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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 3. v. 12. des ersten Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] kommen:) und seine Ohren auf ihr Gebet,
(daß er es gnädiglich erhöre:) das (zornige)
Angesicht aber des HErrn siehet auf die da
böses thun,
(daß er ihr Gedächtniß ausrotte
von der Erden; und also den Fluch schon zum
Theil alhier in der Zeit über sie ergehen lasse,
wenn sie solches mit übermachten Sünden ver-
dienet haben.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderst ist zu mercken, daß diese
Worte mit einer gar geringen Veränderung,
(da der Apostel das, was David frageweise se-
tzet, schlechthin ausspricht) genommen sind aus
eben dem vier und dreyßigsten Psalm, darinnen
David von dem Meßia redet, wenn er nach
dem schon vorhin c. 2, 3. daraus angeführten
Orte spricht: schmecket und sehet, daß der
Herr freundlich ist.
Und also gehen auf ihn
und, wegen der Einigkeit des göttlichen Wesens,
zugleich auf den Vater und heiligen Geist, auch
diese Worte.

2. Was Petrus mit dem David alhier
von der Glückseligkeit saget, das gehet auf alle
Wohlfahrt, die zeitliche, geistliche und ewi-
ge.
Denn gleichwie sich ein Mensch aus eigner
Schuld um solche alle bringen kan; also kan und
soll er sie hingegen nach Vermögen in der rech-
ten Ordnung befordern.

3. Die Begierde glückselig zu seyn, ist dem
Menschen natürlich und wesentlich: uud daher
findet sie sich bey allen. Sie ist aber höchst ver-
derbet, also daß der Mensch seine Wohlfahrt
darinnen suchet, worinnen er doch sein grosses
Ubel findet. Sie muß demnach rectificiret,
oder auf den rechten Zweck gerichtet werden.

4. Kein Glied ist am Leibe, womit sich der
Mensch leichter und öfter versündiget, als die
Zunge; und zwar also, daß er theils den innern
Frieden seines Hertzens damit störet, wenn er
nach der Ubereilung im Gewissen darüber beun-
ruhiget wird: theils sich auch vor Menschen ei-
nige Ungelegenheit zuziehet, und bey den Feinden,
davon der Context handelt, übel nur ärger
machet. Dannenhero man dagegen einer be-
ständigen Wachsamkeit gebrauchet, und, so bald
man von einer begangenen Schwachheit über-
zeuget ist, sich dieselbe billig zum besten, nemlich
zu so viel mehrer Bewahrung dienen lässet, und
dabey allemal auf den Grund des Hertzens sie-
het, daher alles kömmt. Jacobus handelt in
seinem Briefe von dieser Materie ausführlich.

5. Zu dem Truge der Lippen gehöret unter
andern die Falschheit und Verstellung, da
man anders redet, als es einem ums Hertze ist.
Welches auch vom rechtschafnen Wesen ferne
seyn muß. Es ist doch aber ein anders, die
Wahrheit nicht einem ieden sagen, und die Un-
wahrheit reden. Denn da jenes ofte eine Ver-
rätherey seyn würde; sintemal man nicht alle
Heimlichkeiten zu offenbaren hat: so ist dieses, da
man anders redet, als man es meynet, eine sol-
che Unlauterkeit, welche mit dem lautern Sinne
Christi nicht bestehen kan. Was unbevestigte und
[Spaltenumbruch] noch mehr die irdischgesinneten sich hierinnen für
eine grosse Freyheit nehmen, das ist bekant.

6. Es findet sich bey dem Menschen so we-
nig ein vacuum morale, als die Natur ein
vacuum hat. Ein vacuum morale, aber ist
ein solcher Stand, da man zwar das böse unter-
liesse, aber doch dagegen nichts gutes thäte,
wenn es wäre: denn auf diese Art wäre ja die
Seele ohne alle Activität und Wirckung, und
würde sie gleichsam nichts seyn. So wenig es
nun gleich seyn kan, so sehr bilden viele Men-
schen es sich doch ein, und meynen, es sey genug,
daß sie vom bösen abliessen, nemlich äusserlich,
ob sie gleich dagegen in keine wahre Ausübung
des guten eingehen. Welcher Mangel daher
kömmt, daß sie das böse bey der äusserlichen Un-
terlassung doch innerlich also herrschen lassen,
daß nichts gutes davor aufkommen kan. Es ist
demnach eine schlechte Ausrede, damit sich man-
cher, wenn er zum rechtschafnen Wesen des
Christenthums ermahnet wird, behilft, und
spricht: was thue ich denn böses?

7. Der Friede will einem oft entrissen wer-
den, so wol der innerliche im Gewissen mit
GOtt, als der äusserliche mit Menschen. Dan-
nenhero er sorgfältig bewahret werden muß:
jener mit Wachsamkeit und Bewahrung des
Gewissens; dieser mit vieler Bemühung, wel-
che man mit mancher Verläugnung seiner selbst
anzuwenden hat. Siehe Matth. 5, 9. Röm. 12,
18. cap. 14, 19. Hebr. 12, 14.

8. Was bey dem Menschen Augen und
Ohren sind, das ist bey GOtt seine Allwis-
senheit,
auch Allgegenwart und seine väter-
liche Vorsorge,
in Ansehung der Gerechten.
Darum David saget Ps. 94, 9. Der das Ohr
gepflantzet hat, solte der nicht hören? der
das Auge gemachet hat, solte der nicht
sehen?

9. Nichts mehr kan einen zum heiligen
Wandel bewegen, als die öftere und kräftige
Vorstellung, daß man allenthalben GOttes
Augen und Ohren um sich habe. Denn hält
einen eines Menschen, vor dem man eine Ehr-
erbietung hat, Auge und Ohr von vielen zu-
rück; wie solte es nicht vielmehr das allsehende
Auge und allhörende Ohr GOttes thun? Wer
sich dadurch nicht vom bösen zurück halten läßt,
der verräth eine Art von einer wircklichen Athe-
isterey, oder von solchem Unglauben, wodurch
er GOTT also aus den Augen setzet, daß er
ihn in der That verleugnet, ob er ihn gleich mit
Worten bekennet.

10. Gerecht sind die, welche im Glauben
die Gerechtigkeit Christi haben, und dieses auch
mit einem solchen Wandel erweisen, der nicht al-
lein unanstößig, sondern auch erbaulich ist: Dar-
auf der gantze Context gehet.

11. Findet man bey seiner Noth die Men-
schen ohne Augen und Ohren; so richte man sich
damit auf, daß GOtt alles siehet und noch al-
les zum guten Ausgange bringen wird.

12. Stehet das richterliche Angesicht des
HErrn wider die, so da böses thun, so soll es
einem auch nicht einmal in die Gedancken kom-

men,
A a a a

Cap. 3. v. 12. des erſten Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] kommen:) und ſeine Ohren auf ihr Gebet,
(daß er es gnaͤdiglich erhoͤre:) das (zornige)
Angeſicht aber des HErrn ſiehet auf die da
boͤſes thun,
(daß er ihr Gedaͤchtniß ausrotte
von der Erden; und alſo den Fluch ſchon zum
Theil alhier in der Zeit uͤber ſie ergehen laſſe,
wenn ſie ſolches mit uͤbermachten Suͤnden ver-
dienet haben.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderſt iſt zu mercken, daß dieſe
Worte mit einer gar geringen Veraͤnderung,
(da der Apoſtel das, was David frageweiſe ſe-
tzet, ſchlechthin ausſpricht) genommen ſind aus
eben dem vier und dreyßigſten Pſalm, darinnen
David von dem Meßia redet, wenn er nach
dem ſchon vorhin c. 2, 3. daraus angefuͤhrten
Orte ſpricht: ſchmecket und ſehet, daß der
Herr freundlich iſt.
Und alſo gehen auf ihn
und, wegen der Einigkeit des goͤttlichen Weſens,
zugleich auf den Vater und heiligen Geiſt, auch
dieſe Worte.

2. Was Petrus mit dem David alhier
von der Gluͤckſeligkeit ſaget, das gehet auf alle
Wohlfahrt, die zeitliche, geiſtliche und ewi-
ge.
Denn gleichwie ſich ein Menſch aus eigner
Schuld um ſolche alle bringen kan; alſo kan und
ſoll er ſie hingegen nach Vermoͤgen in der rech-
ten Ordnung befordern.

3. Die Begierde gluͤckſelig zu ſeyn, iſt dem
Menſchen natuͤrlich und weſentlich: uud daher
findet ſie ſich bey allen. Sie iſt aber hoͤchſt ver-
derbet, alſo daß der Menſch ſeine Wohlfahrt
darinnen ſuchet, worinnen er doch ſein groſſes
Ubel findet. Sie muß demnach rectificiret,
oder auf den rechten Zweck gerichtet werden.

4. Kein Glied iſt am Leibe, womit ſich der
Menſch leichter und oͤfter verſuͤndiget, als die
Zunge; und zwar alſo, daß er theils den innern
Frieden ſeines Hertzens damit ſtoͤret, wenn er
nach der Ubereilung im Gewiſſen daruͤber beun-
ruhiget wird: theils ſich auch vor Menſchen ei-
nige Ungelegenheit zuziehet, und bey den Feinden,
davon der Context handelt, uͤbel nur aͤrger
machet. Dannenhero man dagegen einer be-
ſtaͤndigen Wachſamkeit gebrauchet, und, ſo bald
man von einer begangenen Schwachheit uͤber-
zeuget iſt, ſich dieſelbe billig zum beſten, nemlich
zu ſo viel mehrer Bewahrung dienen laͤſſet, und
dabey allemal auf den Grund des Hertzens ſie-
het, daher alles koͤmmt. Jacobus handelt in
ſeinem Briefe von dieſer Materie ausfuͤhrlich.

5. Zu dem Truge der Lippen gehoͤret unter
andern die Falſchheit und Verſtellung, da
man anders redet, als es einem ums Hertze iſt.
Welches auch vom rechtſchafnen Weſen ferne
ſeyn muß. Es iſt doch aber ein anders, die
Wahrheit nicht einem ieden ſagen, und die Un-
wahrheit reden. Denn da jenes ofte eine Ver-
raͤtherey ſeyn wuͤrde; ſintemal man nicht alle
Heimlichkeiten zu offenbaren hat: ſo iſt dieſes, da
man anders redet, als man es meynet, eine ſol-
che Unlauterkeit, welche mit dem lautern Sinne
Chriſti nicht beſtehen kan. Was unbeveſtigte und
[Spaltenumbruch] noch mehr die irdiſchgeſinneten ſich hierinnen fuͤr
eine groſſe Freyheit nehmen, das iſt bekant.

6. Es findet ſich bey dem Menſchen ſo we-
nig ein vacuum morale, als die Natur ein
vacuum hat. Ein vacuum morale, aber iſt
ein ſolcher Stand, da man zwar das boͤſe unter-
lieſſe, aber doch dagegen nichts gutes thaͤte,
wenn es waͤre: denn auf dieſe Art waͤre ja die
Seele ohne alle Activitaͤt und Wirckung, und
wuͤrde ſie gleichſam nichts ſeyn. So wenig es
nun gleich ſeyn kan, ſo ſehr bilden viele Men-
ſchen es ſich doch ein, und meynen, es ſey genug,
daß ſie vom boͤſen ablieſſen, nemlich aͤuſſerlich,
ob ſie gleich dagegen in keine wahre Ausuͤbung
des guten eingehen. Welcher Mangel daher
koͤmmt, daß ſie das boͤſe bey der aͤuſſerlichen Un-
terlaſſung doch innerlich alſo herrſchen laſſen,
daß nichts gutes davor aufkommen kan. Es iſt
demnach eine ſchlechte Ausrede, damit ſich man-
cher, wenn er zum rechtſchafnen Weſen des
Chriſtenthums ermahnet wird, behilft, und
ſpricht: was thue ich denn boͤſes?

7. Der Friede will einem oft entriſſen wer-
den, ſo wol der innerliche im Gewiſſen mit
GOtt, als der aͤuſſerliche mit Menſchen. Dan-
nenhero er ſorgfaͤltig bewahret werden muß:
jener mit Wachſamkeit und Bewahrung des
Gewiſſens; dieſer mit vieler Bemuͤhung, wel-
che man mit mancher Verlaͤugnung ſeiner ſelbſt
anzuwenden hat. Siehe Matth. 5, 9. Roͤm. 12,
18. cap. 14, 19. Hebr. 12, 14.

8. Was bey dem Menſchen Augen und
Ohren ſind, das iſt bey GOtt ſeine Allwiſ-
ſenheit,
auch Allgegenwart und ſeine vaͤter-
liche Vorſorge,
in Anſehung der Gerechten.
Darum David ſaget Pſ. 94, 9. Der das Ohr
gepflantzet hat, ſolte der nicht hoͤren? der
das Auge gemachet hat, ſolte der nicht
ſehen?

9. Nichts mehr kan einen zum heiligen
Wandel bewegen, als die oͤftere und kraͤftige
Vorſtellung, daß man allenthalben GOttes
Augen und Ohren um ſich habe. Denn haͤlt
einen eines Menſchen, vor dem man eine Ehr-
erbietung hat, Auge und Ohr von vielen zu-
ruͤck; wie ſolte es nicht vielmehr das allſehende
Auge und allhoͤrende Ohr GOttes thun? Wer
ſich dadurch nicht vom boͤſen zuruͤck halten laͤßt,
der verraͤth eine Art von einer wircklichen Athe-
iſterey, oder von ſolchem Unglauben, wodurch
er GOTT alſo aus den Augen ſetzet, daß er
ihn in der That verleugnet, ob er ihn gleich mit
Worten bekennet.

10. Gerecht ſind die, welche im Glauben
die Gerechtigkeit Chriſti haben, und dieſes auch
mit einem ſolchen Wandel erweiſen, der nicht al-
lein unanſtoͤßig, ſondern auch erbaulich iſt: Dar-
auf der gantze Context gehet.

11. Findet man bey ſeiner Noth die Men-
ſchen ohne Augen und Ohren; ſo richte man ſich
damit auf, daß GOtt alles ſiehet und noch al-
les zum guten Ausgange bringen wird.

12. Stehet das richterliche Angeſicht des
HErrn wider die, ſo da boͤſes thun, ſo ſoll es
einem auch nicht einmal in die Gedancken kom-

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[553/0555] Cap. 3. v. 12. des erſten Briefes Petri. kommen:) und ſeine Ohren auf ihr Gebet, (daß er es gnaͤdiglich erhoͤre:) das (zornige) Angeſicht aber des HErrn ſiehet auf die da boͤſes thun, (daß er ihr Gedaͤchtniß ausrotte von der Erden; und alſo den Fluch ſchon zum Theil alhier in der Zeit uͤber ſie ergehen laſſe, wenn ſie ſolches mit uͤbermachten Suͤnden ver- dienet haben.) Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt zu mercken, daß dieſe Worte mit einer gar geringen Veraͤnderung, (da der Apoſtel das, was David frageweiſe ſe- tzet, ſchlechthin ausſpricht) genommen ſind aus eben dem vier und dreyßigſten Pſalm, darinnen David von dem Meßia redet, wenn er nach dem ſchon vorhin c. 2, 3. daraus angefuͤhrten Orte ſpricht: ſchmecket und ſehet, daß der Herr freundlich iſt. Und alſo gehen auf ihn und, wegen der Einigkeit des goͤttlichen Weſens, zugleich auf den Vater und heiligen Geiſt, auch dieſe Worte. 2. Was Petrus mit dem David alhier von der Gluͤckſeligkeit ſaget, das gehet auf alle Wohlfahrt, die zeitliche, geiſtliche und ewi- ge. Denn gleichwie ſich ein Menſch aus eigner Schuld um ſolche alle bringen kan; alſo kan und ſoll er ſie hingegen nach Vermoͤgen in der rech- ten Ordnung befordern. 3. Die Begierde gluͤckſelig zu ſeyn, iſt dem Menſchen natuͤrlich und weſentlich: uud daher findet ſie ſich bey allen. Sie iſt aber hoͤchſt ver- derbet, alſo daß der Menſch ſeine Wohlfahrt darinnen ſuchet, worinnen er doch ſein groſſes Ubel findet. Sie muß demnach rectificiret, oder auf den rechten Zweck gerichtet werden. 4. Kein Glied iſt am Leibe, womit ſich der Menſch leichter und oͤfter verſuͤndiget, als die Zunge; und zwar alſo, daß er theils den innern Frieden ſeines Hertzens damit ſtoͤret, wenn er nach der Ubereilung im Gewiſſen daruͤber beun- ruhiget wird: theils ſich auch vor Menſchen ei- nige Ungelegenheit zuziehet, und bey den Feinden, davon der Context handelt, uͤbel nur aͤrger machet. Dannenhero man dagegen einer be- ſtaͤndigen Wachſamkeit gebrauchet, und, ſo bald man von einer begangenen Schwachheit uͤber- zeuget iſt, ſich dieſelbe billig zum beſten, nemlich zu ſo viel mehrer Bewahrung dienen laͤſſet, und dabey allemal auf den Grund des Hertzens ſie- het, daher alles koͤmmt. Jacobus handelt in ſeinem Briefe von dieſer Materie ausfuͤhrlich. 5. Zu dem Truge der Lippen gehoͤret unter andern die Falſchheit und Verſtellung, da man anders redet, als es einem ums Hertze iſt. Welches auch vom rechtſchafnen Weſen ferne ſeyn muß. Es iſt doch aber ein anders, die Wahrheit nicht einem ieden ſagen, und die Un- wahrheit reden. Denn da jenes ofte eine Ver- raͤtherey ſeyn wuͤrde; ſintemal man nicht alle Heimlichkeiten zu offenbaren hat: ſo iſt dieſes, da man anders redet, als man es meynet, eine ſol- che Unlauterkeit, welche mit dem lautern Sinne Chriſti nicht beſtehen kan. Was unbeveſtigte und noch mehr die irdiſchgeſinneten ſich hierinnen fuͤr eine groſſe Freyheit nehmen, das iſt bekant. 6. Es findet ſich bey dem Menſchen ſo we- nig ein vacuum morale, als die Natur ein vacuum hat. Ein vacuum morale, aber iſt ein ſolcher Stand, da man zwar das boͤſe unter- lieſſe, aber doch dagegen nichts gutes thaͤte, wenn es waͤre: denn auf dieſe Art waͤre ja die Seele ohne alle Activitaͤt und Wirckung, und wuͤrde ſie gleichſam nichts ſeyn. So wenig es nun gleich ſeyn kan, ſo ſehr bilden viele Men- ſchen es ſich doch ein, und meynen, es ſey genug, daß ſie vom boͤſen ablieſſen, nemlich aͤuſſerlich, ob ſie gleich dagegen in keine wahre Ausuͤbung des guten eingehen. Welcher Mangel daher koͤmmt, daß ſie das boͤſe bey der aͤuſſerlichen Un- terlaſſung doch innerlich alſo herrſchen laſſen, daß nichts gutes davor aufkommen kan. Es iſt demnach eine ſchlechte Ausrede, damit ſich man- cher, wenn er zum rechtſchafnen Weſen des Chriſtenthums ermahnet wird, behilft, und ſpricht: was thue ich denn boͤſes? 7. Der Friede will einem oft entriſſen wer- den, ſo wol der innerliche im Gewiſſen mit GOtt, als der aͤuſſerliche mit Menſchen. Dan- nenhero er ſorgfaͤltig bewahret werden muß: jener mit Wachſamkeit und Bewahrung des Gewiſſens; dieſer mit vieler Bemuͤhung, wel- che man mit mancher Verlaͤugnung ſeiner ſelbſt anzuwenden hat. Siehe Matth. 5, 9. Roͤm. 12, 18. cap. 14, 19. Hebr. 12, 14. 8. Was bey dem Menſchen Augen und Ohren ſind, das iſt bey GOtt ſeine Allwiſ- ſenheit, auch Allgegenwart und ſeine vaͤter- liche Vorſorge, in Anſehung der Gerechten. Darum David ſaget Pſ. 94, 9. Der das Ohr gepflantzet hat, ſolte der nicht hoͤren? der das Auge gemachet hat, ſolte der nicht ſehen? 9. Nichts mehr kan einen zum heiligen Wandel bewegen, als die oͤftere und kraͤftige Vorſtellung, daß man allenthalben GOttes Augen und Ohren um ſich habe. Denn haͤlt einen eines Menſchen, vor dem man eine Ehr- erbietung hat, Auge und Ohr von vielen zu- ruͤck; wie ſolte es nicht vielmehr das allſehende Auge und allhoͤrende Ohr GOttes thun? Wer ſich dadurch nicht vom boͤſen zuruͤck halten laͤßt, der verraͤth eine Art von einer wircklichen Athe- iſterey, oder von ſolchem Unglauben, wodurch er GOTT alſo aus den Augen ſetzet, daß er ihn in der That verleugnet, ob er ihn gleich mit Worten bekennet. 10. Gerecht ſind die, welche im Glauben die Gerechtigkeit Chriſti haben, und dieſes auch mit einem ſolchen Wandel erweiſen, der nicht al- lein unanſtoͤßig, ſondern auch erbaulich iſt: Dar- auf der gantze Context gehet. 11. Findet man bey ſeiner Noth die Men- ſchen ohne Augen und Ohren; ſo richte man ſich damit auf, daß GOtt alles ſiehet und noch al- les zum guten Ausgange bringen wird. 12. Stehet das richterliche Angeſicht des HErrn wider die, ſo da boͤſes thun, ſo ſoll es einem auch nicht einmal in die Gedancken kom- men, A a a a

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/555>, abgerufen am 22.11.2024.