Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 9. v. 26-28. an die Hebräer. [Spaltenumbruch]
versöhnlichen und verdienstlichen Leiden) dieSünde, (ihrer Schuld und Strafe nach) auf- zuheben (welche Aufhebung denn, die in der Erlösung und Genugthuung bestehet, in der Ordnung der wahren Bekehrung und des dar- innen empfangenen wahren Glaubens, darinn auch der Sünden-Herrschaft unterbrochen wird, durch die Rechtfertigung, oder Vergebung der Sünden, zur Application kömmt, und allen übrigen geistlichen Segen mit sich führet. V. 27. 28. Und wie den Menschen (ordentlicher Anmerckungen. 1. Daß der Apostel alhier Christum mit 2. Nun möchte man zwar gedencken, ob 3. Daß nun aber das nach dem Sünden- 4. Christus hat sich selbst geopfert, nach 5. Daß, da Christus aller Menschen dessel-
Cap. 9. v. 26-28. an die Hebraͤer. [Spaltenumbruch]
verſoͤhnlichen und verdienſtlichen Leiden) dieSuͤnde, (ihrer Schuld und Strafe nach) auf- zuheben (welche Aufhebung denn, die in der Erloͤſung und Genugthuung beſtehet, in der Ordnung der wahren Bekehrung und des dar- innen empfangenen wahren Glaubens, darinn auch der Suͤnden-Herrſchaft unterbrochen wird, durch die Rechtfertigung, oder Vergebung der Suͤnden, zur Application koͤmmt, und allen uͤbrigen geiſtlichen Segen mit ſich fuͤhret. V. 27. 28. Und wie den Menſchen (ordentlicher Anmerckungen. 1. Daß der Apoſtel alhier Chriſtum mit 2. Nun moͤchte man zwar gedencken, ob 3. Daß nun aber das nach dem Suͤnden- 4. Chriſtus hat ſich ſelbſt geopfert, nach 5. Daß, da Chriſtus aller Menſchen deſſel-
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Cap. 9. v. 26-28. an die Hebraͤer.
verſoͤhnlichen und verdienſtlichen Leiden) die
Suͤnde, (ihrer Schuld und Strafe nach) auf-
zuheben (welche Aufhebung denn, die in der
Erloͤſung und Genugthuung beſtehet, in der
Ordnung der wahren Bekehrung und des dar-
innen empfangenen wahren Glaubens, darinn
auch der Suͤnden-Herrſchaft unterbrochen wird,
durch die Rechtfertigung, oder Vergebung der
Suͤnden, zur Application koͤmmt, und allen
uͤbrigen geiſtlichen Segen mit ſich fuͤhret.
V. 27. 28.
Und wie den Menſchen (ordentlicher
weiſe) iſt geſetzet (der Suͤnden wegen) einmal
zu ſterben,) davon einige zu dieſem Leben er-
weckte ausgenommen ſind, nebſt denen, die da
kuͤnftig bey der Zukunft Chriſti werden verwan-
delt werden. 1 Cor. 15, 51. 52.) darnach aber
das Gericht (da ihnen wiederfahren wird, nach
dem ſie bey Leibes Leben geglaubet und gehan-
delt haben:) alſo iſt Chriſtus (da er Menſch
worden, und als der Buͤrge an aller Menſchen
Stelle getreten) einmal (mit Ubernehmung
des Todes) geopfert, wegzunehmen vieler
(des gantzen menſchlichen Geſchlechts, welches
aus vielen, oder einer groſſen Menge beſtehet)
Suͤnde, zum andern mal aber (am juͤng-
ſten Gerichte) wird er (ſichtbar) ohne Suͤnde
erſcheinen (wie allen Menſchen, und darun-
ter den Gottloſen zum Schrecken: alſo ſonder-
lich zum Troſt den Glaͤubigen, als) denen, die
auf ihn warten zur Seligkeit (dieſelbe nach
den Erſtlingen an voller Erndte zu uͤberkom-
men.)
Anmerckungen.
1. Daß der Apoſtel alhier Chriſtum mit
den gemeinen Menſchen vergleichet in Anſehung
des einmaligen Sterbens, koͤmmt nicht ſo wol
daher, daß er wahre menſchliche Natur an ſich
genommen hatte; ſintemal er, weil ſie ohne
Suͤnde war, der Natur an ſich ſelbſt nach, dem
Sterben nicht unterworfen geweſen, wie an-
dere Menſchen: ſondern daher, daß er als ein
Buͤrge der Menſchen Suͤnde uͤber ſich genom-
men, und ſich ſelbſt dazu, daß er ſein Leben
zum Suͤnd- und Schuld-Opfer dahin geben
wolte, verbunden hatte. Da nun kein Menſch
ordentlicher weiſe oͤfter ſtirbet, als einmal: alſo
war es auch bey Chriſto, als ihrem Buͤrgen ge-
nug, daß er einmal um ihrent willen ſtuͤrbe.
2. Nun moͤchte man zwar gedencken, ob
nicht hieraus vielmehr folget, daß weil Chri-
ſtus, als Buͤrge, an ſtatt der Menſchen geſtor-
ben, die Menſchen nicht haͤtten ſterben ſollen,
und da ſie doch ſterben, ob nicht das Loͤſe-Geld
Chriſti als unguͤltig anzuſehen ſey? Allein hier
iſt leichtlich zu erkennen, daß es bey der Strafe
der Suͤnden nicht auf den bloſſen leiblichen
Tod ankomme, ſondern vielmehr auf den ewi-
gen, der da beſtehet in der Beraubung aller
Seligkeit und in dem Gefuͤhle aller Angſt und
Pein. Dieſen Tod hat Chriſtus, ſonderlich in
ſeinem blutigen Kampfe am Oelberge und am
Creutze, da er uͤber die Verlaſſung GOttes kla-
gete, zuvoͤrderſt uͤber ſich genommen und em-
pfunden; und zwar als der Buͤrge an ſtatt der
Menſchen: welches der Apoſtel oben c. 2, 9.
nennet fuͤr alle den Tod geſchmecket, und al-
ſo damit verurſachet haben, daß ſie davon be-
freyet bleiben, wenn ſie ſeinen Verſoͤhnungs-
Tod ſich in rechter Ordnung wuͤrdiglich zueig-
nen. Daß aber zu der Ubernehmung des ewi-
gen Todes bey Chriſto noch der leibliche Tod
dazu kam, das geſchahe zu ſo viel mehrer Bezeu-
gung ſeiner Liebe und zugleich zu dem Ende, daß
auch der noch uͤbrige leibliche Tod der Glaͤubi-
gen ihnen aus einer Strafe zur Wohlthat ge-
machet, und zugleich die Vorbilder von ſo vie-
ler Toͤdtung und Blut-Vergieſſung des Opfer-
Viehes erfuͤllet werden ſolten. Und war der
Grund davon in der dem Suͤnden-Falle ent-
gegen geſetzten Androhung des Todes, wel-
cher auch mit vom leiblichen Tode zu verſtehen
war.
3. Daß nun aber das nach dem Suͤnden-
Fall allen Menſchen einmal gemachte Geſetz
und Todes-Urtheil 1 B. Moſ. 3, 19. auch noch
an den glaͤubigen Gliedern Chriſti vollzogen
wird, das koͤmmt daher, weil ſie noch die Erb-
Suͤnde an ſich behalten; welches die Weisheit
GOttes bey ihrer Wiederbringung gut gefun-
den hat: daher denn auch ihr Leib der Verwe-
ſung noch unterworfen bleibet. Es wuͤrde ſich
auch fuͤr dieſes zeitliche Leben nicht ſchicken, wenn
man darinn ſchon einen unverweslichen und ver-
klaͤrten Leib haͤtte.
4. Chriſtus hat ſich ſelbſt geopfert, nach
v. 25. und doch iſt er auch geopfert worden;
gleichwie es von ihm heißt, daß er fuͤr uns ſich in
den Tod dahin gegeben Gal. 2, 20. Eph. 5, 2.
und dahin gegeben worden Rom. 4, 25. nem-
lich nicht ſo wol von ſeinen Feinden; als welche
bey ihrer Verfolgung gar nicht den Zweck gehabt
haben, ihm zum Opfer zu machen: ſondern von
der richterlichen Straf-Gerechtigkeit GOt-
tes: welche auch im alten Teſtament bey den
opfern durch das ſelbſt vom Himmel herab auf
den Brandopfer-Altar gefallene, und die Opf-
fer verzehrende Feuer abgebildet worden.
3 B. Moſ. 9, 24. Daher auch GOTT, in An-
ſehung ſolcher richterlichen Straf-Gerechtigkeit
ein verzehrendes Feuer heißt: 2 B. Moſ. 22,
17. 5 B. Moſ. 4, 24. c. 9, 9. Hcb. 12, 29.
5. Daß, da Chriſtus aller Menſchen
Suͤnde ohne eintzige Ausnahme uͤber ſich ge-
nommen hat, alhier fuͤr alle das Wort viele,
vieler Suͤnde geſetzet worden, das koͤmmt da-
her, weil der Apoſtel wolte einen Gegenſatz ma-
chen zwiſchen dem nur einmal geopfert ſeyn,
und doch aller Menſchen Suͤnde abgethan ha-
ben. Da ſich nun zu einem oder einmal der Ge-
genſatz von allem nicht fuͤglich ſchickte, ſondern
wenn das Wort alle im rechten Gegenſatze haͤt-
te ſtehen ſollen, dagegen vorher haͤtte das Wort
keinem geſetzet werden muͤſſen, dieſes aber von
dem Tode und Opfer Chriſti nicht geſaget wer-
den konnte, ſo nimmt der Apoſtel dafuͤr das
Wort viele, und zeiget an, daß, obgleich der
Tod nur einfach geweſen, die Kraft und Frucht
deſſel-
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