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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 4. v. 1-3. Erklärung des Briefes Jacobi.
Das Vierte Capitel,
Darinnen
Der Apostel mit einer nachdrücklichen Bestrafung theils
von gewissen Lastern abmahnet/ als von den zu allerhand Streit verleiten-
den Lüsten/ von der Welt-Freundschaft/ von dem Afterreden u. s. w. theils
zum rechtschaffnen Wandel vor GOtt und Menschen aumahnet/ sonder-
lich zur Demuth/ Reinigung des Hertzens/ zu erkennenden De-
penden
tz von dem göttlichen Willen/
u. s. w.
[Spaltenumbruch]
V. 1.

WOher kömmt Streit und
Krieg
(woher kommen hefti-
ge Streit-Händel und Pro-
cesse) unter euch? kömmts
nicht daher, aus euren
Wohllüsten, die da streiten in euren Glie-
dern
(Kräften der Seelen, welche sich durch die
Glieder äussern.)

Anmerckungen.

1. Der Apostel greifet diejenigen, welche
sich bey aller Lieblosigkeit des Glaubens rühmeten,
bey ihrem äusserlichen Verhalten an, und, da
dieses ärgerlich war, so führet er sie davon auf das
innerliche, als den bösen Grund: wie man es
immer machen muß, wenn man iemand will von
der Sünde überzeugen. Denn wer das Ubel
nicht bey dem rechten Grunde angreifet, der wird
es mehr erregen, als dämpfen.

2. Was hier die Wohllust heisset, das
heisset oben c. 1, 14. 15. die reitzende und locken-
de Lust,
nemlich die böse Erblust, in welcher alle
Sünde ihren Sitz und ihren rechten Grund
haben.

3. Da nun aber dieser böse Grund nicht ist
im Leibe, sondern in der Seele, so wird durch das
Streiten der Lüste in den Gliedern eine solche
herrschende Reitzung verstanden, wodurch der
Mensch, wenn die böse Qvelle der Lust durch die
Gliedmassen der Sinne von aussen erreget wird,
und sich zu allerhand Ausbrüchen gleichsam er-
giesset, dergestalt hingerissen wird, daß er sich
auch andern äusserlich zum Anstoß setzet, und sich
auf mancherley Art versündiget. Von den wi-
der die Seele streitenden Lüsten
sehe man
1 Pet. 2, 11.

4. Was der Apostel alhier von solchem
Streiten und Kriegen saget, welches eigentlich
nur in allerhand Mißhelligkeit und Zerrüttung
bestunde, und dem vorher gepriesenen friedsamen
Wesen entgegen, und auch schon für Christen
arg genug war, das gilt auch von wircklichen
Kriegen in der Welt, daß sie nemlich nichts an-
ders sind, als ein Ausbruch von dem bösen Grun-
de des Hertzens, darinnen die Lüste wider GOtt
und den Nächsten, auch unter einander selbst
[Spaltenumbruch] streiten. Wo hingegen Friede mit GOtt ist und
gehalten wird, da wird kein Krieg wider Men-
schen also statt finden, daß man ihn erregete.

V. 2.

Jhr seyd begierig, und erlanget damit
nichts: ihr hasset
(phoneuete, tödtet, mit dem
Affect des Hasses 1 Joh. 3, 15.) und neidet,
und gewinnet damit nichts
(Gr. ihr könnet
das nicht überkommen, was ihr nemlich einem
andern mißgönnet, und ihn darüber beneidet und
hasset:) ihr streitet und krieget (wie mit den
unruhigen Begierden, also auch mit Worten,
theils auch mit unchristlichen Gerichts-Händeln)
ihr habet aber nicht, darum daß ihr nicht
bittet
(und suchet das, was euch fehlet, in der
Ordnung eurer getreuen Berufs-Arbeit, nicht
durch das Gebet von dem Segen des HErrn.)

V. 3.

Jhr bittet und krieget nicht, darum,
daß ihr Ubel bittet, nemlich dahin, daß
ihrs mit euren Wollüsten verzehret.

Anmerckungen.

1. Zum rechten Gebet gehöret zvorderst ein
guter Zweck, zumal wenn es aufs leibliche ge-
richtet ist. Und über das gehöret dazu die Ge-
lassenheit,
nach welcher man die Erhörung der
Zeit und Weise nach in den Willen GOttes stel-
let: und vor allen Dingen ein gläubiges Hertz,
daß man im Namen Christi bete mit vertrauli-
cher Zuversicht: wie der Apostel oben c. 1, v. 5. 6.
7. bezeuget hat.

2. Daß ein guter Zweck zum erhörlichen
Gebete gehöre, bezeuget David damit, wenn er
Ps. 58, 18. saget: wo ich unrechts vorhätte
in meinem Hertzen, so würde der HERR
nicht hören.

3. Daß auch ein gutes Gewissen, oder
doch zum wenigsten ein ernstlicher Vorsatz das
Gewissen von den todten Wercken zu reinigen,
zum Gebet erfordert werde, siehet man daraus,
daß man es mit GOtt, dem Hertzen-Kündiger,
darinn zu thun hat, Darum es Jes. 1, 15 heißt:
Wenn ihr schon eure Hände ausbreitet,
verberge ich doch meine Augen von euch;
und ob ihr schon viel betet, höre ich euch

doch
Cap. 4. v. 1-3. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
Das Vierte Capitel,
Darinnen
Der Apoſtel mit einer nachdruͤcklichen Beſtrafung theils
von gewiſſen Laſtern abmahnet/ als von den zu allerhand Streit verleiten-
den Luͤſten/ von der Welt-Freundſchaft/ von dem Afterreden u. ſ. w. theils
zum rechtſchaffnen Wandel vor GOtt und Menſchen aumahnet/ ſonder-
lich zur Demuth/ Reinigung des Hertzens/ zu erkennenden De-
penden
tz von dem goͤttlichen Willen/
u. ſ. w.
[Spaltenumbruch]
V. 1.

WOher koͤmmt Streit und
Krieg
(woher kommen hefti-
ge Streit-Haͤndel und Pro-
ceſſe) unter euch? koͤmmts
nicht daher, aus euren
Wohlluͤſten, die da ſtreiten in euren Glie-
dern
(Kraͤften der Seelen, welche ſich durch die
Glieder aͤuſſern.)

Anmerckungen.

1. Der Apoſtel greifet diejenigen, welche
ſich bey aller Liebloſigkeit des Glaubens ruͤhmeten,
bey ihrem aͤuſſerlichen Verhalten an, und, da
dieſes aͤrgerlich war, ſo fuͤhret er ſie davon auf das
innerliche, als den boͤſen Grund: wie man es
immer machen muß, wenn man iemand will von
der Suͤnde uͤberzeugen. Denn wer das Ubel
nicht bey dem rechten Grunde angreifet, der wird
es mehr erregen, als daͤmpfen.

2. Was hier die Wohlluſt heiſſet, das
heiſſet oben c. 1, 14. 15. die reitzende und locken-
de Luſt,
nemlich die boͤſe Erbluſt, in welcher alle
Suͤnde ihren Sitz und ihren rechten Grund
haben.

3. Da nun aber dieſer boͤſe Grund nicht iſt
im Leibe, ſondern in der Seele, ſo wird durch das
Streiten der Luͤſte in den Gliedern eine ſolche
herrſchende Reitzung verſtanden, wodurch der
Menſch, wenn die boͤſe Qvelle der Luſt durch die
Gliedmaſſen der Sinne von auſſen erreget wird,
und ſich zu allerhand Ausbruͤchen gleichſam er-
gieſſet, dergeſtalt hingeriſſen wird, daß er ſich
auch andern aͤuſſerlich zum Anſtoß ſetzet, und ſich
auf mancherley Art verſuͤndiget. Von den wi-
der die Seele ſtreitenden Luͤſten
ſehe man
1 Pet. 2, 11.

4. Was der Apoſtel alhier von ſolchem
Streiten und Kriegen ſaget, welches eigentlich
nur in allerhand Mißhelligkeit und Zerruͤttung
beſtunde, und dem vorher geprieſenen friedſamen
Weſen entgegen, und auch ſchon fuͤr Chriſten
arg genug war, das gilt auch von wircklichen
Kriegen in der Welt, daß ſie nemlich nichts an-
ders ſind, als ein Ausbruch von dem boͤſen Grun-
de des Hertzens, darinnen die Luͤſte wider GOtt
und den Naͤchſten, auch unter einander ſelbſt
[Spaltenumbruch] ſtreiten. Wo hingegen Friede mit GOtt iſt und
gehalten wird, da wird kein Krieg wider Men-
ſchen alſo ſtatt finden, daß man ihn erregete.

V. 2.

Jhr ſeyd begierig, und erlanget damit
nichts: ihr haſſet
(ϕονέυετε, toͤdtet, mit dem
Affect des Haſſes 1 Joh. 3, 15.) und neidet,
und gewinnet damit nichts
(Gr. ihr koͤnnet
das nicht uͤberkommen, was ihr nemlich einem
andern mißgoͤnnet, und ihn daruͤber beneidet und
haſſet:) ihr ſtreitet und krieget (wie mit den
unruhigen Begierden, alſo auch mit Worten,
theils auch mit unchriſtlichen Gerichts-Haͤndeln)
ihr habet aber nicht, darum daß ihr nicht
bittet
(und ſuchet das, was euch fehlet, in der
Ordnung eurer getreuen Berufs-Arbeit, nicht
durch das Gebet von dem Segen des HErrn.)

V. 3.

Jhr bittet und krieget nicht, darum,
daß ihr Ubel bittet, nemlich dahin, daß
ihrs mit euren Wolluͤſten verzehret.

Anmerckungen.

1. Zum rechten Gebet gehoͤret zvorderſt ein
guter Zweck, zumal wenn es aufs leibliche ge-
richtet iſt. Und uͤber das gehoͤret dazu die Ge-
laſſenheit,
nach welcher man die Erhoͤrung der
Zeit und Weiſe nach in den Willen GOttes ſtel-
let: und vor allen Dingen ein glaͤubiges Hertz,
daß man im Namen Chriſti bete mit vertrauli-
cher Zuverſicht: wie der Apoſtel oben c. 1, v. 5. 6.
7. bezeuget hat.

2. Daß ein guter Zweck zum erhoͤrlichen
Gebete gehoͤre, bezeuget David damit, wenn er
Pſ. 58, 18. ſaget: wo ich unrechts vorhaͤtte
in meinem Hertzen, ſo wuͤrde der HERR
nicht hoͤren.

3. Daß auch ein gutes Gewiſſen, oder
doch zum wenigſten ein ernſtlicher Vorſatz das
Gewiſſen von den todten Wercken zu reinigen,
zum Gebet erfordert werde, ſiehet man daraus,
daß man es mit GOtt, dem Hertzen-Kuͤndiger,
darinn zu thun hat, Darum es Jeſ. 1, 15 heißt:
Wenn ihr ſchon eure Haͤnde ausbreitet,
verberge ich doch meine Augen von euch;
und ob ihr ſchon viel betet, hoͤre ich euch

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[471/0473] Cap. 4. v. 1-3. Erklaͤrung des Briefes Jacobi. Das Vierte Capitel, Darinnen Der Apoſtel mit einer nachdruͤcklichen Beſtrafung theils von gewiſſen Laſtern abmahnet/ als von den zu allerhand Streit verleiten- den Luͤſten/ von der Welt-Freundſchaft/ von dem Afterreden u. ſ. w. theils zum rechtſchaffnen Wandel vor GOtt und Menſchen aumahnet/ ſonder- lich zur Demuth/ Reinigung des Hertzens/ zu erkennenden De- pendentz von dem goͤttlichen Willen/ u. ſ. w. V. 1. WOher koͤmmt Streit und Krieg (woher kommen hefti- ge Streit-Haͤndel und Pro- ceſſe) unter euch? koͤmmts nicht daher, aus euren Wohlluͤſten, die da ſtreiten in euren Glie- dern (Kraͤften der Seelen, welche ſich durch die Glieder aͤuſſern.) Anmerckungen. 1. Der Apoſtel greifet diejenigen, welche ſich bey aller Liebloſigkeit des Glaubens ruͤhmeten, bey ihrem aͤuſſerlichen Verhalten an, und, da dieſes aͤrgerlich war, ſo fuͤhret er ſie davon auf das innerliche, als den boͤſen Grund: wie man es immer machen muß, wenn man iemand will von der Suͤnde uͤberzeugen. Denn wer das Ubel nicht bey dem rechten Grunde angreifet, der wird es mehr erregen, als daͤmpfen. 2. Was hier die Wohlluſt heiſſet, das heiſſet oben c. 1, 14. 15. die reitzende und locken- de Luſt, nemlich die boͤſe Erbluſt, in welcher alle Suͤnde ihren Sitz und ihren rechten Grund haben. 3. Da nun aber dieſer boͤſe Grund nicht iſt im Leibe, ſondern in der Seele, ſo wird durch das Streiten der Luͤſte in den Gliedern eine ſolche herrſchende Reitzung verſtanden, wodurch der Menſch, wenn die boͤſe Qvelle der Luſt durch die Gliedmaſſen der Sinne von auſſen erreget wird, und ſich zu allerhand Ausbruͤchen gleichſam er- gieſſet, dergeſtalt hingeriſſen wird, daß er ſich auch andern aͤuſſerlich zum Anſtoß ſetzet, und ſich auf mancherley Art verſuͤndiget. Von den wi- der die Seele ſtreitenden Luͤſten ſehe man 1 Pet. 2, 11. 4. Was der Apoſtel alhier von ſolchem Streiten und Kriegen ſaget, welches eigentlich nur in allerhand Mißhelligkeit und Zerruͤttung beſtunde, und dem vorher geprieſenen friedſamen Weſen entgegen, und auch ſchon fuͤr Chriſten arg genug war, das gilt auch von wircklichen Kriegen in der Welt, daß ſie nemlich nichts an- ders ſind, als ein Ausbruch von dem boͤſen Grun- de des Hertzens, darinnen die Luͤſte wider GOtt und den Naͤchſten, auch unter einander ſelbſt ſtreiten. Wo hingegen Friede mit GOtt iſt und gehalten wird, da wird kein Krieg wider Men- ſchen alſo ſtatt finden, daß man ihn erregete. V. 2. Jhr ſeyd begierig, und erlanget damit nichts: ihr haſſet (ϕονέυετε, toͤdtet, mit dem Affect des Haſſes 1 Joh. 3, 15.) und neidet, und gewinnet damit nichts (Gr. ihr koͤnnet das nicht uͤberkommen, was ihr nemlich einem andern mißgoͤnnet, und ihn daruͤber beneidet und haſſet:) ihr ſtreitet und krieget (wie mit den unruhigen Begierden, alſo auch mit Worten, theils auch mit unchriſtlichen Gerichts-Haͤndeln) ihr habet aber nicht, darum daß ihr nicht bittet (und ſuchet das, was euch fehlet, in der Ordnung eurer getreuen Berufs-Arbeit, nicht durch das Gebet von dem Segen des HErrn.) V. 3. Jhr bittet und krieget nicht, darum, daß ihr Ubel bittet, nemlich dahin, daß ihrs mit euren Wolluͤſten verzehret. Anmerckungen. 1. Zum rechten Gebet gehoͤret zvorderſt ein guter Zweck, zumal wenn es aufs leibliche ge- richtet iſt. Und uͤber das gehoͤret dazu die Ge- laſſenheit, nach welcher man die Erhoͤrung der Zeit und Weiſe nach in den Willen GOttes ſtel- let: und vor allen Dingen ein glaͤubiges Hertz, daß man im Namen Chriſti bete mit vertrauli- cher Zuverſicht: wie der Apoſtel oben c. 1, v. 5. 6. 7. bezeuget hat. 2. Daß ein guter Zweck zum erhoͤrlichen Gebete gehoͤre, bezeuget David damit, wenn er Pſ. 58, 18. ſaget: wo ich unrechts vorhaͤtte in meinem Hertzen, ſo wuͤrde der HERR nicht hoͤren. 3. Daß auch ein gutes Gewiſſen, oder doch zum wenigſten ein ernſtlicher Vorſatz das Gewiſſen von den todten Wercken zu reinigen, zum Gebet erfordert werde, ſiehet man daraus, daß man es mit GOtt, dem Hertzen-Kuͤndiger, darinn zu thun hat, Darum es Jeſ. 1, 15 heißt: Wenn ihr ſchon eure Haͤnde ausbreitet, verberge ich doch meine Augen von euch; und ob ihr ſchon viel betet, hoͤre ich euch doch

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/473>, abgerufen am 22.11.2024.