Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 2. v. 1. 2. 3. [Spaltenumbruch]
kömmt es auf drey Eigenschaften an: auf dieSüßigkeit, auf die Zartheit und auf die er- nehrende Kraft: nach welchen Eigenschaf- ten sie von dem allerweisesten Schöpfer bey Menschen und Vieh in den ersten Jahren nach der Geburt zur Nahrung und zum Wachs- thum am aller bequemsten gemachet ist. b. Gleichwie aber die Milch eine Speise ist, nicht allein der jungen Kinder, sondern auch der erwachsenen und starcken: also die- net das Evangelium aller Dinge auch zum Fortgange und zur mehrern Stärcke im Chri- stenthum, als darauf Petrus alhier gehet, ja es ist und bleibet dazu das eintzige Mittel. Und in diesem Stücke ist die geistliche Milch von der leiblichen unterschieden, daß, ob man gleich in den catechetischen Anfangs-Grün- den die Milch-Speise hat für die Anfänger, doch auch die starcken Speisen, die da in den Tiefen der Geheimniße und in der endlichen Ausführung aller Wercke GOttes nach der Offenbahrung Johannis, liegen, dazu gehö- ren. c. Diese Milch heißt vernünftig, gala logikon, davon folgendes insonderheit zu mercken ist: a. Mit dem Worte logikos wird alhier gese- hen auf das Wort logos in dem Verstan- de, da es heißt das Wort: wie solches der Context ausweiset. Denn nachdem der Apostel c. 1, 23. Ton logon tou Theou, das Wort GOttes, als ein Gnaden-Mittel der Wiedergeburt, gepriesen hat, so füh- ret er die Gläubigen darauf also, daß er sie ermahnet, bey der Quelle, aus welcher sie ihr geistliches Leben empfangen hatten, zu bleiben, und daher auch ihren geistlichen Wachsthum zu nehmen. b. Weil nun das Wort logikon alhier in sol- chem Verstande auf logon gehet, so könte es gegeben werden wortlich, die wortli- che Milch, die man im und am Worte, nemlich des Evangelii hat. g. Und da GOttes Wort, weder des Gese- tzes, noch des Evangelii etwas unvernünf- tiges, oder unweises in sich hat, sondern in allen seinen Theilen und Stücken höchst weise und vernünftig ist, also daß die natürliche Vernuft dadurch recht zu gött- lichen Dingen aufgekläret und erleuchtet wird, und die grosse Weisheit GOttes in seinem gantzen Rathe von unserer Selig- keit billig mit demüthigster Ehrerbietung zu bewundern hat: so siehet man wohl, daß der Verstand des Worts logkos, wenn man es durch vernünftig übersetzet, so gar nicht ausgeschlossen sey, daß er aus jenem vielmehr von sich selbst fliesse. d. Es folget aber aus dem Haupt- und Ne- ben-Verstande dieses Worts ferner dieses, daß die Milch des göttlichen Worts zwar eine solche Sache sey, damit es allerdings der Verstand zu thun hat, aber daß sie nicht auf den Verstand allein gehe, sondern fürnemlich auf den rechten Stand und [Spaltenumbruch] auf die rechte Gestalt des Willens: wel- ches auch aus dem dazu gesetzten Worte vom Geschmack erhellet, als welcher ei- gentlich auf den Willen gehet. e. Jn dem Orte Röm. 12, 1. stehet das Wort logikos im Gegensatze auf ta aloga, auf die unvernünftigen Thiere, welche zum Levi- tischen Gottesdienste gebrauchet wurden. Und kan es zwar wol, um solches Gegen- satzes willen, durch vernünftig übersetzet werden; iedoch, daß es dabey so viel sey, als antitypisch und geistlich, wie es das Gegenbild der neuen Oeconomie er- fodert. d. Die Milch, gala, heißt adolon, lauter, un- verfälschet, in Ansehung der gemeinen Ver- fälschung, welche die Verkäufer mit dem Wasser vorzunehmen pflegen. Welche Lau- terkeit bey dem Evangelio in der höchsten Reinigkeit aller dazu gehörigen Lehren be- stehet und auch einen lautern Vortrag erfo- dert, daß man keine Menschen-Satzungen, vielweniger andere noch nachtheiligere, und sonderlich Grund-Jrrthümer darunter men- ge: als welche dem Gifte gleich sind, da jene die Gleichheit des Wassers haben. Den Wein, wnnn er zu starck und hitzig ist, dilui- ret man wol mit Wasser; aber bey der Milch ist es nicht nöthig; geschiehet es aber, so wird die Nahrungs-Kraft dadurch geschwächet: wie es leider auch bey manchen mit der Milch des Evangelii gehet. Wird sie wohl dige- riret, so wird sie auch gewiß diesen Nutzen schaffen, daß der Mensch unter andern ihrer Natur entgegen stehenden Dingen auch ab- lege panta dolon, allen Betrug; und sich also in ihrer Frucht auch als adolon erweise. e. Die Begierde nach der Evangelischen Milch drucket der Apostel aus mit dem Worte epi- pothesate; dabey folgendes zu bemercken ist: a. Die Heiligkeit, oder das grosse Verlan- gen und Sehnen, davon es auch anderwär- tig vorkömmt, nemlich Röm. 1, 11. c. 15, 23. 2 Cor. 5, 2. c. 11, 14. Phil. 1, 8. c. 2, 26. 1 Thess. 3, 6. 2 Tim. 1, 4. Man siehet es in der Natur des Hungers und des Dursts bey kleinen Kindern, mit welcher Begierde sie sich nach der Brust umsehen. b. Der wirckliche Genuß: sintemal es bey der blossen Begierde nicht bleibet, sondern diese, da einem ieden die volle Brust des Evangelii gereichet wird, nur zur Oefnung des Mundes, auch zum aus- und an sich ziehen oder in sich saugen dienet. g. Die Beständigkeit dieses Genusses. Denn sehnet sich ein Kind immer aufs neue zur Brust der Mutter; warum nicht viel- mehr ein Kind GOttes nach der so süssen Speise des Evangelii? Es muß alhier bil- lig heissen? Je länger, ie lieber! wozu man leichtlich angetrieben wird, theils durch seine eigene Noth, welche immer einen neuen Hunger erwecket; theils durch die Süßigkeit, und durch die Menge dieser geistlichen Nahrung. Denn es heißt nicht allein
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 2. v. 1. 2. 3. [Spaltenumbruch]
koͤmmt es auf drey Eigenſchaften an: auf dieSuͤßigkeit, auf die Zartheit und auf die er- nehrende Kraft: nach welchen Eigenſchaf- ten ſie von dem allerweiſeſten Schoͤpfer bey Menſchen und Vieh in den erſten Jahren nach der Geburt zur Nahrung und zum Wachs- thum am aller bequemſten gemachet iſt. b. Gleichwie aber die Milch eine Speiſe iſt, nicht allein der jungen Kinder, ſondern auch der erwachſenen und ſtarcken: alſo die- net das Evangelium aller Dinge auch zum Fortgange und zur mehrern Staͤrcke im Chri- ſtenthum, als darauf Petrus alhier gehet, ja es iſt und bleibet dazu das eintzige Mittel. Und in dieſem Stuͤcke iſt die geiſtliche Milch von der leiblichen unterſchieden, daß, ob man gleich in den catechetiſchen Anfangs-Gruͤn- den die Milch-Speiſe hat fuͤr die Anfaͤnger, doch auch die ſtarcken Speiſen, die da in den Tiefen der Geheimniße und in der endlichen Ausfuͤhrung aller Wercke GOttes nach der Offenbahrung Johannis, liegen, dazu gehoͤ- ren. c. Dieſe Milch heißt vernuͤnftig, γάλα λογικὸν, davon folgendes inſonderheit zu mercken iſt: α. Mit dem Worte λογικὸς wird alhier geſe- hen auf das Wort λόγος in dem Verſtan- de, da es heißt das Wort: wie ſolches der Context ausweiſet. Denn nachdem der Apoſtel c. 1, 23. Τὸν λόγον τοῦ Θεοῦ, das Wort GOttes, als ein Gnaden-Mittel der Wiedergeburt, geprieſen hat, ſo fuͤh- ret er die Glaͤubigen darauf alſo, daß er ſie ermahnet, bey der Quelle, aus welcher ſie ihr geiſtliches Leben empfangen hatten, zu bleiben, und daher auch ihren geiſtlichen Wachsthum zu nehmen. β. Weil nun das Wort λογικὸν alhier in ſol- chem Verſtande auf λόγον gehet, ſo koͤnte es gegeben werden wortlich, die wortli- che Milch, die man im und am Worte, nemlich des Evangelii hat. γ. Und da GOttes Wort, weder des Geſe- tzes, noch des Evangelii etwas unvernuͤnf- tiges, oder unweiſes in ſich hat, ſondern in allen ſeinen Theilen und Stuͤcken hoͤchſt weiſe und vernuͤnftig iſt, alſo daß die natuͤrliche Vernuft dadurch recht zu goͤtt- lichen Dingen aufgeklaͤret und erleuchtet wird, und die groſſe Weisheit GOttes in ſeinem gantzen Rathe von unſerer Selig- keit billig mit demuͤthigſter Ehrerbietung zu bewundern hat: ſo ſiehet man wohl, daß der Verſtand des Worts λογκὸς, wenn man es durch vernuͤnftig uͤberſetzet, ſo gar nicht ausgeſchloſſen ſey, daß er aus jenem vielmehr von ſich ſelbſt flieſſe. δ. Es folget aber aus dem Haupt- und Ne- ben-Verſtande dieſes Worts ferner dieſes, daß die Milch des goͤttlichen Worts zwar eine ſolche Sache ſey, damit es allerdings der Verſtand zu thun hat, aber daß ſie nicht auf den Verſtand allein gehe, ſondern fuͤrnemlich auf den rechten Stand und [Spaltenumbruch] auf die rechte Geſtalt des Willens: wel- ches auch aus dem dazu geſetzten Worte vom Geſchmack erhellet, als welcher ei- gentlich auf den Willen gehet. ε. Jn dem Orte Roͤm. 12, 1. ſtehet das Wort λογικὸς im Gegenſatze auf τὰ ἄλογα, auf die unvernuͤnftigen Thiere, welche zum Levi- tiſchen Gottesdienſte gebrauchet wurden. Und kan es zwar wol, um ſolches Gegen- ſatzes willen, durch vernuͤnftig uͤberſetzet werden; iedoch, daß es dabey ſo viel ſey, als antitypiſch und geiſtlich, wie es das Gegenbild der neuen Oeconomie er- fodert. d. Die Milch, γάλα, heißt ἄδολον, lauter, un- verfaͤlſchet, in Anſehung der gemeinen Ver- faͤlſchung, welche die Verkaͤufer mit dem Waſſer vorzunehmen pflegen. Welche Lau- terkeit bey dem Evangelio in der hoͤchſten Reinigkeit aller dazu gehoͤrigen Lehren be- ſtehet und auch einen lautern Vortrag erfo- dert, daß man keine Menſchen-Satzungen, vielweniger andere noch nachtheiligere, und ſonderlich Grund-Jrrthuͤmer darunter men- ge: als welche dem Gifte gleich ſind, da jene die Gleichheit des Waſſers haben. Den Wein, wnnn er zu ſtarck und hitzig iſt, dilui- ret man wol mit Waſſer; aber bey der Milch iſt es nicht noͤthig; geſchiehet es aber, ſo wird die Nahrungs-Kraft dadurch geſchwaͤchet: wie es leider auch bey manchen mit der Milch des Evangelii gehet. Wird ſie wohl dige- riret, ſo wird ſie auch gewiß dieſen Nutzen ſchaffen, daß der Menſch unter andern ihrer Natur entgegen ſtehenden Dingen auch ab- lege πάντα δόλον, allen Betrug; und ſich alſo in ihrer Frucht auch als ἄδολον erweiſe. e. Die Begierde nach der Evangeliſchen Milch drucket der Apoſtel aus mit dem Worte ἐπι- ποϑήσατε; dabey folgendes zu bemercken iſt: α. Die Heiligkeit, oder das groſſe Verlan- gen und Sehnen, davon es auch anderwaͤr- tig vorkoͤmmt, nemlich Roͤm. 1, 11. c. 15, 23. 2 Cor. 5, 2. c. 11, 14. Phil. 1, 8. c. 2, 26. 1 Theſſ. 3, 6. 2 Tim. 1, 4. Man ſiehet es in der Natur des Hungers und des Durſts bey kleinen Kindern, mit welcher Begierde ſie ſich nach der Bruſt umſehen. β. Der wirckliche Genuß: ſintemal es bey der bloſſen Begierde nicht bleibet, ſondern dieſe, da einem ieden die volle Bruſt des Evangelii gereichet wird, nur zur Oefnung des Mundes, auch zum aus- und an ſich ziehen oder in ſich ſaugen dienet. γ. Die Beſtaͤndigkeit dieſes Genuſſes. Denn ſehnet ſich ein Kind immer aufs neue zur Bruſt der Mutter; warum nicht viel- mehr ein Kind GOttes nach der ſo ſuͤſſen Speiſe des Evangelii? Es muß alhier bil- lig heiſſen? Je laͤnger, ie lieber! wozu man leichtlich angetrieben wird, theils durch ſeine eigene Noth, welche immer einen neuen Hunger erwecket; theils durch die Suͤßigkeit, und durch die Menge dieſer geiſtlichen Nahrung. Denn es heißt nicht allein
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Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 2. v. 1. 2. 3.
koͤmmt es auf drey Eigenſchaften an: auf die
Suͤßigkeit, auf die Zartheit und auf die er-
nehrende Kraft: nach welchen Eigenſchaf-
ten ſie von dem allerweiſeſten Schoͤpfer bey
Menſchen und Vieh in den erſten Jahren nach
der Geburt zur Nahrung und zum Wachs-
thum am aller bequemſten gemachet iſt.
b. Gleichwie aber die Milch eine Speiſe iſt,
nicht allein der jungen Kinder, ſondern
auch der erwachſenen und ſtarcken: alſo die-
net das Evangelium aller Dinge auch zum
Fortgange und zur mehrern Staͤrcke im Chri-
ſtenthum, als darauf Petrus alhier gehet, ja
es iſt und bleibet dazu das eintzige Mittel.
Und in dieſem Stuͤcke iſt die geiſtliche Milch
von der leiblichen unterſchieden, daß, ob man
gleich in den catechetiſchen Anfangs-Gruͤn-
den die Milch-Speiſe hat fuͤr die Anfaͤnger,
doch auch die ſtarcken Speiſen, die da in den
Tiefen der Geheimniße und in der endlichen
Ausfuͤhrung aller Wercke GOttes nach der
Offenbahrung Johannis, liegen, dazu gehoͤ-
ren.
c. Dieſe Milch heißt vernuͤnftig, γάλα λογικὸν,
davon folgendes inſonderheit zu mercken iſt:
α. Mit dem Worte λογικὸς wird alhier geſe-
hen auf das Wort λόγος in dem Verſtan-
de, da es heißt das Wort: wie ſolches
der Context ausweiſet. Denn nachdem
der Apoſtel c. 1, 23. Τὸν λόγον τοῦ Θεοῦ, das
Wort GOttes, als ein Gnaden-Mittel
der Wiedergeburt, geprieſen hat, ſo fuͤh-
ret er die Glaͤubigen darauf alſo, daß er ſie
ermahnet, bey der Quelle, aus welcher ſie
ihr geiſtliches Leben empfangen hatten, zu
bleiben, und daher auch ihren geiſtlichen
Wachsthum zu nehmen.
β. Weil nun das Wort λογικὸν alhier in ſol-
chem Verſtande auf λόγον gehet, ſo koͤnte
es gegeben werden wortlich, die wortli-
che Milch, die man im und am Worte,
nemlich des Evangelii hat.
γ. Und da GOttes Wort, weder des Geſe-
tzes, noch des Evangelii etwas unvernuͤnf-
tiges, oder unweiſes in ſich hat, ſondern in
allen ſeinen Theilen und Stuͤcken hoͤchſt
weiſe und vernuͤnftig iſt, alſo daß die
natuͤrliche Vernuft dadurch recht zu goͤtt-
lichen Dingen aufgeklaͤret und erleuchtet
wird, und die groſſe Weisheit GOttes in
ſeinem gantzen Rathe von unſerer Selig-
keit billig mit demuͤthigſter Ehrerbietung
zu bewundern hat: ſo ſiehet man wohl, daß
der Verſtand des Worts λογκὸς, wenn
man es durch vernuͤnftig uͤberſetzet, ſo gar
nicht ausgeſchloſſen ſey, daß er aus jenem
vielmehr von ſich ſelbſt flieſſe.
δ. Es folget aber aus dem Haupt- und Ne-
ben-Verſtande dieſes Worts ferner dieſes,
daß die Milch des goͤttlichen Worts zwar
eine ſolche Sache ſey, damit es allerdings
der Verſtand zu thun hat, aber daß ſie
nicht auf den Verſtand allein gehe, ſondern
fuͤrnemlich auf den rechten Stand und
auf die rechte Geſtalt des Willens: wel-
ches auch aus dem dazu geſetzten Worte
vom Geſchmack erhellet, als welcher ei-
gentlich auf den Willen gehet.
ε. Jn dem Orte Roͤm. 12, 1. ſtehet das Wort
λογικὸς im Gegenſatze auf τὰ ἄλογα, auf die
unvernuͤnftigen Thiere, welche zum Levi-
tiſchen Gottesdienſte gebrauchet wurden.
Und kan es zwar wol, um ſolches Gegen-
ſatzes willen, durch vernuͤnftig uͤberſetzet
werden; iedoch, daß es dabey ſo viel ſey,
als antitypiſch und geiſtlich, wie es
das Gegenbild der neuen Oeconomie er-
fodert.
d. Die Milch, γάλα, heißt ἄδολον, lauter, un-
verfaͤlſchet, in Anſehung der gemeinen Ver-
faͤlſchung, welche die Verkaͤufer mit dem
Waſſer vorzunehmen pflegen. Welche Lau-
terkeit bey dem Evangelio in der hoͤchſten
Reinigkeit aller dazu gehoͤrigen Lehren be-
ſtehet und auch einen lautern Vortrag erfo-
dert, daß man keine Menſchen-Satzungen,
vielweniger andere noch nachtheiligere, und
ſonderlich Grund-Jrrthuͤmer darunter men-
ge: als welche dem Gifte gleich ſind, da jene
die Gleichheit des Waſſers haben. Den
Wein, wnnn er zu ſtarck und hitzig iſt, dilui-
ret man wol mit Waſſer; aber bey der Milch
iſt es nicht noͤthig; geſchiehet es aber, ſo wird
die Nahrungs-Kraft dadurch geſchwaͤchet:
wie es leider auch bey manchen mit der Milch
des Evangelii gehet. Wird ſie wohl dige-
riret, ſo wird ſie auch gewiß dieſen Nutzen
ſchaffen, daß der Menſch unter andern ihrer
Natur entgegen ſtehenden Dingen auch ab-
lege πάντα δόλον, allen Betrug; und ſich alſo
in ihrer Frucht auch als ἄδολον erweiſe.
e. Die Begierde nach der Evangeliſchen Milch
drucket der Apoſtel aus mit dem Worte ἐπι-
ποϑήσατε; dabey folgendes zu bemercken iſt:
α. Die Heiligkeit, oder das groſſe Verlan-
gen und Sehnen, davon es auch anderwaͤr-
tig vorkoͤmmt, nemlich Roͤm. 1, 11. c. 15, 23.
2 Cor. 5, 2. c. 11, 14. Phil. 1, 8. c. 2, 26.
1 Theſſ. 3, 6. 2 Tim. 1, 4. Man ſiehet es in
der Natur des Hungers und des Durſts
bey kleinen Kindern, mit welcher Begierde
ſie ſich nach der Bruſt umſehen.
β. Der wirckliche Genuß: ſintemal es bey
der bloſſen Begierde nicht bleibet, ſondern
dieſe, da einem ieden die volle Bruſt des
Evangelii gereichet wird, nur zur Oefnung
des Mundes, auch zum aus- und an ſich
ziehen oder in ſich ſaugen dienet.
γ. Die Beſtaͤndigkeit dieſes Genuſſes.
Denn ſehnet ſich ein Kind immer aufs neue
zur Bruſt der Mutter; warum nicht viel-
mehr ein Kind GOttes nach der ſo ſuͤſſen
Speiſe des Evangelii? Es muß alhier bil-
lig heiſſen? Je laͤnger, ie lieber! wozu
man leichtlich angetrieben wird, theils durch
ſeine eigene Noth, welche immer einen
neuen Hunger erwecket; theils durch die
Suͤßigkeit, und durch die Menge dieſer
geiſtlichen Nahrung. Denn es heißt nicht
allein
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