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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des ersten Briefes Pauli Cap. 1. v. 3.
[Spaltenumbruch] nige Zeit zu setzen, da Paulus nach seiner ersten
Gefangenschaft von Rom wider nach Orient und
Griechenland gekommen ist; wie er den Gemei-
nen in Orient und Griechenland in den an sie ge-
schriebenen Briefen, nemlich in dem an die He-
bräer, auch an die Philipper und Colosser, und
in dem an den Philemonem zu Colossen dazu ge-
wisse Hoffnung gemachet hatte, von welcher Zeit
die obige historische Nachricht von Timotheo
und diesem Briefe, wie auch oben die Lebens-
Beschreibung Pauli samt der Chronologischen
Ordnung der Episteln kan nachgelesen werden.

2. Es geben einige auch vor, als sey Ti-
motheus zum ersten Bischoffe der Gemeine zu
Ephesus gesetzet worden: allein es ist eine gantz
ausgemachte Sache, daß zu der Apostel Zeiten
die Bischöffe und Aeltesten der Kirchen, oder
ihre Hirten und Lehrer, einerley Personen gewe-
sen sind: wie wir auch hernach im dritten Ca-
pitel sehen werden. Da nun die Ephesinische
Gemeine schon vorher ihre ordentlichen Lehrer
gehabt hat; wie Ap. Gesch. 20, 17. 18. zu erse-
hen ist; so ist Timotheus darinnen weder als der
erste, noch als ein den andern surrogirter
Bischoff bestellet worden, sondern, da er ein
Evangeliste und Pauli besonderer Gehülfe war,
so ist er von Paulo, vermöge seiner Apostolischen
Auctorität, der Ephesinischen Gemeine zur
aufferordentlichen und besondern Aufsicht vorge-
setzet; da er denn zwar vor andern Lehrern eine
besondere Auctorität, doch aber nicht als Bi-
schoff, sondern als Pauli Vicarius, der seine
Stelle in seiner Abwesenheit auf einige Zeit ver-
treten muste, gehabt hat.

3. Man siehet hieraus, wie bald Pauli
Prophezeyung von der Ephesinischen Gemeine
eingetroffen, da er bey seinem Abschiede zu dero-
selben nach Mileto berufenen Aeltesten Ap. Ges.
20, 29. 30. sagte: Das weiß ich, daß nach
meinem Abschiede werden unter euch kom-
men greuliche Wölfe, die der Heerde nicht
verschonen,
u. s. w.

4. Das eterodidaskalei~n, anders lehren,
welches zu verhindern Timotheus zu Ephesus
gelassen war, geschahe theils also, daß gantz
andere oder fremde und unrichtige Lehren vor-
getragen, oder der reinen Lehre mit unterscho-
ben wurden; theils zwar eben dieselbe von Pau-
lo der Gemeine übergebene Lehren, aber doch
nicht in ihrer Lauterkeit, ohne allen Zusatz oder
Verkürtzung, oder andere Veränderung be-
halten und vorgetragen wurden. Und also be-
stunde die heterodidascalia darinnen, daß
man theils alia, theils zwar eadem, aber aliter
lehrete: wie denn auch die beste und richtigste
Lehre, wenn sie nicht in ihrer richtigen Ord-
nung und Application zum Vortrage kommt,
auf eine gewisse Art zu einer heterodidascalia,
oder andern und unrichtigen Lehre wird; welches
Lehrer wohl zu mercken haben. Wie sehr Pau-
lus auf die lautere Lehre des Evangelii gehalten,
(welches einer mit von den Haupt-Characteri-
bus
eines rechtschaffenen Lehrers ist,) davon sehe
man, ausser diesen und noch viel andern Stellen,
sonderlich den Ort Gal. 1, 6. 7.

[Spaltenumbruch]

5. Reine Lehre und ein gottseliges Le-
ben
müssen von Rechtswegen immer zusammen
stehen, denn ohne eine in ihren Haupt-Stü-
cken reine Lehre findet kein gottseliges Leben statt:
und ohne ein gottseliges Leben wird die Reinig-
keit der Lehre nicht also bewahret, daß sie auch
alle Zeit zu einem lautern und kräftigen Vortrag
und zur gehörigen Application komme.

6. Das anders lehren solte Timotheus
verbieten, und also dagegen in der von Paulo
ihme aufgetragenen besondern Auctorität mit
rechtem Ernst und Nachdruck zeugen; und ob-
gleich Paulus dieses dem Timotheo, wie er hier-
mit anzeiget, bereits mündlich aufgetragen hat-
te, darinnen ihm auch mit seinem Exempel vor-
gegangen war, wie leichtlich zu erachten ist: so
wiederholet er es doch schriftlich, um ihn da-
durch gegen die irrigen Lehrer in die gehörige
Auctorität zu setzen.

7. Wie aber Timotheus das Verbieten
verrichten solle und könne, das überläßt er sei-
ner Weisheit nach dem Grunde der ihm bey-
wohnenden Salbung; da er denn solches, nach
unterschiedener Beschaffenheit der Jrriglehren-
den, dieselbe mit Anführung wichtiger Gründe
zum Theil wird ermahnet und überzeuget, zum
Theil aber bestrafet und widerleget, auch die
Gemeine vor ihnen gewarnet haben. Man con-
ferir
e hiebey 1 Tim. 6, 3. u. f. 2 Tim. 2, 16. u. f.
v. 25. u. f. cap. 4, 2. Tit. 1, 11. 13. c. 2, 15. c. 3.
v. 9. 10. 11.

8. So wohl es gleich um die Apostolische
Kirche gestanden, so hat es ihr doch an leinem
Orte an Aergernissen in der Lehre und im Leben
gefehlet, wie wir aus allen Apostolischen Brie-
sen sehen. Man hat demnach in der Idee von
derselben diese beyden extrema zu meiden: daß
man sich dieselbe weder ohne mancherley Män-
gel und Unvollkommenheit, noch auch in solcher
Corruption, darinnen die Kirche itzo, sonder-
lich nach der Disciplin und dem Leben, an man-
chen Orten auch der Lehre nach, sich befindet,
vorstelle.

9. Jm übrigen ist bey diesem Verse noch
wohl zu mercken, daß darinnen dem Verstande
nach ein und das andere Wort suppliret, oder
un Sinne des Lesers hinzugesetzet werden müsse,
das da nemlich folge auf die Worte: Wie ich
dich ermahnet habe,
- - - Nun kan zwar
gar füglich seyn, daß der Apostel, nach seiner
aus der Fülle seines Hertzens und seines Affects
herrührenden parenthetischen Schreib-Art,
von den Worten dieses Verses, durch eine län-
gere Parenthesin der bis auf den 18ten Vers
gesetzten Verse abgehe, und die apodosin,
oder Ergäntzung des sensus im gedachten 18ten
Vers mache; zumal da er das Wort Gebot
wiederholet, und spricht: Dis Gebot befehl
ich dir,
u. s. w. als wolte er sagen: gleichwie ich
dich mündlich ermahnet habe, daß du gebötest
nicht anders zu lehren: also wiederhole und thue
ich nun auch schriftlich solche Ermahnung von
dem Gebot oder Verbot irriger Lehre. Man
kan aber auch nicht unfüglich entweder im dritten
Vers vor dem Wörtlein ina, daß, die Wor-

te

Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 3.
[Spaltenumbruch] nige Zeit zu ſetzen, da Paulus nach ſeiner erſten
Gefangenſchaft von Rom wider nach Orient und
Griechenland gekommen iſt; wie er den Gemei-
nen in Orient und Griechenland in den an ſie ge-
ſchriebenen Briefen, nemlich in dem an die He-
braͤer, auch an die Philipper und Coloſſer, und
in dem an den Philemonem zu Coloſſen dazu ge-
wiſſe Hoffnung gemachet hatte, von welcher Zeit
die obige hiſtoriſche Nachricht von Timotheo
und dieſem Briefe, wie auch oben die Lebens-
Beſchreibung Pauli ſamt der Chronologiſchen
Ordnung der Epiſteln kan nachgeleſen werden.

2. Es geben einige auch vor, als ſey Ti-
motheus zum erſten Biſchoffe der Gemeine zu
Epheſus geſetzet worden: allein es iſt eine gantz
ausgemachte Sache, daß zu der Apoſtel Zeiten
die Biſchoͤffe und Aelteſten der Kirchen, oder
ihre Hirten und Lehrer, einerley Perſonen gewe-
ſen ſind: wie wir auch hernach im dritten Ca-
pitel ſehen werden. Da nun die Epheſiniſche
Gemeine ſchon vorher ihre ordentlichen Lehrer
gehabt hat; wie Ap. Geſch. 20, 17. 18. zu erſe-
hen iſt; ſo iſt Timotheus darinnen weder als der
erſte, noch als ein den andern ſurrogirter
Biſchoff beſtellet worden, ſondern, da er ein
Evangeliſte und Pauli beſonderer Gehuͤlfe war,
ſo iſt er von Paulo, vermoͤge ſeiner Apoſtoliſchen
Auctoritaͤt, der Epheſiniſchen Gemeine zur
aufferordentlichen und beſondern Aufſicht vorge-
ſetzet; da er denn zwar vor andern Lehrern eine
beſondere Auctoritaͤt, doch aber nicht als Bi-
ſchoff, ſondern als Pauli Vicarius, der ſeine
Stelle in ſeiner Abweſenheit auf einige Zeit ver-
treten muſte, gehabt hat.

3. Man ſiehet hieraus, wie bald Pauli
Prophezeyung von der Epheſiniſchen Gemeine
eingetroffen, da er bey ſeinem Abſchiede zu dero-
ſelben nach Mileto berufenen Aelteſten Ap. Geſ.
20, 29. 30. ſagte: Das weiß ich, daß nach
meinem Abſchiede werden unter euch kom-
men greuliche Woͤlfe, die der Heerde nicht
verſchonen,
u. ſ. w.

4. Das ἐτεροδιδασκαλει῀ν, anders lehren,
welches zu verhindern Timotheus zu Epheſus
gelaſſen war, geſchahe theils alſo, daß gantz
andere oder fremde und unrichtige Lehren vor-
getragen, oder der reinen Lehre mit unterſcho-
ben wurden; theils zwar eben dieſelbe von Pau-
lo der Gemeine uͤbergebene Lehren, aber doch
nicht in ihrer Lauterkeit, ohne allen Zuſatz oder
Verkuͤrtzung, oder andere Veraͤnderung be-
halten und vorgetragen wurden. Und alſo be-
ſtunde die heterodidaſcalia darinnen, daß
man theils alia, theils zwar eadem, aber aliter
lehrete: wie denn auch die beſte und richtigſte
Lehre, wenn ſie nicht in ihrer richtigen Ord-
nung und Application zum Vortrage kommt,
auf eine gewiſſe Art zu einer heterodidaſcalia,
oder andern und unrichtigen Lehre wird; welches
Lehrer wohl zu mercken haben. Wie ſehr Pau-
lus auf die lautere Lehre des Evangelii gehalten,
(welches einer mit von den Haupt-Characteri-
bus
eines rechtſchaffenen Lehrers iſt,) davon ſehe
man, auſſer dieſen und noch viel andern Stellen,
ſonderlich den Ort Gal. 1, 6. 7.

[Spaltenumbruch]

5. Reine Lehre und ein gottſeliges Le-
ben
muͤſſen von Rechtswegen immer zuſammen
ſtehen, denn ohne eine in ihren Haupt-Stuͤ-
cken reine Lehre findet kein gottſeliges Leben ſtatt:
und ohne ein gottſeliges Leben wird die Reinig-
keit der Lehre nicht alſo bewahret, daß ſie auch
alle Zeit zu einem lautern und kraͤftigen Vortrag
und zur gehoͤrigen Application komme.

6. Das anders lehren ſolte Timotheus
verbieten, und alſo dagegen in der von Paulo
ihme aufgetragenen beſondern Auctoritaͤt mit
rechtem Ernſt und Nachdruck zeugen; und ob-
gleich Paulus dieſes dem Timotheo, wie er hier-
mit anzeiget, bereits muͤndlich aufgetragen hat-
te, darinnen ihm auch mit ſeinem Exempel vor-
gegangen war, wie leichtlich zu erachten iſt: ſo
wiederholet er es doch ſchriftlich, um ihn da-
durch gegen die irrigen Lehrer in die gehoͤrige
Auctoritaͤt zu ſetzen.

7. Wie aber Timotheus das Verbieten
verrichten ſolle und koͤnne, das uͤberlaͤßt er ſei-
ner Weisheit nach dem Grunde der ihm bey-
wohnenden Salbung; da er denn ſolches, nach
unterſchiedener Beſchaffenheit der Jrriglehren-
den, dieſelbe mit Anfuͤhrung wichtiger Gruͤnde
zum Theil wird ermahnet und uͤberzeuget, zum
Theil aber beſtrafet und widerleget, auch die
Gemeine vor ihnen gewarnet haben. Man con-
ferir
e hiebey 1 Tim. 6, 3. u. f. 2 Tim. 2, 16. u. f.
v. 25. u. f. cap. 4, 2. Tit. 1, 11. 13. c. 2, 15. c. 3.
v. 9. 10. 11.

8. So wohl es gleich um die Apoſtoliſche
Kirche geſtanden, ſo hat es ihr doch an leinem
Orte an Aergerniſſen in der Lehre und im Leben
gefehlet, wie wir aus allen Apoſtoliſchen Brie-
ſen ſehen. Man hat demnach in der Idee von
derſelben dieſe beyden extrema zu meiden: daß
man ſich dieſelbe weder ohne mancherley Maͤn-
gel und Unvollkommenheit, noch auch in ſolcher
Corruption, darinnen die Kirche itzo, ſonder-
lich nach der Diſciplin und dem Leben, an man-
chen Orten auch der Lehre nach, ſich befindet,
vorſtelle.

9. Jm uͤbrigen iſt bey dieſem Verſe noch
wohl zu mercken, daß darinnen dem Verſtande
nach ein und das andere Wort ſuppliret, oder
un Sinne des Leſers hinzugeſetzet werden muͤſſe,
das da nemlich folge auf die Worte: Wie ich
dich ermahnet habe,
‒ ‒ ‒ Nun kan zwar
gar fuͤglich ſeyn, daß der Apoſtel, nach ſeiner
aus der Fuͤlle ſeines Hertzens und ſeines Affects
herruͤhrenden parenthetiſchen Schreib-Art,
von den Worten dieſes Verſes, durch eine laͤn-
gere Parentheſin der bis auf den 18ten Vers
geſetzten Verſe abgehe, und die apodoſin,
oder Ergaͤntzung des ſenſus im gedachten 18ten
Vers mache; zumal da er das Wort Gebot
wiederholet, und ſpricht: Dis Gebot befehl
ich dir,
u. ſ. w. als wolte er ſagen: gleichwie ich
dich muͤndlich ermahnet habe, daß du geboͤteſt
nicht anders zu lehren: alſo wiederhole und thue
ich nun auch ſchriftlich ſolche Ermahnung von
dem Gebot oder Verbot irriger Lehre. Man
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[78/0080] Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 3. nige Zeit zu ſetzen, da Paulus nach ſeiner erſten Gefangenſchaft von Rom wider nach Orient und Griechenland gekommen iſt; wie er den Gemei- nen in Orient und Griechenland in den an ſie ge- ſchriebenen Briefen, nemlich in dem an die He- braͤer, auch an die Philipper und Coloſſer, und in dem an den Philemonem zu Coloſſen dazu ge- wiſſe Hoffnung gemachet hatte, von welcher Zeit die obige hiſtoriſche Nachricht von Timotheo und dieſem Briefe, wie auch oben die Lebens- Beſchreibung Pauli ſamt der Chronologiſchen Ordnung der Epiſteln kan nachgeleſen werden. 2. Es geben einige auch vor, als ſey Ti- motheus zum erſten Biſchoffe der Gemeine zu Epheſus geſetzet worden: allein es iſt eine gantz ausgemachte Sache, daß zu der Apoſtel Zeiten die Biſchoͤffe und Aelteſten der Kirchen, oder ihre Hirten und Lehrer, einerley Perſonen gewe- ſen ſind: wie wir auch hernach im dritten Ca- pitel ſehen werden. Da nun die Epheſiniſche Gemeine ſchon vorher ihre ordentlichen Lehrer gehabt hat; wie Ap. Geſch. 20, 17. 18. zu erſe- hen iſt; ſo iſt Timotheus darinnen weder als der erſte, noch als ein den andern ſurrogirter Biſchoff beſtellet worden, ſondern, da er ein Evangeliſte und Pauli beſonderer Gehuͤlfe war, ſo iſt er von Paulo, vermoͤge ſeiner Apoſtoliſchen Auctoritaͤt, der Epheſiniſchen Gemeine zur aufferordentlichen und beſondern Aufſicht vorge- ſetzet; da er denn zwar vor andern Lehrern eine beſondere Auctoritaͤt, doch aber nicht als Bi- ſchoff, ſondern als Pauli Vicarius, der ſeine Stelle in ſeiner Abweſenheit auf einige Zeit ver- treten muſte, gehabt hat. 3. Man ſiehet hieraus, wie bald Pauli Prophezeyung von der Epheſiniſchen Gemeine eingetroffen, da er bey ſeinem Abſchiede zu dero- ſelben nach Mileto berufenen Aelteſten Ap. Geſ. 20, 29. 30. ſagte: Das weiß ich, daß nach meinem Abſchiede werden unter euch kom- men greuliche Woͤlfe, die der Heerde nicht verſchonen, u. ſ. w. 4. Das ἐτεροδιδασκαλει῀ν, anders lehren, welches zu verhindern Timotheus zu Epheſus gelaſſen war, geſchahe theils alſo, daß gantz andere oder fremde und unrichtige Lehren vor- getragen, oder der reinen Lehre mit unterſcho- ben wurden; theils zwar eben dieſelbe von Pau- lo der Gemeine uͤbergebene Lehren, aber doch nicht in ihrer Lauterkeit, ohne allen Zuſatz oder Verkuͤrtzung, oder andere Veraͤnderung be- halten und vorgetragen wurden. Und alſo be- ſtunde die heterodidaſcalia darinnen, daß man theils alia, theils zwar eadem, aber aliter lehrete: wie denn auch die beſte und richtigſte Lehre, wenn ſie nicht in ihrer richtigen Ord- nung und Application zum Vortrage kommt, auf eine gewiſſe Art zu einer heterodidaſcalia, oder andern und unrichtigen Lehre wird; welches Lehrer wohl zu mercken haben. Wie ſehr Pau- lus auf die lautere Lehre des Evangelii gehalten, (welches einer mit von den Haupt-Characteri- bus eines rechtſchaffenen Lehrers iſt,) davon ſehe man, auſſer dieſen und noch viel andern Stellen, ſonderlich den Ort Gal. 1, 6. 7. 5. Reine Lehre und ein gottſeliges Le- ben muͤſſen von Rechtswegen immer zuſammen ſtehen, denn ohne eine in ihren Haupt-Stuͤ- cken reine Lehre findet kein gottſeliges Leben ſtatt: und ohne ein gottſeliges Leben wird die Reinig- keit der Lehre nicht alſo bewahret, daß ſie auch alle Zeit zu einem lautern und kraͤftigen Vortrag und zur gehoͤrigen Application komme. 6. Das anders lehren ſolte Timotheus verbieten, und alſo dagegen in der von Paulo ihme aufgetragenen beſondern Auctoritaͤt mit rechtem Ernſt und Nachdruck zeugen; und ob- gleich Paulus dieſes dem Timotheo, wie er hier- mit anzeiget, bereits muͤndlich aufgetragen hat- te, darinnen ihm auch mit ſeinem Exempel vor- gegangen war, wie leichtlich zu erachten iſt: ſo wiederholet er es doch ſchriftlich, um ihn da- durch gegen die irrigen Lehrer in die gehoͤrige Auctoritaͤt zu ſetzen. 7. Wie aber Timotheus das Verbieten verrichten ſolle und koͤnne, das uͤberlaͤßt er ſei- ner Weisheit nach dem Grunde der ihm bey- wohnenden Salbung; da er denn ſolches, nach unterſchiedener Beſchaffenheit der Jrriglehren- den, dieſelbe mit Anfuͤhrung wichtiger Gruͤnde zum Theil wird ermahnet und uͤberzeuget, zum Theil aber beſtrafet und widerleget, auch die Gemeine vor ihnen gewarnet haben. Man con- ferire hiebey 1 Tim. 6, 3. u. f. 2 Tim. 2, 16. u. f. v. 25. u. f. cap. 4, 2. Tit. 1, 11. 13. c. 2, 15. c. 3. v. 9. 10. 11. 8. So wohl es gleich um die Apoſtoliſche Kirche geſtanden, ſo hat es ihr doch an leinem Orte an Aergerniſſen in der Lehre und im Leben gefehlet, wie wir aus allen Apoſtoliſchen Brie- ſen ſehen. Man hat demnach in der Idee von derſelben dieſe beyden extrema zu meiden: daß man ſich dieſelbe weder ohne mancherley Maͤn- gel und Unvollkommenheit, noch auch in ſolcher Corruption, darinnen die Kirche itzo, ſonder- lich nach der Diſciplin und dem Leben, an man- chen Orten auch der Lehre nach, ſich befindet, vorſtelle. 9. Jm uͤbrigen iſt bey dieſem Verſe noch wohl zu mercken, daß darinnen dem Verſtande nach ein und das andere Wort ſuppliret, oder un Sinne des Leſers hinzugeſetzet werden muͤſſe, das da nemlich folge auf die Worte: Wie ich dich ermahnet habe, ‒ ‒ ‒ Nun kan zwar gar fuͤglich ſeyn, daß der Apoſtel, nach ſeiner aus der Fuͤlle ſeines Hertzens und ſeines Affects herruͤhrenden parenthetiſchen Schreib-Art, von den Worten dieſes Verſes, durch eine laͤn- gere Parentheſin der bis auf den 18ten Vers geſetzten Verſe abgehe, und die apodoſin, oder Ergaͤntzung des ſenſus im gedachten 18ten Vers mache; zumal da er das Wort Gebot wiederholet, und ſpricht: Dis Gebot befehl ich dir, u. ſ. w. als wolte er ſagen: gleichwie ich dich muͤndlich ermahnet habe, daß du geboͤteſt nicht anders zu lehren: alſo wiederhole und thue ich nun auch ſchriftlich ſolche Ermahnung von dem Gebot oder Verbot irriger Lehre. Man kan aber auch nicht unfuͤglich entweder im dritten Vers vor dem Woͤrtlein ἵνα, daß, die Wor- te

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/80>, abgerufen am 23.11.2024.