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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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geltend macht, stichhaltig seien. Es bleibt uns nun zu
entwickeln, wie wir uns eine solche Ausbildung denken,
und welche äußeren Veranstaltungen wir dafür nötig
halten. Sollen vielleicht endlich, wie sonst schon überall,
so auch in Deutschland den Frauen die Universitäten ge-
öffnet werden? So sehr wir das im Interesse zukünftiger
Ärztinnen wünschen würden, so wenig können wir, wie
schon oben erwähnt, für unsere Mädchenschulen einen Vor-
Das Universitätsstudium
erscheint uns nicht geeignet
für Lehrerinnen; wir wün-
schen vielmehr eigene Vor-
bereitungsanstalten für
dieselben.
teil darin sehen, wenn ein Universitätsstudium zur Vor-
bedingung für die Anstellung von Lehrerinnen an den
Oberklassen gemacht würde. Soll die Lehrerin ihrer Eigen-
art gemäß wirken können, so muß sie eine Bildung er-
halten, die ihrer Eigenart besser angepaßt ist, als die Uni-
versitätsbildung. Den Universitäten ist die Wissenschaft
Selbstzweck, und sie wollen die Befähigung zu der höchsten
Stufe wissenschaftlicher Forschung geben; damit haben un-
sere Lehrerinnen nichts zu thun. So glauben wir, daß es
nötig sein wird, für die Vorbildung von Lehrerinnen be-
sondere Anstalten zu schaffen, sagen wir kurz Hochschulen,
-- da es auch schon Hochschulen für Musik giebt, so wird
der Name nicht zu hochgegriffen erscheinen1). Diese Hoch-
schulen würden wir uns am liebsten nach dem Vorbilde
von Newnham und Girton College mit einem Internat

1) Man ist in dieser Beziehung etwas ängstlich in Deutschland.
Als der Titel "Oberlehrerin" zuerst gelegentlich in Vorschlag gebracht
wurde für Lehrerinnen ersten Grades, wie auch wir sie schaffen wollen, wurde
von Seiten der Lehrer den Frauen so sehr Eitelkeit, Titelsucht etc. vor-
geworfen, daß man sich nur wundern muß, daß sie selbst Titel, die zu
so schlimmen Dingen verführen, nicht längst abgelegt haben. Inzwischen
ist gerade dieser Titel, den wir in unserer ganzen Schrift mit einer ge-
wissen Geflissenheit vermieden haben, ehrenhalber einer Lehrerin ver-
liehen worden; die Behörde muß also die Furcht vor so schlimmen Fol-
gen nicht teilen. Einfacher als durch die Worte Oberlehrerin und
Hochschule für Lehrerinnen kann unseres Erachtens die Stufe über
der Lehrerin zweiten Grades und über dem Seminar nicht be-
zeichnet werden; indessen wir verzichten gern auf den Namen, wenn man
uns nur die Sache giebt.

geltend macht, stichhaltig seien. Es bleibt uns nun zu
entwickeln, wie wir uns eine solche Ausbildung denken,
und welche äußeren Veranstaltungen wir dafür nötig
halten. Sollen vielleicht endlich, wie sonst schon überall,
so auch in Deutschland den Frauen die Universitäten ge-
öffnet werden? So sehr wir das im Interesse zukünftiger
Ärztinnen wünschen würden, so wenig können wir, wie
schon oben erwähnt, für unsere Mädchenschulen einen Vor-
Das Universitätsstudium
erscheint uns nicht geeignet
für Lehrerinnen; wir wün-
schen vielmehr eigene Vor-
bereitungsanstalten für
dieselben.
teil darin sehen, wenn ein Universitätsstudium zur Vor-
bedingung für die Anstellung von Lehrerinnen an den
Oberklassen gemacht würde. Soll die Lehrerin ihrer Eigen-
art gemäß wirken können, so muß sie eine Bildung er-
halten, die ihrer Eigenart besser angepaßt ist, als die Uni-
versitätsbildung. Den Universitäten ist die Wissenschaft
Selbstzweck, und sie wollen die Befähigung zu der höchsten
Stufe wissenschaftlicher Forschung geben; damit haben un-
sere Lehrerinnen nichts zu thun. So glauben wir, daß es
nötig sein wird, für die Vorbildung von Lehrerinnen be-
sondere Anstalten zu schaffen, sagen wir kurz Hochschulen,
— da es auch schon Hochschulen für Musik giebt, so wird
der Name nicht zu hochgegriffen erscheinen1). Diese Hoch-
schulen würden wir uns am liebsten nach dem Vorbilde
von Newnham und Girton College mit einem Internat

1) Man ist in dieser Beziehung etwas ängstlich in Deutschland.
Als der Titel „Oberlehrerin“ zuerst gelegentlich in Vorschlag gebracht
wurde für Lehrerinnen ersten Grades, wie auch wir sie schaffen wollen, wurde
von Seiten der Lehrer den Frauen so sehr Eitelkeit, Titelsucht ꝛc. vor-
geworfen, daß man sich nur wundern muß, daß sie selbst Titel, die zu
so schlimmen Dingen verführen, nicht längst abgelegt haben. Inzwischen
ist gerade dieser Titel, den wir in unserer ganzen Schrift mit einer ge-
wissen Geflissenheit vermieden haben, ehrenhalber einer Lehrerin ver-
liehen worden; die Behörde muß also die Furcht vor so schlimmen Fol-
gen nicht teilen. Einfacher als durch die Worte Oberlehrerin und
Hochschule für Lehrerinnen kann unseres Erachtens die Stufe über
der Lehrerin zweiten Grades und über dem Seminar nicht be-
zeichnet werden; indessen wir verzichten gern auf den Namen, wenn man
uns nur die Sache giebt.
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[58/0059] geltend macht, stichhaltig seien. Es bleibt uns nun zu entwickeln, wie wir uns eine solche Ausbildung denken, und welche äußeren Veranstaltungen wir dafür nötig halten. Sollen vielleicht endlich, wie sonst schon überall, so auch in Deutschland den Frauen die Universitäten ge- öffnet werden? So sehr wir das im Interesse zukünftiger Ärztinnen wünschen würden, so wenig können wir, wie schon oben erwähnt, für unsere Mädchenschulen einen Vor- teil darin sehen, wenn ein Universitätsstudium zur Vor- bedingung für die Anstellung von Lehrerinnen an den Oberklassen gemacht würde. Soll die Lehrerin ihrer Eigen- art gemäß wirken können, so muß sie eine Bildung er- halten, die ihrer Eigenart besser angepaßt ist, als die Uni- versitätsbildung. Den Universitäten ist die Wissenschaft Selbstzweck, und sie wollen die Befähigung zu der höchsten Stufe wissenschaftlicher Forschung geben; damit haben un- sere Lehrerinnen nichts zu thun. So glauben wir, daß es nötig sein wird, für die Vorbildung von Lehrerinnen be- sondere Anstalten zu schaffen, sagen wir kurz Hochschulen, — da es auch schon Hochschulen für Musik giebt, so wird der Name nicht zu hochgegriffen erscheinen 1). Diese Hoch- schulen würden wir uns am liebsten nach dem Vorbilde von Newnham und Girton College mit einem Internat Das Universitätsstudium erscheint uns nicht geeignet für Lehrerinnen; wir wün- schen vielmehr eigene Vor- bereitungsanstalten für dieselben. 1) Man ist in dieser Beziehung etwas ängstlich in Deutschland. Als der Titel „Oberlehrerin“ zuerst gelegentlich in Vorschlag gebracht wurde für Lehrerinnen ersten Grades, wie auch wir sie schaffen wollen, wurde von Seiten der Lehrer den Frauen so sehr Eitelkeit, Titelsucht ꝛc. vor- geworfen, daß man sich nur wundern muß, daß sie selbst Titel, die zu so schlimmen Dingen verführen, nicht längst abgelegt haben. Inzwischen ist gerade dieser Titel, den wir in unserer ganzen Schrift mit einer ge- wissen Geflissenheit vermieden haben, ehrenhalber einer Lehrerin ver- liehen worden; die Behörde muß also die Furcht vor so schlimmen Fol- gen nicht teilen. Einfacher als durch die Worte Oberlehrerin und Hochschule für Lehrerinnen kann unseres Erachtens die Stufe über der Lehrerin zweiten Grades und über dem Seminar nicht be- zeichnet werden; indessen wir verzichten gern auf den Namen, wenn man uns nur die Sache giebt.

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/59>, abgerufen am 21.05.2024.