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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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Seit jener Augustkonferenz sind nun vierzehn Jahre
verflossen; eine ganze Generation ist durch die Schule ge-
gangen; welches sind die Resultate? -- Völlig befriedigt,
wenn auch nicht von allen Resultaten, so doch von der
Richtung, welche die höhere Mädchenschule eingeschlagen,
ist nur eine Partei: die an ihr wirkenden akademisch ge-
bildeten Dirigenten und Lehrer. Hören wir nur auf das,
was von ihnen geschrieben und in ihren Versammlungen
gesprochen wird, so befindet sich die höhere Mädchenschule,

entschiedenen Wunsch aussprechen, Lehrerinnen an ihren Oberklassen zu
haben, so sind wir völlig sicher, daß die Behörde, die sich nie principiell
gegen die Anstellung solcher Lehrerinnen geäußert, und die den ernstlichen
Wünschen der Dirigenten stets das weitgehendste Entgegenkommen gezeigt
hat, diesem Wunsche willfahren würde. Und so können wir den Umstand,
daß an den Oberklassen höherer Mädchenschulen fast nur Männer unter-
richten, doch nur der unter den Dirigenten und Lehrern i. a. herrschenden
Richtung zuschreiben.
In einigen Fächern unterrichten nun zwar thatsächlich Lehre-
rinnen durch die ganze Schule, aber diese Fächer sind Handarbeit
und Turnen, mit denen zum Teil sehr tüchtige Kräfte fast die Hälfte
ihrer Zeit ausfüllen müssen, während sie den Fachlehrerinnen, denen sie
sehr zu gönnen wären, entzogen werden. Der Einwand, daß man aus
pädagogischen Gründen wissenschaftlich gebildete Lehrerinnen zu diesen
Stunden benutze, ist ein sonderbarer; wir haben früher nie gehört, daß
man zur Zeit, als es nur Turnlehrer gab, einem wissenschaftlich
gebildeten Lehrer den Turnunterricht aus pädagogischen Gründen als
Nebenbeschäftigung gegeben hätte. Damals, meinen wir, seien vielleicht
pädagogische Bedenken am Platz gewesen; heute, wo wir unsere Mädchen
Turnlehrerinnen anvertrauen können, sind sie gänzlich ungerechtfertigt.
Die Fachlehrerinnen werden dadurch thatsächlich brotlos gemacht, und die
Kraft der wissenschaftlich gebildeten Lehrerinnen wird verschwendet. (Freilich,
nach jetzigem System giebt es ja noch keine volle Verwendung dafür.) Eine
Autorität auf diesem Gebiet, Prof. Dr. Euler, ist noch kürzlich warm für
die Fachlehrerinnen eingetreten. (Die Frau im gemeinnützigen Leben. 1887.
II. Vierteljahrsheft S. 128.) Auch der Schulinspektor der Franckeschen
Stiftungen, U. Dammann, spricht sich entschieden für die Fachlehrerinnen
aus. Was die Beteiligung der Lehrerinnen an dem wissenschaftlichen
Unterricht auf der Oberstufe betrifft, so giebt folgende Übersicht über die
Berliner öffentlichen höheren Mädchenschulen dafür einen Anhaltspunkt.

Seit jener Augustkonferenz sind nun vierzehn Jahre
verflossen; eine ganze Generation ist durch die Schule ge-
gangen; welches sind die Resultate? — Völlig befriedigt,
wenn auch nicht von allen Resultaten, so doch von der
Richtung, welche die höhere Mädchenschule eingeschlagen,
ist nur eine Partei: die an ihr wirkenden akademisch ge-
bildeten Dirigenten und Lehrer. Hören wir nur auf das,
was von ihnen geschrieben und in ihren Versammlungen
gesprochen wird, so befindet sich die höhere Mädchenschule,

entschiedenen Wunsch aussprechen, Lehrerinnen an ihren Oberklassen zu
haben, so sind wir völlig sicher, daß die Behörde, die sich nie principiell
gegen die Anstellung solcher Lehrerinnen geäußert, und die den ernstlichen
Wünschen der Dirigenten stets das weitgehendste Entgegenkommen gezeigt
hat, diesem Wunsche willfahren würde. Und so können wir den Umstand,
daß an den Oberklassen höherer Mädchenschulen fast nur Männer unter-
richten, doch nur der unter den Dirigenten und Lehrern i. a. herrschenden
Richtung zuschreiben.
In einigen Fächern unterrichten nun zwar thatsächlich Lehre-
rinnen durch die ganze Schule, aber diese Fächer sind Handarbeit
und Turnen, mit denen zum Teil sehr tüchtige Kräfte fast die Hälfte
ihrer Zeit ausfüllen müssen, während sie den Fachlehrerinnen, denen sie
sehr zu gönnen wären, entzogen werden. Der Einwand, daß man aus
pädagogischen Gründen wissenschaftlich gebildete Lehrerinnen zu diesen
Stunden benutze, ist ein sonderbarer; wir haben früher nie gehört, daß
man zur Zeit, als es nur Turnlehrer gab, einem wissenschaftlich
gebildeten Lehrer den Turnunterricht aus pädagogischen Gründen als
Nebenbeschäftigung gegeben hätte. Damals, meinen wir, seien vielleicht
pädagogische Bedenken am Platz gewesen; heute, wo wir unsere Mädchen
Turnlehrerinnen anvertrauen können, sind sie gänzlich ungerechtfertigt.
Die Fachlehrerinnen werden dadurch thatsächlich brotlos gemacht, und die
Kraft der wissenschaftlich gebildeten Lehrerinnen wird verschwendet. (Freilich,
nach jetzigem System giebt es ja noch keine volle Verwendung dafür.) Eine
Autorität auf diesem Gebiet, Prof. Dr. Euler, ist noch kürzlich warm für
die Fachlehrerinnen eingetreten. (Die Frau im gemeinnützigen Leben. 1887.
II. Vierteljahrsheft S. 128.) Auch der Schulinspektor der Franckeschen
Stiftungen, U. Dammann, spricht sich entschieden für die Fachlehrerinnen
aus. Was die Beteiligung der Lehrerinnen an dem wissenschaftlichen
Unterricht auf der Oberstufe betrifft, so giebt folgende Übersicht über die
Berliner öffentlichen höheren Mädchenschulen dafür einen Anhaltspunkt.
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[12/0013] Seit jener Augustkonferenz sind nun vierzehn Jahre verflossen; eine ganze Generation ist durch die Schule ge- gangen; welches sind die Resultate? — Völlig befriedigt, wenn auch nicht von allen Resultaten, so doch von der Richtung, welche die höhere Mädchenschule eingeschlagen, ist nur eine Partei: die an ihr wirkenden akademisch ge- bildeten Dirigenten und Lehrer. Hören wir nur auf das, was von ihnen geschrieben und in ihren Versammlungen gesprochen wird, so befindet sich die höhere Mädchenschule, 1) 1) entschiedenen Wunsch aussprechen, Lehrerinnen an ihren Oberklassen zu haben, so sind wir völlig sicher, daß die Behörde, die sich nie principiell gegen die Anstellung solcher Lehrerinnen geäußert, und die den ernstlichen Wünschen der Dirigenten stets das weitgehendste Entgegenkommen gezeigt hat, diesem Wunsche willfahren würde. Und so können wir den Umstand, daß an den Oberklassen höherer Mädchenschulen fast nur Männer unter- richten, doch nur der unter den Dirigenten und Lehrern i. a. herrschenden Richtung zuschreiben. In einigen Fächern unterrichten nun zwar thatsächlich Lehre- rinnen durch die ganze Schule, aber diese Fächer sind Handarbeit und Turnen, mit denen zum Teil sehr tüchtige Kräfte fast die Hälfte ihrer Zeit ausfüllen müssen, während sie den Fachlehrerinnen, denen sie sehr zu gönnen wären, entzogen werden. Der Einwand, daß man aus pädagogischen Gründen wissenschaftlich gebildete Lehrerinnen zu diesen Stunden benutze, ist ein sonderbarer; wir haben früher nie gehört, daß man zur Zeit, als es nur Turnlehrer gab, einem wissenschaftlich gebildeten Lehrer den Turnunterricht aus pädagogischen Gründen als Nebenbeschäftigung gegeben hätte. Damals, meinen wir, seien vielleicht pädagogische Bedenken am Platz gewesen; heute, wo wir unsere Mädchen Turnlehrerinnen anvertrauen können, sind sie gänzlich ungerechtfertigt. Die Fachlehrerinnen werden dadurch thatsächlich brotlos gemacht, und die Kraft der wissenschaftlich gebildeten Lehrerinnen wird verschwendet. (Freilich, nach jetzigem System giebt es ja noch keine volle Verwendung dafür.) Eine Autorität auf diesem Gebiet, Prof. Dr. Euler, ist noch kürzlich warm für die Fachlehrerinnen eingetreten. (Die Frau im gemeinnützigen Leben. 1887. II. Vierteljahrsheft S. 128.) Auch der Schulinspektor der Franckeschen Stiftungen, U. Dammann, spricht sich entschieden für die Fachlehrerinnen aus. Was die Beteiligung der Lehrerinnen an dem wissenschaftlichen Unterricht auf der Oberstufe betrifft, so giebt folgende Übersicht über die Berliner öffentlichen höheren Mädchenschulen dafür einen Anhaltspunkt.

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/13>, abgerufen am 30.04.2024.