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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 2. v. 22. des andern Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] su Christi, diese aber der Glaube, als ein geist-
liches Licht, ist, dazu man in der Erleuchtung
kömmt; so siehet man daraus die Eigenschaft des
wahren Glaubens, welche ist, Christum also er-
greiffen zur Gerechtigkeit, daß solches in der Ord-
nung des verleugneten Unflats der Welt, und al-
so auch vermöge des wahren Glaubens geschehe,
und dieser sich eben dadurch als rechtschaffen er-
weisen müsse. Und solcher gestalt ist den Weg
der Gerechtigkeit erkennen, durch den Glauben
auf demselben also einhergehen, daß man darauf
die Gerechtigkeit finde und den Gehorsam im
geistlichen Wandel erweise. v. 21. So ist auch,
in der Gnade und Erkenntniß GOttes
wachsen
c. 3. v. 17. 18. nichts anders, als im Glau-
ben zunehmen, und durch denselben sich in seiner
eignen Vestung also bewahren, daß man daraus
nicht entfalle.

Die dritte Haupt-Lehre/
Von
Der Heiligung:
und darinn erstlich,
Von der wahren und falschen
Freyheit.

Die wahre Freyheit ist ein solches Haupt-
Gut des Reichs GOttes, da der Gläubige durch
Christum und in Christo befreyet wird vom Zorne
GOttes und der Verdammniß Röm. 5, 9. c. 8, 1.
1 Thess. 1, 10. vom Fluche auch Zwange des Ge-
setzes Gal. 3, 11. 13. u. s. w. Röm. 8, 14. u. s. w.
vom Joche der Jüdischen Satzungen Gal. 5, 1.
u. f. Col. 2, 14-17. von der Schuld, Strafe und
Herrschaft der Sünden Joh. 8, 32. 34. 36. Röm.
6, 12. u. f. und daher auch vom bösen Gewissen
Hebr. 9, 13. 14. auch von der Eitelkeit der Welt
und ihrer Gleichstellung Röm. 12, 2. Gal. 1, 4.
1 Pet. 4, 2. 3. 2 Pet. 2, 19. 20. Ferner von der
Gewalt des Satans Luc. 1, 74. Col. 1, 13. Hebr.
2, 14. 15. und von dem Joche menschlicher das
Gewissen bestrickender Auctorität Matth. 23.

Die falsche Freyheit ist ein rechtes Haupt-
Ubel, und der Concept und Vortrag davon ist ei-
ne solche Jrr-Lehre, wodurch man die wahre
Freyheit des erlöseten Geistes auf die Frechheit
des Fleisches, libertatem auf licentiam exten-
dir
et, und dem Menschen allerley Welt-Eitelkeit
und sündliche Lust-Handlungen in Spielen,
Tantzen, eiteln Gasteriren, u. s. w. in so fern sie
nur von groben, und auch vor ehrbaren Menschen
strafbaren Excessen gemäßiget sind, frey läßt,
und dafür hält, daß alle solche Dinge mit dem
wahren Christenthum gar wohl bestehen könten.
Aber diese Meynung ist sehr irrig und schädlich.
Denn sie streitet wider die wahre Natur und Ei-
genschaft der Freyheit. Da wir vermöge dieser
errettet sind nur vom Fluche und vom Zwange
des Gesetzes, so machet jene den Menschen auch
los vom Gehorsam, sonderlich von dem, nach
welchem die innern Lüste mit ihren Ausbrüchen
in allerley Lust-Handlungen verleugnet werden
sollen: die wahre Freyheit bringet die Befreyung
von der Sünden-Herrschaft, von der Welt-
[Spaltenumbruch] Eitelkeit und von dem bösen Gewissen, von der
Gewalt des Teufels und von der ewigen Ver-
dammniß. Die falsche räumet dem Menschen
die Herrschaft der Sünden ein, nur daß sie von
den gröbern Uberfahrungen gemäßiget sey, und
also räumet sie ihm damit auch alle Welt-Eitel-
keit und Gleichstellung ein, läßt ihn damit unter
der Gewalt des Teufels und in dem Stande,
darinn er zur ewigen Verdammniß fähret. Denn
es gehet dadurch die gantze Heyls Ordnung über
einen Haufen, ohne welche einem der Grund des
Heyls, wenn er der Bekenntniß nach gleich bey-
behalten wird, nicht zum Heyl gereichen kan.

Diese falsche Freyheit ist in unserm Texte
und gantzen Contexte beschrieben, und wird die
Lehre, nach welcher sie vorgetragen wird, als eine
Lock-Speise vorgestellet, wodurch diejenigen,
welche in der wahren Bekehrung dem Unflat der
Welt wircklich entflohen waren, gereitzet, berü-
cket, eingenommen und überwunden wurden.
Daher denn leichtlich zu erachten ist, daß, da die
wahrhaftig Bekehrten dadurch rückfällig worden
sind, die Unbekehrten dadurch von der Bekehrung
sind abgehalten worden. Und folglich war es
ein recht verdammlicher Jrrthum; als dadurch
alle, welche ihr Platz gegeben haben, sind verlo-
ren gegangen, und Christum, der sie erkaufet
hatte, bey ihrer mündlichen Bekenntniß in der
That verleugnet haben.

Diese falsche Freyheit ist eben diejenige,
welche noch heute zu Tage unter dem Namen
der Indifferentz, oder Mitteldinge nicht allein
der praxi nach im wircklichen Schwange ist,
sondern auch von manchen Lehrern selbst pfleget
vertheidiget zu werden. Und dahin werden
denn gerechnet allerhand eitele Lust-Handlun-
gen, darunter die Tantz- und Spiel-Lüste mit
ihrer gewöhnlichen Ausübung oben anstehen.
Zur Vertheidigung aber bedienet man sich un-
ter andern sonderlich des aus der Aristoteli-
schen Philosophie, und aus dem eigenen Ver-
derben hergenommenen Jrrthums, daß alle sol-
che Dinge nicht an sich selbst sündlich seyn, son-
dern erst durch die gröbern Excesse sündlich wer-
den sollen. Da doch nach dem Falle die Erb Sün-
de in der natürlichen Lust des Menschen lieget,
und folglich nicht erst durch die Ubermasse sünd-
lich wird, sondern an sich selbst sündlich ist, und
daher durch keine Mäßigung, sondern durch eine
Ertödtung und Verleugnung rectificiret wird,
also, daß, wenn der Mensch durch wahre Bekeh-
rung in die Heyls-Ordnung tritt, aus der sünd-
lichen Lust, sie sey mäßig, oder unmäßig, eine
gereinigte, geheiligte und wohlgeordnete Liebe
wird. Jst einer denn wahrhaftig aus GOTT
geboren, so hat er bey Verleugnung der unrei-
nen, auch unvernünftigen und eitelen Welt-Lü-
ste eine reine Lust am HErrrn, und wird sich, so
lange er bey dieser reinen Quelle bleibet, nach
den unreinen Mist-Pfützen der Welt, und dar-
innen insonderheit der Spiel- und Tantz-Lüste
nicht sehnen. Jst iemand aber noch nicht wahr-
haftig bekehret, so ist ihm alles sein Thun lau-
ter Sünde, und daher das, was an sich selbst
nichts als Eitelkeit und Thorheit ist, so vielwe-

niger
K k k k 3

Cap. 2. v. 22. des andern Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] ſu Chriſti, dieſe aber der Glaube, als ein geiſt-
liches Licht, iſt, dazu man in der Erleuchtung
koͤmmt; ſo ſiehet man daraus die Eigenſchaft des
wahren Glaubens, welche iſt, Chriſtum alſo er-
greiffen zur Gerechtigkeit, daß ſolches in der Ord-
nung des verleugneten Unflats der Welt, und al-
ſo auch vermoͤge des wahren Glaubens geſchehe,
und dieſer ſich eben dadurch als rechtſchaffen er-
weiſen muͤſſe. Und ſolcher geſtalt iſt den Weg
der Gerechtigkeit erkennen, durch den Glauben
auf demſelben alſo einhergehen, daß man darauf
die Gerechtigkeit finde und den Gehorſam im
geiſtlichen Wandel erweiſe. v. 21. So iſt auch,
in der Gnade und Erkenntniß GOttes
wachſen
c. 3. v. 17. 18. nichts anders, als im Glau-
ben zunehmen, und durch denſelben ſich in ſeiner
eignen Veſtung alſo bewahren, daß man daraus
nicht entfalle.

Die dritte Haupt-Lehre/
Von
Der Heiligung:
und darinn erſtlich,
Von der wahren und falſchen
Freyheit.

Die wahre Freyheit iſt ein ſolches Haupt-
Gut des Reichs GOttes, da der Glaͤubige durch
Chriſtum und in Chriſto befreyet wird vom Zorne
GOttes und der Verdammniß Roͤm. 5, 9. c. 8, 1.
1 Theſſ. 1, 10. vom Fluche auch Zwange des Ge-
ſetzes Gal. 3, 11. 13. u. ſ. w. Roͤm. 8, 14. u. ſ. w.
vom Joche der Juͤdiſchen Satzungen Gal. 5, 1.
u. f. Col. 2, 14-17. von der Schuld, Strafe und
Herrſchaft der Suͤnden Joh. 8, 32. 34. 36. Roͤm.
6, 12. u. f. und daher auch vom boͤſen Gewiſſen
Hebr. 9, 13. 14. auch von der Eitelkeit der Welt
und ihrer Gleichſtellung Roͤm. 12, 2. Gal. 1, 4.
1 Pet. 4, 2. 3. 2 Pet. 2, 19. 20. Ferner von der
Gewalt des Satans Luc. 1, 74. Col. 1, 13. Hebr.
2, 14. 15. und von dem Joche menſchlicher das
Gewiſſen beſtrickender Auctoritaͤt Matth. 23.

Die falſche Freyheit iſt ein rechtes Haupt-
Ubel, und der Concept und Vortrag davon iſt ei-
ne ſolche Jrr-Lehre, wodurch man die wahre
Freyheit des erloͤſeten Geiſtes auf die Frechheit
des Fleiſches, libertatem auf licentiam exten-
dir
et, und dem Menſchen allerley Welt-Eitelkeit
und ſuͤndliche Luſt-Handlungen in Spielen,
Tantzen, eiteln Gaſteriren, u. ſ. w. in ſo fern ſie
nur von groben, und auch vor ehrbaren Menſchen
ſtrafbaren Exceſſen gemaͤßiget ſind, frey laͤßt,
und dafuͤr haͤlt, daß alle ſolche Dinge mit dem
wahren Chriſtenthum gar wohl beſtehen koͤnten.
Aber dieſe Meynung iſt ſehr irrig und ſchaͤdlich.
Denn ſie ſtreitet wider die wahre Natur und Ei-
genſchaft der Freyheit. Da wir vermoͤge dieſer
errettet ſind nur vom Fluche und vom Zwange
des Geſetzes, ſo machet jene den Menſchen auch
los vom Gehorſam, ſonderlich von dem, nach
welchem die innern Luͤſte mit ihren Ausbruͤchen
in allerley Luſt-Handlungen verleugnet werden
ſollen: die wahre Freyheit bringet die Befreyung
von der Suͤnden-Herrſchaft, von der Welt-
[Spaltenumbruch] Eitelkeit und von dem boͤſen Gewiſſen, von der
Gewalt des Teufels und von der ewigen Ver-
dammniß. Die falſche raͤumet dem Menſchen
die Herrſchaft der Suͤnden ein, nur daß ſie von
den groͤbern Uberfahrungen gemaͤßiget ſey, und
alſo raͤumet ſie ihm damit auch alle Welt-Eitel-
keit und Gleichſtellung ein, laͤßt ihn damit unter
der Gewalt des Teufels und in dem Stande,
darinn er zur ewigen Verdammniß faͤhret. Denn
es gehet dadurch die gantze Heyls Ordnung uͤber
einen Haufen, ohne welche einem der Grund des
Heyls, wenn er der Bekenntniß nach gleich bey-
behalten wird, nicht zum Heyl gereichen kan.

Dieſe falſche Freyheit iſt in unſerm Texte
und gantzen Contexte beſchrieben, und wird die
Lehre, nach welcher ſie vorgetragen wird, als eine
Lock-Speiſe vorgeſtellet, wodurch diejenigen,
welche in der wahren Bekehrung dem Unflat der
Welt wircklich entflohen waren, gereitzet, beruͤ-
cket, eingenommen und uͤberwunden wurden.
Daher denn leichtlich zu erachten iſt, daß, da die
wahrhaftig Bekehrten dadurch ruͤckfaͤllig worden
ſind, die Unbekehrten dadurch von der Bekehrung
ſind abgehalten worden. Und folglich war es
ein recht verdammlicher Jrrthum; als dadurch
alle, welche ihr Platz gegeben haben, ſind verlo-
ren gegangen, und Chriſtum, der ſie erkaufet
hatte, bey ihrer muͤndlichen Bekenntniß in der
That verleugnet haben.

Dieſe falſche Freyheit iſt eben diejenige,
welche noch heute zu Tage unter dem Namen
der Indifferentz, oder Mitteldinge nicht allein
der praxi nach im wircklichen Schwange iſt,
ſondern auch von manchen Lehrern ſelbſt pfleget
vertheidiget zu werden. Und dahin werden
denn gerechnet allerhand eitele Luſt-Handlun-
gen, darunter die Tantz- und Spiel-Luͤſte mit
ihrer gewoͤhnlichen Ausuͤbung oben anſtehen.
Zur Vertheidigung aber bedienet man ſich un-
ter andern ſonderlich des aus der Ariſtoteli-
ſchen Philoſophie, und aus dem eigenen Ver-
derben hergenommenen Jrrthums, daß alle ſol-
che Dinge nicht an ſich ſelbſt ſuͤndlich ſeyn, ſon-
dern erſt durch die groͤbern Exceſſe ſuͤndlich wer-
den ſollen. Da doch nach dem Falle die Erb Suͤn-
de in der natuͤrlichen Luſt des Menſchen lieget,
und folglich nicht erſt durch die Ubermaſſe ſuͤnd-
lich wird, ſondern an ſich ſelbſt ſuͤndlich iſt, und
daher durch keine Maͤßigung, ſondern durch eine
Ertoͤdtung und Verleugnung rectificiret wird,
alſo, daß, wenn der Menſch durch wahre Bekeh-
rung in die Heyls-Ordnung tritt, aus der ſuͤnd-
lichen Luſt, ſie ſey maͤßig, oder unmaͤßig, eine
gereinigte, geheiligte und wohlgeordnete Liebe
wird. Jſt einer denn wahrhaftig aus GOTT
geboren, ſo hat er bey Verleugnung der unrei-
nen, auch unvernuͤnftigen und eitelen Welt-Luͤ-
ſte eine reine Luſt am HErrrn, und wird ſich, ſo
lange er bey dieſer reinen Quelle bleibet, nach
den unreinen Miſt-Pfuͤtzen der Welt, und dar-
innen inſonderheit der Spiel- und Tantz-Luͤſte
nicht ſehnen. Jſt iemand aber noch nicht wahr-
haftig bekehret, ſo iſt ihm alles ſein Thun lau-
ter Suͤnde, und daher das, was an ſich ſelbſt
nichts als Eitelkeit und Thorheit iſt, ſo vielwe-

niger
K k k k 3
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[629/0631] Cap. 2. v. 22. des andern Briefes Petri. ſu Chriſti, dieſe aber der Glaube, als ein geiſt- liches Licht, iſt, dazu man in der Erleuchtung koͤmmt; ſo ſiehet man daraus die Eigenſchaft des wahren Glaubens, welche iſt, Chriſtum alſo er- greiffen zur Gerechtigkeit, daß ſolches in der Ord- nung des verleugneten Unflats der Welt, und al- ſo auch vermoͤge des wahren Glaubens geſchehe, und dieſer ſich eben dadurch als rechtſchaffen er- weiſen muͤſſe. Und ſolcher geſtalt iſt den Weg der Gerechtigkeit erkennen, durch den Glauben auf demſelben alſo einhergehen, daß man darauf die Gerechtigkeit finde und den Gehorſam im geiſtlichen Wandel erweiſe. v. 21. So iſt auch, in der Gnade und Erkenntniß GOttes wachſen c. 3. v. 17. 18. nichts anders, als im Glau- ben zunehmen, und durch denſelben ſich in ſeiner eignen Veſtung alſo bewahren, daß man daraus nicht entfalle. Die dritte Haupt-Lehre/ Von Der Heiligung: und darinn erſtlich, Von der wahren und falſchen Freyheit. Die wahre Freyheit iſt ein ſolches Haupt- Gut des Reichs GOttes, da der Glaͤubige durch Chriſtum und in Chriſto befreyet wird vom Zorne GOttes und der Verdammniß Roͤm. 5, 9. c. 8, 1. 1 Theſſ. 1, 10. vom Fluche auch Zwange des Ge- ſetzes Gal. 3, 11. 13. u. ſ. w. Roͤm. 8, 14. u. ſ. w. vom Joche der Juͤdiſchen Satzungen Gal. 5, 1. u. f. Col. 2, 14-17. von der Schuld, Strafe und Herrſchaft der Suͤnden Joh. 8, 32. 34. 36. Roͤm. 6, 12. u. f. und daher auch vom boͤſen Gewiſſen Hebr. 9, 13. 14. auch von der Eitelkeit der Welt und ihrer Gleichſtellung Roͤm. 12, 2. Gal. 1, 4. 1 Pet. 4, 2. 3. 2 Pet. 2, 19. 20. Ferner von der Gewalt des Satans Luc. 1, 74. Col. 1, 13. Hebr. 2, 14. 15. und von dem Joche menſchlicher das Gewiſſen beſtrickender Auctoritaͤt Matth. 23. Die falſche Freyheit iſt ein rechtes Haupt- Ubel, und der Concept und Vortrag davon iſt ei- ne ſolche Jrr-Lehre, wodurch man die wahre Freyheit des erloͤſeten Geiſtes auf die Frechheit des Fleiſches, libertatem auf licentiam exten- diret, und dem Menſchen allerley Welt-Eitelkeit und ſuͤndliche Luſt-Handlungen in Spielen, Tantzen, eiteln Gaſteriren, u. ſ. w. in ſo fern ſie nur von groben, und auch vor ehrbaren Menſchen ſtrafbaren Exceſſen gemaͤßiget ſind, frey laͤßt, und dafuͤr haͤlt, daß alle ſolche Dinge mit dem wahren Chriſtenthum gar wohl beſtehen koͤnten. Aber dieſe Meynung iſt ſehr irrig und ſchaͤdlich. Denn ſie ſtreitet wider die wahre Natur und Ei- genſchaft der Freyheit. Da wir vermoͤge dieſer errettet ſind nur vom Fluche und vom Zwange des Geſetzes, ſo machet jene den Menſchen auch los vom Gehorſam, ſonderlich von dem, nach welchem die innern Luͤſte mit ihren Ausbruͤchen in allerley Luſt-Handlungen verleugnet werden ſollen: die wahre Freyheit bringet die Befreyung von der Suͤnden-Herrſchaft, von der Welt- Eitelkeit und von dem boͤſen Gewiſſen, von der Gewalt des Teufels und von der ewigen Ver- dammniß. Die falſche raͤumet dem Menſchen die Herrſchaft der Suͤnden ein, nur daß ſie von den groͤbern Uberfahrungen gemaͤßiget ſey, und alſo raͤumet ſie ihm damit auch alle Welt-Eitel- keit und Gleichſtellung ein, laͤßt ihn damit unter der Gewalt des Teufels und in dem Stande, darinn er zur ewigen Verdammniß faͤhret. Denn es gehet dadurch die gantze Heyls Ordnung uͤber einen Haufen, ohne welche einem der Grund des Heyls, wenn er der Bekenntniß nach gleich bey- behalten wird, nicht zum Heyl gereichen kan. Dieſe falſche Freyheit iſt in unſerm Texte und gantzen Contexte beſchrieben, und wird die Lehre, nach welcher ſie vorgetragen wird, als eine Lock-Speiſe vorgeſtellet, wodurch diejenigen, welche in der wahren Bekehrung dem Unflat der Welt wircklich entflohen waren, gereitzet, beruͤ- cket, eingenommen und uͤberwunden wurden. Daher denn leichtlich zu erachten iſt, daß, da die wahrhaftig Bekehrten dadurch ruͤckfaͤllig worden ſind, die Unbekehrten dadurch von der Bekehrung ſind abgehalten worden. Und folglich war es ein recht verdammlicher Jrrthum; als dadurch alle, welche ihr Platz gegeben haben, ſind verlo- ren gegangen, und Chriſtum, der ſie erkaufet hatte, bey ihrer muͤndlichen Bekenntniß in der That verleugnet haben. Dieſe falſche Freyheit iſt eben diejenige, welche noch heute zu Tage unter dem Namen der Indifferentz, oder Mitteldinge nicht allein der praxi nach im wircklichen Schwange iſt, ſondern auch von manchen Lehrern ſelbſt pfleget vertheidiget zu werden. Und dahin werden denn gerechnet allerhand eitele Luſt-Handlun- gen, darunter die Tantz- und Spiel-Luͤſte mit ihrer gewoͤhnlichen Ausuͤbung oben anſtehen. Zur Vertheidigung aber bedienet man ſich un- ter andern ſonderlich des aus der Ariſtoteli- ſchen Philoſophie, und aus dem eigenen Ver- derben hergenommenen Jrrthums, daß alle ſol- che Dinge nicht an ſich ſelbſt ſuͤndlich ſeyn, ſon- dern erſt durch die groͤbern Exceſſe ſuͤndlich wer- den ſollen. Da doch nach dem Falle die Erb Suͤn- de in der natuͤrlichen Luſt des Menſchen lieget, und folglich nicht erſt durch die Ubermaſſe ſuͤnd- lich wird, ſondern an ſich ſelbſt ſuͤndlich iſt, und daher durch keine Maͤßigung, ſondern durch eine Ertoͤdtung und Verleugnung rectificiret wird, alſo, daß, wenn der Menſch durch wahre Bekeh- rung in die Heyls-Ordnung tritt, aus der ſuͤnd- lichen Luſt, ſie ſey maͤßig, oder unmaͤßig, eine gereinigte, geheiligte und wohlgeordnete Liebe wird. Jſt einer denn wahrhaftig aus GOTT geboren, ſo hat er bey Verleugnung der unrei- nen, auch unvernuͤnftigen und eitelen Welt-Luͤ- ſte eine reine Luſt am HErrrn, und wird ſich, ſo lange er bey dieſer reinen Quelle bleibet, nach den unreinen Miſt-Pfuͤtzen der Welt, und dar- innen inſonderheit der Spiel- und Tantz-Luͤſte nicht ſehnen. Jſt iemand aber noch nicht wahr- haftig bekehret, ſo iſt ihm alles ſein Thun lau- ter Suͤnde, und daher das, was an ſich ſelbſt nichts als Eitelkeit und Thorheit iſt, ſo vielwe- niger K k k k 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/631>, abgerufen am 22.11.2024.