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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 7. v. 25-27. an die Hebräer.
[Spaltenumbruch]

3. Wahre Glieder Christi erweisen ihr
geistliches Priesterthum gegen andere auch
darinnen, daß sie für sie fleißig beten; ob
gleich nicht auf eine verdienstliche Art, wie Chri-
stus für uns bittet, doch erhörlich und zum Se-
gen. Von der Fürbitte Christi sehe man Joh.
17. Röm. 9, 34. 1 Joh. 2, 2. Hebr. 9, 24.

V. 26. 27.

Denn einen solchen Hohenpriester sol-
ten wir haben, der da wäre heilig, unschul-
dig, unbefleckt, von den Sündern abgeson-
dert, und höher denn der Himmel ist. Dem
nicht täglich noth wäre, wie jenen Hohen-
priestern, zuerst für eigene Sünde Opfer
zu thun, darnach für des Volcks Sünde.
Denn das
(diß letztere) hat er gethan einmal,
da er sich selbst opferte
(und also nicht allein
der Hohepriester, sondern auch selbst das Opfer
war.)

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apostel bisher schon un-
terschiedliche wichtige Vorzüge des Meßiani-
schen Priesterthums vor dem Levitischen gezeiget
hat, so thut er davon noch ein mehrers hinzu,
um die gläubigen Hebräer so vielmehr zu über-
zeugen, wie wohl es gethan sey, daß man bey
dem Evangelio von Christo beständig bleibe.

2. Das eprepe, es geziemet sich, ist alhier
also zu verstehen, wie oben c. 2, 10, daß es eine
Nothwendigkeit mit in sich hält. Denn wäre
der Meßias nicht ein solcher Hoherpriester ge-
wesen, wie er alhier beschrieben wird, so hätte
er das menschliche Geschlecht unmöglich versöh-
nen können. So konte wegen der unwandelba-
ren richterlichen Gerechtigkeit GOttes keine
Annehmung der Menschen ohne Versöhnung
geschehen.

3. Daß man unter den vier Worten, hei-
lig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern
abgesondert,
einen Unterscheid suche, ist nicht
nöthig; sondern es ist von der Häufung solcher
Worte nur dieses zu mercken, daß sie auf eine
vollkommene Heiligkeit und Gerechtigkeit
gehen, welche der Meßias nach der Gottheit
von Ewigkeit gehabt, und nach der menschlichen
Natur durch die Salbung ohne Maß empfan-
gen hat. Darinnen aber, daß er der Natur
nach so sehr von den Sündern abgesondert ge-
wesen, und sich ihrer doch angenommen, hat er
eben seine grosse philanthropian, Menschen-Lie-
be erwiesen. Von der absoluten Heiligkeit
CHRJSTJ sehe man Dan. 9, 24. Jes. 53, 9.
Luc. 1, 35. Joh. 8, 46. 1 Pet. 2, 22. 1 Joh. 2, 1.
20. c. 3, 5. Heb. 4, 15.

4. Durch die Worte, höher denn die
Himmel,
wird die mit der Heiligkeit verknüpfte
göttliche Majestät und Herrlichkeit des Mes-
siä angezeiget: eine Majestät, welche er als
wahrer GOTT ewiglich gehabt, und als wah-
rer Mensch gleichfals empfangen hat; und
zwar, was deroselben völligen Gebrauch be-
trift, durch die Himmelfahrt und durch das Si-
tzen zur Rechten GOttes. Und solcherstalt darf
[Spaltenumbruch] er nicht erst ins Heilige und Allerheiligste einge-
gehen für uns zu bitten, wie die Levitischen Prie-
ster, sondern da er beständig zur Rechten der
Majestät GOttes sitzet, so ist seine Fürbitte für
uns wie beständig, also auch von unendlicher
Kraft. Von dieser Majestät Christi sehe man
unter andern Eph. 1, 21. 22. c. 4, 10. Heb. 8, 1.

5. Mit den Worten: dem nicht täglich
noth wäre
u. f. wird auf das tägliche Mor-
gen- und Abend-Opfer
gesehen, welches zu
bringen eine gemeine Pflicht des Hohenprie-
sters und der übrigen war. 4 B. Mos. 28, 1. u. f.
Da die Priester zuvorderst ihrer eignen Sünde
haben eingedenck seyn müssen. Wie der Hohe-
priester am jährlichen hohen Versöhnungs-Fe-
ste erst für sich und das gantze priesterliche Ge-
schlecht, und denn auch für das Volck geopfert
habe, und mit solchem Opfer zur Versöhnung
in das Allerheiligste eingegangen sey, sehe man
3 B. Mos. 16.

6. Wie vollkommen das Meßianische
Priesterthum sey, und was es für grosse Vor-
züge vor dem Levitischen habe, siehet man allein
aus diesem Text in fünf wichtigen Puncten,
erstlich an der absoluten Heiligkeit seiner Per-
son, und denn an seiner göttlichen Majestät:
Drittens daran, daß er selbst der Hoheprie-
ster
und auch zugleich das Opfer ist; Vier-
tens daß er nicht für sich selbst, sondern nur
für das menschliche Geschlecht opfern dürf-
fen und geopfert hat. Und denn fünftens, daß
er sein Opfer nicht täglich wiederhohlen dürf-
fen, wie die Levitischen Priester die ihrige; son-
dern daß es der Vollkommenheit wegen nur ein-
mal
ist gebracht worden.

7. Mit dem Worte anenegkas, welches
so viel heißt, als zum Opfer in die Höhe brin-
gen,
siehet der Apostel auf das von der Erde er-
höhete Creutz Christi, an welchem er sonderlich
zum Opfer sich dahin gegeben hat. Hierauf sa-
he unser Heyland auch selbst, als er Joh. 3, 14.
sprach: Wie Moses in der Wüsten eine
Schlange erhöhet hat, also muß des Men-
schen Sohn erhöhet werden.
Und c. 12, 32.
Wenn ich erhöhet werde von der Erden, so
will ich sie alle zu mir ziehen.
Dazu der
Evangelist diese Erklärung setzet: Das sagte er
aber zu deuten, welches Todes er sterben
würde.
Und in gleichem Verstande spricht
Petrus Ep. 1. c. 2, 24. Welcher unsere Sün-
de selbst geopfert hat
(anenegken, oder zum
Opfer hinauf gebracht hat) an seinem Leibe
auf dem Holtze
(epi to xulon, auf das Holtz,
nemlich des aufgerichteten Creutzes) auf daß
wir der Sünde abgestorben der Gerechtig-
keit leben.

8. Zwar gehet der gantze Stand der Er-
niedrigung Christi, mit allen darinnen befindli-
chen Leiden, ausser dem nach dem Gesetz geleiste-
ten vollkommenen Gehorsam auf die Versöh-
nung, und also auch auf das Opfer Christi:
weil doch aber beydes, so wol der thätige Ge-
horsam, als die Leidenschaften, sich sonderlich
in der Creutzigung Christi zusammen concen-

triret
T t 3
Cap. 7. v. 25-27. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch]

3. Wahre Glieder Chriſti erweiſen ihr
geiſtliches Prieſterthum gegen andere auch
darinnen, daß ſie fuͤr ſie fleißig beten; ob
gleich nicht auf eine verdienſtliche Art, wie Chri-
ſtus fuͤr uns bittet, doch erhoͤrlich und zum Se-
gen. Von der Fuͤrbitte Chriſti ſehe man Joh.
17. Roͤm. 9, 34. 1 Joh. 2, 2. Hebr. 9, 24.

V. 26. 27.

Denn einen ſolchen Hohenprieſter ſol-
ten wir haben, der da waͤre heilig, unſchul-
dig, unbefleckt, von den Suͤndern abgeſon-
dert, und hoͤher denn der Himmel iſt. Dem
nicht taͤglich noth waͤre, wie jenen Hohen-
prieſtern, zuerſt fuͤr eigene Suͤnde Opfer
zu thun, darnach fuͤr des Volcks Suͤnde.
Denn das
(diß letztere) hat er gethan einmal,
da er ſich ſelbſt opferte
(und alſo nicht allein
der Hoheprieſter, ſondern auch ſelbſt das Opfer
war.)

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apoſtel bisher ſchon un-
terſchiedliche wichtige Vorzuͤge des Meßiani-
ſchen Prieſterthums vor dem Levitiſchen gezeiget
hat, ſo thut er davon noch ein mehrers hinzu,
um die glaͤubigen Hebraͤer ſo vielmehr zu uͤber-
zeugen, wie wohl es gethan ſey, daß man bey
dem Evangelio von Chriſto beſtaͤndig bleibe.

2. Das ἔπρεπε, es geziemet ſich, iſt alhier
alſo zu verſtehen, wie oben c. 2, 10, daß es eine
Nothwendigkeit mit in ſich haͤlt. Denn waͤre
der Meßias nicht ein ſolcher Hoherprieſter ge-
weſen, wie er alhier beſchrieben wird, ſo haͤtte
er das menſchliche Geſchlecht unmoͤglich verſoͤh-
nen koͤnnen. So konte wegen der unwandelba-
ren richterlichen Gerechtigkeit GOttes keine
Annehmung der Menſchen ohne Verſoͤhnung
geſchehen.

3. Daß man unter den vier Worten, hei-
lig, unſchuldig, unbefleckt, von den Suͤndern
abgeſondert,
einen Unterſcheid ſuche, iſt nicht
noͤthig; ſondern es iſt von der Haͤufung ſolcher
Worte nur dieſes zu mercken, daß ſie auf eine
vollkommene Heiligkeit und Gerechtigkeit
gehen, welche der Meßias nach der Gottheit
von Ewigkeit gehabt, und nach der menſchlichen
Natur durch die Salbung ohne Maß empfan-
gen hat. Darinnen aber, daß er der Natur
nach ſo ſehr von den Suͤndern abgeſondert ge-
weſen, und ſich ihrer doch angenommen, hat er
eben ſeine groſſe ϕιλανϑρωπίαν, Menſchen-Lie-
be erwieſen. Von der abſoluten Heiligkeit
CHRJSTJ ſehe man Dan. 9, 24. Jeſ. 53, 9.
Luc. 1, 35. Joh. 8, 46. 1 Pet. 2, 22. 1 Joh. 2, 1.
20. c. 3, 5. Heb. 4, 15.

4. Durch die Worte, hoͤher denn die
Himmel,
wird die mit der Heiligkeit verknuͤpfte
goͤttliche Majeſtaͤt und Herrlichkeit des Meſ-
ſiaͤ angezeiget: eine Majeſtaͤt, welche er als
wahrer GOTT ewiglich gehabt, und als wah-
rer Menſch gleichfals empfangen hat; und
zwar, was deroſelben voͤlligen Gebrauch be-
trift, durch die Himmelfahrt und durch das Si-
tzen zur Rechten GOttes. Und ſolcherſtalt darf
[Spaltenumbruch] er nicht erſt ins Heilige und Allerheiligſte einge-
gehen fuͤr uns zu bitten, wie die Levitiſchen Prie-
ſter, ſondern da er beſtaͤndig zur Rechten der
Majeſtaͤt GOttes ſitzet, ſo iſt ſeine Fuͤrbitte fuͤr
uns wie beſtaͤndig, alſo auch von unendlicher
Kraft. Von dieſer Majeſtaͤt Chriſti ſehe man
unter andern Eph. 1, 21. 22. c. 4, 10. Heb. 8, 1.

5. Mit den Worten: dem nicht taͤglich
noth waͤre
u. f. wird auf das taͤgliche Mor-
gen- und Abend-Opfer
geſehen, welches zu
bringen eine gemeine Pflicht des Hohenprie-
ſters und der uͤbrigen war. 4 B. Moſ. 28, 1. u. f.
Da die Prieſter zuvorderſt ihrer eignen Suͤnde
haben eingedenck ſeyn muͤſſen. Wie der Hohe-
prieſter am jaͤhrlichen hohen Verſoͤhnungs-Fe-
ſte erſt fuͤr ſich und das gantze prieſterliche Ge-
ſchlecht, und denn auch fuͤr das Volck geopfert
habe, und mit ſolchem Opfer zur Verſoͤhnung
in das Allerheiligſte eingegangen ſey, ſehe man
3 B. Moſ. 16.

6. Wie vollkommen das Meßianiſche
Prieſterthum ſey, und was es fuͤr groſſe Vor-
zuͤge vor dem Levitiſchen habe, ſiehet man allein
aus dieſem Text in fuͤnf wichtigen Puncten,
erſtlich an der abſoluten Heiligkeit ſeiner Per-
ſon, und denn an ſeiner goͤttlichen Majeſtaͤt:
Drittens daran, daß er ſelbſt der Hoheprie-
ſter
und auch zugleich das Opfer iſt; Vier-
tens daß er nicht fuͤr ſich ſelbſt, ſondern nur
fuͤr das menſchliche Geſchlecht opfern duͤrf-
fen und geopfert hat. Und denn fuͤnftens, daß
er ſein Opfer nicht taͤglich wiederhohlen duͤrf-
fen, wie die Levitiſchen Prieſter die ihrige; ſon-
dern daß es der Vollkommenheit wegen nur ein-
mal
iſt gebracht worden.

7. Mit dem Worte ἀνενέγκας, welches
ſo viel heißt, als zum Opfer in die Hoͤhe brin-
gen,
ſiehet der Apoſtel auf das von der Erde er-
hoͤhete Creutz Chriſti, an welchem er ſonderlich
zum Opfer ſich dahin gegeben hat. Hierauf ſa-
he unſer Heyland auch ſelbſt, als er Joh. 3, 14.
ſprach: Wie Moſes in der Wuͤſten eine
Schlange erhoͤhet hat, alſo muß des Men-
ſchen Sohn erhoͤhet werden.
Und c. 12, 32.
Wenn ich erhoͤhet werde von der Erden, ſo
will ich ſie alle zu mir ziehen.
Dazu der
Evangeliſt dieſe Erklaͤrung ſetzet: Das ſagte er
aber zu deuten, welches Todes er ſterben
wuͤrde.
Und in gleichem Verſtande ſpricht
Petrus Ep. 1. c. 2, 24. Welcher unſere Suͤn-
de ſelbſt geopfert hat
(ἀνήνεγκεν, oder zum
Opfer hinauf gebracht hat) an ſeinem Leibe
auf dem Holtze
(ἐπὶ τὸ ξύλον, auf das Holtz,
nemlich des aufgerichteten Creutzes) auf daß
wir der Suͤnde abgeſtorben der Gerechtig-
keit leben.

8. Zwar gehet der gantze Stand der Er-
niedrigung Chriſti, mit allen darinnen befindli-
chen Leiden, auſſer dem nach dem Geſetz geleiſte-
ten vollkommenen Gehorſam auf die Verſoͤh-
nung, und alſo auch auf das Opfer Chriſti:
weil doch aber beydes, ſo wol der thaͤtige Ge-
horſam, als die Leidenſchaften, ſich ſonderlich
in der Creutzigung Chriſti zuſammen concen-

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[333/0335] Cap. 7. v. 25-27. an die Hebraͤer. 3. Wahre Glieder Chriſti erweiſen ihr geiſtliches Prieſterthum gegen andere auch darinnen, daß ſie fuͤr ſie fleißig beten; ob gleich nicht auf eine verdienſtliche Art, wie Chri- ſtus fuͤr uns bittet, doch erhoͤrlich und zum Se- gen. Von der Fuͤrbitte Chriſti ſehe man Joh. 17. Roͤm. 9, 34. 1 Joh. 2, 2. Hebr. 9, 24. V. 26. 27. Denn einen ſolchen Hohenprieſter ſol- ten wir haben, der da waͤre heilig, unſchul- dig, unbefleckt, von den Suͤndern abgeſon- dert, und hoͤher denn der Himmel iſt. Dem nicht taͤglich noth waͤre, wie jenen Hohen- prieſtern, zuerſt fuͤr eigene Suͤnde Opfer zu thun, darnach fuͤr des Volcks Suͤnde. Denn das (diß letztere) hat er gethan einmal, da er ſich ſelbſt opferte (und alſo nicht allein der Hoheprieſter, ſondern auch ſelbſt das Opfer war.) Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel bisher ſchon un- terſchiedliche wichtige Vorzuͤge des Meßiani- ſchen Prieſterthums vor dem Levitiſchen gezeiget hat, ſo thut er davon noch ein mehrers hinzu, um die glaͤubigen Hebraͤer ſo vielmehr zu uͤber- zeugen, wie wohl es gethan ſey, daß man bey dem Evangelio von Chriſto beſtaͤndig bleibe. 2. Das ἔπρεπε, es geziemet ſich, iſt alhier alſo zu verſtehen, wie oben c. 2, 10, daß es eine Nothwendigkeit mit in ſich haͤlt. Denn waͤre der Meßias nicht ein ſolcher Hoherprieſter ge- weſen, wie er alhier beſchrieben wird, ſo haͤtte er das menſchliche Geſchlecht unmoͤglich verſoͤh- nen koͤnnen. So konte wegen der unwandelba- ren richterlichen Gerechtigkeit GOttes keine Annehmung der Menſchen ohne Verſoͤhnung geſchehen. 3. Daß man unter den vier Worten, hei- lig, unſchuldig, unbefleckt, von den Suͤndern abgeſondert, einen Unterſcheid ſuche, iſt nicht noͤthig; ſondern es iſt von der Haͤufung ſolcher Worte nur dieſes zu mercken, daß ſie auf eine vollkommene Heiligkeit und Gerechtigkeit gehen, welche der Meßias nach der Gottheit von Ewigkeit gehabt, und nach der menſchlichen Natur durch die Salbung ohne Maß empfan- gen hat. Darinnen aber, daß er der Natur nach ſo ſehr von den Suͤndern abgeſondert ge- weſen, und ſich ihrer doch angenommen, hat er eben ſeine groſſe ϕιλανϑρωπίαν, Menſchen-Lie- be erwieſen. Von der abſoluten Heiligkeit CHRJSTJ ſehe man Dan. 9, 24. Jeſ. 53, 9. Luc. 1, 35. Joh. 8, 46. 1 Pet. 2, 22. 1 Joh. 2, 1. 20. c. 3, 5. Heb. 4, 15. 4. Durch die Worte, hoͤher denn die Himmel, wird die mit der Heiligkeit verknuͤpfte goͤttliche Majeſtaͤt und Herrlichkeit des Meſ- ſiaͤ angezeiget: eine Majeſtaͤt, welche er als wahrer GOTT ewiglich gehabt, und als wah- rer Menſch gleichfals empfangen hat; und zwar, was deroſelben voͤlligen Gebrauch be- trift, durch die Himmelfahrt und durch das Si- tzen zur Rechten GOttes. Und ſolcherſtalt darf er nicht erſt ins Heilige und Allerheiligſte einge- gehen fuͤr uns zu bitten, wie die Levitiſchen Prie- ſter, ſondern da er beſtaͤndig zur Rechten der Majeſtaͤt GOttes ſitzet, ſo iſt ſeine Fuͤrbitte fuͤr uns wie beſtaͤndig, alſo auch von unendlicher Kraft. Von dieſer Majeſtaͤt Chriſti ſehe man unter andern Eph. 1, 21. 22. c. 4, 10. Heb. 8, 1. 5. Mit den Worten: dem nicht taͤglich noth waͤre u. f. wird auf das taͤgliche Mor- gen- und Abend-Opfer geſehen, welches zu bringen eine gemeine Pflicht des Hohenprie- ſters und der uͤbrigen war. 4 B. Moſ. 28, 1. u. f. Da die Prieſter zuvorderſt ihrer eignen Suͤnde haben eingedenck ſeyn muͤſſen. Wie der Hohe- prieſter am jaͤhrlichen hohen Verſoͤhnungs-Fe- ſte erſt fuͤr ſich und das gantze prieſterliche Ge- ſchlecht, und denn auch fuͤr das Volck geopfert habe, und mit ſolchem Opfer zur Verſoͤhnung in das Allerheiligſte eingegangen ſey, ſehe man 3 B. Moſ. 16. 6. Wie vollkommen das Meßianiſche Prieſterthum ſey, und was es fuͤr groſſe Vor- zuͤge vor dem Levitiſchen habe, ſiehet man allein aus dieſem Text in fuͤnf wichtigen Puncten, erſtlich an der abſoluten Heiligkeit ſeiner Per- ſon, und denn an ſeiner goͤttlichen Majeſtaͤt: Drittens daran, daß er ſelbſt der Hoheprie- ſter und auch zugleich das Opfer iſt; Vier- tens daß er nicht fuͤr ſich ſelbſt, ſondern nur fuͤr das menſchliche Geſchlecht opfern duͤrf- fen und geopfert hat. Und denn fuͤnftens, daß er ſein Opfer nicht taͤglich wiederhohlen duͤrf- fen, wie die Levitiſchen Prieſter die ihrige; ſon- dern daß es der Vollkommenheit wegen nur ein- mal iſt gebracht worden. 7. Mit dem Worte ἀνενέγκας, welches ſo viel heißt, als zum Opfer in die Hoͤhe brin- gen, ſiehet der Apoſtel auf das von der Erde er- hoͤhete Creutz Chriſti, an welchem er ſonderlich zum Opfer ſich dahin gegeben hat. Hierauf ſa- he unſer Heyland auch ſelbſt, als er Joh. 3, 14. ſprach: Wie Moſes in der Wuͤſten eine Schlange erhoͤhet hat, alſo muß des Men- ſchen Sohn erhoͤhet werden. Und c. 12, 32. Wenn ich erhoͤhet werde von der Erden, ſo will ich ſie alle zu mir ziehen. Dazu der Evangeliſt dieſe Erklaͤrung ſetzet: Das ſagte er aber zu deuten, welches Todes er ſterben wuͤrde. Und in gleichem Verſtande ſpricht Petrus Ep. 1. c. 2, 24. Welcher unſere Suͤn- de ſelbſt geopfert hat (ἀνήνεγκεν, oder zum Opfer hinauf gebracht hat) an ſeinem Leibe auf dem Holtze (ἐπὶ τὸ ξύλον, auf das Holtz, nemlich des aufgerichteten Creutzes) auf daß wir der Suͤnde abgeſtorben der Gerechtig- keit leben. 8. Zwar gehet der gantze Stand der Er- niedrigung Chriſti, mit allen darinnen befindli- chen Leiden, auſſer dem nach dem Geſetz geleiſte- ten vollkommenen Gehorſam auf die Verſoͤh- nung, und alſo auch auf das Opfer Chriſti: weil doch aber beydes, ſo wol der thaͤtige Ge- horſam, als die Leidenſchaften, ſich ſonderlich in der Creutzigung Chriſti zuſammen concen- triret T t 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/335>, abgerufen am 27.11.2024.