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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 2. v. 2. des ersten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] rers von diesem und dem folgenden Verse findet
der Leser im Lateinischen Commentario von p.
111. bis 131.

V. 2.

Und derselbe ist die Versöhnung für
unsere Sünde, nicht allein aber für die
unsere, sondern auch für der gantzen
Welt.

Anmerckungen.

1. Es kömmt bey diesem Verse auf zwen
Stücke an, auf die Versöhnung, und auf die
Sünden-Schuld, welche durch die Versöhnung
abgethan ist. Bey dem ersten Puncte ist fol-
gendes zu erwegen:

a. Was alhier von der Versöhnung gesaget
wird, das gereichet zur Erläuterung dessen, daß
Christus vorher der Fürsprecher bey dem
Vater
ist genennet worden. Denn damit
wird angezeiget, worauf es bey seiner Fürspra-
che angekommen sey, nemlich nicht auf eine
blosse mit Worten geschehene Fürbitte, sondern
auf eine wirckliche Genugthuung.
b. Das Vorbild lieget davon in dem Levitischen
Priesterthum, als darinnen es die Priester
mit lauter versöhnen zu thun hatten, sonder-
lich der hohe an dem jährlichen hohen Feste,
welches von der Versöhnung seinen eigenen
Namen hatte und 3 B. Mos. 16. beschrieben
wird. Davon es auch c. 23, 18. heißt: Dieser
ist der Versöhn-Tag, da ihr versöhnet
werdet vor dem HErrn eurem GOTT.

Wie denn auch der Ort, wo die Versöhnung
geschahe, nemlich der Deckel über der Lade des
Bundes, welcher mit seinen zu beyden Seiten
in die Höhe gerichteten Cherubim den Thron
GOttes formirte, ilasterion genennet wurde;
und von Luthero durch Gnaden-Stuhl
übersetzet ist. Siehe 2 B. Mos. 25, 17. u. f.
3 B. Mos. 16, 2. 13. u. f.
e. Das Gegenbild ist mit solchem Nachdrucke
in Christo, daß er daher ein solcher Versöhner
genennet wird, der die Versöhnung selbst ist,
und sie mit sich selbst und durch sich selbst ge-
machet, und sie vollendet hat am Tage seines
Todes am Creutze, welcher durch jenen hohen
Versöhnungs-Tag war repraesentiret wor-
den. Darum Paulus Röm. 3, 24. 25. spricht:
Wir werden ohne Verdienst gerecht aus
seiner
(GOttes) Gnade, durch die Erlö-
sung, so durch JEsum Christum gesche-
hen ist: Welchen GOtt hat vorgestel-
let zu einem Gnaden-Stuhl, durch den
Glauben in seinem Blute
u. f. Siehe auch
2 Cor. 5, 18. Col. 1, 20. 1 Joh. 10, 10. 14. Gal.
3, 13. c. 4, 5. Eph. 1, 7.

2. Was das andere Stück betrift, so sind
davon folgende Puncte zu erwegen.

a. Die Versöhnung ist eigentlich bey GOtt
dem Vater,
als gerechten Richter, geschehen,
also daß desselben unwandelbarer Gerechtig-
keit dadurch ein Genügen geschehen ist: gleich-
wie es vorher heißt, daß Christus sey der Für-
sprecher bey dem Vater.
Und also ist ei-
[Spaltenumbruch] gentlich der Vater selbst versöhnet. Welcher
doch aber, in so fern er den Sohn zur Versöh-
nung hat in die Welt gesandt, die Welt mit
ihm selber in Christo versöhnet hat. 2 Cor.
5, 18.
b. Da nun die richterliche Gerechtigkeit vergnü-
get, oder mit der Genugthuung versöhnet ist,
so ist damit die Versöhnung auch für die Sün-
den, ja für die Sünder selbst geschehen: sinte-
mal das Löse-Geld an ihrer statt gebracht, und
damit ihre Schuld getilget und ihre Strafe
abgethan ist.
c. Der Apostel unterscheidet alhier die Sünden
der Gläubigen von den Sünden der übrigen
gantzen Welt. Und damit unterscheidet er
zugleich die Erwerbung von der Zueignung.
Denn weil diese von vielen tausend Gläubigen
schon gemachet war, jene aber bey ihr zum
Grunde lag, und zu immer mehrer Zueignung
dienete, so spricht er: für unsere Sünde,
nicht allein für die unsere, sondern auch
für der gantzen Welt.

3. Wir haben alhier die Haupt-Lehre
von der allgemeinen, oder auf alle Menschen oh-
ne allen Unterscheid gehenden Versöhnung
Christi wohl zu mercken, und zwar nach folgen-
den Gründen:

a. Hat Christus die Menschen erlöset, so hat er
sie ohn Zweifel alle erlöset, weil sie alle ohne
Unterscheid Sünder sind, und es ihme, sie alle
zu erlösen, unmöglich weder am Vermögen,
noch am guten Willen
kan gefehlet haben.
Davon doch zum wenigsten eines seyn müste,
wofern nicht alle Menschen erlöset worden wä-
ren, aber ohne Verletzung seiner Ehre unmög-
lich gesaget werden kan.
b. Christus ist die Versöhnung für die Sünden
der Welt,
das ist des menschlichen Ge-
schlechts,
welches mit diesem Namen benen-
net zu werden pfleget. Nun findet man nicht
allein keinen eintzigen Ort, da unter dem Na-
men der Welt nur die allerwenigsten Menschen,
nemlich die Auserwehlten, solten verstanden
werden: sondern es kan sich auch davon kein
Ort finden, weil es auch so gar wider die ge-
sunde Vernunft ist, daß man die Benennung
eines Dinges überhaupt von seinem allerge-
ringsten Theile machen solte, da es vielmehr
billig heißt: a potiori sit denominatio.
c. Ob nun gleich dieses Wort, Welt, schon an
sich selbst in der Bezeichnung des gantzen
menschlichen Geschlechts nachdrücklich genug
ist, auch in solchem Verstande unter andern
Joh. 1, 19. gebrauchet wird, da von Christo ste-
het, daß er, als das Lamm GOttes, der Welt
Sünde träget: so ist doch noch zum Uberfluß
das Wort olos, gantze, der gantzen Welt
dazu gesetzet. Gleichwie es davon unten c. 5,
19. heißt: die gantze Welt lieget im Argen.
Und solcher gestalt läßt sich der Verstand so
vielweniger von dem allerwenigsten Theile der
Menschen machen.
d. Dazu kommen die Oerter, daß auch diejeni-
gen, welche Christus erkaufet, oder erlöset
hat,
O o o o

Cap. 2. v. 2. des erſten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] rers von dieſem und dem folgenden Verſe findet
der Leſer im Lateiniſchen Commentario von p.
111. bis 131.

V. 2.

Und derſelbe iſt die Verſoͤhnung fuͤr
unſere Suͤnde, nicht allein aber fuͤr die
unſere, ſondern auch fuͤr der gantzen
Welt.

Anmerckungen.

1. Es koͤmmt bey dieſem Verſe auf zwen
Stuͤcke an, auf die Verſoͤhnung, und auf die
Suͤnden-Schuld, welche durch die Verſoͤhnung
abgethan iſt. Bey dem erſten Puncte iſt fol-
gendes zu erwegen:

a. Was alhier von der Verſoͤhnung geſaget
wird, das gereichet zur Erlaͤuterung deſſen, daß
Chriſtus vorher der Fuͤrſprecher bey dem
Vater
iſt genennet worden. Denn damit
wird angezeiget, worauf es bey ſeiner Fuͤrſpra-
che angekommen ſey, nemlich nicht auf eine
bloſſe mit Worten geſchehene Fuͤrbitte, ſondern
auf eine wirckliche Genugthuung.
b. Das Vorbild lieget davon in dem Levitiſchen
Prieſterthum, als darinnen es die Prieſter
mit lauter verſoͤhnen zu thun hatten, ſonder-
lich der hohe an dem jaͤhrlichen hohen Feſte,
welches von der Verſoͤhnung ſeinen eigenen
Namen hatte und 3 B. Moſ. 16. beſchrieben
wird. Davon es auch c. 23, 18. heißt: Dieſer
iſt der Verſoͤhn-Tag, da ihr verſoͤhnet
werdet vor dem HErrn eurem GOTT.

Wie denn auch der Ort, wo die Verſoͤhnung
geſchahe, nemlich der Deckel uͤber der Lade des
Bundes, welcher mit ſeinen zu beyden Seiten
in die Hoͤhe gerichteten Cherubim den Thron
GOttes formirte, ίλαϛήριον genennet wurde;
und von Luthero durch Gnaden-Stuhl
uͤberſetzet iſt. Siehe 2 B. Moſ. 25, 17. u. f.
3 B. Moſ. 16, 2. 13. u. f.
e. Das Gegenbild iſt mit ſolchem Nachdrucke
in Chriſto, daß er daher ein ſolcher Verſoͤhner
genennet wird, der die Verſoͤhnung ſelbſt iſt,
und ſie mit ſich ſelbſt und durch ſich ſelbſt ge-
machet, und ſie vollendet hat am Tage ſeines
Todes am Creutze, welcher durch jenen hohen
Verſoͤhnungs-Tag war repræſentiret wor-
den. Darum Paulus Roͤm. 3, 24. 25. ſpricht:
Wir werden ohne Verdienſt gerecht aus
ſeiner
(GOttes) Gnade, durch die Erloͤ-
ſung, ſo durch JEſum Chriſtum geſche-
hen iſt: Welchen GOtt hat vorgeſtel-
let zu einem Gnaden-Stuhl, durch den
Glauben in ſeinem Blute
u. f. Siehe auch
2 Cor. 5, 18. Col. 1, 20. 1 Joh. 10, 10. 14. Gal.
3, 13. c. 4, 5. Eph. 1, 7.

2. Was das andere Stuͤck betrift, ſo ſind
davon folgende Puncte zu erwegen.

a. Die Verſoͤhnung iſt eigentlich bey GOtt
dem Vater,
als gerechten Richter, geſchehen,
alſo daß deſſelben unwandelbarer Gerechtig-
keit dadurch ein Genuͤgen geſchehen iſt: gleich-
wie es vorher heißt, daß Chriſtus ſey der Fuͤr-
ſprecher bey dem Vater.
Und alſo iſt ei-
[Spaltenumbruch] gentlich der Vater ſelbſt verſoͤhnet. Welcher
doch aber, in ſo fern er den Sohn zur Verſoͤh-
nung hat in die Welt geſandt, die Welt mit
ihm ſelber in Chriſto verſoͤhnet hat. 2 Cor.
5, 18.
b. Da nun die richterliche Gerechtigkeit vergnuͤ-
get, oder mit der Genugthuung verſoͤhnet iſt,
ſo iſt damit die Verſoͤhnung auch fuͤr die Suͤn-
den, ja fuͤr die Suͤnder ſelbſt geſchehen: ſinte-
mal das Loͤſe-Geld an ihrer ſtatt gebracht, und
damit ihre Schuld getilget und ihre Strafe
abgethan iſt.
c. Der Apoſtel unterſcheidet alhier die Suͤnden
der Glaͤubigen von den Suͤnden der uͤbrigen
gantzen Welt. Und damit unterſcheidet er
zugleich die Erwerbung von der Zueignung.
Denn weil dieſe von vielen tauſend Glaͤubigen
ſchon gemachet war, jene aber bey ihr zum
Grunde lag, und zu immer mehrer Zueignung
dienete, ſo ſpricht er: fuͤr unſere Suͤnde,
nicht allein fuͤr die unſere, ſondern auch
fuͤr der gantzen Welt.

3. Wir haben alhier die Haupt-Lehre
von der allgemeinen, oder auf alle Menſchen oh-
ne allen Unterſcheid gehenden Verſoͤhnung
Chriſti wohl zu mercken, und zwar nach folgen-
den Gruͤnden:

a. Hat Chriſtus die Menſchen erloͤſet, ſo hat er
ſie ohn Zweifel alle erloͤſet, weil ſie alle ohne
Unterſcheid Suͤnder ſind, und es ihme, ſie alle
zu erloͤſen, unmoͤglich weder am Vermoͤgen,
noch am guten Willen
kan gefehlet haben.
Davon doch zum wenigſten eines ſeyn muͤſte,
wofern nicht alle Menſchen erloͤſet worden waͤ-
ren, aber ohne Verletzung ſeiner Ehre unmoͤg-
lich geſaget werden kan.
b. Chriſtus iſt die Verſoͤhnung fuͤr die Suͤnden
der Welt,
das iſt des menſchlichen Ge-
ſchlechts,
welches mit dieſem Namen benen-
net zu werden pfleget. Nun findet man nicht
allein keinen eintzigen Ort, da unter dem Na-
men der Welt nur die allerwenigſten Menſchen,
nemlich die Auserwehlten, ſolten verſtanden
werden: ſondern es kan ſich auch davon kein
Ort finden, weil es auch ſo gar wider die ge-
ſunde Vernunft iſt, daß man die Benennung
eines Dinges uͤberhaupt von ſeinem allerge-
ringſten Theile machen ſolte, da es vielmehr
billig heißt: a potiori ſit denominatio.
c. Ob nun gleich dieſes Wort, Welt, ſchon an
ſich ſelbſt in der Bezeichnung des gantzen
menſchlichen Geſchlechts nachdruͤcklich genug
iſt, auch in ſolchem Verſtande unter andern
Joh. 1, 19. gebrauchet wird, da von Chriſto ſte-
het, daß er, als das Lamm GOttes, der Welt
Suͤnde traͤget: ſo iſt doch noch zum Uberfluß
das Wort ὄλος, gantze, der gantzen Welt
dazu geſetzet. Gleichwie es davon unten c. 5,
19. heißt: die gantze Welt lieget im Argen.
Und ſolcher geſtalt laͤßt ſich der Verſtand ſo
vielweniger von dem allerwenigſten Theile der
Menſchen machen.
d. Dazu kommen die Oerter, daß auch diejeni-
gen, welche Chriſtus erkaufet, oder erloͤſet
hat,
O o o o
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[657/0659] Cap. 2. v. 2. des erſten Briefes Johannis. rers von dieſem und dem folgenden Verſe findet der Leſer im Lateiniſchen Commentario von p. 111. bis 131. V. 2. Und derſelbe iſt die Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde, nicht allein aber fuͤr die unſere, ſondern auch fuͤr der gantzen Welt. Anmerckungen. 1. Es koͤmmt bey dieſem Verſe auf zwen Stuͤcke an, auf die Verſoͤhnung, und auf die Suͤnden-Schuld, welche durch die Verſoͤhnung abgethan iſt. Bey dem erſten Puncte iſt fol- gendes zu erwegen: a. Was alhier von der Verſoͤhnung geſaget wird, das gereichet zur Erlaͤuterung deſſen, daß Chriſtus vorher der Fuͤrſprecher bey dem Vater iſt genennet worden. Denn damit wird angezeiget, worauf es bey ſeiner Fuͤrſpra- che angekommen ſey, nemlich nicht auf eine bloſſe mit Worten geſchehene Fuͤrbitte, ſondern auf eine wirckliche Genugthuung. b. Das Vorbild lieget davon in dem Levitiſchen Prieſterthum, als darinnen es die Prieſter mit lauter verſoͤhnen zu thun hatten, ſonder- lich der hohe an dem jaͤhrlichen hohen Feſte, welches von der Verſoͤhnung ſeinen eigenen Namen hatte und 3 B. Moſ. 16. beſchrieben wird. Davon es auch c. 23, 18. heißt: Dieſer iſt der Verſoͤhn-Tag, da ihr verſoͤhnet werdet vor dem HErrn eurem GOTT. Wie denn auch der Ort, wo die Verſoͤhnung geſchahe, nemlich der Deckel uͤber der Lade des Bundes, welcher mit ſeinen zu beyden Seiten in die Hoͤhe gerichteten Cherubim den Thron GOttes formirte, ίλαϛήριον genennet wurde; und von Luthero durch Gnaden-Stuhl uͤberſetzet iſt. Siehe 2 B. Moſ. 25, 17. u. f. 3 B. Moſ. 16, 2. 13. u. f. e. Das Gegenbild iſt mit ſolchem Nachdrucke in Chriſto, daß er daher ein ſolcher Verſoͤhner genennet wird, der die Verſoͤhnung ſelbſt iſt, und ſie mit ſich ſelbſt und durch ſich ſelbſt ge- machet, und ſie vollendet hat am Tage ſeines Todes am Creutze, welcher durch jenen hohen Verſoͤhnungs-Tag war repræſentiret wor- den. Darum Paulus Roͤm. 3, 24. 25. ſpricht: Wir werden ohne Verdienſt gerecht aus ſeiner (GOttes) Gnade, durch die Erloͤ- ſung, ſo durch JEſum Chriſtum geſche- hen iſt: Welchen GOtt hat vorgeſtel- let zu einem Gnaden-Stuhl, durch den Glauben in ſeinem Blute u. f. Siehe auch 2 Cor. 5, 18. Col. 1, 20. 1 Joh. 10, 10. 14. Gal. 3, 13. c. 4, 5. Eph. 1, 7. 2. Was das andere Stuͤck betrift, ſo ſind davon folgende Puncte zu erwegen. a. Die Verſoͤhnung iſt eigentlich bey GOtt dem Vater, als gerechten Richter, geſchehen, alſo daß deſſelben unwandelbarer Gerechtig- keit dadurch ein Genuͤgen geſchehen iſt: gleich- wie es vorher heißt, daß Chriſtus ſey der Fuͤr- ſprecher bey dem Vater. Und alſo iſt ei- gentlich der Vater ſelbſt verſoͤhnet. Welcher doch aber, in ſo fern er den Sohn zur Verſoͤh- nung hat in die Welt geſandt, die Welt mit ihm ſelber in Chriſto verſoͤhnet hat. 2 Cor. 5, 18. b. Da nun die richterliche Gerechtigkeit vergnuͤ- get, oder mit der Genugthuung verſoͤhnet iſt, ſo iſt damit die Verſoͤhnung auch fuͤr die Suͤn- den, ja fuͤr die Suͤnder ſelbſt geſchehen: ſinte- mal das Loͤſe-Geld an ihrer ſtatt gebracht, und damit ihre Schuld getilget und ihre Strafe abgethan iſt. c. Der Apoſtel unterſcheidet alhier die Suͤnden der Glaͤubigen von den Suͤnden der uͤbrigen gantzen Welt. Und damit unterſcheidet er zugleich die Erwerbung von der Zueignung. Denn weil dieſe von vielen tauſend Glaͤubigen ſchon gemachet war, jene aber bey ihr zum Grunde lag, und zu immer mehrer Zueignung dienete, ſo ſpricht er: fuͤr unſere Suͤnde, nicht allein fuͤr die unſere, ſondern auch fuͤr der gantzen Welt. 3. Wir haben alhier die Haupt-Lehre von der allgemeinen, oder auf alle Menſchen oh- ne allen Unterſcheid gehenden Verſoͤhnung Chriſti wohl zu mercken, und zwar nach folgen- den Gruͤnden: a. Hat Chriſtus die Menſchen erloͤſet, ſo hat er ſie ohn Zweifel alle erloͤſet, weil ſie alle ohne Unterſcheid Suͤnder ſind, und es ihme, ſie alle zu erloͤſen, unmoͤglich weder am Vermoͤgen, noch am guten Willen kan gefehlet haben. Davon doch zum wenigſten eines ſeyn muͤſte, wofern nicht alle Menſchen erloͤſet worden waͤ- ren, aber ohne Verletzung ſeiner Ehre unmoͤg- lich geſaget werden kan. b. Chriſtus iſt die Verſoͤhnung fuͤr die Suͤnden der Welt, das iſt des menſchlichen Ge- ſchlechts, welches mit dieſem Namen benen- net zu werden pfleget. Nun findet man nicht allein keinen eintzigen Ort, da unter dem Na- men der Welt nur die allerwenigſten Menſchen, nemlich die Auserwehlten, ſolten verſtanden werden: ſondern es kan ſich auch davon kein Ort finden, weil es auch ſo gar wider die ge- ſunde Vernunft iſt, daß man die Benennung eines Dinges uͤberhaupt von ſeinem allerge- ringſten Theile machen ſolte, da es vielmehr billig heißt: a potiori ſit denominatio. c. Ob nun gleich dieſes Wort, Welt, ſchon an ſich ſelbſt in der Bezeichnung des gantzen menſchlichen Geſchlechts nachdruͤcklich genug iſt, auch in ſolchem Verſtande unter andern Joh. 1, 19. gebrauchet wird, da von Chriſto ſte- het, daß er, als das Lamm GOttes, der Welt Suͤnde traͤget: ſo iſt doch noch zum Uberfluß das Wort ὄλος, gantze, der gantzen Welt dazu geſetzet. Gleichwie es davon unten c. 5, 19. heißt: die gantze Welt lieget im Argen. Und ſolcher geſtalt laͤßt ſich der Verſtand ſo vielweniger von dem allerwenigſten Theile der Menſchen machen. d. Dazu kommen die Oerter, daß auch diejeni- gen, welche Chriſtus erkaufet, oder erloͤſet hat, O o o o

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/659>, abgerufen am 24.11.2024.