche Christi erstlich und zuvorderst die äusser-
liche sichtbare Kirche, ein Gegenbild vom
Vorhofe, und denn bey den wahren Gliedern
derselben, als geistlichen Priestern, die gläubi-
ge Gemeinschaft mit GOtt, als ein Gegen-
bild
vom Heiligen, oder mittlern Theile des
Tempels, darein niemand, als die Levitischen
Priester, gehen durften. Jenes Leben ist denn
nun dabey das Gegenbild vom Allerheiligsten,
dahinein allein der Hohepriester kam.

7. Da nun Christus der rechte Hoheprie-
ster im Gegenbilde ist, so heißt es von ihm, daß
er für uns dahinein gegangen
sey, nemlich
in den Himmel der Herrlichkeit. Welches der
Seelen nach zuvorderst geschehen ist am Car-
freytage, oder am Tage seines Todes am Creu-
tze, als dem Gegenbilde vom hohen Versöh-
nungs-Feste der Juden, an welchem der Hohe-
priester in das Allerheiligste einging. Von
welchem seinem Eingange Christus zu dem gläu-
bigen Schächer am Creutze sagte: Heute wirst
du mit mir im Paradiese seyn,
Luc. 23, 43.
Auf welchem Eingange hernach die Himmel-
fahrt nach Leib und Seele, mit dem Sitzen zur
Rechten GOttes erfolget ist.

8. Wenn Christus heißt der Vorläufer,
und gesaget wird, daß er als der Vorläufer
eingegangen, so heißt er damit so viel, als das
Haupt seines gantzen geistlichen Leibes, und
daß er nicht allein der Ordnung nach einen Vor-
zug besitze, sondern daß er uns auch den Eingang
verdienstlicher weise geöffnet habe. Welches
sonderlich damit angezeiget wird, daß dabey ste-
het uper emon, für uns. Denn gleichwie der
Christum repraesentirende Hohepriester mit
seinem Opfer für das gantze Judische Volck
ins Allerheiligste einging, dasselbe bey GOTT

zu

Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 6. v. 19. 20.
[Spaltenumbruch] lich iſt, ſo iſt es beſſer, man ziehe das relativum
welche, auf die vorhergehende Worte ἰσχυράν
ϖαράκλησιν, ſtarcken Troſt; als welche Worte
der Apoſtel mit groſſem Nachdruck geſetzet hat:
die ſich auch daher ſo viel mehr zu dem ſchicken,
was davon v, 19. geſaget wird: nemlich daß wir
ſie, oder ihn, den ſtarcken Troſt, haͤtten als einen
ſichern und veſten Ancker unſerer Seele; auf wel-
che Art das zu dem Worte Troſt geſetzte Wort
ſtarcken recht nachdruͤcklich erlaͤutert wird. Hier-
zu koͤmmt, daß, nach dem Sprichworte der Grie-
chen, die Worte ancora ſacra, der groſſe
und veſte Ancker, eigentlich ſoviel heißt, als ein ſtar-
cker Troſt und freudige Zuverſicht.

2. Damit man ſehe, daß ſich der ſtarcke
Troſt
fuͤglich mit einem Ancker, der in das Aller-
heiligſte hineingehet, vergleichen laſſe, ſo hat man
zu mercken, daß damit ſonderlich auf den Glau-
ben geſehen werde. Denn da der Glaube ſonſt
auch heißt ϖληροφορία, eine Freudigkeit; ſo
iſt dieſe nichts anders, als eine ſolche troſt-volle
Kraft des Glaubens,
vermoͤge welcher man
ſich an das Wort der Verheiſſung alſo veſte haͤlt,
daß man darinnen zugleich die rechte Kraftvolle
Nahrung der Seelen finde. Und alſo wird durch
die Worte vom ſtarcken Troſte der Glaube
dergeſtalt bezeichnet, daß damit zugleich die Evan-
geliſche Haupt-Eigenſchaft des Glaubens, nach
welcher er recht troſt-voll und troſtreich iſt,
ausgedrucket wird.

3. Was nun aber ein Ancker, und zwar ein
veſter und recht groſſer Ancker, (den die Griechen
nenneten ancoram ſacram: wie denn nicht ein
ieder Ancker ein iedes Schiff uͤber ſeinen Grund
veſt zu halten, oder auch nur denſelben zu errei-
chen und in ihn recht und tief genug einzudringen,
vermoͤgend iſt) iſt einem Schiffe, das iſt der
Glaube der Seele. Nun aber haͤlt der Ancker das
Schiff auf dem Meere im Sturme veſte, und ver-
hindert damit, daß es nicht an dieſe und jene be-
fuͤrchte Klippe geworfen und zum voͤlligen Bru-
che in Stuͤcken zerſchlagen werde. Das iſt auch
die Eigenſchaft des Glaubens. Denn ſo lange
der Menſch noch in dieſer Welt, oder ſtreitenden
Kirche auf Erden iſt, ſo lange ſchwebet er unter
vieler Gefahr auch unter vielen Stuͤrmen der
geiſtlichen Feinde, gleichſam wie auf dem wilden
Meere, und gebrauchet des Glaubens an ſtatt ei-
nes Anckers.

4. Es findet ſich denn aber bey dieſer groſſen
Gleichheit dieſe von den ſo gar unterſchiedenen
Sachen ſelbſt dependirende Ungleichheit, daß
da der Ancker unterwerts in die Erde gehet,
nach der Natur eines nur bloß irdiſchen Schifs:
ſo gehet hingegen der Glaube, nach Art der
himmliſch geſinneten Seele, uͤber ſich in den
Himmel, faſſet darinnen vermoͤge der Verheiſ-
ſungen veſten Grund, und haͤlt alſo die Seele
unter allen Stuͤrmen unbeweglich und vor aller
Gefahr geſichert.

5. Gleichwie der Glaube in dieſem Texte
mit einem Ancker verglichen wird: ſo verglei-
chet ihn Paulus 1 Tim. 1, 19. mit der Ladung,
oder den Guͤtern eines Schiffs, wenn er ſpricht:
[Spaltenumbruch] Daß du habeſt den Glauben und ein gutes
Gewiſſen, welches etliche von ſich geſtoſ-
ſen, und am Glauben Schiffbruch gelitten
haben.
Es laͤßt ſich auch der Glaube ſo viel
fuͤglicher mit der Ladung eines Schiffes verglei-
chen, ſo viel klaͤrer es iſt, daß er ſchon an ſich
ſelbſt ein rechtes geiſtliches Hauptgut und wohl
zu bewahrende theure Beylage iſt, und alle uͤ-
brige Heyls-Guͤter wie ergreifet, alſo auch in
ſich haͤlt. Man hat ſich dahero nach der Er-
mahnung Pauli fleißig in acht zunehmen, daß
man ein reines und gutes Gewiſſen bewahre,
um nicht am Glauben, und damit zugleich an al-
len Heyls-Schaͤtzen, und an Chriſto ſelbſt Schiff-
bruch zu leiden und ſie zu verlieren.

6. Daß der Apoſtel ſich der von der Stifts-
Huͤtte und dem Tempel hergenommenen Re-
dens-Arten bedienet, koͤmmt daher, weil die
gantze Stifts-Huͤtte mit dem Tempel, der goͤtt-
lichen Intention nach, eine Abbildung war vom
Reiche Chriſti. Gleichwie nun der Tempel mit
der Stifts-Huͤtte drey Haupt-Theile hatte, den
Vorhof, das Heilige, und das Allerheiligſte:
alſo hat auch das Reich Chriſti drey Haupt-Un-
terſcheide, oder Staͤnde: davon die beyden er-
ſten gehen auf dieſes Leben, der dritte auf das
ewige. Jn dieſem Leben findet ſich bey dem
Reiche Chriſti erſtlich und zuvorderſt die aͤuſſer-
liche ſichtbare Kirche, ein Gegenbild vom
Vorhofe, und denn bey den wahren Gliedern
derſelben, als geiſtlichen Prieſtern, die glaͤubi-
ge Gemeinſchaft mit GOtt, als ein Gegen-
bild
vom Heiligen, oder mittlern Theile des
Tempels, darein niemand, als die Levitiſchen
Prieſter, gehen durften. Jenes Leben iſt denn
nun dabey das Gegenbild vom Allerheiligſten,
dahinein allein der Hoheprieſter kam.

7. Da nun Chriſtus der rechte Hoheprie-
ſter im Gegenbilde iſt, ſo heißt es von ihm, daß
er fuͤr uns dahinein gegangen
ſey, nemlich
in den Himmel der Herrlichkeit. Welches der
Seelen nach zuvorderſt geſchehen iſt am Car-
freytage, oder am Tage ſeines Todes am Creu-
tze, als dem Gegenbilde vom hohen Verſoͤh-
nungs-Feſte der Juden, an welchem der Hohe-
prieſter in das Allerheiligſte einging. Von
welchem ſeinem Eingange Chriſtus zu dem glaͤu-
bigen Schaͤcher am Creutze ſagte: Heute wirſt
du mit mir im Paradieſe ſeyn,
Luc. 23, 43.
Auf welchem Eingange hernach die Himmel-
fahrt nach Leib und Seele, mit dem Sitzen zur
Rechten GOttes erfolget iſt.

8. Wenn Chriſtus heißt der Vorlaͤufer,
und geſaget wird, daß er als der Vorlaͤufer
eingegangen, ſo heißt er damit ſo viel, als das
Haupt ſeines gantzen geiſtlichen Leibes, und
daß er nicht allein der Ordnung nach einen Vor-
zug beſitze, ſondern daß er uns auch den Eingang
verdienſtlicher weiſe geoͤffnet habe. Welches
ſonderlich damit angezeiget wird, daß dabey ſte-
het ὑπὲρ ἡμῶν, fuͤr uns. Denn gleichwie der
Chriſtum repræſentirende Hoheprieſter mit
ſeinem Opfer fuͤr das gantze Judiſche Volck
ins Allerheiligſte einging, daſſelbe bey GOTT

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[320/0322] Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 6. v. 19. 20. lich iſt, ſo iſt es beſſer, man ziehe das relativum welche, auf die vorhergehende Worte ἰσχυράν ϖαράκλησιν, ſtarcken Troſt; als welche Worte der Apoſtel mit groſſem Nachdruck geſetzet hat: die ſich auch daher ſo viel mehr zu dem ſchicken, was davon v, 19. geſaget wird: nemlich daß wir ſie, oder ihn, den ſtarcken Troſt, haͤtten als einen ſichern und veſten Ancker unſerer Seele; auf wel- che Art das zu dem Worte Troſt geſetzte Wort ſtarcken recht nachdruͤcklich erlaͤutert wird. Hier- zu koͤmmt, daß, nach dem Sprichworte der Grie- chen, die Worte ancora ſacra, der groſſe und veſte Ancker, eigentlich ſoviel heißt, als ein ſtar- cker Troſt und freudige Zuverſicht. 2. Damit man ſehe, daß ſich der ſtarcke Troſt fuͤglich mit einem Ancker, der in das Aller- heiligſte hineingehet, vergleichen laſſe, ſo hat man zu mercken, daß damit ſonderlich auf den Glau- ben geſehen werde. Denn da der Glaube ſonſt auch heißt ϖληροφορία, eine Freudigkeit; ſo iſt dieſe nichts anders, als eine ſolche troſt-volle Kraft des Glaubens, vermoͤge welcher man ſich an das Wort der Verheiſſung alſo veſte haͤlt, daß man darinnen zugleich die rechte Kraftvolle Nahrung der Seelen finde. Und alſo wird durch die Worte vom ſtarcken Troſte der Glaube dergeſtalt bezeichnet, daß damit zugleich die Evan- geliſche Haupt-Eigenſchaft des Glaubens, nach welcher er recht troſt-voll und troſtreich iſt, ausgedrucket wird. 3. Was nun aber ein Ancker, und zwar ein veſter und recht groſſer Ancker, (den die Griechen nenneten ancoram ſacram: wie denn nicht ein ieder Ancker ein iedes Schiff uͤber ſeinen Grund veſt zu halten, oder auch nur denſelben zu errei- chen und in ihn recht und tief genug einzudringen, vermoͤgend iſt) iſt einem Schiffe, das iſt der Glaube der Seele. Nun aber haͤlt der Ancker das Schiff auf dem Meere im Sturme veſte, und ver- hindert damit, daß es nicht an dieſe und jene be- fuͤrchte Klippe geworfen und zum voͤlligen Bru- che in Stuͤcken zerſchlagen werde. Das iſt auch die Eigenſchaft des Glaubens. Denn ſo lange der Menſch noch in dieſer Welt, oder ſtreitenden Kirche auf Erden iſt, ſo lange ſchwebet er unter vieler Gefahr auch unter vielen Stuͤrmen der geiſtlichen Feinde, gleichſam wie auf dem wilden Meere, und gebrauchet des Glaubens an ſtatt ei- nes Anckers. 4. Es findet ſich denn aber bey dieſer groſſen Gleichheit dieſe von den ſo gar unterſchiedenen Sachen ſelbſt dependirende Ungleichheit, daß da der Ancker unterwerts in die Erde gehet, nach der Natur eines nur bloß irdiſchen Schifs: ſo gehet hingegen der Glaube, nach Art der himmliſch geſinneten Seele, uͤber ſich in den Himmel, faſſet darinnen vermoͤge der Verheiſ- ſungen veſten Grund, und haͤlt alſo die Seele unter allen Stuͤrmen unbeweglich und vor aller Gefahr geſichert. 5. Gleichwie der Glaube in dieſem Texte mit einem Ancker verglichen wird: ſo verglei- chet ihn Paulus 1 Tim. 1, 19. mit der Ladung, oder den Guͤtern eines Schiffs, wenn er ſpricht: Daß du habeſt den Glauben und ein gutes Gewiſſen, welches etliche von ſich geſtoſ- ſen, und am Glauben Schiffbruch gelitten haben. Es laͤßt ſich auch der Glaube ſo viel fuͤglicher mit der Ladung eines Schiffes verglei- chen, ſo viel klaͤrer es iſt, daß er ſchon an ſich ſelbſt ein rechtes geiſtliches Hauptgut und wohl zu bewahrende theure Beylage iſt, und alle uͤ- brige Heyls-Guͤter wie ergreifet, alſo auch in ſich haͤlt. Man hat ſich dahero nach der Er- mahnung Pauli fleißig in acht zunehmen, daß man ein reines und gutes Gewiſſen bewahre, um nicht am Glauben, und damit zugleich an al- len Heyls-Schaͤtzen, und an Chriſto ſelbſt Schiff- bruch zu leiden und ſie zu verlieren. 6. Daß der Apoſtel ſich der von der Stifts- Huͤtte und dem Tempel hergenommenen Re- dens-Arten bedienet, koͤmmt daher, weil die gantze Stifts-Huͤtte mit dem Tempel, der goͤtt- lichen Intention nach, eine Abbildung war vom Reiche Chriſti. Gleichwie nun der Tempel mit der Stifts-Huͤtte drey Haupt-Theile hatte, den Vorhof, das Heilige, und das Allerheiligſte: alſo hat auch das Reich Chriſti drey Haupt-Un- terſcheide, oder Staͤnde: davon die beyden er- ſten gehen auf dieſes Leben, der dritte auf das ewige. Jn dieſem Leben findet ſich bey dem Reiche Chriſti erſtlich und zuvorderſt die aͤuſſer- liche ſichtbare Kirche, ein Gegenbild vom Vorhofe, und denn bey den wahren Gliedern derſelben, als geiſtlichen Prieſtern, die glaͤubi- ge Gemeinſchaft mit GOtt, als ein Gegen- bild vom Heiligen, oder mittlern Theile des Tempels, darein niemand, als die Levitiſchen Prieſter, gehen durften. Jenes Leben iſt denn nun dabey das Gegenbild vom Allerheiligſten, dahinein allein der Hoheprieſter kam. 7. Da nun Chriſtus der rechte Hoheprie- ſter im Gegenbilde iſt, ſo heißt es von ihm, daß er fuͤr uns dahinein gegangen ſey, nemlich in den Himmel der Herrlichkeit. Welches der Seelen nach zuvorderſt geſchehen iſt am Car- freytage, oder am Tage ſeines Todes am Creu- tze, als dem Gegenbilde vom hohen Verſoͤh- nungs-Feſte der Juden, an welchem der Hohe- prieſter in das Allerheiligſte einging. Von welchem ſeinem Eingange Chriſtus zu dem glaͤu- bigen Schaͤcher am Creutze ſagte: Heute wirſt du mit mir im Paradieſe ſeyn, Luc. 23, 43. Auf welchem Eingange hernach die Himmel- fahrt nach Leib und Seele, mit dem Sitzen zur Rechten GOttes erfolget iſt. 8. Wenn Chriſtus heißt der Vorlaͤufer, und geſaget wird, daß er als der Vorlaͤufer eingegangen, ſo heißt er damit ſo viel, als das Haupt ſeines gantzen geiſtlichen Leibes, und daß er nicht allein der Ordnung nach einen Vor- zug beſitze, ſondern daß er uns auch den Eingang verdienſtlicher weiſe geoͤffnet habe. Welches ſonderlich damit angezeiget wird, daß dabey ſte- het ὑπὲρ ἡμῶν, fuͤr uns. Denn gleichwie der Chriſtum repræſentirende Hoheprieſter mit ſeinem Opfer fuͤr das gantze Judiſche Volck ins Allerheiligſte einging, daſſelbe bey GOTT zu

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/322>, abgerufen am 28.11.2024.