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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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V. 8. 9. des Briefes Judä.
[Spaltenumbruch] eines, als das andere thun. Das Wort mentoi
kan durch traun, oder gewiß, oder dennoch,
gegeben werden. Träumer nennet er sie theils
von ihrem tiefen Sünden-Schlaf, darinn sie la-
gen, theils von den albernen tollen Einfällen,
die sie von göttlichen Dingen hatten, und den
närrischen Träumen, welche in den vorkommen-
den Dingen gar nicht zusammen hangen, gleich
waren; wie man an den Chimaeren des Simo-
nis magi, und seines Anhanges, sonderlich der
Gnosticorum, wie sie vom Irenaeo nach der
Länge beschrieben werden, mit Verwunderung
ersiehet. Es scheinet aber der Apostel mit dem
Worte Träumer sein Absehen wol mit gerich-
tet zu haben auf das, was den unreinen Men-
schen, nicht wider ihren Willen, sondern nach
demselben, auch im Schlafe zu begegnen pfleget,
da ihre Phantasie von dem, womit sie des Tages
umgegangen, erfüllet bleibet, und zur Unreinig-
keit ausbricht.

2. Paulus gedencket der Befleckungen des
Fleisches und des Geistes, welchen man sich ver-
möge der Evangelischen Verheissungen zu ent-
halten habe 2 Cor. 7, 1. da er denn durch die Be-
fleckungen des Fleisches gröbere, durch die Be-
fleckungen des Geistes aber subtilere Sünden
verstehet. Judas aber verstehet alhier durch
das Fleisch beflecken insonderheit allerhand
Gattungen der also genannten stummen, auch
Sodomitischen Sünden, davon sich vor züchti-
gen Ohren und Augen nicht wol deutlicher re-
den und schreiben läßt. Daß Leute bey der Be-
kenntniß der Christlichen Religion dahin haben
verfallen können, darinn hat man eine recht ent-
setzliche Macht des Satans, als des unreinen
Geistes, zu erkennen. Was dißfalls in man-
chen Klöstern und Stiftern des Off. 11, 8. ge-
dachten geistlichen Sodoms, oder Babylons
von so langen Zeiten her vorgegangen sey, das
ist zum Theil aus den Kirchen-Geschichten durch
viele Erfahrung bekannt, doch nur das aller-
wenigste von dem, was die reinen und heiligen
Augen GOttes sehen.

3. Was von Verachtung der Herr-
schaft
und Verlästerung der Majestäten ge-
saget wird, läßt sich am allerfüglichsten von der
weltlichen Obrigkeit verstehen. Da denn durch
das Wort doxa, doxai, Herrlichkeit das vor-
hergehende Wort von der Herrschaft erläutert
wird; gleichwie das Wort der Lästerung das
von der Verachtung erkläret, und anzeiget, wo-
hin es mit der Verachtung gekommen sey. Und
da der Apostel solche Worte gebrauchet, welche
nicht auf die Personen, sondern auch auf den
obrigkeitlichen Stand selbst gehen, so schliesset
man nicht unbillig daraus, daß sie nicht allein
jenen sondern auch diesem aufsätzig gewesen sind.
Und gleich wie man zu den Zeiten der Reforma-
tion
an der Müntzerischen und Münsterischen
Rotte, und denen ihnen gleich gesinneten auf-
rührischen Bauren die betrübte Exempel des
von Juda alhier beschriebenen grossen Unfugs
gehabt hat: also kan man daraus erkennen, was
es nach des Apostels Anzeige auch schon in der
ersten Kirche für unreine und aufrührische Gei-
[Spaltenumbruch] ster müsse gegeben haben; ob es wol bey ihnen
zu einem förmlichen Aufstande nicht also gekom-
men ist. Es ist aber leichtlich zuerachten, was
solche heillose Menschen der Christlichen Kirche
für einen gehäßigen und scheinbaren Vorwurf
bey den Juden und Heyden gemachet haben.
Eine ausführliche Nachricht giebt uns von ih-
nen, wie sie sich nemlich im andern Seculo her-
vorgethan haben, der schon angeführte alte Kir-
chen-Lehrer Irenaeus. Jm übrigen sind hier-
bey die Anmerckungen über 2 Petr. 2, 10. 11. zu
conferiren.

V. 9.

Michael aber, der Ertz-Engel, da er
mit dem Teufel zanckte, und mit ihm rede-
te über dem Leichnam Mosis, durfte er das
Urtheil der Lästerung nicht fällen, sondern
sprach: der HErr strafe dich!

Anmerckungen.

1. Es ist dieser Ort gar dunckel und daher
ist es schwer den eigentlichen Verstand davon
recht zu treffen: Es kömmt aber zur Erläute-
rung desselben auf folgende Fragen an:

a. Wer der Michael alhier sey?
b. Was der Teufel mit dem Leichnam Mosis
vorgehabt habe?
c. Was Michael der Ertz-Engel wider den
Teufel gethan?
d. Woher diese Geschichte genommen sey?
e. Wozu sie der Connexion nach sey angefüh-
ret worden?

2. Was die erste Frage betrift, so wird
zwar an den Orten, da des Michaels sonst ge-
dacht wird, nemlich Dan. 10, 13. c. 12, 1. und
Off. 12, 7. der Sohn GOttes verstanden, wie
aus denselben gantz klar zu erweisen: alhier a-
ber läßt sich dieses Wort nicht wol von ihm
verstehen, weil von ihm gesaget wird: ouk etol-
mese, er durfte sich nicht unterstehen das
Urtheil der Lästerung zu fällen;
als wel-
ches von dem Sohn GOttes zu sagen sich nicht
schicket. So hat auch Judas den Sohn GOt-
tes im gantzen Briefe mit andern Namen genen-
net, und ist nicht vermuthlich, daß er mit dem
Namen Michaels, als eines Ertz-Engels, auf
ihn habe sehen wollen; zumal da er 1 Thess. 4, 16.
vom Ertz-Engel unterschieden wird, Petrus
auch in dem zum Theil Parallel-Orte 2 Pet. 2,
11. von erschaffenen Engeln redet.

3. Was der Satan mit dem Leibe Mosis
vorhgehabt habe, das läßt sich so gewisse nicht
sagen. Von Mose lesen wir. 5 B. c. 34, 6. daß,
da er gestorben war, GOtt ihn selbst in einem
Thal also begraben, daß niemand sein Grab er-
fahren habe: womit GOtt allem Ansehen nach
der Abgötterey, welche man mit seinem Leibe und
Grabe hätte treiben würden, hat vorbauen wol-
len. Vielleicht mag er ihn auch bald nachhero
wieder erwecket und verkläret in den Himmel ver-
setzet haben, daß er daher bey der Verklärung
Christi hat im verklärten Leibe nebst Elia erschei-
nen können Matth. 17, 3. Da nun GOtt den
Leichnam Mosis durch einen Engel, und zwar ei-
nen Ertz Engel, wie aus diesem Orte zu schliessen

ist,
E e e e e 2

V. 8. 9. des Briefes Judaͤ.
[Spaltenumbruch] eines, als das andere thun. Das Wort μέντοι
kan durch traun, oder gewiß, oder dennoch,
gegeben werden. Traͤumer nennet er ſie theils
von ihrem tiefen Suͤnden-Schlaf, darinn ſie la-
gen, theils von den albernen tollen Einfaͤllen,
die ſie von goͤttlichen Dingen hatten, und den
naͤrriſchen Traͤumen, welche in den vorkommen-
den Dingen gar nicht zuſammen hangen, gleich
waren; wie man an den Chimæren des Simo-
nis magi, und ſeines Anhanges, ſonderlich der
Gnoſticorum, wie ſie vom Irenæo nach der
Laͤnge beſchrieben werden, mit Verwunderung
erſiehet. Es ſcheinet aber der Apoſtel mit dem
Worte Traͤumer ſein Abſehen wol mit gerich-
tet zu haben auf das, was den unreinen Men-
ſchen, nicht wider ihren Willen, ſondern nach
demſelben, auch im Schlafe zu begegnen pfleget,
da ihre Phantaſie von dem, womit ſie des Tages
umgegangen, erfuͤllet bleibet, und zur Unreinig-
keit ausbricht.

2. Paulus gedencket der Befleckungen des
Fleiſches und des Geiſtes, welchen man ſich ver-
moͤge der Evangeliſchen Verheiſſungen zu ent-
halten habe 2 Cor. 7, 1. da er denn durch die Be-
fleckungen des Fleiſches groͤbere, durch die Be-
fleckungen des Geiſtes aber ſubtilere Suͤnden
verſtehet. Judas aber verſtehet alhier durch
das Fleiſch beflecken inſonderheit allerhand
Gattungen der alſo genannten ſtummen, auch
Sodomitiſchen Suͤnden, davon ſich vor zuͤchti-
gen Ohren und Augen nicht wol deutlicher re-
den und ſchreiben laͤßt. Daß Leute bey der Be-
kenntniß der Chriſtlichen Religion dahin haben
verfallen koͤnnen, darinn hat man eine recht ent-
ſetzliche Macht des Satans, als des unreinen
Geiſtes, zu erkennen. Was dißfalls in man-
chen Kloͤſtern und Stiftern des Off. 11, 8. ge-
dachten geiſtlichen Sodoms, oder Babylons
von ſo langen Zeiten her vorgegangen ſey, das
iſt zum Theil aus den Kirchen-Geſchichten durch
viele Erfahrung bekannt, doch nur das aller-
wenigſte von dem, was die reinen und heiligen
Augen GOttes ſehen.

3. Was von Verachtung der Herr-
ſchaft
und Verlaͤſterung der Majeſtaͤten ge-
ſaget wird, laͤßt ſich am allerfuͤglichſten von der
weltlichen Obrigkeit verſtehen. Da denn durch
das Wort δόξα, δόξαι, Herrlichkeit das vor-
hergehende Wort von der Herrſchaft erlaͤutert
wird; gleichwie das Wort der Laͤſterung das
von der Verachtung erklaͤret, und anzeiget, wo-
hin es mit der Verachtung gekommen ſey. Und
da der Apoſtel ſolche Worte gebrauchet, welche
nicht auf die Perſonen, ſondern auch auf den
obrigkeitlichen Stand ſelbſt gehen, ſo ſchlieſſet
man nicht unbillig daraus, daß ſie nicht allein
jenen ſondern auch dieſem aufſaͤtzig geweſen ſind.
Und gleich wie man zu den Zeiten der Reforma-
tion
an der Muͤntzeriſchen und Muͤnſteriſchen
Rotte, und denen ihnen gleich geſinneten auf-
ruͤhriſchen Bauren die betruͤbte Exempel des
von Juda alhier beſchriebenen groſſen Unfugs
gehabt hat: alſo kan man daraus erkennen, was
es nach des Apoſtels Anzeige auch ſchon in der
erſten Kirche fuͤr unreine und aufruͤhriſche Gei-
[Spaltenumbruch] ſter muͤſſe gegeben haben; ob es wol bey ihnen
zu einem foͤrmlichen Aufſtande nicht alſo gekom-
men iſt. Es iſt aber leichtlich zuerachten, was
ſolche heilloſe Menſchen der Chriſtlichen Kirche
fuͤr einen gehaͤßigen und ſcheinbaren Vorwurf
bey den Juden und Heyden gemachet haben.
Eine ausfuͤhrliche Nachricht giebt uns von ih-
nen, wie ſie ſich nemlich im andern Seculo her-
vorgethan haben, der ſchon angefuͤhrte alte Kir-
chen-Lehrer Irenæus. Jm uͤbrigen ſind hier-
bey die Anmerckungen uͤber 2 Petr. 2, 10. 11. zu
conferiren.

V. 9.

Michael aber, der Ertz-Engel, da er
mit dem Teufel zanckte, und mit ihm rede-
te uͤber dem Leichnam Moſis, durfte er das
Urtheil der Laͤſterung nicht faͤllen, ſondern
ſprach: der HErr ſtrafe dich!

Anmerckungen.

1. Es iſt dieſer Ort gar dunckel und daher
iſt es ſchwer den eigentlichen Verſtand davon
recht zu treffen: Es koͤmmt aber zur Erlaͤute-
rung deſſelben auf folgende Fragen an:

a. Wer der Michael alhier ſey?
b. Was der Teufel mit dem Leichnam Moſis
vorgehabt habe?
c. Was Michael der Ertz-Engel wider den
Teufel gethan?
d. Woher dieſe Geſchichte genommen ſey?
e. Wozu ſie der Connexion nach ſey angefuͤh-
ret worden?

2. Was die erſte Frage betrift, ſo wird
zwar an den Orten, da des Michaels ſonſt ge-
dacht wird, nemlich Dan. 10, 13. c. 12, 1. und
Off. 12, 7. der Sohn GOttes verſtanden, wie
aus denſelben gantz klar zu erweiſen: alhier a-
ber laͤßt ſich dieſes Wort nicht wol von ihm
verſtehen, weil von ihm geſaget wird: οὐκ ἐτόλ-
μησε, er durfte ſich nicht unterſtehen das
Urtheil der Laͤſterung zu faͤllen;
als wel-
ches von dem Sohn GOttes zu ſagen ſich nicht
ſchicket. So hat auch Judas den Sohn GOt-
tes im gantzen Briefe mit andern Namen genen-
net, und iſt nicht vermuthlich, daß er mit dem
Namen Michaels, als eines Ertz-Engels, auf
ihn habe ſehen wollen; zumal da er 1 Theſſ. 4, 16.
vom Ertz-Engel unterſchieden wird, Petrus
auch in dem zum Theil Parallel-Orte 2 Pet. 2,
11. von erſchaffenen Engeln redet.

3. Was der Satan mit dem Leibe Moſis
vorhgehabt habe, das laͤßt ſich ſo gewiſſe nicht
ſagen. Von Moſe leſen wir. 5 B. c. 34, 6. daß,
da er geſtorben war, GOtt ihn ſelbſt in einem
Thal alſo begraben, daß niemand ſein Grab er-
fahren habe: womit GOtt allem Anſehen nach
der Abgoͤtterey, welche man mit ſeinem Leibe und
Grabe haͤtte treiben wuͤrden, hat vorbauen wol-
len. Vielleicht mag er ihn auch bald nachhero
wieder erwecket und verklaͤret in den Himmel ver-
ſetzet haben, daß er daher bey der Verklaͤrung
Chriſti hat im verklaͤrten Leibe nebſt Elia erſchei-
nen koͤnnen Matth. 17, 3. Da nun GOtt den
Leichnam Moſis durch einen Engel, und zwar ei-
nen Ertz Engel, wie aus dieſem Orte zu ſchlieſſen

iſt,
E e e e e 2
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[773/0773] V. 8. 9. des Briefes Judaͤ. eines, als das andere thun. Das Wort μέντοι kan durch traun, oder gewiß, oder dennoch, gegeben werden. Traͤumer nennet er ſie theils von ihrem tiefen Suͤnden-Schlaf, darinn ſie la- gen, theils von den albernen tollen Einfaͤllen, die ſie von goͤttlichen Dingen hatten, und den naͤrriſchen Traͤumen, welche in den vorkommen- den Dingen gar nicht zuſammen hangen, gleich waren; wie man an den Chimæren des Simo- nis magi, und ſeines Anhanges, ſonderlich der Gnoſticorum, wie ſie vom Irenæo nach der Laͤnge beſchrieben werden, mit Verwunderung erſiehet. Es ſcheinet aber der Apoſtel mit dem Worte Traͤumer ſein Abſehen wol mit gerich- tet zu haben auf das, was den unreinen Men- ſchen, nicht wider ihren Willen, ſondern nach demſelben, auch im Schlafe zu begegnen pfleget, da ihre Phantaſie von dem, womit ſie des Tages umgegangen, erfuͤllet bleibet, und zur Unreinig- keit ausbricht. 2. Paulus gedencket der Befleckungen des Fleiſches und des Geiſtes, welchen man ſich ver- moͤge der Evangeliſchen Verheiſſungen zu ent- halten habe 2 Cor. 7, 1. da er denn durch die Be- fleckungen des Fleiſches groͤbere, durch die Be- fleckungen des Geiſtes aber ſubtilere Suͤnden verſtehet. Judas aber verſtehet alhier durch das Fleiſch beflecken inſonderheit allerhand Gattungen der alſo genannten ſtummen, auch Sodomitiſchen Suͤnden, davon ſich vor zuͤchti- gen Ohren und Augen nicht wol deutlicher re- den und ſchreiben laͤßt. Daß Leute bey der Be- kenntniß der Chriſtlichen Religion dahin haben verfallen koͤnnen, darinn hat man eine recht ent- ſetzliche Macht des Satans, als des unreinen Geiſtes, zu erkennen. Was dißfalls in man- chen Kloͤſtern und Stiftern des Off. 11, 8. ge- dachten geiſtlichen Sodoms, oder Babylons von ſo langen Zeiten her vorgegangen ſey, das iſt zum Theil aus den Kirchen-Geſchichten durch viele Erfahrung bekannt, doch nur das aller- wenigſte von dem, was die reinen und heiligen Augen GOttes ſehen. 3. Was von Verachtung der Herr- ſchaft und Verlaͤſterung der Majeſtaͤten ge- ſaget wird, laͤßt ſich am allerfuͤglichſten von der weltlichen Obrigkeit verſtehen. Da denn durch das Wort δόξα, δόξαι, Herrlichkeit das vor- hergehende Wort von der Herrſchaft erlaͤutert wird; gleichwie das Wort der Laͤſterung das von der Verachtung erklaͤret, und anzeiget, wo- hin es mit der Verachtung gekommen ſey. Und da der Apoſtel ſolche Worte gebrauchet, welche nicht auf die Perſonen, ſondern auch auf den obrigkeitlichen Stand ſelbſt gehen, ſo ſchlieſſet man nicht unbillig daraus, daß ſie nicht allein jenen ſondern auch dieſem aufſaͤtzig geweſen ſind. Und gleich wie man zu den Zeiten der Reforma- tion an der Muͤntzeriſchen und Muͤnſteriſchen Rotte, und denen ihnen gleich geſinneten auf- ruͤhriſchen Bauren die betruͤbte Exempel des von Juda alhier beſchriebenen groſſen Unfugs gehabt hat: alſo kan man daraus erkennen, was es nach des Apoſtels Anzeige auch ſchon in der erſten Kirche fuͤr unreine und aufruͤhriſche Gei- ſter muͤſſe gegeben haben; ob es wol bey ihnen zu einem foͤrmlichen Aufſtande nicht alſo gekom- men iſt. Es iſt aber leichtlich zuerachten, was ſolche heilloſe Menſchen der Chriſtlichen Kirche fuͤr einen gehaͤßigen und ſcheinbaren Vorwurf bey den Juden und Heyden gemachet haben. Eine ausfuͤhrliche Nachricht giebt uns von ih- nen, wie ſie ſich nemlich im andern Seculo her- vorgethan haben, der ſchon angefuͤhrte alte Kir- chen-Lehrer Irenæus. Jm uͤbrigen ſind hier- bey die Anmerckungen uͤber 2 Petr. 2, 10. 11. zu conferiren. V. 9. Michael aber, der Ertz-Engel, da er mit dem Teufel zanckte, und mit ihm rede- te uͤber dem Leichnam Moſis, durfte er das Urtheil der Laͤſterung nicht faͤllen, ſondern ſprach: der HErr ſtrafe dich! Anmerckungen. 1. Es iſt dieſer Ort gar dunckel und daher iſt es ſchwer den eigentlichen Verſtand davon recht zu treffen: Es koͤmmt aber zur Erlaͤute- rung deſſelben auf folgende Fragen an: a. Wer der Michael alhier ſey? b. Was der Teufel mit dem Leichnam Moſis vorgehabt habe? c. Was Michael der Ertz-Engel wider den Teufel gethan? d. Woher dieſe Geſchichte genommen ſey? e. Wozu ſie der Connexion nach ſey angefuͤh- ret worden? 2. Was die erſte Frage betrift, ſo wird zwar an den Orten, da des Michaels ſonſt ge- dacht wird, nemlich Dan. 10, 13. c. 12, 1. und Off. 12, 7. der Sohn GOttes verſtanden, wie aus denſelben gantz klar zu erweiſen: alhier a- ber laͤßt ſich dieſes Wort nicht wol von ihm verſtehen, weil von ihm geſaget wird: οὐκ ἐτόλ- μησε, er durfte ſich nicht unterſtehen das Urtheil der Laͤſterung zu faͤllen; als wel- ches von dem Sohn GOttes zu ſagen ſich nicht ſchicket. So hat auch Judas den Sohn GOt- tes im gantzen Briefe mit andern Namen genen- net, und iſt nicht vermuthlich, daß er mit dem Namen Michaels, als eines Ertz-Engels, auf ihn habe ſehen wollen; zumal da er 1 Theſſ. 4, 16. vom Ertz-Engel unterſchieden wird, Petrus auch in dem zum Theil Parallel-Orte 2 Pet. 2, 11. von erſchaffenen Engeln redet. 3. Was der Satan mit dem Leibe Moſis vorhgehabt habe, das laͤßt ſich ſo gewiſſe nicht ſagen. Von Moſe leſen wir. 5 B. c. 34, 6. daß, da er geſtorben war, GOtt ihn ſelbſt in einem Thal alſo begraben, daß niemand ſein Grab er- fahren habe: womit GOtt allem Anſehen nach der Abgoͤtterey, welche man mit ſeinem Leibe und Grabe haͤtte treiben wuͤrden, hat vorbauen wol- len. Vielleicht mag er ihn auch bald nachhero wieder erwecket und verklaͤret in den Himmel ver- ſetzet haben, daß er daher bey der Verklaͤrung Chriſti hat im verklaͤrten Leibe nebſt Elia erſchei- nen koͤnnen Matth. 17, 3. Da nun GOtt den Leichnam Moſis durch einen Engel, und zwar ei- nen Ertz Engel, wie aus dieſem Orte zu ſchlieſſen iſt, E e e e e 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 773. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/773>, abgerufen am 24.11.2024.