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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli Cap. 10. v. 19-21.
[Spaltenumbruch] hat sein Blut zum Wege gemachet durch sein
Blut. Welches keinen Verstand giebet.

8. Es gehet demnach das Wort welchen,
en, auf das vorhergehende paRResian, auf die
Glaubens-Freudigkeit, oder auf den freudi-
gen Glauben,
wie er zuvor beschrieben ist.
Denn dieses Wort ist im vorhergehenden Verse
ohne des das rechte Haupt-Wort, davon das
Wort eisodos Eingang dependiret. Und zu
dem schicket sich die Natur des Glaubens zu dem,
was alhier davon gesaget wird, gar eigentlich:
nemlich, daß er sey der Weg zu GOtt; zumal
da der Glaube nicht ohne Christum verstanden
wird. Und demnach ist zwar Christus der Weg
Joh. 14, 6. der aber durch den Glauben gesu-
chet, gefunden, betreten und gegangen wird.
Und da das gehen und kommen eigentlich zum
Wege gehöret, solches aber in dem Zunahen zu
GOTT des Glaubens Eigenschaft ist, daß man
nemlich durch ihn zu GOTT komme: so siehet
man auch hieraus, wie wohl sich das Wort Weg
zum Glauben schicke. Von diesem einfältigen
leichten und richtigen Glaubens-Wege schreibet
Jesaias c. 35, 8. Es wird daselbst (unter der
neuen Oeconomie) eine Bahn seyn und ein
Weg, welcher der heilige Weg heissen wird,
daß kein Unreiner darauf gehen wird: Und
derselbe wird für sie
(die Erlöseten) seyn, daß
man darauf gehe, daß auch die Thoren
nicht irren mögen.

9. Dieser Glaubens-Weg heißt nun mit
Recht alhier der neue und frische, sintemal er
der neuen Oeconomie des Gnaden-Bundes
eigen ist, und dazu zu Pauli Zeiten noch gar
frisch und neue, daher auch so viel angenehmer
war, sonderlich denen, welche vorhin, nach der
Beschaffenheit der alten Oeconomie, unter
dem Joche Mosaischer Satzungen den alten Weg
der blöden Furchtsamkeit gegangen waren.

10. Ein lebendiger Weg heißt der Glau-
be,
weil er an sich nach dem Grunde der Wider-
geburt lebendig, ja ein geistliches Leben in
der Seele ist, und Christum, unser Leben, auch
zum ewigen Leben ergreifet, auch mit keinen tod-
ten Wercken der Finsterniß Gemeinschaft hat.
So mag Paulus mit diesem Worte auch wohl
einen geheimen Gegensatz machen zwischen den
so vielen todten Opfern des alten Testaments
und dem eintzigen Opfer Christi, welcher, ob er
gleich durch den Tod zum Opfer worden, den-
noch von den Todten siegreich auferstanden ist,
also daß der Glaube sich so viel mehr an ihn hal-
ten kan.

11. Und wenn es heißt, der Glaube sey ge-
machet zum neuen und lebendigen Wege durch
den Vorhang,
und der Vorhang durch das
Fleisch Christi, oder ihn selbst, wie er für uns
sich zum Opfer gemachet hat, erkläret wird; so
wird damit angezeiget, woran sich der Glaube
halte, und wodurch er also zu GOTT eindrin-
ge, daß er zum Wege werde, nemlich durch das
Versöhnopfer Christi: Gleichwie es vorher
hiesse, daß die Glaubens-Freudigkeit diene zum
Eingange in das Allerheiligste durch das Blut
Christi.

[Spaltenumbruch]

12. Wenn aber bey den Worten von dem
Fleische Christi gesetzet wird, durch den
Vorhang,
so wird damit das Vorbild und Ge-
genbild zusammen gesetzet. Denn wie schon
oben c. 6, 19. angezeiget ist, so waren die star-
cken, dicken, kostbarsten und aufs künstlichste ge-
wirckten Vorhänge in der Stifts-Hütte an
statt der Thüren zum Vorhofe, zum Heili-
gen
und zum Allerheiligsten Theile der Hüt-
ten, und ein Schatten von dem Meßia, in
Ansehung nicht des zurückhaltens, oder aus-
schliessens, sondern des durchlassens, daß nem-
lich kein anderer Zugang sey zum Reiche GOt-
ees, als durch Christum, der auch daher der Weg
selbst genennet wird Joh. 14, 6.

13. Da der Vorhof die äusserliche
Christliche Kirche
repraesentirte; so war
der Vorhang dazu ein solches Bild von Chri-
sto, daß man auch durch ihn, das ist, durch die
heilige Taufe auf ihn, und durch die Bekennt-
niße von ihm zum äusserlichen Gliede der Christ-
lichen Kirche werde und zu ihrer ausserlichen Ge-
meinschaft komme. Und gleichwie das Heili-
ge,
oder der vordere Theil der Stifts-Hütte, in
welchen allein die gewaschenen, gesalbten und
gantz weiß gekleideten Priester eingingen, ein
Vorblld war von der Christlichen Kirche, in so
fern man darinnen zugleich, als ein wahres
Glied an dem Leibe JEsu Christi, in dem wirck-
lichen Stande der Gnaden und der gläubigen
Gemeinschaft mit GOTT stehet: also war al-
hier der Vorhang gleichfals ein Bild von Chri-
sto, daß man allein durch ihn, oder durch den
wahren Glauben an ihn, dazu gelange. Wer
nun aber durch Christum, als den Vorhang, zu
dem Reiche der Gnaden, als in das rechte Hei-
lige gekommen ist, der findet denn auch durch
ihn, gleichsam als den letztern Vorhang, den
Eingang in das Allerheiligste, oder in das Reich
der Herrlichkeit. Welcher, daß er dazu durch
seinen Tod geöfnet worden, auch damit klärlich
ist angezeiget worden, daß der vor dem Allerhei-
ligsten im Tempel hangende grosse und starcke
Vorhang zu der Zeit, da Christus am Creutze
verschiede, durch ein grosses Wunderwerck von
oben bis unten aus in zwey Stück zerrissen.
Matth. 27, 51.

14. Von diesem also bisher erläuterten
Wege nun heißt es, daß Christus uns den Glau-
ben, oder die Glaubens-Freudigkeit dazu zube-
reitet
habe. Der Apostel bedienet sich dabey
des vorher c. 9, 18. 19. von der ersten Einwei-
hung der alten Oeconomie gebrauchten Worts
egkainizein: und also zeiget er damit an, daß
gleichwie das alte Testament durch den Tod der
Opfer-Thiere, und durch ihr dabey vergosse-
nes Blut bestätiget worden; also auch das neue
durch den Tod und das Blut Christi seine Be-
stätigung bekommen habe.

15. Was endlich den 21ten Vers betrift, so
wird Christus, der Hohepriester, genannt der
grosse Priester. Und ein solcher ist er in An-
sehung seiner Person, da er ist nicht allein wah-
rer Mensch, sondern auch wahrer und der grosse
GOTT; wie auch seines Amts, da er das

Werck

Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 10. v. 19-21.
[Spaltenumbruch] hat ſein Blut zum Wege gemachet durch ſein
Blut. Welches keinen Verſtand giebet.

8. Es gehet demnach das Wort welchen,
ἥν, auf das vorhergehende παῥῥησίαν, auf die
Glaubens-Freudigkeit, oder auf den freudi-
gen Glauben,
wie er zuvor beſchrieben iſt.
Denn dieſes Wort iſt im vorhergehenden Verſe
ohne des das rechte Haupt-Wort, davon das
Wort ἐίσοδος Eingang dependiret. Und zu
dem ſchicket ſich die Natur des Glaubens zu dem,
was alhier davon geſaget wird, gar eigentlich:
nemlich, daß er ſey der Weg zu GOtt; zumal
da der Glaube nicht ohne Chriſtum verſtanden
wird. Und demnach iſt zwar Chriſtus der Weg
Joh. 14, 6. der aber durch den Glauben geſu-
chet, gefunden, betreten und gegangen wird.
Und da das gehen und kommen eigentlich zum
Wege gehoͤret, ſolches aber in dem Zunahen zu
GOTT des Glaubens Eigenſchaft iſt, daß man
nemlich durch ihn zu GOTT komme: ſo ſiehet
man auch hieraus, wie wohl ſich das Wort Weg
zum Glauben ſchicke. Von dieſem einfaͤltigen
leichten und richtigen Glaubens-Wege ſchreibet
Jeſaias c. 35, 8. Es wird daſelbſt (unter der
neuen Oeconomie) eine Bahn ſeyn und ein
Weg, welcher der heilige Weg heiſſen wird,
daß kein Unreiner darauf gehen wird: Und
derſelbe wird fuͤr ſie
(die Erloͤſeten) ſeyn, daß
man darauf gehe, daß auch die Thoren
nicht irren moͤgen.

9. Dieſer Glaubens-Weg heißt nun mit
Recht alhier der neue und friſche, ſintemal er
der neuen Oeconomie des Gnaden-Bundes
eigen iſt, und dazu zu Pauli Zeiten noch gar
friſch und neue, daher auch ſo viel angenehmer
war, ſonderlich denen, welche vorhin, nach der
Beſchaffenheit der alten Oeconomie, unter
dem Joche Moſaiſcher Satzungen den alten Weg
der bloͤden Furchtſamkeit gegangen waren.

10. Ein lebendiger Weg heißt der Glau-
be,
weil er an ſich nach dem Grunde der Wider-
geburt lebendig, ja ein geiſtliches Leben in
der Seele iſt, und Chriſtum, unſer Leben, auch
zum ewigen Leben ergreifet, auch mit keinen tod-
ten Wercken der Finſterniß Gemeinſchaft hat.
So mag Paulus mit dieſem Worte auch wohl
einen geheimen Gegenſatz machen zwiſchen den
ſo vielen todten Opfern des alten Teſtaments
und dem eintzigen Opfer Chriſti, welcher, ob er
gleich durch den Tod zum Opfer worden, den-
noch von den Todten ſiegreich auferſtanden iſt,
alſo daß der Glaube ſich ſo viel mehr an ihn hal-
ten kan.

11. Und wenn es heißt, der Glaube ſey ge-
machet zum neuen und lebendigen Wege durch
den Vorhang,
und der Vorhang durch das
Fleiſch Chriſti, oder ihn ſelbſt, wie er fuͤr uns
ſich zum Opfer gemachet hat, erklaͤret wird; ſo
wird damit angezeiget, woran ſich der Glaube
halte, und wodurch er alſo zu GOTT eindrin-
ge, daß er zum Wege werde, nemlich durch das
Verſoͤhnopfer Chriſti: Gleichwie es vorher
hieſſe, daß die Glaubens-Freudigkeit diene zum
Eingange in das Allerheiligſte durch das Blut
Chriſti.

[Spaltenumbruch]

12. Wenn aber bey den Worten von dem
Fleiſche Chriſti geſetzet wird, durch den
Vorhang,
ſo wird damit das Vorbild und Ge-
genbild zuſammen geſetzet. Denn wie ſchon
oben c. 6, 19. angezeiget iſt, ſo waren die ſtar-
cken, dicken, koſtbarſten und aufs kuͤnſtlichſte ge-
wirckten Vorhaͤnge in der Stifts-Huͤtte an
ſtatt der Thuͤren zum Vorhofe, zum Heili-
gen
und zum Allerheiligſten Theile der Huͤt-
ten, und ein Schatten von dem Meßia, in
Anſehung nicht des zuruͤckhaltens, oder aus-
ſchlieſſens, ſondern des durchlaſſens, daß nem-
lich kein anderer Zugang ſey zum Reiche GOt-
ees, als durch Chriſtum, der auch daher der Weg
ſelbſt genennet wird Joh. 14, 6.

13. Da der Vorhof die aͤuſſerliche
Chriſtliche Kirche
repræſentirte; ſo war
der Vorhang dazu ein ſolches Bild von Chri-
ſto, daß man auch durch ihn, das iſt, durch die
heilige Taufe auf ihn, und durch die Bekennt-
niße von ihm zum aͤuſſerlichen Gliede der Chriſt-
lichen Kirche werde und zu ihrer auſſerlichen Ge-
meinſchaft komme. Und gleichwie das Heili-
ge,
oder der vordere Theil der Stifts-Huͤtte, in
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gantz weiß gekleideten Prieſter eingingen, ein
Vorblld war von der Chriſtlichen Kirche, in ſo
fern man darinnen zugleich, als ein wahres
Glied an dem Leibe JEſu Chriſti, in dem wirck-
lichen Stande der Gnaden und der glaͤubigen
Gemeinſchaft mit GOTT ſtehet: alſo war al-
hier der Vorhang gleichfals ein Bild von Chri-
ſto, daß man allein durch ihn, oder durch den
wahren Glauben an ihn, dazu gelange. Wer
nun aber durch Chriſtum, als den Vorhang, zu
dem Reiche der Gnaden, als in das rechte Hei-
lige gekommen iſt, der findet denn auch durch
ihn, gleichſam als den letztern Vorhang, den
Eingang in das Allerheiligſte, oder in das Reich
der Herrlichkeit. Welcher, daß er dazu durch
ſeinen Tod geoͤfnet worden, auch damit klaͤrlich
iſt angezeiget worden, daß der vor dem Allerhei-
ligſten im Tempel hangende groſſe und ſtarcke
Vorhang zu der Zeit, da Chriſtus am Creutze
verſchiede, durch ein groſſes Wunderwerck von
oben bis unten aus in zwey Stuͤck zerriſſen.
Matth. 27, 51.

14. Von dieſem alſo bisher erlaͤuterten
Wege nun heißt es, daß Chriſtus uns den Glau-
ben, oder die Glaubens-Freudigkeit dazu zube-
reitet
habe. Der Apoſtel bedienet ſich dabey
des vorher c. 9, 18. 19. von der erſten Einwei-
hung der alten Oeconomie gebrauchten Worts
ἐγκαινίζειν: und alſo zeiget er damit an, daß
gleichwie das alte Teſtament durch den Tod der
Opfer-Thiere, und durch ihr dabey vergoſſe-
nes Blut beſtaͤtiget worden; alſo auch das neue
durch den Tod und das Blut Chriſti ſeine Be-
ſtaͤtigung bekommen habe.

15. Was endlich den 21ten Vers betrift, ſo
wird Chriſtus, der Hoheprieſter, genannt der
groſſe Prieſter. Und ein ſolcher iſt er in An-
ſehung ſeiner Perſon, da er iſt nicht allein wah-
rer Menſch, ſondern auch wahrer und der groſſe
GOTT; wie auch ſeines Amts, da er das

Werck
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[368/0370] Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 10. v. 19-21. hat ſein Blut zum Wege gemachet durch ſein Blut. Welches keinen Verſtand giebet. 8. Es gehet demnach das Wort welchen, ἥν, auf das vorhergehende παῥῥησίαν, auf die Glaubens-Freudigkeit, oder auf den freudi- gen Glauben, wie er zuvor beſchrieben iſt. Denn dieſes Wort iſt im vorhergehenden Verſe ohne des das rechte Haupt-Wort, davon das Wort ἐίσοδος Eingang dependiret. Und zu dem ſchicket ſich die Natur des Glaubens zu dem, was alhier davon geſaget wird, gar eigentlich: nemlich, daß er ſey der Weg zu GOtt; zumal da der Glaube nicht ohne Chriſtum verſtanden wird. Und demnach iſt zwar Chriſtus der Weg Joh. 14, 6. der aber durch den Glauben geſu- chet, gefunden, betreten und gegangen wird. Und da das gehen und kommen eigentlich zum Wege gehoͤret, ſolches aber in dem Zunahen zu GOTT des Glaubens Eigenſchaft iſt, daß man nemlich durch ihn zu GOTT komme: ſo ſiehet man auch hieraus, wie wohl ſich das Wort Weg zum Glauben ſchicke. Von dieſem einfaͤltigen leichten und richtigen Glaubens-Wege ſchreibet Jeſaias c. 35, 8. Es wird daſelbſt (unter der neuen Oeconomie) eine Bahn ſeyn und ein Weg, welcher der heilige Weg heiſſen wird, daß kein Unreiner darauf gehen wird: Und derſelbe wird fuͤr ſie (die Erloͤſeten) ſeyn, daß man darauf gehe, daß auch die Thoren nicht irren moͤgen. 9. Dieſer Glaubens-Weg heißt nun mit Recht alhier der neue und friſche, ſintemal er der neuen Oeconomie des Gnaden-Bundes eigen iſt, und dazu zu Pauli Zeiten noch gar friſch und neue, daher auch ſo viel angenehmer war, ſonderlich denen, welche vorhin, nach der Beſchaffenheit der alten Oeconomie, unter dem Joche Moſaiſcher Satzungen den alten Weg der bloͤden Furchtſamkeit gegangen waren. 10. Ein lebendiger Weg heißt der Glau- be, weil er an ſich nach dem Grunde der Wider- geburt lebendig, ja ein geiſtliches Leben in der Seele iſt, und Chriſtum, unſer Leben, auch zum ewigen Leben ergreifet, auch mit keinen tod- ten Wercken der Finſterniß Gemeinſchaft hat. So mag Paulus mit dieſem Worte auch wohl einen geheimen Gegenſatz machen zwiſchen den ſo vielen todten Opfern des alten Teſtaments und dem eintzigen Opfer Chriſti, welcher, ob er gleich durch den Tod zum Opfer worden, den- noch von den Todten ſiegreich auferſtanden iſt, alſo daß der Glaube ſich ſo viel mehr an ihn hal- ten kan. 11. Und wenn es heißt, der Glaube ſey ge- machet zum neuen und lebendigen Wege durch den Vorhang, und der Vorhang durch das Fleiſch Chriſti, oder ihn ſelbſt, wie er fuͤr uns ſich zum Opfer gemachet hat, erklaͤret wird; ſo wird damit angezeiget, woran ſich der Glaube halte, und wodurch er alſo zu GOTT eindrin- ge, daß er zum Wege werde, nemlich durch das Verſoͤhnopfer Chriſti: Gleichwie es vorher hieſſe, daß die Glaubens-Freudigkeit diene zum Eingange in das Allerheiligſte durch das Blut Chriſti. 12. Wenn aber bey den Worten von dem Fleiſche Chriſti geſetzet wird, durch den Vorhang, ſo wird damit das Vorbild und Ge- genbild zuſammen geſetzet. Denn wie ſchon oben c. 6, 19. angezeiget iſt, ſo waren die ſtar- cken, dicken, koſtbarſten und aufs kuͤnſtlichſte ge- wirckten Vorhaͤnge in der Stifts-Huͤtte an ſtatt der Thuͤren zum Vorhofe, zum Heili- gen und zum Allerheiligſten Theile der Huͤt- ten, und ein Schatten von dem Meßia, in Anſehung nicht des zuruͤckhaltens, oder aus- ſchlieſſens, ſondern des durchlaſſens, daß nem- lich kein anderer Zugang ſey zum Reiche GOt- ees, als durch Chriſtum, der auch daher der Weg ſelbſt genennet wird Joh. 14, 6. 13. Da der Vorhof die aͤuſſerliche Chriſtliche Kirche repræſentirte; ſo war der Vorhang dazu ein ſolches Bild von Chri- ſto, daß man auch durch ihn, das iſt, durch die heilige Taufe auf ihn, und durch die Bekennt- niße von ihm zum aͤuſſerlichen Gliede der Chriſt- lichen Kirche werde und zu ihrer auſſerlichen Ge- meinſchaft komme. Und gleichwie das Heili- ge, oder der vordere Theil der Stifts-Huͤtte, in welchen allein die gewaſchenen, geſalbten und gantz weiß gekleideten Prieſter eingingen, ein Vorblld war von der Chriſtlichen Kirche, in ſo fern man darinnen zugleich, als ein wahres Glied an dem Leibe JEſu Chriſti, in dem wirck- lichen Stande der Gnaden und der glaͤubigen Gemeinſchaft mit GOTT ſtehet: alſo war al- hier der Vorhang gleichfals ein Bild von Chri- ſto, daß man allein durch ihn, oder durch den wahren Glauben an ihn, dazu gelange. Wer nun aber durch Chriſtum, als den Vorhang, zu dem Reiche der Gnaden, als in das rechte Hei- lige gekommen iſt, der findet denn auch durch ihn, gleichſam als den letztern Vorhang, den Eingang in das Allerheiligſte, oder in das Reich der Herrlichkeit. Welcher, daß er dazu durch ſeinen Tod geoͤfnet worden, auch damit klaͤrlich iſt angezeiget worden, daß der vor dem Allerhei- ligſten im Tempel hangende groſſe und ſtarcke Vorhang zu der Zeit, da Chriſtus am Creutze verſchiede, durch ein groſſes Wunderwerck von oben bis unten aus in zwey Stuͤck zerriſſen. Matth. 27, 51. 14. Von dieſem alſo bisher erlaͤuterten Wege nun heißt es, daß Chriſtus uns den Glau- ben, oder die Glaubens-Freudigkeit dazu zube- reitet habe. Der Apoſtel bedienet ſich dabey des vorher c. 9, 18. 19. von der erſten Einwei- hung der alten Oeconomie gebrauchten Worts ἐγκαινίζειν: und alſo zeiget er damit an, daß gleichwie das alte Teſtament durch den Tod der Opfer-Thiere, und durch ihr dabey vergoſſe- nes Blut beſtaͤtiget worden; alſo auch das neue durch den Tod und das Blut Chriſti ſeine Be- ſtaͤtigung bekommen habe. 15. Was endlich den 21ten Vers betrift, ſo wird Chriſtus, der Hoheprieſter, genannt der groſſe Prieſter. Und ein ſolcher iſt er in An- ſehung ſeiner Perſon, da er iſt nicht allein wah- rer Menſch, ſondern auch wahrer und der groſſe GOTT; wie auch ſeines Amts, da er das Werck

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/370>, abgerufen am 22.11.2024.